Читать книгу Warum ist das so schwer? - Dustin Kreutzburg - Страница 7
Die Kür
ОглавлениеDie Luft um sechs Uhr morgens ist eine besondere. Sie ist noch so rein und frisch. Ich sauge meine Lungenflügel voll damit als ich die Tankstelle verlasse und mache mich auf den Weg. Die Welt ist noch so friedlich um diese Uhrzeit. Kaum jemand ist auf den Straßen, es ist still und das Licht wirft sein unschuldiges Antlitz auf die Umgebung. Ich fühle mich wohl. Ich stehe noch eine Weile auf der Stelle und genieße den Moment. Mir stellt sich eine Frage auf die ich sofort eine Antwort weiß. Gehe ich nach Hause oder gebe ich mich dieser wohligen Stimmung, die mich in Watte packt hin? Meine Entscheidung ist schnell gefällt. Ich bleibe noch ein wenig und weiß genau wo ich hin will. Ich habe diesen Ort schon mal gesehen, ich habe auch schon von ihm gehört und er ist hier ganz in der Nähe. Das Meer. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie am Meer und jetzt lebe ich hier. Obwohl man nicht in der Brandung steht, kann man es in der Luft riechen und schmecken. Diese salzige, kühle Spur kriecht in meine Nase und ich versuche sie zu bewahren. Es fühlt sich verdammt gut an zu atmen. Nach einer halben Stunde Fußmarsch sehe ich die ersten Masten der Boote, wie sie seicht im Wind hin und her schaukeln. Ich merke wie ich dem Wasser immer näher komme. Weitere zehn Minuten später kann ich es endlich sehen. Die weiße Gischt prescht Richtung Felsen und Strand. Diese Schönheit fesselt mich sofort. Ich gehe weiter. Das Einzige was ich höre ist das Rauschen der Wellen und eine paar Möwen, die über der tosenden Brandung ihre Kreise ziehen und Ausschau nach Futter halten. Es bietet sich mir eine abgeschiedene, in sich vollkommen eigenständige und nicht in Worte fassbare Schönheit. Ich ziehe meine Schuhe aus und spüre den Sand zwischen meinen Zehen, während ich wie hypnotisiert auf das Wasser zugehe. Als die ersten Wellen meine Haut berühren fühlt es sich an als würde mir eine Riesenlast von den Schultern fallen. Ich stehe hier, fühle und denke nichts, sondern genieße das eiskalte Wasser, wie es meine Füße umspielt. Ich habe mir selbst nicht zu viel versprochen. Das Meer ist etwas besonderes. So fesselnd, so anziehend, immer in Bewegung. Welche Kraft hier wirkt ist unglaublich. Es wühlt sich selber auf. Baut neue Wellen, die zum scheitern verurteilt sind. Ich denke über die zwei Gesichter des Meeres nach. Ein so wunderschönes Stück Natur, liegt ruhend oder tosend da und kann eine derart zerstörerische Kraft aufbringen, gegen die niemand etwas entgegenzusetzen hat. Wir sind der Laune Neptuns ausgesetzt. Im Moment jedoch schaue ich zum Horizont, höre das monotone Wellenbrechen, die schäumende Gischt und fühle mich willkommen. Es wirkt beinah so als würde das Meer seine Schönheit und Anziehungskraft entfalten, ja präsentieren, wenn jemand in der Nähe ist und es beobachtet. Auch wenn ich jetzt eine funktionierende Uhr gehabt hätte, wäre mir die Zeit egal gewesen. Hier herrscht sowieso ein anderes Maß der Zeit. Ich bleibe noch lange hier stehen und beobachte das Meer, die Vögel und schaue mir an wie der Wind mit Hilfe des Sandes Spuren an den Strand malt. So vergeht die Zeit und ich merke nicht wie sich langsam der Strand mit Menschen füllt. Zum Baden ist es zu kalt, aber wie auch ich, zieht es viele Menschen für einen Spaziergang zum Strand. Es passiert plötzlich, die anfängliche Magie wird hinaus auf´s Meer getragen. Die Menschen sind eine laute Rasse. Jegliche Ruhe und meine Einsamkeit werden jäh unterbrochen. Ein Zeichen für mich zu gehen. So schwer es mir auch fällt, doch nur das Meer und ich ist eine funktionierende Symbiose. Ich ziehe meine Schuhe wieder an und verlasse den Strand. Müdigkeit macht sich breit, meine Schultern hängen. Ich beschließe nach Hause zu gehen und mich schlafen zu legen, das ist es was ich jetzt brauche. Energie.
