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1. Durchs Jahr gemeckert

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Eckhard Lange: Allerleireim

Gedachtes und Gedichtetes für Menschen mit Humor

Vorweg vermerkt:

Die armen Reimer, die noch dichten

und sich nach einem Versmaß richten,

die noch auf die Grammatik achten

und die nach einem Endreim trachten –

dem Reim, der nicht nur hinten passt,

der obendrein den Sinn erfasst

und den Gedanken vorwärts bringt

(dabei nicht zu bescheuert klingt!) –

die haben's mit dem Dichten schwer,

denn Lyrik kommt heut anders her:

Dort ist Gereimtes provinziell.

Geurteilt ist fürwahr recht schnell,

wenn man das Handwerk so verachtet

und nur aufs Ausgefall'ne achtet.

Vielleicht bin ich ja gar kein Dichter,

und wenn, dann bloß ein furchtbar schlichter.

Ich bleib bei Vermaß, Reim und Sinn,

auch wenn ich ewig gestrig bin.

Zum neuen Jahr

Was soll das neue Jahr denn andres bringen,

als was im letzten schon mal schiefgelaufen ist?

Wieso zu guten Vorsätzen sich zwingen,

die man in ein paar Tagen sowieso vergisst?

Und überhaupt: Der erste Januar

ist doch ein Tag wie alle sonst im Jahr!

Wem sollen Feuerwerk und Böller nützen

als nur dem Supermarkt, der sie verkauft?

Meint ihr, es würde euch vor Unheil schützen,

wenn ihr Silvesterabend teuren Schampus sauft?

Denn wirklich sicher wissen wir doch bloß:

Unsicherheit bleibt weiter unser Los.

Leg dich zum Jahreswechsel ruhig schlafen,

verstopf die Ohren, wird der Krach dir sonst zur Qual!

Und mit Verachtung solltest du bestrafen

das ganze blöde Zwölf-Uhr-Count-down-Ritual.

Kriegst du den ganzen Rummel gar nicht mit,

dann bist fürs neue Jahr du eher fit.

Neujahrswunsch

Mein einziger Vorsatz fürs kommende Jahr:

Ich mach' endlich jene vom letzten wahr.

Gleich morgen, da fang' ich nun wirklich an!

(falls ich mich an die alten erinnern kann)

Erinnern mag gut sein, Vergessen ist Glück.

Wer schaut schon gern auf's Versagen zurück!

Schwachsinniger Frohsinn

Bewahre uns, Herr, vor dem Karneval,

vor Fasching und ähnlicher Narretei!

Schenke uns bald das Ende der Qual,

denn Aschermittwoch ist alles vorbei.

Zu dümmlich die Witze, zu platt der Humor,

für den man noch Orden verleiht;

bei jedem Gag singt der Saal stets im Chor

„au-au-au“ – zum Schwachsinn allzeit bereit!

Und ist man besonders abgefeimt

beim Vortrag dort in der Bütt,

dann wird der Unsinn auch noch gereimt –

oder gesungen. Alles schunkelt mit!

Damit du stets im Bilde bist,

wann ein Narr befehlsgemäß lacht,

ersannen sie diese entsetzliche List:

Dann wird einfach „Täterä“ gemacht.

Verflucht die fünfte Jahreszeit!

Vier sind schon mehr als genug.

Wir sind diese Elferräte leid

und auch ihren Karnevalszug!

Ländliche Idylle

Im März holt der Bauer den Traktor heraus;

er bringt auf den Feldern viel Gülle jetzt aus.

Er mischt Fungizide gleich auch noch dazu,

so lassen die Pilze das Korn schön in Ruh.

Im Stall seine Hühner, die haben es schön:

Sie brauchen nicht weit bis zum Futter zu gehn.

Ein Schrittchen bloß vor und eins wieder zurück –

je kleiner der Käfig, je größer ihr Glück.

Der Tierarzt, der Gute, der darf jetzt nicht ruhn,

er hat ja genug mit der Spritze zu tun.

Die Kühe, die Schweine, sie werden gedopt;

man hat es im Sport ja schon gründlich erprobt.

So geht unter Arbeit das Frühjahr vorbei.

Und alles wächst prächtig, es ist ja nicht neu:

Kein Kräutlein behindert den Weizen, den Mais.

Herbizide sind nötig, wie jedermann weiß.

So landet die Ernte schön verpackt im Regal,

wir haben als Kunden die Freiheit der Wahl.

Was drin ist, weiß keiner, das kommt niemals raus –

Prost Mahlzeit, ihr Leute, beim fröhlichen Schmaus.

Pollenflug

Jetzt ist sie wieder da, die Zeit,

in der so richtig alles blüht

und deine Nase trieft und glüht.

Natur erwacht. Es ist soweit.

Kaum trittst du frohgemut hinaus,

willst dich erfreun am Sonnenschein,

schon setzt das Augenjucken ein.

O holder Frühling? Fall doch aus!

