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Kapitel 3
ОглавлениеWenig später waren sie auf dem großen Pausenhof angekommen. Er war ein großes Gelände, dass nicht nur dem Gymnasium, sondern auch einer Realschule in einem anliegenden Schulgebäude Platz bot.
Man hatte vom Schulhof eine sehr gute Sicht auf das gesamte Schulgebäude. So konnten die Schüler, die sich auf den festgelegten Klassentreffpunkten befanden, sehr gut die schwarzen Rauchwolken aufsteigen sehen. Sie kamen aus einem Klassenraum im vierten Stock.
Die Feuerwehr war inzwischen angekommen. Sie nahmen den Alarm sehr ernst und fuhren mit mehreren Löschfahrzeugen vor. Neben zwei Mannschaftsrüstwagen und einem Tanklöschfahrzeug war unter anderem ein Leiterwagen mitgekommen. Dieses Feuerwehrauto hatte für Jonas schon immer eine besondere Faszination. Einmal hatte er sogar das Glück bei einem Tag der offenen Tür im Korb eines Leiterwagens bis nach ganz oben mitzufahren. Er hatte eine super Aussicht und die Menschen am Boden wurden immer kleiner. Leider war dieser Ausflug wieder viel zu schnell vorbei.
Aber heute war kein Tag der offenen Tür. Hier war der Einsatzgrund nicht so lustig und geplant wie damals. Einige der Feuerwehrmänner rollten die Schläuche aus. Andere zogen sich Atemschutzmasken mit Sauerstoffflaschen über. Es war ein beeindruckendes Schauspiel.
Alle Schüler hofften, dass keiner mehr im Schulgebäude war. Nach kurzer Zeit gingen die Feuerwehrmänner mit den Atemschutzmasken ins Schulgebäude. Es mussten um die fünf oder sechs Feuerwehrmänner gewesen sein. Jonas konnte es nicht so gut erkennen. Schwer und laut atmend waren sie an Jonas vorbeigegangen. Was so eine Ausrüstung wohl wiegen mag?
Der Leiterwagen fuhr näher an das Gebäude heran. Kurz darauf hatten zwei der Feuerwehrmänner Platz in dem Korb gefunden. Nachdem die seitlichen Stützen des Fahrzeugs ausgefahren waren, setzte sich der Korb in Bewegung und wurde mit der Leiter nach oben gefahren. Die Leiter konnte die Höhe des vierten Stocks locker erreichen. Um den Leiterwagen standen weitere Feuerwehrmänner herum. Auf ihrer Kleidung hatten einige Bezeichnungen wie „Zugführer“ und „Fahrzeugführer“. Ständig wurden Lagemeldungen über die Funkgeräte weitergegeben. Jonas konnte aber nichts davon verstehen. Dafür waren sie zu weit von ihm entfernt. Zu gerne hätte er es mitgehört. Aber alle Schüler mussten dort stehen bleiben wo sie waren.
Obwohl Jonas sah, dass einige Schüler der Oberstufe vom Schulhof weggingen, ohne dass es ihre Lehrer bemerkten, sagte Jonas nichts. Dafür war der Einsatz der Feuerwehr viel zu spannend.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen die Feuerwehrmänner wieder aus dem Schulgebäude.
Der Brand war scheinbar nicht so schlimm, denn die ersten zogen sich bereits wieder die Masken vom Kopf. Jonas und seine Klassenkameraden schauten sich verwundert an.
„Was ist denn jetzt los, Frau Wirz?“, fragte eine Klassenkameradin, die wie alle wissen wollte, wie es nun weitergehen würde.
„Ich weiß es nicht genau, Alina“, antwortete sie, „aber ich bin mir sicher, dass wir bald eine Erklärung bekommen werden. Ich werde mal sehen, ob ich den Direktor finde. Ahmed, du als Klassensprecher sorgst dafür, dass die Klasse zusammenbleibt. Jonas, du hilfst ihm dabei. Ich bin gleich wieder zurück.“
Die Klassenlehrerin verschwand in der Masse der Feuerwehrmänner. Es war gar nicht weiter schwierig die Klasse beieinander zu halten. Es starrten sowieso alle wie gebannt auf das Schulgebäude und die Feuerwehr.
Der Rauch, der bisher stark aus einem der Fenster herauskam, wurde merklich weniger. Sicherlich hatten die Feuerwehrmänner das Feuer inzwischen gelöscht. Was wäre wohl bei einem größeren Feuer noch alles geschehen, dachte Jonas.
Seine Gedankenspiele wurden von der Rückkehr der Lehrerin unterbrochen, die wieder auf dem Weg zu ihrer Klasse war.
„So, 6d kommt mal zu mir zusammen!“, rief sie der Klasse zu. Alle Klassenkameraden stellten sich dicht vor der Lehrerin im Halbkreis auf und warteten gespannt, was sie zu berichten hatte.