Ich suche die nächste Straßenbahnhaltestelle und warte auf den Zug. Eigentlich mag ich Straßenbahnen überhaupt nicht. Viele Menschen auf einem Haufen, ein Kommen und Gehen ist an der Tagesordnung, Hektik macht sich schneller breit als der Schall. Man sitzt auf so engem Raum zusammen und hat trotzdem rein gar nichts mit den Anderen zu tun. Das gibt es nur unter Menschen. Es ist eine Form des Egoismus. Keiner interessiert sich für die Anderen, warum auch? Ja klar, aber ein bisschen Empathie kann ja nicht schaden. Ich will damit nicht sagen, dass man sich jetzt unbedingt in der Straßenbahn um andere kümmern soll, nein, ich meine aufrichtiges Teilnehmen an anderer Leben kann zur eigenen Bereicherung beitragen. Es geht nicht darum Fragen zu stellen um etwas zu erfahren. Wenn wir von uns selbst erzählen werden wir von unserem Gegenüber mehr erfahren, als wenn wir fragen. Ich steige ein, schaue mich nach einem Sitzplatz um und setze mich schließlich auf einen freien Platz am Fenster. Seit dem ich mein Zimmer bezogen habe weiß ich ein Fenster zu schätzen. Ein kleines Tor zur Außenwelt, doch der Große Vorteil ist, wenn ich es schließe und mich somit von der Außenwelt trenne, sehe ich durch das Glas immer noch was passiert. Ich bin eingeschlossen und doch weiß ich was um mich herum vorgeht.
»Ist hier noch frei?«, ich erschrecke mich kurz dann blicke ich nach rechts.
Eine junge Frau steht vor meiner Sitzreihe und blickt mich erwartungsvoll an.
»Entschuldigung, wie bitte?«
Ich habe sie nicht verstanden, habe mal wieder geträumt.
»Ist dieser Platz noch frei?«
»Ja sicher, setz´ dich.«
Sie folgt meiner Aufforderung und nimmt Platz. Bei näherer Betrachtung fällt mir auf wie hübsch sie eigentlich ist. Wo sie wohl hinfährt? Mein Interesse ist geweckt. Nur was sage ich ihr? Eigentlich ist es doch ganz einfach, oder? Stell dich einfach vernünftig vor oder bring einen witzigen Spruch. Mir fällt aber nichts ein und mit jeder Haltestelle, die wir passieren, sinken meine Chancen.
»Du hast nicht zufällig Lust mir heute Abend die Stadt zu zeigen?«, mein ganzer Körper ist angespannt.
Sie dreht sich zu mir um und schaut mich an.
»Wie bitte?«
»Ich bin neu hier und kenne mich noch nicht aus. Ich finde dich sympathisch und würde mich freuen wenn du mir die Stadt zeigen würdest.«
Ich lächle sie an.
»Na du hast ja vielleicht Ideen. Wir kennen uns überhaupt nicht und ich soll dir heute Abend die Stadt zeigen?«
»Ja genau. Ich weiß es ist etwas forsch, aber ich weiß ja nicht wann du aussteigst und bevor ich dich gehen lasse und mich womöglich niemals hier zurecht finden werde, dachte ich mir: Nutze die Chance und frag einfach, vielleicht hab ich ja Glück. Und? Hab ich welches?«
»Weißt du, ich mag es wenn Männer mutig sind, also ja, du hast Glück.«
In mir macht sich eine kribbelnde Wärme breit und ich merke, dass ich meinem grinsenden Gesicht nichts entgegensetzen kann. Ich will auch gar nicht, obwohl es mit Sicherheit etwas bescheuert aussieht.
