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Es war noch ganz finster, als Fastrade erwachte. Es mußte Zeit sein, die Nachtwache abzulösen, dachte sie und setzte sich im Bette auf, aber als sie hinaushorchte, herrschte draußen tiefes Schweigen, statt des Ab- und Zugehens leiser Schritte, das im Krankenhause nie verstummte. Da erinnerte sie sich, sie war zu Hause. Sie lehnte sich wieder in die Kissen zurück, hob die Arme empor, faltete die Hände über dem Scheitel und starrte in die Finsternis hinein. Anfangs war es ein Gefühl starken Wohlbehagens, liegen bleiben, schlafen zu dürfen, wie oft hatte sie sich im Krankenhause das gewünscht, allein der Schlaf kam nicht, und die Bilder von gestern Abend stiegen wieder auf, das bleiche Gesicht ihres Vaters, die schmale, schwarze Gestalt der Tante Arabella, wie sie mitten in dem großen Saale stand und hilflos weinte. Sie fuhr auf, nein, diese schmerzhafte Hoffnungslosigkeit, die sie gestern Abend krank gemacht, sollte nicht wieder über sie kommen. Sie zündete die Kerze an und begann sich anzukleiden. Das erfrischte sie; sie dachte an Kinderzeiten, wenn die kleine Fastrade es vergessen hatte, den französischen Aufsatz zu machen, und sich frierend am Wintermorgen bei Kerzenschein ankleidete, während alles um sie her noch schlief.

Draußen in der langen Zimmerflucht herrschte noch Finsternis. Ab und zu ging eine Magd mit lautlosen Schritten, ein Lichtstümpfchen in einem Leuchter in der Hand, und die kleine Flamme ließ große Schatten die Wände entlang irren. Vor den mächtigen Kachelöfen hockten graue Gestalten, schichteten Holz in das Ofenloch, zündeten es an, und die feuchten Scheite begannen laut und ärgerlich zu prasseln. Verwundert und fast ängstlich wie auf ein Gespenst schauten die Mägde Fastrade an, als sie da plötzlich unter ihnen erschien und langsam durch die Zimmer ging. Es war Fastrade, als könnte sie alle diese Gemächer jetzt, da sie in der Finsternis oder im flackernden Ofenschein zu schlafen schienen, leise beschleichen, um in ihnen all das wiederzufinden, was sie einst gekannt und geliebt hatte. Das Kabinett neben dem Saal war hell vom Ofenfeuer erleuchtet, vor dem Ofen saß Merlin, der alte Setter, und schaute ernst in die Flammen; als Fastrade eintrat, wandte er den Kopf nach ihr um und schaute sie ruhig an. »Merlin«, sagte Fastrade, da stand er langsam auf, ging zu ihr hin und rieb seinen Kopf sanft gegen ihr Knie; Fastrade mußte an die stille, müde Art denken, in der Tante Arabella sie gestern begrüßt hatte. »Komm, Merlin, wir wollen uns wärmen«, sagte sie und setzte sich auf einen Sessel am Ofen nieder; Merlin saß neben ihr, und beide starrten jetzt in die Glut, und es war Fastrade, als wäre sie nie fort gewesen, als hätte sie nie aufgehört, zu diesem wunderlichen, alten Hause zu gehören, in dessen dunklen, verschlafenen Ecken überall eine stumme Klage zu wohnen schien.

