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Der Streit auf dem Dampfer

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Pracht­voll! sag­te die Grä­fin de Cou­de halb­laut vor sich hin.

Was ist pracht­voll? frag­te der Graf, in­dem er sich nach sei­ner jun­gen Frau um­wand­te. Er schau­te dann um­her, um den Ge­gen­stand ih­rer Be­wun­de­rung zu ent­de­cken.

Oh, gar nichts, mein Lie­ber, er­wi­der­te die Grä­fin, aber ihre oh­ne­hin ro­si­gen Wan­gen färb­ten sich da­bei noch tiefer. Ich dach­te nur mit Be­wun­de­rung an die er­staun­li­chen Wol­ken­krat­zer von New York zu­rück. Die schö­ne Grä­fin lehn­te sich be­hag­lich in ih­ren Ses­sel zu­rück und nahm die Zeit­schrift, die sie auf den Schoß hat­te fal­len las­sen, wie­der auf.

Auch ihr Mann ver­tief­te sich wie­der in sein Buch, doch kam es ihm merk­wür­dig vor, dass sei­ne Frau jetzt die Ge­bäu­de be­wun­der­te, die sie noch vor drei Ta­gen als ab­scheu­lich hin­ge­stellt hat­te.

Bald leg­te der Graf das Buch wie­der aus der Hand. Es ist sehr lang­wei­lig, Olga, sag­te er. Ich will se­hen, ob ich nicht noch ein paar Her­ren auf­trei­be, die sich auch lang­wei­len, so­dass wir viel­leicht mit­ein­an­der Kar­ten spie­len kön­nen.

Du bist nicht sehr ga­lant, rief die jun­ge Frau la­chend, aber da ich mich eben­so lang­wei­le, so kann ich es dir nicht ver­übeln. Geh nur und spie­le mit dei­nen lang­wei­li­gen al­ten Kar­ten, wenn es dir Spaß macht.

Als er fort war, sah sie ver­stoh­len nach ei­nem großen jun­gen Mann, der sich un­weit von ihr be­quem auf ei­nem Lie­ge­stuhl aus­ge­streckt hat­te.

Pracht­voll! mur­mel­te sie noch ein­mal vor sich hin.

Die Grä­fin Olga de Cou­de war erst zwan­zig Jah­re alt, ihr Mann aber schon vier­zig. Sie war ihm treu und er­ge­ben, aber da sie bei ih­rer Wahl gar nicht be­fragt wor­den war, so war sie be­greif­li­cher­wei­se nicht ge­ra­de lei­den­schaft­lich in den Mann ver­liebt, den das Schick­sal oder viel­mehr ihr ad­li­ger rus­si­scher Va­ter ihr als Le­bens­ge­fähr­ten be­stimmt hat­te. Aus ih­rem Aus­ruf der Be­wun­de­rung beim An­blick ei­nes statt­li­chen jun­gen Frem­den darf aber nicht ge­schlos­sen wer­den, dass ihre Ge­dan­ken ih­rem Gat­ten in ir­gend­ei­ner Wei­se un­treu ge­we­sen wä­ren. Sie be­wun­der­te den Frem­den nur eben­so, wie sie ein be­son­ders schö­nes Exem­plar ir­gend­ei­ner an­de­ren Art von Le­be­we­sen be­wun­dert hät­te. Zu­dem war es zwei­fel­los ein Ver­gnü­gen, ihn an­zu­se­hen.

Gera­de als ihr ver­stoh­le­ner Blick über sein Pro­fil husch­te, stand er auf und ver­ließ das Deck.

Die Grä­fin wink­te einen vor­über­ge­hen­den Ste­ward her­an. Wer ist je­ner Herr? frag­te sie.

Er ist als Herr Tar­zan aus Afri­ka ein­ge­tra­gen, gnä­di­ge Frau! lau­te­te die Ant­wort.

Eine ziem­lich große Be­sit­zung, dach­te die jun­ge Frau, aber jetzt war ihre Neu­gier noch ge­stie­gen.

