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Drittes Kapitel: Bestien in der Bucht
ОглавлениеLangsam entfaltete Tarzan die Botschaft, die einer der Matrosen ihm in die Hand gedrückt hatte. Zuerst begriff er ihren Inhalt nicht, aber dann kam ihm die ganze Teufelei, die der Schreiber ausgeheckt hatte, zu Bewusstsein.
Die Botschaft lautete:
Diese Zeilen sollen Sie über das Ihnen und Ihrem Sohn zugedachte Schicksal unterrichten. Sie wurden als Affe geboren. Sie haben nackt im Dschungel gelebt - nun kehren Sie zu den Ihren zurück, aber Ihr Sohn soll eine Stufe höher als sein Vater leben. So will es das Gesetz der Entwicklung. Der Vater war ein Tier, der Sohn wird ein Mann sein - kein nacktes Tier im Dschungel, sondern ein Mann, der ein Lendentuch trägt und kupferne Ringe an den Beinen und vielleicht einen Ring durch die Nase, denn er wird von einem Stamm wilder Kannibalen aufgezogen werden.
Ich hätte Sie töten können, aber das wäre nicht Strafe genug für Sie gewesen. Als Toter hätten Sie nicht leiden können angesichts des Ihrem Sohn zugedachten Schicksals; lebend und nicht fähig, Ihrer Umgebung zu entrinnen, werden Sie tausend Qualen erdulden, wenn Sie an die Schrecken denken, die Ihres Sohnes harren. Das wird ein Teil der Strafe sein, die Sie trifft, weil Sie sich gegen mich gestellt haben.
N. R.
P. S.: Den Rest an Genugtuung werde ich mir verschaffen, indem ich mich an Ihrer Frau schadlos halte.
Tarzan hatte die Nachricht gelesen, als ein leises Geräusch hinter ihm ihn herumfahren ließ. Blitzschnell erwachte sein Instinkt wieder, war er wieder der Tarzan, der unter den Gefahren des Dschungels aufgewachsen war. Die zwei Jahre, die vergangen waren, seit er dem Dschungel den Rücken gekehrt hatte, hatten seinen gewaltigen Kräften nur wenig Abbruch getan. Auf seinen großen Besitzungen in Uziri hatte er Gelegenheit gehabt, sich durch vielseitige Arbeit in Übung zu halten. Nun aber stand er nackt und unbewaffnet einem der gefährlichsten Dschungelbewohner gegenüber - einem mächtigen Gorilla, dem ein Dutzend seiner Stammesangehörigen folgte.
Nur noch zehn Schritte trennten den Gorilla von seinem Feind. Langsam kam die Bestie näher, ein wildes tiefes Knurren ausstoßend und mit beiden Fäusten auf die breite Brust trommelnd. Mit einem gewaltigen Satz stürzte sich das Tier auf seinen Gegner, der mit schnellem Sprung dem Gefahrenbereich entkam und zugleich einen harten Faustschlag in die Magengrube des Affen schmetterte. Das riesige Tier schrie vor Wut und Schmerz auf und sank zusammen, richtete sich aber sofort wieder auf. Doch es war zu spät. Tarzan, nun wieder ganz der Sohn Kalas, des Gorillaweibchens, hatte sich auf seinen Rücken geschwungen und grub seine festen weißen Zähne tief in den Nacken der tobenden Bestie. Die Zähne fanden die Halsschlagader und zerrissen sie. Tarzans Fäuste hämmerten in das breite Gesicht des Affen, der ihn vergeblich mit seinen Tatzen und Fängen zu erreichen suchte. Wohl fünf Minuten dauerte der schweigende, verbissene Kampf, dann sank der Affe zu Boden und rührte sich nicht mehr. Tarzan legte ihm den Doppelnelson an und brach mit einer mächtigen Anstrengung das Genick der wütenden Bestie.
Die anderen Affen, die dem Kampf mit anfeuernden Schreien gefolgt waren, verstummten. Mit ungläubigen Augen sahen sie, wie der Fremde seinen Fuß auf den Nacken des besiegten Gegners setzte und den wilden Siegesschrei ausstieß, der so lange nicht im Dschungel erklungen war. Sie wussten, dass ihr König tot war, bezwungen von dem hellhäutigen Affen, der trotz seiner großen Gestalt winzig gegen seinen Feind gewirkt hatte.
Was werden die anderen Affen tun? überlegte Tarzan. Würden sie ihn gemeinsam angreifen? Dann war er verloren. Oder würde der Affe, der sich am stärksten fühlte, die Stellung des toten Königs annehmen und ihn herausfordern? Kaum hatte er sich die Frage gestellt, erhielt er schon die Antwort. Ein kräftiger Affenbulle, über sieben Fuß groß, mit breiter Brust und haarigen muskulösen Armen, näherte sich misstrauisch und blieb drei Meter vor Tarzan stehen.
Tarzan erinnerte sich der Sprache seines Stammes. Er wollte versuchen, ob auch die anderen Affen sie verständen.
