Читать книгу Yara und die Pferde - Edgar Wüpper - Страница 3
Der Streit
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Yara streckt sich wohlig in der Badewanne aus. Sie legt den Kopf nach hinten und lässt ihre langen schwarzen Haare ins lauwarme Wasser sinken. Mit den Füßen tritt sie kleine Wellen, die ihr sanft ans Kinn klatschen.
Sie schließt die Augen und lächelt vor sich hin. Nächste Woche sind es richtige Wellen, die nach Salz schmecken, Sonne, Sand und Meer!
Sie hält die Luft an und taucht unter. Mit einem Ruck kommt sie wieder hoch. Wasser schwappt über den Wannenrand.
Yara steht auf, wringt mit einer Hand die Haare aus, steigt auf den quatschnassen Frotteevorleger und angelt sich ein Badehandtuch.
Ihre Mutter guckt zur Tür herein. <Das sieht ja wieder nach einer mittleren Überschwemmung aus.> Sie schüttelt den Kopf. <Das bringst du aber in Ordnung!>
<Jaja!> Yara lacht und rubbelt sich mit dem Badetuch die nassen Haare.
Lisa Leingärtner tastet sich auf Zehenspitzen über die Fliesen. <Ich denke, du wolltest duschen? Mitten im Sommer in die Badewanne, so eine Wasserverschwendung!>
<Ich musste einfach schon mal faul im Wasser liegen und an die Ferien an der Ostsee denken. Ich freu mich tierisch!> sagt Yara.
<Apropos Tiere>, meint Lisa. <Können denn Moni und Vivian ihre Pferde drei Wochen lang allein lassen ?>
<Gott sei Dank dreht sich endlich mal nicht alles um die blöden Pferde!> Yara schlüpft in ihre Unterhose und zieht sich ihr rotes Lieblings-T-Shirt über den Kopf. <Normalerweise reden sie doch den ganzen Tag nur davon. Irgendjemand wird sich wohl um sie kümmern. Wer und wie, das ist mir ziemlich egal!>
<Ich verstehe dich nicht.> Lisa bückt sich und wirft Yara ihre Jeans zu. <Schließlich haben sie Pferde und wollen sich auch mit ihnen beschäftigen. Es ist doch ihr Hobby, das braucht seine Zeit! Genau wie dein Schwimmtraining.>
<Sind sie meine Freundinnen oder nicht?> Yara nimmt den Fön aus dem Regal. <Außerdem finde ich Pferde nun mal nicht so toll. Ich rede ja auch nicht ständig vom Schwimmen, wenn wir zusammen sind.>
Lisa zuckt die Schultern und geht aus dem Bad. An der Tür dreht sie sich um und ruft: <Wenn du fertig bist, komm runter zum Abendbrot!>
Yara stellt sich vor den Spiegel und fönt sich die Haare. Danach öffnet sie das Fenster und legt den nassen Badvorleger zum Trocknen auf die Fensterbank. Mit einem Handtuch wischt sie über die Fliesen und wirft es dann mit Schwung in den Wäschekorb. Pfeifend geht sie ins Esszimmer.
Der Rest der Familie sitzt schon beim Abendbrot. Ihr Bruder Björn schmiert sich gerade ein Wurstbrot.
Vater schaut kurz hoch. <Na, gute Laune? Ist wohl schon die Vorfreude aufs Zeltlager?>
<Klar!> Yara lacht, setzt sich und gießt sich ein Glas Sprudel ein.
<Ich will auch richtige Ferien machen>, sagt Björn mit vollem Mund und guckt beleidigt.
<Geht das schon wieder los?> Lisa wird böse.
<Du bist erst neun und kannst noch nicht mit ins Zeltlager. Aber so ein Indianerlager bei den Ferienspielen macht bestimmt auch Spaß!>
<Ich will ans Meer, wie Yara. Immer wird sie bevorzugt!> quengelt Björn. <Warum fahren wir nicht weg?>
<He>, schaltet sich Vater ein. <Jetzt halt mal die Luft an! Das haben wir dir wohl schon ein paar Mal erklärt. Wir haben eine neues Auto und deshalb fällt ein gemeinsamer Urlaub dieses Jahr aus. Yara fährt ins Zeltlager und du machst die Ferienspiele mit. Basta! Und wenn es dir nicht passt, dann kannst du ja in den Ferien etwas Mathe üben, damit du nicht wieder eine Fünf im Zeugnis hast.>
<Du bist gemein!> Björn ist dem Heulen nahe und läuft aus dem Zimmer.
<Immer dieses Theater>, schimpft Lisa. <Aber mit der Fünf hättest du jetzt auch nicht anfangen müssen, Walter.>
Einen Augenblick ist Stille.
Yara schaut hoch und zwinkert ihrer Mutter zu. Die muss lächeln. <Wenigstens du hast gute Laune.>
<Mama, darf ich nachher den Krimi im Fernsehen gucken?>
Lisa ist nicht begeistert. <Das ist doch immer der gleiche Mist!>
<Ich hab aber Lust>, sagt Yara. <Und außerdem sind Ferien.>
<Na gut. Aber vergiss nicht, dass du mit Abräumen und Spülmaschine dran bist.>
<Okay, das Geschäft machen wir>, verspricht Yara und trägt nach dem Essen die Teller in die Küche.