Als Tar­zan lang­sam auf das Rauch­zim­mer zu­schritt, kam er an zwei Män­nern vor­bei, die auf­ge­regt vor der Türe flüs­ter­ten. Er hät­te sie nicht ein­mal be­ach­tet, wenn nicht der eine von ih­nen einen son­der­ba­ren Blick auf ihn ge­wor­fen hät­te. Die bei­den er­in­ner­ten Tar­zan an die Schur­ken­ge­stal­ten, die ihm aus rühr­se­li­gen Dra­men der Pa­ri­ser Thea­ter satt­sam in Erin­ne­rung ge­blie­ben wa­ren. Bei­de wa­ren dun­kel­far­big und dies, eben­so wie ihr Ach­sel­zu­cken und ihre ver­stoh­le­nen Bli­cke, ließ die Ähn­lich­keit noch grö­ßer er­schei­nen. Je­den­falls hat­ten sie nichts Gu­tes im Sinn.

Tar­zan trat in das Rauch­zim­mer und setz­te sich et­was ab­seits von den An­we­sen­den. Er war nicht in der Stim­mung, sich mit an­de­ren zu un­ter­hal­ten. Wäh­rend er sei­nen Ab­sinth schlürf­te, ließ er die ver­gan­ge­nen Wo­chen sei­nes Le­bens sor­gen­voll an sich vor­über­zie­hen. Im­mer wie­der frag­te er sich, ob er wei­se ge­han­delt habe, als er zu­guns­ten ei­nes Man­nes auf sein Ge­burts­recht ver­zich­te­te, dem er in kei­ner Wei­se zu Dank ver­pflich­tet war. Al­ler­dings be­trach­te­te er Clay­ton als einen Freund, aber das war er nicht. Nicht Wil­liam Ce­cil Clay­ton, Lord Grey­sto­ke, zu­lie­be hat­te er sei­ne Ge­burt ver­leug­net. Es war nur der Frau zu­lie­be, die er und Clay­ton lieb­ten, und die eine selt­sa­me Lau­ne des Schick­sals die­sem, statt ihm, be­stimmt hat­te.

Dass sie ihn lieb­te, mach­te ihm den Ge­dan­ken dop­pelt schwer, aber er sag­te sich, er hät­te nicht mehr tun kön­nen, als was er in je­ner Nacht auf der klei­nen Ei­sen­bahn­sta­ti­on in den fer­nen Wäl­dern von Wis­con­sin ge­tan hat­te. Für ihn war vor al­lem ihr Glück der ers­te Be­weg­grund, und sei­ne kur­ze Er­fah­rung mit der Kul­tur und den Kul­tur­menschen hat­te ihn ge­lehrt, dass das Le­ben ohne Geld und ohne Stel­lung den meis­ten von ih­nen un­er­träg­lich war.

Jane Por­ter war nun ein­mal für die Gü­ter der Kul­tur ge­bo­ren; hät­te Tar­zan sie die­sem Man­ne weg­ge­nom­men, so hät­te er sie zwei­fel­los in ein Le­ben ge­stürzt, das ihr elend und qual­voll er­schei­nen muss­te. Tar­zans Ge­dan­ken schweif­ten aus der Ver­gan­gen­heit in die Zu­kunft. Er ver­such­te, sich auf die Rück­kehr in den Dschun­gel zu freu­en, in den grau­sa­men wil­den Dschun­gel, in dem er ge­bo­ren wor­den und wo er von sei­nen 22 Jah­ren 20 ver­lebt hat­te. Aber wel­ches von der My­ria­de Le­be­we­sen des Dschun­gels wür­de ihn bei sei­ner Rück­kehr will­kom­men hei­ßen? Kaum ei­nes! Nur Tan­tor, den Ele­fan­ten, konn­te er sei­nen Freund nen­nen. Die an­de­ren wür­den ihn ver­fol­gen oder ihn flie­hen, wie sie es frü­her ge­tan hat­ten.

Nicht ein­mal die Af­fen sei­nes frü­he­ren Stam­mes wür­den ihm ihre ka­me­rad­schaft­li­che Hand ent­ge­gen­stre­cken.