Aber das Sitzen in der Wärme machte schlaff, dazu trug Merlins schwarzes Gesicht, trugen seine braunen Augen, die im Ofenschein glashell wurden, einen so hoffnungslos beruhigten Ausdruck zur Schau, als könnte sich im Leben nie mehr etwas ereignen. Ungeduldig stand Fastrade auf, ging wieder durch die Zimmer, die Fensterläden waren geöffnet worden, ein weißer, dunstiger Wintermorgen schaute durch die Fenster. Fastrade blickte in den Hof hinab, die Ställe und das Gesindehaus standen da mit der unfreundlichen Deutlichkeit, die das Licht vor Sonnenaufgang den Gegenständen gibt. Es mußte sehr kalt sein; aus der offenen Stalltüre dampfte es, auf die Treppe des Gesindehauses trat Ruhke heraus, unförmlich groß und dick, ganz in einen langen Schafpelz gehüllt, das Gesicht bleich und gedunsen. Mißmutig schaute er den Weg zu den Wohnungen der Instleute hinab, und auf diesem Wege kam ein langer Zug grauer Gestalten langsam und widerwillig daher; fahle, mißfarbene Flecken in all dem Weiß. Es fror Fastrade; wie entsetzlich freudlos schien dieser graue Zug, mußte denn hier alles so freudlos sein, mußte denn hier alles, was man anschaute, wehe tun, konnte man denn hier nie von diesem Mitleid loskommen? Sie wandte sich ab, im Saal begegnete sie einem kleinen Dienstmädchen; in seiner rosa Kattunjacke, das rote Tuch auf dem Kopfe, stand es da, die Wangen weinrot vom Frost, die kleinen Augen blank. Als das Mädchen Fastrade sah, lachte es, öffnete den breiten, roten Mund und zeigte die weißen Zähne. Fastrade lachte auch: »Trine, du bist es«, sagte sie, »du bist groß geworden, und du bist hübsch geworden.« Trine errötete über das ganze Gesicht, sie straffte ihren Körper unter dem dünnen Kamisol und schüttelte ihn ein wenig, als fühlte sie das Großsein und Hübschsein als etwas Angenehmes und Warmes. »Es wird heute kalt«, fuhr Fastrade fort, nur um das Mädchen noch zu halten, um dieses Junge, Farbige und Lachende noch vor sich zu sehen. »Ja, Fräulein.« – »Aber es wird heute schön.« – »Ja, Fräulein.« Jetzt ging die Sonne auf, rosenrotes Licht strömte in den Saal, glitt über das dunkele Getäfel, verfing sich in den Kristallen des Kronleuchters. Trine stand da, ganz rosig übergossen, und lachte ihr breites Lachen. Fastrade fühlte, wie auch das Licht über sie hinfloß, fühlte auch sich jung und hübsch. »Da ist die Sonne«, sagte sie. – »Ja, nun kommt sie«, meinte Trine und lief kichernd aus dem Zimmer.

Jetzt begann es sich im Hause zu regen, Christoph kam und deckte den Frühstückstisch, Fräulein Grün, die Mamsell, erschien und trug auf einem Brette die frischen Brötchen herein, sie begrüßte Fastrade mit lauter Stimme: »Unser gnädiges Fräulein wird uns wieder regieren, das ist gut für uns, wir verschimmeln ja hier.« Ja, Fastrade wollte hier wieder regieren; sie machte sich daran, wie früher den Frühstückstisch zu ordnen, legte die Brötchen in den Brotkorb, stellte sich vor den Samowar, um den Tee zu machen. Es sollte, es mußte hier wieder behaglich werden. Als die Baronesse Arabella in das Eßzimmer trat, war sie so überrascht, daß sie die Hände faltete und zu weinen begann, aber Fastrade wurde ungeduldig. »Hier gibt es doch nichts zu weinen, Tante, komm, setz dich, der Tee ist fertig.« Als die alte Dame an ihrem Platz saß, wischte sie sich die Augen und sagte nachdenklich: »Sieh, Kind, ist das nicht seltsam, sonst, wenn ich mich so allein an meinen Platz setzte, fror mich immer so stark, heute friert mich gar nicht.«

Der Wintertag war sehr hell geworden, die Zimmer waren voll gelben Sonnenscheins, der Baron erschien, um an Christophs Arm langsam seine Promenade durch die Zimmerflucht zu machen, er blieb vor Fastrade stehen, sah sie streng an und sagte: »Mein Kind, hast du deinen Pflichtenkreis gefunden?«

»Ich weiß nicht, Papa«, erwiderte Fastrade und errötete.