»Was kennst du denn schon?«
»Ich weiß, wie ich mit der Bahn nach Hause und ich weiß auch wie ich in die Innenstadt komme. Das war's!«
»Okay, dann machst du folgendes: Setz dich heute Abend in die Straßenbahn und fahr bis zur Innenstadt. Wenn du aussteigst, siehst du auf dem Marktplatz einen großen Brunnen, da treffen wir uns. Um Punkt 8. Alles klar?«
»Ja, alles klar«, antworte ich, »Ich freu mich!«
Sie lacht und nicht nur mit dem Mund, sonder mit dem ganzen Gesicht. Irgendwie habe ich die Vermutung, dass sie das alles hier ein bisschen verrückt findet und so was selbst noch nicht erlebt hat, dann steht sie auf.
»Ich muss jetzt hier raus. Wir sehen uns heute Abend.«
»Warte! Wie heißt du eigentlich?«
»Tara.«
»Ich bin Nik.«
Ich weiß nicht ob sie es noch gehört hatte, aber jetzt ist sie weg und die Straßenbahn fährt wieder an. Ich habe noch zwei Haltestellen vor mir bis ich Zuhause bin. Ein Gefühl des Glücks macht sich breit. Ja, ich freue mich wirklich. Sie ist hübsch und irgendwie vermute ich, dass sie auch einen tollen Charakter hat. Immerhin ist sie spontan. Die elektronische Stimme der Bahn macht mich auf meine Haltestelle aufmerksam. Ich habe nur rund 300 Meter bis zu meiner Wohnung. Als ich vor meiner Tür stehe, suche ich nach dem Schlüssel. Irgendwie ist er überflüssig, da die Tür sowieso nicht richtig schließt, aber er erweckt wenigstens das Gefühl von Sicherheit und Privatsphäre. Ich lasse mich angezogen auf's Bett fallen und schlafe ein. Ich träume von Leo und unserer Cabriotour, träume von Finn wie er mich aus dem Auto zieht und mit ihr davonrast. Ein beschissener Traum. Vielleicht sehe ich sie ja irgendwann wieder und dann habe ich mehr Glück. Ja, ich bin mir sicher, dass sie mich mögen wird. Auf den Tag freue ich mich schon und bis dahin werde ich einfach mein Leben leben. Ich träume von Tara. Sie steht vor mir und sagt mir etwas, das mir gar nicht gefällt. Ich reagiere zumindest enttäuscht, verstehen kann ich nichts. Alles in allem habe ich einen sehr unruhigen Schlaf. Als ich aufwache, bin ich schweißgebadet. Die Sonne wirft ihre letzten Strahlen durch mein Fenster und hinterlässt auf meinem Tisch und dem Boden einen Abschiedsgruß.
Ich drehe mich noch einmal um und stehe dann auf, ziehe mir ein frisches T-Shirt an und gehe ins Badezimmer. Da sich die Bewohner dieser Etage das Bad teilen müssen, ist es auch dementsprechend heruntergekommen. Ein paar Kacheln sind gesprungen und die Armaturen haben auch schon bessere Tage gesehen. Es reicht für den Gebrauch und für das was ich hier an Miete zahle, ist es wohl auch angemessen. Ich schaue in den Spiegel über dem Waschbecken und erkenne mich nicht wieder. Augenringe in tiefem blau werden durch meine glasigen Augen nur noch mehr hervorgehoben. Warum sehe ich so mitgenommen aus? Ich kann es mir nicht erklären, führe es aber auf meinen weder gesunden noch ausgewogenen Lebensstil zurück. Ich brauche einen Halt. Irgendetwas oder irgendjemand. Mit meiner Träumerei komme ich auf jeden Fall nicht weit. Es hilft mir zwar Dinge von einer anderen Perspektive zu sehen und zu reflektieren, aber das ist keine Dauerlösung. Ich schiebe die Gedanken beiseite und drehe den Wasserhahn auf. Kaltes Wasser benetzt mein Gesicht. Kleine Rinnsale laufen meine Wangen hinab und hauchen mir neues Leben ein. Die Tropfen, die mein Kinn hinab kugeln tragen nicht nur den Schmutz fort, sie transportieren Erschöpfung und Leid. Ich fühle mich erneuert. Das Rauschen des Wassers unterbindet meine Gedankengänge, dieses monotone Geräusch wirkt wie eine Blockade. Als ich den Wasserhahn zudrehe, ist es still. Lediglich ein paar Tropfen fallen noch in den Abfluss, dann bin ich wieder allein mit mir. Ich greife in meine Hosentasche und hole mein Mobiltelefon raus.