Wenn die Kul­tur auch sonst nichts für Tar­zan ge­tan hat­te, so hat­te sie ihn doch bis zu ei­nem ge­wis­sen Gra­de ge­lehrt, sich nach der Ge­sell­schaft glei­cher We­sen um­zu­se­hen und das Wohl­tu­en­de der Ka­me­rad­schaft zu schät­zen. Es war ihm jetzt schwer, sich eine Welt ohne ir­gend­ei­nen Freund zu den­ken, ohne ein le­ben­des We­sen, mit dem er sich jetzt doch durch die ge­lern­ten Spra­chen so gut ver­stän­di­gen konn­te. Und so kam es, dass Tar­zan recht trüb­se­lig in die Zu­kunft schau­te, die er selbst sich vor­ge­zeich­net hat­te.

Als er so, eine Zi­ga­ret­te rau­chend, in Ge­dan­ken ver­sun­ken da saß, fiel sein Blick auf einen Spie­gel vor ihm, und dar­in sah er einen Tisch, an dem vier kar­ten­spie­len­de Män­ner sa­ßen. Eben stand ei­ner auf, um fort­zu­ge­hen und dann nä­her­te sich ein an­de­rer, der sich höf­lich er­bot, den lee­ren Platz aus­zu­fül­len, da­mit das Spiel nicht un­ter­bro­chen wür­de. Es war der klei­ne­re von bei­den, die Tar­zan mit­ein­an­der flüs­ternd vor dem Rauch­zim­mer an­ge­trof­fen hat­te.

Das hat­te die Neu­gier Tar­zans ei­ni­ger­ma­ßen ge­weckt, und er konn­te nicht um­hin, im Spie­gel das Bild der Spie­ler am Ti­sche zu be­ob­ach­ten. Tar­zan kann­te nur den Na­men ei­nes der Spie­ler, näm­lich des­je­ni­gen, der ge­gen­über dem neu hin­zu­ge­kom­me­nen saß. Es war der Graf Raoul de Cou­de, den ein zu­vor­kom­men­der Ste­ward ihm letzthin als eine der Berühmt­hei­ten auf dem Schif­fe be­zeich­net hat­te und der eine hohe Stel­lung im fran­zö­si­schen Kriegs­mi­nis­te­ri­um ein­neh­men soll­te.

Plötz­lich wur­de Tar­zans gan­ze Auf­merk­sam­keit auf das Bild im Spie­gel ge­lenkt. Der an­de­re Dun­kel­far­bi­ge, der wie ein Bö­se­wicht aus­sah, war her­ein­ge­kom­men und stand hin­ter dem Stuh­le des Gra­fen. Tar­zan sah, dass er sich um­dreh­te und ver­stoh­len um­her­schau­te; sein hu­schen­der Blick ruh­te aber nicht lan­ge ge­nug auf dem Spie­gel, um Tar­zans wach­sa­me Au­gen zu ent­de­cken. Heim­lich zog der Mann et­was aus sei­ner Ta­sche, aber da er es mit der Hand be­deck­te, konn­te Tar­zan nicht se­hen, was es war.

Lang­sam nä­her­te sich die Hand dem Gra­fen, um ihm das Ding, das sie ent­hielt, in die Ta­sche zu schie­ben. Der Mann blieb so ste­hen, dass er die Kar­ten des Fran­zo­sen be­ob­ach­ten konn­te. Das gab Tar­zan zu den­ken. Er pass­te jetzt sorg­fäl­tig auf und ließ sich kei­ne Ein­zel­heit des Vor­falls ent­ge­hen.

Das Spiel ging da­nach noch etwa zehn Mi­nu­ten wei­ter, bis der Graf dem, der zu­letzt zum Spiel ge­kom­men war, einen ho­hen Be­trag ab­ge­wann. Dann sah Tar­zan den Mann, der hin­ter des Gra­fen Stuhl stand, sei­nem Ver­bün­de­ten zu­ni­cken. So­fort er­hob sich der Spie­ler und zeig­te mit dem Fin­ger auf den Gra­fen.