Was fliegt nicht alles kreuz und quer!

Weidenkätzchen, Linde, Heu -

alles neu macht der Mai!

Verdammt! Wenn bloß bald Winter wär!

Frühlingslieder

I.

Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus

Da hockt der, der Pech hat, seit Wochen schon zuhaus.

Die Nase, die arme, ist immer mehr verstopft,

und aus deinen Augen rinnt's immer mehr und tropft.

Du niest bloß und weinst nur, dein Antlitz rötet sich;

verquollen die Augen: Das war der Wegerich!

Die Pappel, die Erle – ach, gäbe es die bloß nicht mehr!

Eins wünsch ich im Mai schon: Daß es bald Winter wär.

II.

Alle Pollen sind schon da,

alle Pollen – ALLE!

Weidenkätzchen, Haselstrauch

und die Gräser blühen auch,

alles fliegt beim kleinsten Hauch,

wird dir jetzt zur Falle.

Was sie dir verkünden jetzt,

nimm es dir zu Herzen.

Vergiß nie dein Taschentuch,

gehst du einmal zu Besuch.

Draußen sein wird dir zum Fluch,

bringt bloß Leid und Schmerzen.

Frühlingsgefühle

Wenn jedes Blümlein plötzlich sprießt

und alles wächst und treibt und schießt,

packt Uralt-Bäume Leidenschaft,

und sie durchströmt ein Zaubersaft.

Die Jungfrau sich das Blondhaar kämmt,

der Jüngling trägt ein modisch Hemd,

und auch den alten Lebemann

rührt da der Frühling plötzlich an.

Die Kleine an der Kasse 8

hat er schon mehrfach angemacht.

Doch die war peinlich bloß berührt

und hat ihn lächelnd abserviert.

Ihr Minirock macht ihn verrückt,

ihr Ausschnitt hat ihn schier verzückt.

Er merkt nicht, wie der Lenz ihn foppt –

da hat sein Ischias ihn gestoppt.

Sommer

Den Sommer kann man doch nur hassen!

In jedem Garten qualmt ein Grill –

Gestank und Lärm und „Hoch die Tassen!“

Wo ist die Luft noch rein und still?

Der Sommer ist so was von öde!

Das Schwimmbad voll bis hin zum Rand,

die Leute bräunen sich wie blöde

und haben nachher Sonnenbrand

Im Sommer gibt’s rein nichts zu holen,

Theater, Oper – alles dicht.

Im Fernsehn höchstens Dieter Bohlen –

dem Geist droht der Totalverzicht.

Scheint mal die Sonne, herrscht gleich Hitze.

Dann Dauerregen wochenlang,

und du umrundest manche Pfütze.

Nein, solch ein Sommer macht bloß krank!

Ja, wirklich: Sommer sind zu hassen.

Doch kommt der Herbst dann nebelschwer,

dann plötzlich (es ist nicht zu fassen!)

weint man dem Sommer hinterher!

Herbst

Der Herbst, so sagen alle, ist schön bunt.

Na und?

Der Herbst ist ebenso stets naß und grau –

genau!

Warum soll man den Herbst bloß loben?

Von unten feucht und Laub von oben.

Der Herbst, der füllt dem Bauern Scheun und Faß.

Ach was.

Im Herbst reift auch der süße, goldne Wein.

O nein!

Kaufst du im Supermarkt Produkte,

dann lies nur mal das Kleingedruckte!

Geerntet wird weltweit das ganze Jahr,

na klar.

Honduras, Chile, Peru, Panama –

ach ja.

Doch in den Kirchen Erntekronen –

wie sie die Pflücker wohl entlohnen?

Schön soll das viele bunte Herbstlaub sein?

Wie fein!

Und wer räumt dann den ganzen Segen weg?

Bloß Dreck!

Das geht heut alles mit Maschinen –

samt Würmern, Käfern, Asseln, Bienen.

Gehst du am Morgen durch den bunten Wald –

bloß kalt.

Hältst du ins Meer nur mal den nackten Zeh –

o weh!

Und wenn dann erst die Nebel wallen –

wem soll der Herbst da noch gefallen?

Zeitverschiebung

Zum Erntedankfest gibt’s schon Weihnachtsmänner

und an Silvester Schoko-Osterhasen.

Das langt ihm aber nicht, der wahre Kenner

möcht Heiligabend Sommerlieder blasen

und Pfingsten schon den ersten Schneemann bauen,

denn dem Kalender mag doch keiner trauen!

November-Sprüche

1.

Das will ich dem Herrgott ins Stammbuch schreiben:

Dein November kann mir gestohlen bleiben!

2.

Schaffen wir ihn doch einfach ab, den November!

Dann folgt auf Oktober schon stracks der Dezember.

3.

O rechnet beim Treiben, beim nächtlich-frivolen!

Was ihr im Januar voll Lust produziert,

wird der Klapperstorch ganz ungeniert

im November aus dem Babyteich holen!

4.