Am nächsten Morgen wacht Yara schon ziemlich früh auf. Sie schielt mit halb geöffneten Augen zum Wecker. >Halb sieben>, murmelt sie und rekelt sich auf die andere Seite. Wieder einschlafen kann sie aber nicht. Dunkel erinnert sie sich an einen Traum:
Sie war mit Moni und Vivian im Zeltlager an der Ostsee. Sie stritten sich furchtbar. Und dann waren plötzlich auch die Pferde der beiden da. Yara lag allein vor dem Zelt am Strand und ihre Freundinnen galoppierten auf den Pferden durchs Wasser. Sie schrien vor Freude und ritten immer weiter, bis sie nur noch winzige Punkte am Horizont waren. Schließlich waren sie ganz verschwunden. Alles war ruhig, die Stille tat richtig weh...
Yara wirft sich im Bett hin und her. Sie ist plötzlich hellwach und hat total schlechte Laune. Eine halbe Stunde später schleicht sie in die Küche.
Lisa guckt erstaunt. <Bist du aus dem Bett gefallen?> Als sie Yaras Gesicht sieht, runzelt sie die Stirn. <Was ist dir denn über die Leber gelaufen?>
<Ich hab was Blödes geträumt.>
<Willst du es nicht erzählen?>
<Nee!> Yara geht zum Küchenschrank und holt die Dose mit Kakaopulver. Sie steckt zwei Scheiben Weißbrot in den Toaster.
<Hast du schon gefrühstückt?>
<Klar, mit deinem Vater. Er muss doch noch eine Woche arbeiten, bevor er Urlaub bekommt. Ich geh mal in den Garten und gieße. Scheint wieder ein heißer Tag zu werden.>
Yara sitzt einsam am Küchentisch und kaut auf ihrem Toast. Im Radio kommt einer ihrer Lieblingssongs. Das hebt etwas die Laune.
Sie rückt den Stuhl nach hinten, steht auf und geht in ihr Zimmer. Auf dem Wecker springt der Zeiger auf genau acht Uhr. In einer Stunde ist sie mit Moni und Vivian im Freibad verabredet.
Yara packt ihren Bikini, Sonnenöl und zwei Handtücher in den Lederrucksack, nimmt fünf Euro aus dem Portemonnaie und steckt sie in die Hosentasche. Den Badeanzug hat sie schon untergezogen.
Sie wirft den Rucksack über die Schulter, geht auf die Terrasse und ruft: <Mama, ich fahre jetzt schon ins Schwimmbad. Tschüs!>
Lisa stellt die Gießkanne ab und dreht sich um. <He, warte mal! Kommst du zum Mittagessen?>
<Nee!> ruft Yara über die Schulter zurück und schiebt das Fahrrad auf den Hof.
In gemütlichem Tempo fährt sie die Straße entlang. Die Sonne blinkt durch die Alleebäume. Ein paar Autos überholen sie. Yara biegt ab und nimmt die Abkürzung durch den Park.
Die Luft ist weich und warm und streichelt ihr Gesicht. Sie fährt etwas schneller. Die schlechte Laune ist plötzlich wie vom Fahrtwind weggeblasen. Sie pfeift vor sich hin.
An der Ecke Schwimmbadweg kommt ihr ein Junge mit einem Fußball unterm Arm entgegen. Es ist Rudi, der in ihre Klasse geht. <Wo willste denn hin?>, fragt er.
<Ins Schwimmbad. Mit Moni und Vivian>, ruft sie im Vorbeifahren.
<Wir bolzen ein bisschen. Dann kommen wir auch und ärgern euch>, brüllt er lachend hinter ihr her.
<Idiot>, murmelt Yara. <Wer wohl wen ärgert!>
Dann ist sie beim Schwimmbad angekommen, schiebt das Fahrrad in den Ständer und schließt es ab. An der Kasse ist noch nicht viel los. Yara geht zu ihrem Stammplatz gleich neben dem Sprungturm und breitet das Handtuch auf dem Rasen aus. Schnell zieht sie T-Shirt und Jeans aus und hechtet mit einem Kopfsprung ins Wasser. Noch ist das Wasser schön kühl und das Becken ziemlich leer. Gut zum Trainieren. Sie schwimmt ein paar Bahnen. Plötzlich sieht sie neben sich ein bekanntes Gesicht. Ach du Schreck, schießt es ihr durch den Kopf. Die Riedinger, ihre Deutschlehrerin!
<Hallo Yara! Na, fährst du denn nicht weg in den Ferien?>
<Doch, Frau Riedinger, nächste Woche in das Zeltlager vom Sportbund.> Schnell macht sie eine Wende und krault wieder zurück.
Als sie aus dem Becken klettert, sieht sie Vivian und Moni über die Liegewiese kommen.
Yara trocknet sich etwas ab und schaut den beiden erwartungsvoll entgegen. Beide machen ziemlich unglückliche Gesichter.