Hät­te ich ge­wusst, dass der Herr ein ge­werbs­mä­ßi­ger Falsch­spie­ler ist, sag­te er, so wäre ich nicht so schnell be­reit ge­we­sen, mich in das Spiel hin­ein­zie­hen zu las­sen.

Im Nu spran­gen der Graf und die bei­den an­de­ren Spie­ler auf.

Der Graf war erb­lasst.

Was wol­len Sie da­mit sa­gen, Herr? schrie er. Wis­sen Sie, mit wem Sie spre­chen?

Ich weiß, dass ich das letz­te Mal mit ei­nem spre­che, der beim Kar­ten­spiel be­trügt, er­wi­der­te der an­de­re.

Der Graf neig­te sich so­fort über den Tisch und ver­setz­te dem Mann eine Ohr­fei­ge, ehe die an­de­ren da­zwi­schen­tre­ten konn­ten.

Da liegt un­be­dingt ein Irr­tum vor, Herr! rief ei­ner der an­de­ren Spie­ler. Das ist ja der Graf de Cou­de.

Wenn ich mich irre, sag­te der, der ihn be­schul­digt hat­te, so will ich mich gern ent­schul­di­gen, aber ehe ich das tue, soll der Herr Graf er­klä­ren, wozu er die falschen Kar­ten braucht, die ich ihn in sei­ne Sei­ten­ta­sche ste­cken sah.

Der Mann, den Tar­zan beim Hin­ein­schie­ben der Kar­ten be­ob­ach­tet hat­te, such­te den Wort­wech­sel zu be­nut­zen, um sich aus dem Rauch­zim­mer fort­zu­schlei­chen; aber zu sei­nem Är­ger fand er den Aus­gang von ei­nem großen grau­äu­gi­gen Frem­den ver­sperrt.

Sie ent­schul­di­gen, rief er, in­dem er ver­such­te, an ihm vor­bei­zu­schlüp­fen.

War­ten Sie! sag­te Tar­zan.

Aber warum, mein Herr? frag­te der an­de­re un­ge­dul­dig. Ge­stat­ten Sie, dass ich vor­bei­ge­he!

War­ten Sie, sag­te Tar­zan, denn hier ist eine Sa­che zu re­geln, die Sie zwei­fel­los auf­klä­ren kön­nen.

Der Mensch hat­te in­zwi­schen sei­ne Ruhe ver­lo­ren und woll­te Tar­zan mit ei­nem lei­sen Fluch zur Sei­te sto­ßen. Der Af­fen­mensch aber lach­te nur, als er den großen Kerl am Man­tel­kra­gen fass­te und ihn an den Tisch zu­rück­führ­te, ob­schon die­ser sich flu­chend und schla­gend da­ge­gen wehr­te.

So mach­te Ni­ko­laus Ro­koff die ers­te Er­fah­rung mit den Mus­keln, die Tar­zan zum Sie­ge über Numa, den Lö­wen, und Ter­kop, den großen Men­schen­af­fen, ver­hol­fen hat­ten.

Der Mann, der de Cou­de be­schul­digt hat­te, und die zwei an­de­ren Spie­ler sa­hen den Gra­fen er­war­tungs­voll an. Meh­re­re an­de­re Pas­sa­gie­re wa­ren in­fol­ge des Wort­wech­sels hin­zu­ge­kom­men und alle war­te­ten auf den Aus­gang.

Der Mensch ist ver­rückt, sag­te der Graf. Mei­ne Her­ren, ich bit­te Sie, un­ter­su­chen Sie mich.

Die Be­schul­di­gung ist lä­cher­lich, sag­te ei­ner der Spie­ler.

Sie brau­chen ihre Hand nur in die Rock­ta­sche des Gra­fen zu ste­cken, und Sie wer­den se­hen, dass die An­kla­ge be­rech­tigt ist, ver­si­cher­te der Spiel­part­ner, der die Be­schul­di­gung aus­ge­spro­chen hat­te. Und als die an­de­ren noch zö­ger­ten, rief er aus: Vor­wärts! Ich wer­de es selbst tun, wenn kein an­de­rer es will. Zu­gleich ging er auf den Gra­fen zu.

