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Edgar Allan Poe

Die Stadt im Meer

Das ist des Todes Residenz,

Diese seltsame Stadt im fernen Westen.

Hier thront er und erteilt Audienz

Den Bösen und Guten, den Schlimmsten und Besten.

Hier stehen mächtige Säulenhallen

(Zermorschtes Gemäuer, das nicht zittert)

Neben Kapellen und Kathedralen

Und hohen Palästen, schwarz und verwittert.

Ringsum, vom Winde vergessen, ruht,

Wie schlafend, eine eisige Flut.

Kein Strahl aus dem himmlischen Gewölbe

Fällt auf das Dunkel dieser Stadt;

Doch einen Schimmer, traurig und matt,

Entsendet das Meer, das rötlich gelbe.

Und der kriecht hinauf an dunklen Palästen,

An babylonischen Türmen und Vesten.

Der kriecht empor an eisernen Kerkern

Und schattigen, ausgestorbenen Erkern.

Der schlängelt sich aufwärts an Säulenhallen

Und an gigantischen Kathedralen

Mit steinernem Zierat von grotesken

Blumengewinden und Arabesken,

An vielen wundersamen Kapellen –

Und gleitet zurück in die kalten Wellen,

Die melancholischen, schweigenden Wellen.

Von einem stolzen Turm übersieht

Der finstere König sein Gebiet.

Tempel und Gräber öffnen sich weit –

Da erglänzt eine seltsame Herrlichkeit.

Doch weder die Gräber mit ihren Schätzen,

Noch die demantenen Augen der Götzen

Locken die Wogen aus ihrem Bette.

Gläsern bleibt die schaurige Glätte;

Kein Hauch, kein noch so leises Säuseln,

Erhebt sich, diese Fläche zu kräuseln.

Kein Schwellen erzählt von glücklichen Seen,

Worüber heitere Lüfte wehen.

Kein Wallen erzählt, daß es Meere gibt,

Weniger grauenhaft ungetrübt.

Da regt sich etwas im trägen Meere,

Als wären die Türme plötzlich versunken

Und hätten die Flut auseinandergeschoben;

Die Woge färbt sich, als ob ein Funken,

Ein wärmender Sonnenfunken von oben,

Auf sie herniedergeglitten wäre.

Und wenn nun durch den geöffneten Spalt

Der trägen, melancholischen Flut

Die seltsame Stadt versinkt – dann zahlt

Ihr die Hölle selber Tribut.

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