19:24 Uhr prangt auf dem grünlich schimmernden Display. Ich ziehe meine Jacke an, die mich vor der Kälte schützt, wie ein Maschendrahtzaun vor einer Flutwelle und gehe hinaus in die verschneite Stadt. Nach etwa fünfzehn Minuten bin ich, wie abgemacht, am Brunnen in der Innenstadt. Ich setze mich auf den Rand und zünde mir eine Zigarette an. Dichter Qualm strömt aus meiner Nase und ich merke, dass jeder weitere Zug mir etwas Aufregung nimmt.
20:00 Uhr. Ich schaue mich um und stelle mir die Frage aus welcher Richtung sie wohl kommen mag. Es ist kaum jemand auf den Straßen, kein Wunder bei den Temperaturen. Wenn mein Zuhause was bieten würde, wäre ich jetzt auch gerne da, aber mich hält es nicht lange in diesem Zimmer. Also was soll's. Die Kälte kriecht meine Ärmel hoch und bedeckt meinen Körper zur Gänze. Ein Tuch aus Frost legt sich auf meine Haut und lässt mich frieren. 20:06 Uhr. Tara ist noch immer nicht in Sicht. 20:13 Uhr. Meine Eier ziehen sich zusammen, als würden sie eine Walnuss imitieren. Ich stehe auf und gehe um den Brunnen herum.
»Willst du schon gehen?«, sagt eine weibliche Stimme hinter mir.
Ich drehe mich um. Tara. Endlich.
»Entschuldige die Verspätung. Hoffe du bist nicht erfroren.«
»Wie du siehst lebe ich noch, aber ich hätte nichts dagegen, wenn wir uns zum Start der Tour erst mal etwas aufwärmen. Wie wär's mit einem Grog? Ich lade dich ein.«
»Klingt gut«, antwortet sie mir und zeigt auf ein kleines Lokal 150 Meter weiter die Fußgängerzone runter.
»Wie lange bist du denn schon hier in dieser Stadt?«
»Ich bin vor ein paar Tagen erst hier her gezogen und bisher habe ich noch nicht viel gesehen. Ich war zwar schon was trinken und habe mir einen Job gesucht, aber ich kenne mich noch nicht wirklich aus. Ich hoffe ja, dass du mir einiges zeigen wirst.«
»Verlass dich drauf. Ich bin eine tolle Fremdenführerin.«
Sie lächelt mich an und augenblicklich weicht alle Kälte von mir. Das nicht augenblicklich der Schnee unter ihren Füßen schmilzt ist auch alles. Ich fühle mich, obwohl ich sie nicht kenne, gleich wohl in ihrer Nähe. Als wir vor dem Lokal stehen, halte ich ihr die Tür auf und gehe nach ihr rein. Ich helfe ihr aus der Jacke und lege sie neben mich auf den Stuhl. Wir sitzen einander gegenüber.
Sie schaut zur Theke und ich schaue zu ihr. Ihre Haare trägt sie offen. Das lange goldblonde Haar fällt weich auf ihre Schultern, den Pony hat sie glatt geschnitten. Sie hebt ihre Hand, um den Kellner zu holen und bestellt zwei Grogs.
»Was ist?«, ihr ist aufgefallen, dass ich sie die ganze Zeit beobachtet habe.
Peinlich berührt erwidere ich das alles okay sei.
»Erzähl mir was von dir. Nik, richtig?«
Ich grinste, weil sie meinen Namen sagte und ihn offensichtlich noch mitbekommen hatte.