Nein, mein Herr, sag­te de Cou­de. Ich will mich nur von ei­nem Gent­le­man un­ter­su­chen las­sen.

Es ist nicht nö­tig, den Gra­fen zu un­ter­su­chen. Die Kar­ten sind in sei­ner Ta­sche. Ich habe selbst ge­se­hen, wie sie hin­ein­ge­steckt wur­den.

Alle wand­ten sich er­staunt nach dem neu­en Spre­cher um. Sie sa­hen einen wohl­ge­bau­ten Mann, der einen am Man­tel­kra­gen ge­fass­ten Men­schen her­an­schlepp­te. Es ist eine Ver­schwö­rung, rief de Cou­de är­ger­lich. Es sind kei­ne Kar­ten in mei­nem Rock. Und da­mit griff er in sei­ne Ta­sche.

Es herrsch­te tie­fes Schwei­gen in der klei­nen Grup­pe. Der Graf wur­de lei­chen­blass und zog lang­sam sei­ne Hand her­aus, in der er tat­säch­lich drei Kar­ten hielt.

Ent­setzt sah er sie schwei­gend an, in­des sein Ge­sicht auf­flamm­te. In den Mie­nen der Zuschau­er aber, die sa­hen, wie die Ehre ei­nes Man­nes den To­dess­toß er­hielt, misch­te sich Mit­leid mit Ver­ach­tung.

Der grau­äu­gi­ge Un­be­kann­te aber rief: Es ist eine Ver­schwö­rung, mei­ne Her­ren. Der Herr Graf wuss­te nicht, dass die­se Kar­ten in sei­ner Ta­sche wa­ren. Sie wur­den ohne sein Wis­sen wäh­rend des Spie­les hin­ein­ge­steckt.

Von mei­nem Stuh­le dort un­ten aus sah ich al­les vor mir im Spie­gel. Die­ser Mann, den ich beim Ent­wei­chen fest­ge­hal­ten habe, hat die Kar­ten in des Gra­fen Ta­sche ge­steckt.

De Cou­de hat­te zu­erst auf Tar­zan ge­schaut, dann auf den Mann, den die­ser mit der Faust fest­hielt.

Mein Gott, Ni­ko­laus! rief er. Du?

Dann wand­te er sich an den Mann, der ihn be­schul­digt hat­te, und sah ihn einen Au­gen­blick scharf an.

Und Sie, mein Herr, ich er­kann­te Sie nicht ohne Ihren Bart. Er ver­stellt Sie ganz, Paw­lo­wi­tsch. Jetzt ver­ste­he ich al­les. Es ist ganz klar, mei­ne Her­ren.

Was sol­len wir mit ihm an­fan­gen? frag­te Tar­zan. Dem Ka­pi­tän über­ge­ben?

Nein, mein Freund er­wi­der­te der Graf has­tig. Es ist eine per­sön­li­che An­ge­le­gen­heit, und ich bit­te Sie, sie auf sich be­ru­hen zu las­sen. Es ge­nügt, dass ich von der Be­schul­di­gung ent­las­tet bin. Je we­ni­ger wir mit sol­chen Leu­ten zu tun ha­ben, de­sto bes­ser ist es. Aber, mein Herr, wie kann ich Ih­nen für die große Güte dan­ken, die Sie mir be­wie­sen ha­ben? Er­lau­ben Sie, dass ich Ih­nen mei­ne Kar­te über­rei­che, und falls sich mir ein­mal eine Ge­le­gen­heit bie­tet, Ih­nen eine Ge­fäl­lig­keit zu er­wei­sen, so er­in­nern Sie sich, dass ich zu Ihren Diens­ten ste­he.

Tar­zan hat­te Ro­koff los­ge­las­sen, und die­ser be­eil­te sich, mit sei­nem Ver­bün­de­ten Paw­lo­wi­tsch das Rauch­zim­mer zu ver­las­sen. Zu­vor aber zisch­te Ro­koff Tar­zan zu: Sie wer­den Ihre Ein­mi­schung in frem­de An­ge­le­gen­hei­ten noch schwer zu be­dau­ern ha­ben.

