Читать книгу TARZAN UND DER SCHATZ VON OPAR - Edgar Rice Burroughs - Страница 10

Viertes Kapitel

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Tarzans Aufmerksamkeit richtete sich auf den alten Mann. Er hatte Numa nicht getötet, um den Schwarzen zu retten, es war lediglich ein Akt der Rache gewesen. Nun aber, da er den alten Mann hilflos und sterbend vor sich liegen sah, regte sich etwas wie Mitleid in ihm. In seiner Jugend hätte er den Zauberer erschlagen, ohne eine Sekunde zu zögern, inzwischen aber hatte die Zivilisation ihre Wirkung auf ihn nicht verfehlt. Er sah einen leidenden alten Mann und kniete nieder, um seine Wunden zu untersuchen und die Blutungen zu stillen.

»Wer bist du?«, fragte der alte Mann mit zitternder Stimme.

»Ich bin Tarzan - Tarzan von den Affen«, erwiderte Tarzan mit dem gleichen Stolz, als würde er sagen: Ich bin John Clayton, Lord Greystoke.

Der Alte begann zu beben und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, las Tarzan in ihnen, dass sich der Zauberer mit seinem Schicksal abgefunden hatte. »Warum tötest du mich nicht?«, fragte der Greis.

»Warum sollte ich dich töten? Du hast mir nichts zuleide getan, außerdem bist du schon fast ein toter Mann. Numa, der Löwe, hat dich getötet.«

»Du willst mich nicht töten?« Zweifel und Ungläubigkeit sprachen aus der bebenden Stimme.

»Ich würde dich retten, wenn es möglich wäre, aber ich kann es nicht«, erwiderte Tarzan. »Warum dachtest du, dass ich dich töten würde?«

Eine Weile blieb der alte Mann stumm. Als er endlich sprach, geschah es nach einem inneren Kampf mit der Furcht, die ihn noch immer beherrschte. »Ich kenne dich seit langem«, sagte er. »Damals streiftest du im Lande Mbongas, des Häuptlings, durch den Dschungel. Ich war schon Wunderdoktor, als du Kulonga und die andern erschlugst und unsere Hütten und Giftkessel ausraubtest. Zuerst erinnerte ich mich nicht an dich - dann aber wusste ich, wer du bist - der weißhäutige Affe, der mit den behaarten Affen zusammenlebte und uns das Leben schwer machte - der Dschungelgott - der Munango-Keewati, für den wir außerhalb unserer Tore Nahrung bereitstellten, und der kam und sie verzehrte. Erzähle mir, bevor ich sterbe - bist du ein Mensch oder ein Teufel?«

Tarzan lachte. »Ich bin ein Mensch«, sagte er.

Der alte Mann seufzte und schüttelte den Kopf. »Du hast versucht, mich vor Simba zu retten«, sagte er, »dafür werde ich dich belohnen. Ich bin ein großer Zauberer. Höre mir zu, weißer Mann! Ich sehe, dass dir schlimme Tage bevorstehen. Die Schrift meines eigenen Blutes verrät es mir. Ein Gott, der größer ist als du, wird auferstehen und dich zerschmettern. Kehre um, Munango-Keewati! Kehre um, ehe es zu spät ist. Gefahr liegt vor dir, Gefahr droht hinter dir, aber größer ist die Gefahr vor dir. Ich sehe...« Er verstummte, rang nach Atem. Dann krümmte er sich zusammen und starb. Niemand beantwortete Tarzan die Frage, was der Alte noch gesehen hatte.

Es war sehr spät, als Tarzan wieder über die Dornenhecke setzte und sich inmitten seiner schwarzen Krieger zur Ruhe legte. Niemand hatte gesehen, wie er gegangen war, niemand hatte seine Rückkehr beobachtet. Er dachte über die Warnung des alten Zauberdoktors nach, bevor er einschlief, und sein erster Gedanke galt ihr, als er erwachte. Aber er kehrte nicht um, denn er kannte keine Furcht. Hätte er geahnt, was dem Menschen, der ihm das Liebste auf der Welt war, drohte, so hätte er keine Sekunde gezögert, auf das Gold von Opar zu verzichten und an die Seite seiner Frau zu eilen.