»Ja, es gibt nicht viel zu erzählen. Ich bin von zu Hause ausgezogen um mein Leben zu leben. Ich versuche in irgendeiner Art und Weise mich zu finden und mir einen Platz in der Welt zu suchen, wo ich hingehöre. Eigentlich mache ich das, was fast jeder macht. Ich wohne in der Steintor-Vorstadt und arbeite an einer Tankstelle. Es ist alles noch frisch, nicht das Gelbe vom Ei und ich bin noch auf der Suche, aber ich habe einen Anfang gemacht und jetzt ebne ich meinen Weg. Mal sehen was mich so erwartet. Sicher bin ich mir aber allemal den richtigen Schritt gegangen zu sein. Wie ist es bei dir?«
Tara erzählt mir, dass sie hier in der Stadt ihrer Modelkarriere auf die Sprünge helfen will und bei einer hiesigen Agentur unter Vertrag steht. Sie wohnt mit einer Freundin zusammen, die für dieselbe Agentur arbeitet, aber mehr Aufträge an Land zieht als sie. Das passt denke ich. Sie hat wirklich die Maße dafür. Ich sage ihr, dass ich gespannt bin, sie auf Plakaten zu sehen und spreche ihr Mut zu, dass es irgendwann bestimmt klappt und da ist es wieder dieses entwaffnende Lächeln. Ich bin ein echter Glückspilz. Der Kellner bringt unsere zwei Grogs. Tara nimmt ihren zwischen beide Hände und pustet. Warmer Dampf gleitet in meine Richtung. Entweder habe ich hellseherische Fähigkeiten oder einfach Pech beim Träumen. Sie eröffnet mir, dass sie ihr Freund bei der Modelsache nicht wirklich unterstützt. Er habe andere Prioritäten, weiß aber genau, dass ich nicht gerne alleine bin und mich daher auch nicht trennen werde. Mein Herz tut weh. Ist es schon wieder soweit? Es kann doch nicht sein, dass ich mich so schnell verliebe. Eine andere Erklärung für meine Enttäuschung habe ich nicht. Ja, ich finde sie hübsch, aber das kann doch nicht alles sein. Vielleicht bin ich auch einfach traurig über die Tatsache, dass Sex mit ihr durch diese Tatsache in weite Ferne rückt. Bin ich so oberflächlich? Was suche ich denn eigentlich? Sex, eine Beziehung oder suche ich einfach nur jemanden, damit ich nicht mehr alleine bin? Ich weiß es nicht, beschließe aber diese Gedanken hinten anzustellen.
»Es läuft bei uns nicht rund«, sagt sie seufzend. »Ich weiß auch nicht, es ist Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite liebe ich diesen Kerl, auf der anderen bringt mich unsere Beziehung nicht weiter. Ich brauche jemanden, der mich unterstützt, sich um mich kümmert, mich wärmt und beschützt. Aber genug von mir, wie sieht's bei dir aus? Schon wen gefunden?«
Ich erzähle ihr, in abgeschwächter Form, von Leo. Irgendetwas habe ich an ihr verloren, weiß aber nicht was.
Tara schaut mich an und sagt: »Du bist süß, mach auf dich aufmerksam und überlege dir was nettes, dann wird das schon mit euch beiden.«
Sehr hilfreich. So weit war ich auch schon, aber dafür müsste ich sie wiedersehen und wann das passiert steht in den Sternen. Aber Moment mal. Wie war das? Ich bin süß? Ich verpasse mir eine mentale Backpfeife. Habe ich richtig gehört? Sie findet mich süß? Vielleicht sagt sie es nur um mich aufzumuntern, aber vielleicht auch nicht und sie findet mich tatsächlich, ja, süß. Wir reden lange über unser beider Leben und lernen uns besser kennen. Okay, es wäre schon interessant die Stadt zu sehen, aber das hier ist mir, wenn ich ehrlich bin, hundert mal lieber. Ich sitze hier mit einer schönen Frau, trinke Grogs und unterhalte mich.
Draußen hat es wieder angefangen zu schneien. Kleine Eiskristalle bleiben an den Fensterscheiben haften und versperren somit immer mehr die Sicht nach draußen.