Über die­se Dro­hung lach­te Tar­zan, und sich vor dem Gra­fen ver­nei­gend, über­reich­te er ihm sei­ne Kar­te.

Der Graf las:

M. Jean C. Tar­zan.

Herr Tar­zan, sag­te er, Sie wer­den viel­leicht noch ein­mal wün­schen, mir nie­mals einen Freund­schafts­dienst ge­leis­tet zu ha­ben, denn ich kann Ih­nen sa­gen: Sie ha­ben sich die Feind­schaft von zwei der größ­ten Erz­gau­ner von ganz Eu­ro­pa zu­ge­zo­gen. Ge­hen Sie ih­nen aus dem Wege, wo Sie nur kön­nen.

Mein lie­ber Graf, er­wi­der­te Tar­zan mit ru­hi­gem Lä­cheln. Ich habe Fein­de ge­habt, die mehr zu fürch­ten wa­ren, und doch bin ich noch am Le­ben, und es hat mir noch kei­ner et­was an­ha­ben kön­nen. Ich glau­be nicht, dass ei­ner von den bei­den es fer­tig brin­gen wird, mir ein Leid zu­zu­fü­gen.

Wir wol­len es nicht hof­fen, mein Herr, sag­te de Cou­de, aber es wird auf alle Fäl­le nichts scha­den, wenn Sie auf Ih­rer Hut sind und wenn Sie wis­sen, dass Sie sich heu­te je­man­den zum Fein­de ge­macht ha­ben, der nie ver­gisst und nie ver­gibt, und in des­sen bös­ar­ti­gem Hirn im­mer neue Schur­ke­rei­en er­son­nen wer­den, um sich an de­nen zu rä­chen, die sei­ne Plä­ne ver­ei­telt oder ihm zu nahe ge­tre­ten sind. Wenn man Ni­ko­laus Ro­koff einen Teu­fel nennt, so be­lei­digt man da­mit noch die Ma­je­stät des Sa­t­ans.

Am Abend, als Tar­zan sei­ne Ka­bi­ne be­trat, fand er ein zu­sam­men­ge­fal­te­tes Bil­lett auf dem Bo­den, das of­fen­bar un­ter der Tür her­ein­ge­scho­ben wor­den war. Er öff­ne­te es und las:

Herr Tar­zan, Sie wa­ren sich zwei­fel­los der Schwe­re Ih­rer Be­lei­di­gung nicht be­wusst, sonst hät­ten Sie sich si­cher nicht zu Ih­rer heu­ti­gen Hand­lung hin­rei­ßen las­sen. Ich will an­neh­men, dass Sie in Un­kennt­nis ge­han­delt ha­ben und nicht die Ab­sicht hat­ten, einen Frem­den zu be­lei­di­gen. Aus die­sem Grun­de will ich Ih­nen ger­ne er­lau­ben, Ab­bit­te zu leis­ten, und wenn ich die Ver­si­che­rung er­hal­ten habe, dass Sie sich nicht mehr in frem­de An­ge­le­gen­hei­ten mi­schen wer­den, will ich die Sa­che ganz auf sich be­ru­hen las­sen.

An­dern­falls – doch ich bin si­cher, dass Sie so klug sein wer­den, den an­ge­deu­te­ten Weg ein­zu­schla­gen.

Hochach­tungs­voll

Ni­ko­laus Ro­koff.

Ei­nen Au­gen­blick spiel­te ein grim­mi­ges Lä­cheln um Tar­zans Lip­pen, aber dann dach­te er nicht wei­ter dar­an und ging zu Bett.

In ei­ner na­he­lie­gen­den Ka­bi­ne sprach die Grä­fin de Cou­de mit ih­rem Gat­ten.

Wa­rum so ernst, mein lie­ber Raoul? Du bist den gan­zen Abend so ver­drieß­lich ge­we­sen? Was macht dir Sor­gen?

Olga, Ni­ko­laus ist an Bord un­se­res Schif­fes. Wuss­test du es?