„Ich habe mit unserem Direktor gesprochen“, fing sie an, „er sagte mir, dass die Schüler der 10c im Chemieunterricht zum Abschluss des Schuljahres noch einige lustige Experimente gemacht haben. Ein Experiment sei dann jedoch außer Kontrolle geraten und habe eine sehr starke Rauchentwicklung erzeugt. Es war also kein Feuer im Haus. Da die Feuerwehr aber sicher gehen will, dass wirklich kein größerer Schaden entstanden ist und wir hier im Schulgebäude nur stören würden, gehen wir jetzt alle gemeinsam und geordnet in Zweierreihe in die Klasse. Dort holen wir Eure Schulranzen. Anschließend gehen wir sofort wieder gemeinsam hier auf unseren Treffpunkt. Verstanden? Also los.“
„Mensch Anton, ich glaube wir haben dann schulfrei“, freute sich Jonas.
„Ja, glaube ich auch“, kicherte Sarah hinter Jonas.
„Das wäre echt super, dann haben wir drei Stunden früher Ferien“, grinste Mia.
Da fiel Jonas ein, dass er den Kuchen noch im Klassenraum hatte. Für die letzte Stunde, wo sie eigentlich Erdkundeunterricht gehabt hätten, hatte der Lehrer gemeinsames Kuchenessen vorgeschlagen. Herr Mülchau, der Erdkundelehrer, wollte dabei einen lustigen Film über die Tierwelt Afrikas zeigen. Jonas hatte sich gleich als erster für die Kuchen gemeldet, da er sehr gerne Kuchen backte. Es gab doch wirklich nichts schöneres, als den fertigen Teig vor dem Gang in den Backofen zu naschen. Ein Traum.
Andere Klassenkameraden hatten sich für Apfelkuchen, Schokoladenkuchen, Muffins und Zitronenkuchen eingetragen. Der Rest der Klasse musste ausreichend Servietten, Teller, Besteck, Getränke und so weiter mitbringen.
Wäre jetzt wirklich Schluss, müsste all das wieder mit nach Hause. Ein bisschen traurig darüber war Jonas natürlich schon. Solche Unterrichtsstunden hatte man schließlich extrem selten. Im Klassenzimmer angekommen machte sich Jonas daran, seine Schulsachen einzuräumen. Sein ganzer Schultisch war noch voll mit Heften und Büchern, die nicht abgegeben werden mussten.
„So, packt nun Eure Sachen ein und schaut nochmal überall nach, ob ihr vielleicht irgendetwas vergessen habt. Das wird jetzt für Euch die letzte Stunde gewesen sein. Ihr werdet danach in Eure Schulferien gehen. Aber wir müssen uns gleich wieder auf dem Schulhof treffen, wie ich es vorhin gesagt habe. Ihr wollt Eure Zeugnisse doch bekommen, oder?“, sagte die Lehrerin mit einem freundlichen Lächeln.
Ein Stöhnen ging durch die Klasse. Die Lehrerin lachte leise.
„Keine Angst. Keiner von Euch ist in diesem Jahr durchgefallen“, beruhigte sie die Klasse und im speziellen diejenigen, die damit gerechnet hatten.
„Puh“, kam es aus Jonas heraus.
Er selbst musste dieses Mal nicht zittern, aber sein bester Freund Paul hatte da ein paar Sorgen mehr. Er hatte dieses Jahr schon drei Fünfen in verschiedenen Fächern geschrieben. Das hatte bei beiden für mächtig viele Horrorszenarien gesorgt. Jonas wollte seinen besten Freund nicht verlieren.
Er hatte eine ähnliche Situation schon bei seiner älteren Schwester Hannah erlebt. Sie war acht Jahre älter als er. Als sie noch in der Schule war, musste ihre damalige beste Freundin sitzen bleiben. Sie hatten anschließend noch eine Weile Kontakt. Nach wenigen Monaten riss der aber ab, weil in der neuen Umgebung andere Kontakte geknüpft wurden.
Das, da war sich Jonas sicher, sollte Paul und ihm nicht passieren. Er hatte dafür extra vor der letzten Arbeit ein paar Stunden Erdkunde mit Paul gebüffelt. Und das bei bestem Fußballwetter, während der Fußball im Garten wartete.
Nachdem alle ihre sieben Sachen zusammengeräumt hatten, warfen sich Paul und Jonas einen siegessicheren Blick zu. Sie hatten es geschafft. Wenn auch nicht immer mit ganz sauberen Methoden. Paul war am Anfang der Sitznachbar von Jonas und so konnten sie bei Klassenarbeiten, natürlich unbemerkt vom Lehrer, wichtige Informationen austauschen. So half jeder dem Anderen. Je nach Fach hatten beide unterschiedliche Stärken. Paul und er waren einfach ein gutes Team. Leider mussten sich alle irgendwann einen neuen Sitznachbarn aussuchen und so kam es, dass nun Anton an der Seite von Jonas saß.
Wieder draußen auf dem Schulhof angekommen und das Zeugnis in der Hand, rannten alle, ohne einen weiteren Blick für die Feuerwehr zu haben, johlend zum Ausgang.