»Wer bist du?«, fragte er. »Wie kommt es, dass du es wagst, mich zu bedrohen?«
»Ich bin Akut«, erwiderte der andere in der gleichen einfachen Sprache. »Molak ist tot. Ich bin der König. Geh fort, oder ich muss dich töten.«
»Du hast gesehen, wie leicht es mir fiel, Molak zu töten«, erwiderte Tarzan. »Wollte ich euer König werden, könnte ich dich ebenso leicht töten. Aber Tarzan von den Affen legt keinen Wert darauf, König des Stammes von Akut zu werden. Er will, dass man ihn in Frieden lässt, sonst nichts. Lass uns Freunde sein. Tarzan von den Affen kann dir helfen, und du wirst Tarzan von den Affen helfen können.«
»Du kannst Akut nicht töten«, sagte der Gorilla. »Niemand ist so groß und stark wie Akut. Hättest du Molak nicht getötet, so hätte ich es getan, denn meine Zeit, König zu werden, ist gekommen.«
Statt einer Antwort stürzte sich Tarzan auf Akut, dessen Wachsamkeit für Sekunden nachgelassen hatte. Blitzschnell ergriff er ein Handgelenk seines Gegners, wirbelte diesen herum und sprang ihm mit einem geschmeidigen Satz auf den Rücken. Die Wucht des Aufpralls warf beide zu Boden, aber es gelang Tarzan, den gleichen Griff anzulegen, mit dem er Molak das Genick gebrochen hatte. Wie er in lange vergangenen Tagen Kerchak Gelegenheit gegeben hatte, sich als Verlierer zu erklären, so gab er auch diesmal Akut die Chance, sein Leben zu behalten.
»Ka-goda?«, flüsterte er dem Tier unter sich zu. Ka-goda bedeutete: Ergibst du dich?
Akut dachte an den krachenden Laut, den er vernommen hatte, als Molaks Genick brach, und er schauderte. Er hasste den Gedanken, seine Anwartschaft auf die Königswürde aufzugeben, und versuchte, dem eisernen Griff zu entkommen, aber als der gefährliche Druck auf seine Wirbelsäule sich verstärkte, brachte er ein heiseres Ka-goda zustande.
Tarzan lockerte den Griff leicht. »Du kannst noch König werden, Akut«, sagte er. »Du hast gehört, dass Tarzan nicht König werden will. Wenn jemand deine Stellung anzweifelt, so kann Tarzan von den Affen dir bei deinen Kämpfen helfen.«
Er löste seine Hände von dem Gegner und stand auf. Auch Akut kam langsam auf die Beine. Er schüttelte den Kopf und knurrte ärgerlich, als er zu seinen Stammesangehörigen ging und sie herausfordernd musterte. Aber niemand lehnte sich gegen den neuen König auf, und Sekunden später verschwand der Stamm im dichten Dschungel.
Tarzan blutete aus zahlreichen Wunden, die ihm Molak zugefügt hatte, aber er war es gewohnt, Schmerzen zu ertragen. Dennoch kam ihm zu Bewusstsein, dass er als erstes Waffen schaffen müsste, die ihm zur Verteidigung dienten. Die fernen Stimmen Numas, des Löwen, und Sheetas, des Panthers, erinnerten ihn daran, dass er Tag und Nacht von Gefahren umgeben sein würde.
Nach langem Suchen fand er einen kleinen Gesteinsbrocken, den er in mühseliger Arbeit so spaltete, dass ein schmaler Streifen übrigblieb, der sich als Messer benutzen ließ. Mit diesem Messer spitzte er den Ast eines Baumes, dessen Holz besonders hart war, so dass er einen primitiven Speer gewann. Bogen und Pfeile folgten, eine schwere Keule vervollständigte die Ausrüstung. Alle Waffen verbarg er im Geäst eines hohen Baumes, auf dem er sich eine Plattform errichtete, die er mit einem Dach aus Palmblättern versah.
Als er alle Vorbereitungen beendet hatte, meldete sich sein Magen. Er erinnerte sich der zahlreichen Wildspuren, die er an einer Tränke, wenige hundert Meter flussaufwärts, gesehen hatte. Dorthin wandte er sich, indem er sich mit geschmeidigen Bewegungen durch das Geäst der Bäume schwang. Als er die Stelle erreichte, ließ er sich auf die untersten Äste herab und wartete auf seine Beute.
Er brauchte nicht lange zu warten. Kaum hatte er sich bequem zurechtgesetzt, als Bara, der Rehbock, sich der Tränke näherte. Aber Bara kam nicht allein. Hundert Meter hinter ihm schlich Numa, der Löwe, in Erwartung leichter Beute. Tarzan sah den Löwen, während Bara ahnungslos den Weg fortsetzte. Dann aber warnte ein Geräusch den Rehbock. Sekundenlang verharrte er mit zitternden Flanken, dann jagte er auf die Furt zu, entschlossen, sich vor seinem Verfolger auf das jenseitige Ufer zu retten.
In dem Augenblick, als Bara unter Tarzan passieren wollte, ließ dieser sich auf den Rücken des Bocks herabfallen, griff nach den beiden Hörnern und brach Bara mit einem Ruck das Genick. Numa setzte heran, kam aber zu spät. Mit einem Hinterlauf des Rehbocks schwang Tarzan sich in die Sicherheit des nächsten Baumes hinauf und stillte seinen Hunger. Nie hatte ihm ein Mahl köstlicher gemundet, selbst die Erinnerung an die Feinschmeckerrestaurants in London verblasste dagegen.
Numa begleitete die Mahlzeit mit wütendem Brüllen, aber Tarzan ließ sich dadurch nicht im Geringsten stören. Er beendete sein Mahl, stellte die Reste des Fleisches in einer Astgabel sicher und machte sich auf den Weg zu seiner luftigen Behausung, während Numa ihm tief unten folgte. Mit dem behaglichen Gefühl der Sättigung suchte Tarzan sein primitives Lager auf und schlief bis in den späten Morgen hinein.