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VORWORT

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Anfang der 80er Jahre, als die Mittelalterszene noch in den Kinderschuhen steckte, besuchte ich als Jugendliche die ersten Mittelaltermärkte. Von nun an ließ mich das Mittelalter nicht mehr los. Mit meinen Freunden nähte ich mir lange Kleider aus Baumwollstoff, polierte Trinkhörner und strickte sogar ein Kettenhemd. Aber langsam kamen mir Zweifel: Gab es das alles wirklich schon im Mittelalter? Und vor allem: Wie haben die Menschen das alles damals gemacht? Jahre später hatte ich meine Begeisterung für die Vergangenheit zum Beruf gemacht. Durch meine Arbeit als Grabungstechnikerin bekam ich Zugang zu echten mittelalterlichen Objekten und ich las eine Vielzahl an archäologischen Büchern. Nun reizte es mich immer mehr, die Gegenstände möglichst originalgetreu selbst nachzubauen. Was fehlte, waren die Anleitungen dafür. Heute wird die Ausrüstung für das „mittelalterliche Leben“ auf Märkten oder in Mittelalter- und Rollenspielläden in reicher Auswahl angeboten. Tatsächlich basieren manche Stücke, wie das Holzschwert, das auf jedem Mittelaltermarkt zu erstehen ist, auf mittelalterlichen Originalen. Das meiste aber ist mehr oder weniger frei erfunden. In der Forschung wird die Messlatte für Authentizität höher gehängt. Mittlerweile gibt es einen ganzen Forschungszweig, die experimentelle Archäologie, die sich unter anderem mit der Rekonstruktion von Alltagsgegenständen beschäftigt, jedes Objekt in möglichst getreuer Art und Weise herstellt und auch ausprobiert. Living History, die „lebendige Geschichte“, und Reenactment, das Nachstellen historischer Szenen, versuchen, sich in die Zeit zurückzuversetzen und das Leben vergangener Epochen wiedererstehen zu lassen.

Die hier zum Nachbau vorgestellten Objekte haben ausschließlich Originale oder zeitgenössische Abbildungen zum Vorbild. Wo kommen diese Originale her? Mittelalterarchäologen führen immer wieder Grabungen in Burgen oder in ländlichen Siedlungen durch. Aber auch in Städten, besonders auf Grabungen im Vorfeld großer Baumaßnahmen, können die Archäologen Gegenstände des täglichen mittelalterlichen Lebens bergen. Die Funde, die uns hier interessieren, weil sie gut nachzuarbeiten sind, bestehen hauptsächlich aus organischen Materialien. Während Objekte aus Keramik oder Knochen große Chancen hatten, die Jahrhunderte im Erdboden relativ unbeschadet zu überstehen, erhalten sich Holz und Leder in unserem Klima nur in feuchtem Boden unter Luftabschluss, wie es etwa in den Brunnen und Kloaken der mittelalterlichen Städte der Fall ist.

Die Werkprojekte in „Mittelalter selbst erleben“ laden jeden, der Spaß am Mittelalter hat, zum Ausprobieren ein: Ob Kinder wissen wollen, wie Brei vom selbstgeschnitzten Holzlöffel schmeckt, Lehrer mit ihren Schülern im Unterricht oder sogar in einer Projektwoche das Mittelalter im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“ wollen oder aber Mitglieder von Mittelaltergruppen oder Living-History-Darsteller ihre Ausrüstung erweitern möchten. Die 37 hier vorgestellten Projekte reichen vom ganz einfachen Accessoire über Gegenstände, die uns in ihrer Einfachheit und Zweckmäßigkeit staunen machen, von Kinderspielzeug über Anregungen und Spiele zum Zeitvertreib bis zur speziellen Ausstattung für Veranstaltungen. So kann jeder in diese spannende Epoche hineinschnuppern, von der wir erstaunlicherweise nur rund 30 Generationen entfernt sind! Der Schwierigkeitsgrad der Projekte ist den Arbeitsanleitungen zu entnehmen, die einfachsten lassen sich schon mit Kindern im Grundschulalter realisieren. Für die anspruchsvollen Objekte, wie etwa den Marktstand, braucht man allerdings schon etwas Erfahrung im Werken. Die meisten Modelle können aber von jedem durchschnittlich begabten Bastler nachgearbeitet werden. Auf Altersangaben habe ich bewusst verzichtet. Jeder kann selbst am besten entscheiden, welche Werkzeuge er verwendet oder seinen Mitbastlern in die Hand gibt. Ein Verbandskasten sollte auf jeden Fall in Reichweite sein.

Mit dem Basteln und dem Gebrauch der Gegenstände können Sie selbst eine kleine Zeitreise ins Mittelalter machen. Und damit vielleicht auch mithelfen, dass alte Handwerkstechniken oder Spiele nicht in Vergessenheit geraten. In Museen, in Fund- und Ausstellungskatalogen gibt es noch viel mehr Mittelalterliches zu entdecken, das zum Nacharbeiten einlädt! Ich würde mich freuen, wenn ich Sie mit meiner Begeisterung für die Archäologie anstecken könnte.

Mein herzlicher Dank gilt allen, die mich mit Literatur, Fotos und so ungewöhnlichen Bastelmaterialien wie Rinderfüßen oder Pferdeknochen versorgt haben. Dank auch an meine Models, an mein Familienteam fürs Ausprobieren und Mitbasteln, für Fotoassistenz und Geduld.

Weitere Informationen über mich und dieses Buch finden Sie auf meiner Homepage www.ausgraeberei.de.

Doris Fischer

Krefeld, im August 2009

Mittelalter selbst erleben!

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