<He, was ist denn mit euch los?> fragt Yara fröhlich.
Die zwei sagen gar nichts und hocken sich auf den Rasen.
<Nun sagt schon. Ist was passiert?>
Moni nickt und guckt auf den Boden.
Vivian holt tief Luft und sagt: <Du...>
<Was denn?> fragt Yara ungeduldig und runzelt die Stirn.
<Wir können nicht ins Zeltlager mitfahren>, stößt Vivian schnell heraus.
Yara reißt ungläubig die Augen auf. <Spinnt ihr?> schreit sie. <Das könnt ihr doch nicht machen!>
<Wir können nicht mit>, wiederholt Moni leise. <Unsere Pferde...>
Yara schießen Tränen in die Augen. Sie brüllt: <Immer eure Scheißpferde. Die versauen alles, einfach alles. Ich hasse euch!>
<Was sollen wir denn machen?>, sagt Vivian fast tonlos. <Wir...>
Aber Yara ist schon aufgesprungen, rafft ihre Sachen zusammen und läuft weg.
Draußen vorm Schwimmbad schließt sie mit zittrigen Händen das Fahrradschloss auf, klemmt die Sachen auf den Gepäckträger und rast los. Durch den Schleier von Tränen sieht sie kaum etwas. Nur weg von hier.
Einem Auto nimmt sie die Vorfahrt und hört kaum das wütende Hupen und Schimpfen des Fahrers.
Im Eiltempo rast sie durch den Park.
Zu Hause lässt sie das Fahrrad vor der Haustür an die Mauer fallen, reißt ihre Sachen vom Gepäckträger und klingelt Sturm.
Lisa öffnet die Tür und starrt sie überrascht an. Ohne ein Wort zu sagen rennt Yara in ihr Zimmer, knallt den Rucksack in die Ecke und wirft sich aufs Bett. Sie vergräbt den Kopf im Kissen und hämmert mit den Fäusten auf die Matratze. Ein Weinkrampf schüttelt ihren Körper.
Lisa steht in der Tür. <Was ist denn?>
Als keine Antwort kommt, setzt sie sich auf den Bettrand und streichelt Yaras Rücken. Aber Yara schüttelt die Hand ab.
Da geht Lisa aus dem Zimmer. <Ich bin in der Küche>, sagt sie. <Wenn du mich brauchst...>
Langsam wird Yara ruhiger. Alle möglichen Gedanken schießen ihr durch den Kopf.
<Das gibt Rache>, murmelt sie vor sich hin. Dann springt sie aus dem Bett. <Ihr seid nicht mehr meine Freundinnen. Nie mehr!>, schreit sie wütend. Das tut gut.
Sie geht die Treppe runter in die Küche und setzt sich wortlos auf die Eckbank. Lisa steht mit dem Rücken zu ihr an der Arbeitsplatte und schneidet Gemüse.
<Vivian und Moni fahren nicht mit ins Zeltlager>, sagt Yara.
Lisa dreht sich um. <Und warum nicht?>
<Dreimal darfst du raten>, giftet Yara. <Weil natürlich wieder mal irgendwas mit den süßen Pferdchen ist.>
<Sind sie krank?>
<Weiß ich nicht. Vielleicht. Mir reicht, dass Moni und Vivian nicht mitfahren. Ich bin gleich abgehauen, ehe sie mir so´ne blöde Story erzählen. Mit denen will ich nichts mehr zu tun haben.>
Lisa setzt sich an den Küchentisch. <Du bist manchmal ganz schön ungerecht. Du weißt ja noch nicht mal, was passiert ist.>
<Ach ja>, meint Yara. <Du nimmst sie auch noch in Schutz. Die lassen mich einfach im Stich! Soll ich jetzt vielleicht allein im Zelt schlafen?>
<Nun pass mal auf>, sagt Lisa. <Deine Freundinnen wollten doch auch an die Ostsee und haben sich genau wie du darauf gefreut. Wenn sie jetzt nicht mitfahren können, wird das wichtige Gründe haben. Oder meinst du, sie wollen dich ärgern? Vielleicht haben sie Sorgen und brauchen deine Hilfe. Du bist eine schöne Freundin! Fragst nicht mal, was los ist.>
<Mir doch egal!>, ruft Yara. <Bei denen gehen die Pferde immer vor. Für die gibt es nichts anderes!> Sie läuft zurück in ihr Zimmer.
Das Mittagessen verläuft recht schweigsam. Den Nachmittag verbringt Yara auf ihrem Bett und weiß nicht, was sie machen soll. Mal nimmt sie ein Buch in die Hand und legt es gleich wieder weg oder blättert lustlos in einer Zeitung. Sie holt ihr Handy – keine Nachricht von Moni oder Vivian. Auf Musik hat sie auch keinen Bock. Schließlich landet sie vorm Fernseher.
Abends fragt ihr Vater: <Ich hab gehört, du hast Streit mit Vivian und Moni, weil sie nicht mit ins Zeltlager fahren?“
Yara nickt.
<Willst du nicht drüber reden?>
<Nein>, sagt sie gereizt.
Er bohrt nicht weiter.