Die Blätter sind ab, der Schnee noch nicht nah -

der Monat dazwischen, was soll der bloß da?

Novemberblues

Die Sonne kriegt kaum den Hintern hoch

und geht gegen Mittag schon wieder schlafen.

Es graupelt und grieselt vom Himmel hoch,

als wollte der allen Frohsinn bestrafen,

weil Dunkelheit und Trübsinn sich trafen.

Nachts ist es sternklar und eisig kalt,

du frierst noch in Daunenkissen.

Über Tag dann grauer Nebel wallt,

der Stromzähler rast wie verbissen,

hat alle Rücklagen auf dem Gewissen.

Auf der Straße siehst du die Rehe zu spät,

die vor dem geilen Bock sich flüchten,

und prompt dir eins auf den Kühler gerät.

Du fluchst umsonst den tierischen Süchten.

Man sollte kastrierte Rehböcke züchten!

Das ist stets neu der November-Blues

für die graue Stadt in den grauen Meeren.

Auf dem Fensterbrett liegt schwarzer Ruß:

Der Kamin spielt fröhliches Wiederkehren.

Zwecklos, beim Nebel sich zu beschweren.

Warum gibt es diesen November nur?

Verdammt, wer hat diesen Monat erschaffen?

Im Grunde ist er doch Schwachsinn pur,

lässt allen Geist und Verstand erschlaffen,

und wir steh'n da wie die letzten Affen!

Der Winter

Der Winter ist ein fieser Mann

und kommt uns richtig teuer.

Tagtäglich springt die Heizung an

und kostet ungeheuer.

Das Auto rutscht dir ständig weg

und landet rasch im Graben.

Aus Schnee wird Matsch, aus Matsch wird Dreck.

Kein Schieber mehr zu haben!

Doch über Nacht friert, was getaut,

und du fliegst auf dein Steißbein,

hast du dich dennoch rausgetraut.

Statt Füßen hast du Eisbein.

Die Deutsche Bahn verspätet sich,

die Weichen sind gefroren.

Im Wagen frierst du fürchterlich –

dein Anschluß geht verloren.

Und willst du rasch zum Wintersport,

den Schnee mal zu genießen:

Kein Bett mehr frei an keinem Ort,

die Preise höher schießen.

Voll Streusalz ist jetzt jeder Steg,

dein Hund hat wunde Sohlen.

Ein Winter ist doch bloß im Weg –

der Teufel soll ihn holen!

Weihnachtsgedicht

Hey, du blöder Weihnachtsmann,

was glotzt du mich so strafend an?

Haben die Alten dir gesteckt,

was ich so alles ausgeheckt

und daß ich im vergangnen Jahr

bloß faul und frech und bockig war?

Dabei ha'm die sich auch gefetzt

und nicht mit Worten bloß verletzt

und mir erzählt, daß sie sich lieben.

Hat es der Alte doch getrieben

mit dieser Tussi im Büro

und bloß gesagt: Das war nicht so,

wie ihr das wieder einmal denkt!

Nur, daß er Mam den Schmuck geschenkt,

das sagt doch alles, oder nicht?

Du hätt'st es sehn soll'n, ihr Gesicht!

Und sie? Kauft zentnerweis Klamotten,

die hinterher im Schrank verrotten,

geht jede Woche dreimal zum Friseur

und sieht nicht anders aus als wie vorher.

Doch Taschengeld gönnt sie mir kaum

und nix mit Moped unterm Weihnachtsbaum!

Na los, du blöder Nikolaus,

hol endlich deine Rute aus

und lies den Alten kräftig die Leviten.

Brauchst sie ja nicht gleich umzunieten,

doch so'ne geile Strafansage,

die käm' doch mindestens in Frage.

Mich solltest du dabei verschonen -

ich weiß, wo deine Kinder wohnen!

Weihnachtliches Outfit

Wer soll’s denn sein zu diesem Fest?

Knecht Ruprecht oder doch Sankt Nikolaus?

Das Christkind gar, wie’s Luther einmal wollte,

oder - meistgenannt - bloß noch der Weihnachtsmann?

Ja, für die ganz und gar unfrommen Leute

vielleicht sogar das Väterchen aus Sowjetzeiten,

genannt ganz unreligiös nur einfach „Frost“?

Doch wie man ihn auch nennen mag in diesen Tagen,

er trägt inzwischen stets das gleiche Kleid

(Moritz von Schwind und Coca Cola haben es geschafft):

den pelzbesetzten roten Rock mit Zipfelmütze

und um das Kinn den weißen Wattebart.

Und selbst dem Christkind haben sie

nicht nur zwei Engelsflügel angepasst,

sondern jetzt auch die rote Bommelmütze.

Da hilft es alles nichts:

wer Weihnachten Geschenke überbringt –

sei’s Mann und neuerdings auch Weihnachts-Frau –

muß sich an diese Kleiderordnung halten,

selbst wenn er durch den engen Schornstein rutscht.

Allerleireim

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