»Hat dein Freund gar nichts dagegen, wenn du dich mit anderen Männern triffst?«
»Was er nicht weiß… Er erzählt mir auch so einiges nicht, außerdem kann ich mich doch treffen mit wem ich will, bin ja schließlich alt genug.«
»Klingt ja nicht gerade nach einem soliden Fundament was ihr da habt. Ich will mich ja nicht zu sehr einmischen, aber...«
»Nein, nein, du hast ja Recht«, unterbricht sie mich. »Unsere Beziehung gleicht einer Rose, zart, aber mit Dornen bewehrt. Wenn man nicht aufpasst dann sticht man sich und verletzt sich an einer sonst so schönen Sache.«
Ich verstehe was sie sagen will. Die Uhrzeit und die Stadtführung ist mittlerweile zur Nebensache geworden. Wir unterhalten uns so gut, dass wir gar nicht mitbekommen, die letzten Gäste zu sein. Wir bestellen eine letzte Runde Grogs und dann glaube ich mich verhört zu haben.
»Hast du Lust dich zu betrinken und unanständig zu sein?« Sie schaut mich aus großen dunklen Augen an. Ich weiß nicht was ich sagen soll.
»Was verstehst du unter unanständig?«
»Das wirst du schon sehen, wenn es soweit ist.«
Sie steht auf, nimmt ihre Jacke und fordert mich auf dasselbe zu tun. Ich gehe zum Tresen und bezahle unsere Rechnung. Als wir wieder draußen sind, bietet sich uns eine weiße stille Welt. Im Schnee sind noch keine Spuren zu sehen. Eine einheitliche Decke aus gefrorenem Wasser. Eine kalte Brise schneidet sich in mein Gesicht, ich stelle den Kragen hoch und drehe mich zu Tara.
»Können wir?«
Sie nickt und hakt sich bei mir unter. Es liegt wohl am lauten knirschen des Schnees unter unseren Füßen, dass wir Gedanken der Vernunft überhören.
Ich mache ja nichts verbotenes, trotzdem könnte ich ein schlechtes Gewissen haben. Tara erst recht. Schließlich ist sie diejenige die eine Beziehung hat. Moment mal, wo denke ich eigentlich hin? Es ist noch nichts passiert und ich male mir schon Sachen aus, die noch gar nicht stattgefunden haben.
Warte ab Tiger, noch bist du nicht am Ziel.
»Hast du was zu trinken bei dir?«, ich fühle mich wie in Watte gepackt.
Das einzige was ich höre ist Taras weiche Stimme.
»Nein, wir müssen uns noch irgendwas besorgen. Komischerweise habe ich heute einen Stadtrundgang gebucht, der aber nicht stattgefunden hat. Ich würde dir ja jetzt gerne sagen wo wir noch was herbekommen, doch das kann ich nicht. Hast du 'ne Idee?«
»Ja, wir haben Glück, dass hier viele Studenten sind. Es gibt vereinzelt Läden, die 24 Stunden geöffnet haben. Da verdienen sich Studenten nebenher ein bisschen Kohle und wir können auch noch um diese Uhrzeit unserem Durst frönen.«
Ich lächle sie an. Zum ersten mal glaube ich. Ich hing bisher wie gebannt an ihren Lippen, so dass ich jegliche Mimik verloren habe. Dass ich nicht mit sabberndem Mund da saß, ist auch alles. Tara ging zielstrebig durch die Straßen. Nach circa zehn Minuten waren wir an einem dieser 24-Stunden-Läden angekommen. Sie geht vor, greift nach einer Flasche Wodka und stellt sie an der Kasse ab. Ich krame währenddessen in meiner Hosentasche nach Geld.
»Lass stecken, jetzt bin ich dran.«
Sie hält meinen Arm fest und schaut mir tief in die Augen. Wir verharren ein paar Sekunden, dann wendet sie sich ab und bezahlt. Als wir den Laden verlassen, fragt sie mich ob es noch weit wäre. Ich überlege kurz und versuche mich zurechtzufinden. Nach kurzer Orientierungsphase, weiß ich ungefähr wo wir sind und sage ihr, dass es nicht mehr lange dauert. Ich habe nicht gelogen, wenige Minuten später stehen wir vor meiner Behausung.
»Das ist es. Es ist nicht schön und es ist nicht meins, aber immerhin habe ich ein Dach über dem Kopf.«
Sie starrt die Fassade empor, lässt aber keinen Kommentar ab. Ich suche den Haustürschlüssel in meiner Jackentasche und schließe die Tür auf. In meinem Zimmer angekommen setzt sich Tara auf's Bett und zieht die Jacke aus. Oh man, da sitzt doch tatsächlich eine hübsche Frau auf meinem Bett mit einer Flasche Wodka in der Hand und will »unanständige« Sachen mit mir machen. Mit mir!
