Читать книгу Schematherapie - Eckhard Roediger - Страница 8
Оглавление2 Verwandtschaft mit anderen Verfahren
2.1 Kognitive Therapie
Im Rahmen der sogenannten »kognitiven Wende« in den 1970er Jahren (Beck 1967; Ellis 1969) wurde der kognitiven Informationsverarbeitung und insbesondere automatisch ablaufenden Gedanken und dysfunktionalen Grundannahmen eine entscheidende Rolle in der Verhaltenssteuerung und somit in der Entstehung und Aufrechterhaltung psychopathologischer Symptome zugesprochen. Wie bereits dargestellt entstand die Schematherapie zunächst als Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie. Insbesondere das zentrale Konzept von maladaptiven Schemata kann aus einer theoretischen Perspektive mit dem Konzept dysfunktionaler Grundannahmen in Verbindung gebracht werden. Young legte jedoch einen viel größeren Wert auf die emotionalen und interpersonellen Aspekte als auf die kognitiven.
Die neurobiologische Forschung relativierte in den letzten Jahren zunehmend die Rolle explizit-kognitiver Prozesse für die Verhaltenssteuerung und zeigte, dass wesentliche Prozesse im Zusammenhang mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von psychischen Störungen v. a. emotionaler Natur sind und unbewusst reguliert werden (Roth 2001). Die moderne kognitive Therapie versucht diesen Ergebnissen zu entsprechen, indem sie auch »implizite« Kognitionen in die Konzeptualisierung psychopathologischer Symptome einbezieht (Beck et al. 2004). Die Schematherapie geht jedoch konsequent einen Schritt weiter, indem sie die emotionalen, z. T. unbewussten Prozesse durch erlebnisorientierte Techniken direkt aktiviert und sie zu einem zentralen Gegenstand der Therapie macht.
In der Betrachtung des konkreten therapeutischen Vorgehens zeigen sich insgesamt klare Unterschiede. Kognitive Techniken sind häufig primär auf »Inhalte« fokussiert und haben das wesentliche Ziel, ungünstige/unrealistische Kognitionen zu korrigieren. In der Schematherapie achtet man jedoch viel mehr auf den Kontext und die Funktionalität von Kognitionen, insbesondere bei der Betrachtung interpersoneller Konflikte.
2.2 Verhaltenstherapie
Die klassische (sog. horizontale) Verhaltensanalyse mit ihrem Schwerpunkt auf der gegenwartsnahen Bedingungsanalyse konnte das komplexe Verhalten von Menschen mit Persönlichkeitsstörungen nicht ausreichend erklären. Durch das Hinzufügen einer sogenannten vertikalen Achse im Rahmen der »Plananalyse« und der »Organismus-Variable« entsteht im verhaltensanalytischen Denken der notwendige Raum für komplexe erlernte Muster, welche neben den biologisch-temperamentalen Variablen den Niederschlag früher Beziehungserfahrungen abbilden. Schemata können sehr gut in dieser vertikalen Achse angesiedelt werden. Insgesamt können Schemata und Modi sehr gut aus lerntheoretischer Sicht in deren Entstehung und Aufrechterhaltung erklärt werden ( Kap. 3.6).
Das konkrete therapeutische Vorgehen in der Schematherapie integriert zahlreiche verhaltensbezogene Techniken und Prinzipien, wie z. B. das Erlernen konkreter Strategien zur besseren Impulsregulation und das Einüben neuer sozialer Strategien im Rahmen von Rollenspielen ( Kap. 5.14).
2.3 Psychodynamische Therapie
Eine der Hauptannahmen der psychodynamischen Theorie lautet, dass sich psychopathologische Symptome auf Konflikte und Motive zurückführen lassen, welche für den Patienten nicht ohne Weiteres bewusst zugänglich sind. Die Schematherapie und ihr Ansatz, im Hier und Jetzt aktualisierte innere Zustände (sogenannte Schemamodi) auf frühe, oft nicht bewusst erinnerte Erfahrungen von Bedürfnisfrustrationen zurückzuführen, weist Gemeinsamkeiten mit psychodynamischen Modellen (einschließlich Internalisierungsprozessen) auf. Auch das Konzept der unbewusst entwickelten Bewältigungsreaktionen ( Kap. 3) zeigt Ähnlichkeiten zu dem psychoanalytischen Konzept der Abwehrmechanismen. Die Schematherapie verbindet psychodynamisches Verstehen mit der zielgerichteten und veränderungsorientierten Haltung der kognitiven Verhaltenstherapie. Dadurch ergibt sich eine Verbindung von erlebensnaher Klärungsarbeit mit dem strukturierten Einsatz handlungsbezogener Techniken (schriftliche Arbeitsblätter, praktische Übungen und Hausaufgaben im Sinne der klassischen Verhaltenstherapie). Auf psychodynamischer Seite integriert analog zur Schematherapie z. B. der Strukturelle Ansatz von Rudolph (2006) zunehmend handlungsorientierte Techniken, so dass hier auf der praktischen Anwendungsebene eine sehr hohe Konvergenz entstanden ist und psychodynamisch arbeitende Therapeuten viele der in diesem Buch beschriebenen Techniken in ihrem konzeptuellen Rahmen anwenden können.