Ni­ko­laus! rief sie aus. Das ist un­mög­lich, Raoul. Das kann nicht sein! Ni­ko­laus ist in Deutsch­land ver­haf­tet. Das glaub­te ich auch, bis ich ihn heu­te sah, ihn und den an­de­ren Erz­gau­ner, Paw­lo­wi­tsch. Olga, ich kann die­se Ver­fol­gung nicht län­ger er­tra­gen. Nein, selbst nicht um dei­net­wil­len. Frü­her oder spä­ter wer­de ich ihn den Be­hör­den aus­lie­fern. Ich habe mich in der Tat so halb und halb ent­schlos­sen, dem Ka­pi­tän al­les zu er­klä­ren, ehe wir lan­den. Auf ei­nem fran­zö­si­schen Damp­fer wäre es leicht, uns die­sen Ver­fol­ger dau­ernd vom Hal­se zu schaf­fen.

O nein, Raoul! rief die Grä­fin, in­dem sie vor ihm nie­der­knie­te, da er mit ge­senk­tem Kopf auf ei­nem Di­wan saß. Tu das nicht! Den­ke an das Ver­spre­chen, das du mir ge­ge­ben hast. Sage mir, Raoul, dass du das nicht tun willst. Dro­he ihm nicht ein­mal.

De Cou­de nahm die Hän­de sei­ner Frau in die sei­nen und be­trach­te­te ihre blei­chen, ver­wirr­ten Züge eine Wei­le, ehe er sprach, als ob er aus die­sen schö­nen Au­gen den wirk­li­chen Grund er­ra­ten woll­te, der sie be­stimm­te, die­sen Mann zu schüt­zen.

Es soll ge­sche­hen, wie du wün­schest, Olga, sag­te er end­lich. Ich kann es nicht ver­ste­hen. Er hat je­den An­spruch auf dei­ne Lie­be, An­häng­lich­keit oder Ach­tung ver­wirkt. Er ist eine Ge­fahr für dein Le­ben und dei­ne Ehre und für das Le­ben und die Ehre dei­nes Man­nes. Mö­gest du es nie be­reu­en, ihn ver­tei­digt zu ha­ben.

Ich ver­tei­di­ge ihn nicht, Raoul, un­ter­brach sie ihn hef­tig. Ich glau­be, dass ich ihn eben­so­sehr has­se wie du, aber – o Raoul, Blut ist di­cker als Was­ser.

Ich hät­te heu­te gern die Be­schaf­fen­heit des sei­ni­gen er­probt, sag­te de Cou­de in grim­mi­gem Är­ger. Die bei­den ha­ben heu­te vor­sätz­lich mei­ne Ehre zu be­schmut­zen ver­sucht, Olga. Und dann er­zähl­te er die Vor­fäl­le im Rauch­zim­mer.

Ohne die­sen Frem­den, fuhr er hier­auf fort, wäre es ih­nen ge­glückt, denn wer hät­te mei­nem ein­fa­chen Wort ge­glaubt, da ja die ver­wünsch­ten Kar­ten in mei­ner Ta­sche wa­ren? Ich hät­te bei­na­he selbst dar­an ge­zwei­felt, bis die­ser Herr Tar­zan dei­nen fei­nen Ni­ko­laus zu uns her­an­schlepp­te und den gan­zen fei­gen An­schlag auf­klär­te.

Herr Tar­zan? frag­te die Grä­fin sicht­lich über­rascht.

Ja, kennst du ihn, Olga?

Ich habe ihn ge­se­hen. Ein Ste­ward zeig­te ihn mir.

Ich wuss­te nicht, dass er eine Berühmt­heit ist, sag­te der Graf.

Olga de Cou­de ging auf ein an­de­res The­ma über. Es fiel ihr näm­lich ein, dass es ihr schwer sein wür­de, zu er­klä­ren, warum der Ste­ward ge­ra­de ihr den hüb­schen Tar­zan ge­zeigt habe. Vi­el­leicht er­rö­te­te sie ein we­nig, denn ihr Gat­te sah sie mit ei­nem son­der­bar spöt­ti­schen Blick an. Ach, dach­te sie, ein schul­di­ges Ge­wis­sen ist ein sehr ver­däch­ti­ges Ding.

Tarzan – Band 2 – Tarzans Rückkehr

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