»Ich weiß ja nicht ob es dir was ausmacht, aber wir müssen aus der Flasche trinken«, beichte ich.
»Das ist kein Problem, mir hat mal jemand gesagt ich habe einen perfekten Bauchnabel um aus ihm zu trinken. Mir stockt der Atem und ich verschlucke mich beinahe an meiner eigenen Spucke. Bleib cool, rede ich mir ein, ganz cool. Tara öffnet die Flasche und nimmt einen großen Schluck, dann streckt sie mir die Flasche entgegen. Ich nehme dankend an.
»Ich weiß gar nicht warum ich mir dir mitgegangen bin und warum ich das jetzt hier mache, aber es fühlt sich nicht falsch an, weißt du? Ich meine ich habe zwar einen Freund, doch ich sehne mich nach jemandem der mich würdigt, sich kümmert und mir ein Gefühl von Zugehörigkeit verschafft. Ich kenne dich zwar kaum, aber ich glaube du kannst mir etwas davon geben.« Pause.
»Setz dich zu mir Nik.«
Sie klopft mit der Hand auf das Bett. Ich starre sie an, völlig verloren und nicht in der Lage zu realisieren was hier gerade passiert.
»Na komm schon, oder willst du da Wurzeln schlagen?«
Ich streiche mir die kleinen Schweißperlen, die sich trotz der Kälte auf meiner Stirn versammelt haben weg und setze mich neben sie. Ich bin angespannt und neugierig was wohl passiert.
Die Flasche Wodka befindet sich immer noch in meiner Hand, ich nehme einen weiteren Schluck und spüre, wie sich meine Anspannung etwas lockert und dem Brennen in meiner Kehle weicht. Ich gucke zum Fenster, sehe aber nichts, weil die Scheibe gefroren ist, dann spüre ich Taras Hand auf meiner. Sie nimmt mir die Flasche aus der Hand, trinkt einen Schluck und stellt den Wodka neben das Bett auf den Boden.
»Was denkst du?«
»Ich bin etwas sprachlos«, sage ich »Weißt du, ich habe nicht damit gerechnet, dass wir beide hier sitzen und Wodka trinken. Zudem habe ich das Gefühl, dass irgendwas in der Luft liegt. Ich meine, du bist so eine hübsche Frau, wir verstehen uns augenscheinlich ganz gut und sind auch noch angetrunken.«
Ich weiß selber nicht was ich da stammle, als würde nicht nur das Fenster, sondern auch mein Gehirn eingefroren sein. Ich sehe sie an. Unsere Blicke treffen sich und lassen sich nicht mehr los. Ich schaue ihr abwechselnd in das rechte, dann ins linke Auge. Konzentriere dich!
»Weißt du was ich gerne machen würde?«, fragt sie mich.
»Erzähl es mir.«
Sie rutscht näher zu mir, so dass sich unsere Arme und Schultern berühren. Die Luft ist zum Bersten mit Spannung gefüllt. Tara berührt mich an der Wange und drück mein Ohr an Ihren Mund. Ich spüre ihren Atem in meinem Gehörgang, es scheint eine Ewigkeit zu vergehen bis sie endlich spricht.
»Ich will, dass du mit mir schläfst! Jetzt.«
Ich merke wie sehr sie mich anmacht, merke, dass ihre Hand bereits auf meinem Schritt liegt und sie ihn massiert.
»Nimm mich«, haucht sie mir ins Ohr und küsst mich am Hals. Ich bin versteinert. Unter großer Anstrengung schaffe ich es meinen Kopf zu drehen.
Unsere Nasenspitzen berühren sich und ich merke wie sich ihr Atem auf meinen Lippen niederlegt. Ihre vollen, sinnlichen Lippen fühlen sich an als würden sie das erste Mal geküsst. So weich, so voll, so feucht. Als ihre Zunge die Meine sucht, bricht es über mich herein. Ich nehme ihren Kopf und presse ihn so wild an mich, dass nichts mehr zwischen uns passt. Meine Hände durchgraben ihre Haare, berühren ihren Körper, ihre Brust. Meine Finger suchen und finden den Weg unter ihren Pullover, ihre Haut ist wie warme Seide.