Hinter ihm brütete am gleichen Morgen ein anderer weißer Mann über das, was er in der Nacht gehört hatte - etwas so Unheimliches und Furchterregendes, wie es ihm noch nie begegnet war. Werper, der Mörder, hatte den wilden Siegesschrei gehört, den Tarzan nach der Tötung Numas dem Mond entgegenschleuderte. Werper zitterte noch, wenn er an den unheimlichen Schrei dachte, und er wäre umgekehrt, wenn seine Furcht vor Achmed Zek nicht größer gewesen wäre.

So zogen die beiden Gruppen wieder den Ruinen von Opar entgegen, und nur Gott wusste, was beiden bevorstand.

Am Rande des öden Tales, von dem sich die goldenen Kuppeln und Minaretts von Opar überblicken ließen, hielt Tarzan inne. In der Nacht würde er allein in die Schatzkammer eindringen, um zu erkunden, denn er hatte beschlossen, jede erdenkliche Vorsicht walten zu lassen.

Als die Nacht kam, machte er sich auf den Weg, und Werper, der allein hinter ihm bis zum Talrand geschlichen war, folgte ihm lautlos. Die zahlreichen Felsblöcke, die im Tal umherlagen, boten ihm Deckung zur Genüge, und der mächtige Granitgipfel wies ihm die Richtung. Er sah, wie sich Tarzan auf den großen Felsen schwang, und folgte ihm. Vor Angst brach ihm der Schweiß aus, als er sich an den gefahrvollen Aufstieg machte, aber seine Habgier trug den Sieg davon. Endlich stand auch er auf dem Gipfel des ragenden Felsens.

Von Tarzan war nichts zu sehen. Für eine Weile verbarg sich Werper hinter einem der kleineren Felsen, aber als Tarzan weiterhin unsichtbar blieb, kämmte der Belgier systematisch das Gelände durch. Er fand den schmalen Einschnitt, der in das Herz des Hügels führte, entdeckte die abgetretenen granitenen Stufen. Er schlich weiter, bis er den dunklen Tunnel erreichte, in den die Treppe mündete. Hier hielt er an, denn er wagte nicht, den Tunnel zu betreten, weil er fürchtete, Tarzan könnte ihm begegnen.

Weit vor ihm suchte sich Tarzan tastend den Weg über den steinigen Grund, bis er zur alten hölzernen Tür kam. Sekunden später stand er in der Schatzkammer, wo vor undenklichen Zeiten fleißige Hände die Goldbarren für den Herrscher eines Reiches, das nun unter dem Atlantik begraben lag, gestapelt hatten.

Kein Laut störte die Stille des unterirdischen Gewölbes, kein Anzeichen deutete darauf hin, dass ein anderer inzwischen die Schatzkammer entdeckt hatte.

Zufrieden mit dem Ergebnis seiner Erkundung, machte sich Tarzan auf den Rückweg. Werper, hinter einem überhängenden Fels verborgen, sah ihn aus dem Schatten des Tunnels treten und an den Rand des Hügels gehen, wo er sich in die Richtung wandte, in der seine Waziri warteten. Werper verließ sein Versteck, eilte die Stufen hinab und verschwand in der Dunkelheit des Tunnels.

Tarzan erhob seine Stimme zum donnernden Gebrüll eines Löwen. Zweimal wiederholte er den Ruf in unregelmäßigen Abständen und wartete gespannt, während das Echo in den Bergen verklang. Nach Minuten kam die Antwort von der andern Seite des Tales - einmal, zweimal, dreimal. Basuli, der Häuptling der Waziri, hatte den Ruf vernommen und beantwortet.

Tarzan machte sich, in der Gewissheit, dass seine Schwarzen in wenigen Stunden bei ihm sein würden, wieder auf den Weg in die Schatzkammer. Er wollte die Zeit nutzen, um so viele Goldbarren wie möglich zur Spitze des Hügels zu tragen.

