Читать книгу Über die Trunksucht und eine rationelle Heilmethode derselben Alkoholabhängigkeit im 19. Jahrhundert - Dr. C. von Brühl-Cramer - Страница 5
Vorrede Autor:
ОглавлениеIndem ich über einen, bis jetzt von patalogisch- therapeutischer Seite unberührten Gegenstand schreibe, bin ich zugleich überzeugt, dass Kunstverständige die Beurteilung dieser Blätter mit Nachsicht verbinden werden; denn eine Sache der Vollkommenheit genähert darzustellen, war doch niemals das Resultat der Bemühungen eines einzigen Menschen.
(Der Autor meint nachträglich hierzu: Oder richtiger: über einen für unberührt gehaltenen Gegenstand – denn schon vor mehreren Jahrzehnten hat dem physischen Ursprunge der Besoffenheit Hofrat Nicolat zu Jena eine „Dissertation gehalten.“ Siehe Walchs philosophisches Lexicon Artikel Trunkenheit. Es wäre Sehnlichts zu Wünschen, dass wenigstens das Wesentliche dieser vergessenen Schrift von Männern, die ihrer habhaft werden können, wieder bekannt gemacht würde).
Zwar könnte ich diese Schriften den Wünschen noch um etwas entsprechender liefern, nur müsste ich für diesen Fall mit der Bekanntmachung derselben noch längere Zeit säumen. Aber der lebhaftere Wunsch zum allgemeinen Besten bald meiniges beizutragen, bewog mich, sobald ich eine Anzahl Erfahrungen, die so als Richtschnur gelten konnten, gesammelt hatte, solche sofort öffentlich bekannt werden zu lassen.
Die nachfolgenden Blätter enthalten also das Resultat einer großen Anzahl Beobachtungen, so wie auch einzelne Beobachtungen, die indessen öfter noch unvollendet erscheinen, und zwar zum Teil noch aus dem Grunde, weil das Ambulierende der Praxis, oder vielmehr der zu Heilenden, zur Vollendung derselben mannigfaltige Hindernisse entgegen stellte; daher war ich nicht selten genötigt, mich zweifelnd auszudrücken; aber solche, wenn gleich noch nicht vollkommen erwiesene Umstände gänzlich zu verschweigen, durfte aus triftigen Gründen nicht in meinem Plane liegen.
Ferner wird man finden, dass ich manche Erfahrung nicht in die gehörige Verbindung mit andern gesetzt, und sie nicht zu gehörigen Folgerungen benutzt habe; davon war der Grund, dass solche von mir nach der Bearbeitung oder Umarbeitung dieser Blätter gemacht wurden.
Aber auch in Hinsicht mancher hin und wieder ausgesprochenen theoretischen Ansicht hoffe ich, dass man die Regeln der Billigkeit gelten lassen wird, d.h., man wird sie genehmigen, wenn sie sich erweisen lassen, oder eine Wahrscheinlichkeit für sich haben, man wird sie aber auch, wenn das Gegenteil stattfinden sollte, nach geführtem Beweise und als falsch geradezu verwerfen; denn das Letztere ist doch das einzig billige und nicht schnell genug zuerkannte Los jeder unrichtigen Ansicht, und wer seine Meinung ungern angetastet siehet, stehet mit der edelsten Wissenschaft unstreitig in sehr unrichtigem Verhältnisse.
Ich wählte zur Bezeichnung der zu schildernden Krankheit das Wort Trunksucht. Wenn mit dem Worte Trunk, außer dem Hauptbegriffe, noch jener Begriff verbunden zu werden pflegt, der durch den übermäßigen Genuss berauschender Getränke bestimmt wird, so ist der gewählte Ausdruck ohne besondere Erklärung verständlich. Diese Schrift habe ich für jedermann nutzbar zu machen gesucht, und ich erachte, dass eine umständlichere und allgemeiner verbreitete Kenntnis alles dessen, was nur einigermaßen mit dem Genusse berauschender Getränke in ursächlicher Verbindung stehet, am wirksamsten zur Verhütung oder wenigstens Verminderung des immer häufiger werdenden Übels der Trunksucht beitragen kann.
Kann man wohl zweifeln, dass eine umständlichere Kenntnis der verderblichen Folgen der Trunksucht, eine Kenntnis der Umstände, wodurch diese Krankheit erregt wird, und die Kenntnis der zu beobachtenden Regeln, um sich wider dieselbe zu bewahren, einen Menschen nicht an den Pfad des Wohlverhaltens binden werde? Alle solche Forderungen habe ich in vorliegender Schrift zu erfüllen, und das hierauf Abzweckende auf eine deutliche Weise mitzuteilen gesucht.
Bei dieser Gelegenheit muss ich noch diejenigen Herren sehr um Verzeihung bitten, die aus verschiedenen Gegenden Russlands, so wie auch des Auslandes, schriftliche Ansuchen, den vorliegenden Gegenstand betreffend, an mich richteten, und welchen zu antworten meine vielfältigen Geschäfte nicht erlaubten; auch wird ein solches Stillschweigen durch die, seit den frühesten Zuschriften beabsichtigte, Bekanntmachung dieser Blätter noch mehr entschuldiget.
Moskwa den 9ten Januar 1819.
C. von Brühl- Cramer