Jeder Quadratzentimeter pure Lust, als würde man mit der Hand durch Wasserdampf streichen. Kleine Schweißtropfen perlen meine Schläfen herunter. Ich ziehe ihren Pullover aus, öffne den Verschluss ihres BHs, schiebe die Spitze beiseite und entblöße ihre perfekt geformten Brüste. Mittlerweile berühren sich unsere nackten Oberkörper und wir umschlingen uns. Ich bekomme einen ihrer Nippel zu fassen und rolle ihn zart zwischen meinen Fingern bis er hart wird. Meine Fingerspitzen erforschen sie in allen Facetten. Ihre Haut duftet, doch die Berührung allein vermag meine Lust nicht zu stillen. Wir küssen uns leidenschaftlich und innig. Sie zerrt mich ins Bett, sodass ich nunmehr auf ihr ruhe. Sie umschlingt mich mit ihren Beinen und presst mich an ihren Schoß. Ich löse mich von ihren Lippen und wandere mit meiner Zunge ihren Hals entlang bis ich ihren Nippel erreiche und sie mit Zähnen, Zunge und Lippen in den Wahnsinn treibe. Ich ziehe ihre Hose aus und berühre den feuchten Stoff zwischen ihren Beinen. Kniend hocke ich über ihr, ihr Atem geht schwer und lässt ihre Brüste immer wieder auf und ab steigen. Ich schaue in ihre Augen, die Bände sprechen und vermag zu wissen was sie will. Ich schiebe das Höschen zur Seite und dringe mit einem Finder in sie ein. Sie ist feucht und warm, stöhnt kurz auf und beugt den Rücken durch. Ich spreize ihren weichen Schlitz und beginne in kreisenden Bewegungen ihre Klitoris zu massieren. Mein zweiter Finger dringt in sie ein. Ihr gesamter Körper pulsiert im Gleichklang zu meiner Bewegung.
Unter der tosenden Lust des Fleisches bricht sie unter ihrem ersten Orgasmus zusammen. Ihre Atmung ist laut und wir von gelegentlichem Stöhnen unterbrochen. Sie liegt da, die Augen geschlossen, als wäre sie gesprintet. Ihre Harre sind klamm und kleben an ihrer Stirn. Ich lege mich auf sie und bedecke ihren Mund mit meinem. Sie legt sich auf mich und küsst meinen Hals. Ich starre zur Decke und mein ganzer Körper kribbelt. Meine Nerven spielen verrückt, ich kann es nicht mehr erwarten. Voller Lust packe ich sie an beiden Armen und halte sie vor mich. Ich und diese Frau, wie sie sich auf mir räkelt, ihr langes blondes Haar schüttelt und schnell atmet. Ihre Lust ist zum greifen, so präsent empfinde ich sie. Es war wunderbar, sie fühlt sich warm an, als sie sich meinen Schaft einführt. Tara bewegt sich gekonnt. Sie macht das nicht zum ersten Mal, nein gewiss nicht, sie weiß ganz genau wie sie mit einem Mann umgehen muss und versteht es zwei Körper auf innigste Art und Weise zu verbinden. Sie stützt sich mit ihren Händen auf meiner Brust ab, krallt sich fest, drückt ihren Rücken durch und legt den Kopf in den Nacken. Ein lautes Stöhnen kriecht aus ihrer Kehle. Ihre Fingernägel bohren sich in meine Muskeln und hinterlassen kleine Wunden als Erinnerung an sie. Das meine Vorstellung von Symbiose. Vor meinen Augen bebt ihre Brust unter der schnellen Atmung und auf ihrem Dekolleté zeichnen sich ein paar rötliche Flecken ab. Sie stöhnt jetzt heftiger. Ich merke das ich, wie sie kurz vor dem Höhepunkt bin und denke nur noch an uns beide. Mein Körper pulsiert, ich atme hastig ein und wieder aus, wir ringen beide nach Luft und dann komme ich und ergieße meine gesamte Leidenschaft in ihr.