2.4 Gestalttherapie
Übungen mit einem leeren oder auch mehreren Stühlen werden im Kontext der Gestalttherapie sowie in psychodramatischen Verfahren häufig angewendet. Modus-Dialoge auf Stühlen gehören zu den wichtigsten technischen Elementen in der Schematherapie. Sowohl in der Gestalttherapie als auch in der Schematherapie werden Übungen mit Stühlen v. a. als Möglichkeit der emotionalen Aktivierung und inneren Differenzierung eingesetzt. In beiden Fällen verfolgt die Anwendung dieser Techniken das Ziel, »innere Prozesse« zu externalisieren und durch die Darstellung im »realen Raum« neue Perspektiven zu ermöglichen bzw. Spielräume für neue Lösungen zu finden. Während die gestalttherapeutische Anwendung ganz überwiegend prozessorientiert ist, zeigen sich in der Schematherapie eine klar direktive Rolle des Therapeuten und in den meisten Fällen ein im Voraus angestrebter, zielgerichteter Ablauf der Übung.
2.5 Achtsamkeitsbasierte Therapien und »dritte Welle« der Verhaltenstherapie
Von einer »dritten Welle« in der Verhaltenstherapie spricht Hayes (2004) hinsichtlich derjenigen Methoden, die auf autonome, emotionale Regulationsprozesse fokussieren. Die Gemeinsamkeit dieser Ansätze besteht darin, eine mentale Distanz zu den aktivierten inneren Prozessen aufzubauen, was eine höhere Flexibilität und somit eine gewisse innere Beweglichkeit entstehen lässt, welche Menschen den Freiraum für funktionalere Verhaltensweisen zurückgibt. Während die Schematherapie zu Beginn einer Behandlung dysfunktionale Muster zunächst erarbeitet und inhaltlich zu verändern versucht (oder sogar zu »bekämpfen« oder »ersetzen«), entfernt sich im Verlauf der Behandlung der Schwerpunkt von der direkten »inhaltlichen Veränderung« nicht hilfreicher Schemata und Modi hin zur Entwicklung und Stärkung neuer, funktionalerer Muster und Selbstregulationsstrategien, was in der Sprache der Schematherapie »Gesunder Erwachsenenmodus« genannt wird. Unabhängig davon, welche Verhaltenstendenzen innerlich entstehen und auf welche dysfunktionalen Schemata diese zurückzuführen sind, hat der Patient im »GE-Modus« die »letzte Entscheidung« und er bestimmt, wie er sich verhalten möchte. Dies bedeutet den Übergang von einer inhaltlichen kognitiven Bearbeitung der dysfunktionalen Schemata (zweite Welle nach dem Behaviorismus) hin zu einer distanzierenden, metakognitiven Haltung im Sinne einer »dritten Welle«. Insbesondere im Falle schwerer Persönlichkeitsstörungen ist dies von großer Bedeutung, denn tiefe emotionale und kognitive Muster können nicht komplett verändert werden. Vielmehr geht es in der Behandlung um die zunehmende Akzeptanz deren Existenz, was die Entwicklung neuer Muster ermöglicht, welche sich parallel dazu als Handlungsalternativen anbieten. Es gibt zahlreiche Methoden der Verhaltenstherapie, welche Achtsamkeit, Akzeptanz und Commitment fokussiert trainieren. Die Acceptance and Commitment Therapy (ACT; Hayes 2004) ist zum derzeitigen Stand das am häufigsten untersuchte Verfahren. ACT-Strategien bieten sich nach unserer Erfahrung als eine sehr passende Ergänzung an und können sehr gut im Sinne eines Trainings »gesunder erwachsener Fertigkeiten« zum Aufbau von Selbstkontrolle in die Schematherapie integriert werden ( Kap. 5). Eine weitere Methode, welche an vielen Stellen Gemeinsamkeiten mit der Schematherapie aufweist, ist die Compassion Focused Therapy (CFT; Gilbert 2009). Die Konzeptualisierung von Mitgefühl als einen trainierbaren Prozess und »Überbegriff« verschiedener Fertigkeiten (Mitgefühl mit sich selbst im Umgang mit eigenen emotionalen Aktivierungen und »inneren Stimmen«, Mitgefühl mit anderen Menschen als prosoziale Bindungstendenz, Akzeptieren vom Mitgefühl anderer gegenüber der eigenen Person) zeigt deutliche Parallelen mit dem Konzept eines gesunden Erwachsenenmodus in der Schematherapie. Mitgefühl spielt in der Schematherapie eine wesentliche Rolle in der Selbstregulation sowie in der Reduktion dysfunktionaler Bewältigungsmodi, wie etwa der narzisstischen Selbsterhöhung gegenüber anderen.