Sechsmal legte er den Weg zurück, bevor Basuli den Hügel erreichte. Achtundvierzig Goldbarren hatte er zum Rand des Hügels getragen. Mit Hilfe seines Strickes zog er die Waziri herauf. Sechsmal war er in die Schatzkammer zurückgekehrt, und sechsmal hatte sich Werper, der Belgier, in den dunklen Schatten des langen Gewölbes zurückgezogen. Wieder erschien Tarzan in der Kammer, diesmal begleitet von fünfzig Kriegern, wieder verließen zweiundfünfzig Goldbarren ihr Versteck, so dass insgesamt hundert Barren zum Abtransport bereitstanden.

Als der letzte der Waziri die Schatzkammer verlassen hatte, wandte sich Tarzan um, um noch einmal einen Blick auf die gewaltigen Schätze zu werfen, in die trotz seines Besuches keine merkliche Lücke gerissen war. Bevor er die Kerze, die er mitgebracht hatte, verlöschte, kam ihm die Erinnerung an seinen ersten Besuch in der Schatzkammer. Damals war er auf der Flucht aus dem Tempel gewesen, wo ihn La, die Hohepriesterin der Sonnenanbeter, verborgen gehalten hatte. Er sah sich wieder auf dem Opferaltar ausgestreckt, während La mit hoch erhobenem Messer neben ihm stand. In langen Reihen warteten die Priester und Priesterinnen in hysterischer Ekstase auf den Augenblick, da sie das Blut ihres Opfers in goldenen Trinkgefäßen auf fangen konnten, um sie zum Ruhm ihres flammenden Gottes zu leeren.

Diese und andere Erinnerungen durchzuckten Tarzan, während er die langen Reihen der gelbschimmernden Barren musterte. Er fragte sich, ob La noch immer in den Tempeln der Ruinenstadt herrschte, deren zerfallene Mauern sich über der Schatzkammer erhoben. War sie schließlich doch gezwungen worden, die Frau eines ihrer grotesken Priester zu werden? Für eine Frau von ihrer Schönheit wäre es ein entsetzliches Schicksal gewesen. Kopfschüttelnd trat Tarzan auf die flackernde Kerze zu und verlöschte sie.

Hinter ihm wartete der Spion darauf, dass er freie Bahn bekomme. Er hatte das Geheimnis zu lüften vermocht, das er lüften wollte, nun würde er in Ruhe zu seinem Gefolge zurückkehren können, es in die Schatzkammer führen und alles Gold forttragen lassen, das die Leute schleppen konnten, ohne zusammenzubrechen.

Die Waziri hatten das äußere Ende des Tunnels bereits erreicht und begrüßten die frische Luft und den sternenübersäten Himmel, als Tarzan sich aus seinen Träumen riss und den Männern langsam folgte.

Wieder einmal und zum letzten Mal, wie er glaubte, schloss er die Tür der Schatzkammer hinter sich.

In der Dunkelheit hinter ihm erhob sich Werper und dehnte die verkrampften Muskeln. Dann trat er ein, streckte die Hand aus und ließ sie behutsam über einen Goldbarren der obersten Reihe gleiten. Er hob ihn auf und wog ihn in den Händen. In habgieriger Ekstase drückte er ihn an die Brust.

Tarzan träumte schon von einer glücklichen Heimkehr, von weichen Armen, die ihn umschlangen, von einer rosigen Wange, die sich an die seine schmiegte, aber dann verdrängte die Erinnerung an die Warnung des Wunderdoktors diese Bilder.

Da schlug das Schicksal zu und zerstörte innerhalb weniger Sekunden die Hoffnungen der beiden Männer. Der eine vergaß in der Panik des Augenblicks sogar seine Gier - dem andern raubte ein kantiges Felsstück, das ihm eine tiefe Wunde am Kopf beibrachte, die Erinnerung an die Vergangenheit.

TARZAN UND DER SCHATZ VON OPAR

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