Der Baron dachte ein wenig nach und fragte dann: »Gehst du heute zu den Kühen?«

»Zu den Kühen?« Fastrade wunderte sich; sie war sonst nie zu den Kühen gegangen.

»Gut, lassen wir es zu morgen«, fuhr der Baron fort, »aber des Herrn Auge mästet das Vieh.« Als er weiterging, fügte er noch hinzu: »Übrigens essen wir um Punkt eins, der Arzt hat es so verordnet.«

Einen Pflichtenkreis hatte Fastrade offenbar noch nicht. Sie trieb sich in den Zimmern umher, rückte an den Möbeln, als wollte sie dieselben wecken und ihnen melden, daß sie da sei. Endlich ging sie in das Kabinett, das ihr als Schreibzimmer diente, und setzte sich dort nieder. Da war ihr Schreibtisch, da standen ihre Sachen und Bücher, aber sie sagten ihr noch nichts, sie hatte noch kein Verhältnis zu ihnen. Sie war es nicht mehr gewohnt, einen Tag vor sich zu haben, über den sie selbst bestimmen konnte. Dort im Krankenhause zwang ja jede Minute zu einer bestimmten Arbeit. »Was tat ich früher um diese Zeit?« fragte sie sich. Da stieg wieder die Erinnerung jener früheren Zeit in ihr auf und mit ihr Arno Holsts hübsche, schmächtige Gestalt. Wie deutlich entsann sie sich jetzt des Abends, an dem sie zuerst gewußt hatte, daß sie Arno Holst liebte, oder sich entschlossen hatte, ihn zu lieben. Sie saß am Klavier und spielte Mendelssohn, Arno Holst stand hinter ihr und hörte zu. Als sie geendet hatte, ließ sie die Hände in den Schoß sinken, er lehnte sich an das Klavier und begann von seiner Mutter zu sprechen; sie hatte auch so schön diese Mendelssohnschen Lieder gespielt. Er erinnerte sich dessen sehr gut, obgleich er noch ein Knabe gewesen war, als sie starb, deshalb wohl waren diese Melodien für ihn der Inbegriff des Heimatlichen und Geborgenen, denn mit dem Tode seiner Mutter war er heimatlos und einsam geworden, und einsam zu sein war wohl sein Schicksal. Das hatte Fastrade ergriffen. Sie war in den Park hinausgegangen; sie erinnerte sich deutlich dieses Vorfrühlingsabends: Ein lauer Wind fuhr in die laublosen Bäume, eine ganz silberne Mondsichel hing am Himmel, die Parkwege waren naß, überall rannen und plauderten kleine Wasser, und es roch stark nach feuchter Erde. Dort nun war das Mitleid um Arno Holst ganz stark über sie gekommen, nicht ein Mitleid, das schmerzt, sondern eines, das berauscht. Nein, sie wollte nicht, daß er einsam sei, und dann war ihr eingefallen, daß das wohl Liebe sein könne, und das hatte sie beglückt. Sie hatte es plötzlich empfunden, daß dieses Mädchen, das da auf den feuchten Parkwegen gegen den Frühlingswind ankämpfte, in diesem Augenblicke etwas ganz Bedeutsames geworden war, das Schicksal und das Glück eines anderen. Sie hatte an jenen Abend lange nicht gedacht, denn ein anderes Bild hatte die Erinnerung verwischt, das Bild des armen Arno Holst, wie er im Krankenhause im Bette lag mit eingefallenen Wangen, fieberblanken Augen und todesmatt von den furchtbaren Hustenanfällen, die ihn schüttelten. Er hatte nur wenig zu ihr gesprochen, die kurzsichtigen, braunen Augen hatten sie erregt und hungrig angesehen, und wenn sie etwas für ihn tat, hatte er matt und dankbar gelächelt. Nur in einer der letzten Nächte, als sie an seinem Bette saß, hatte er plötzlich deutlich, und als sei er böse, gesagt: »Du darfst nicht so treu und so mitleidig sein, das bringt zu viel Leid.«

Christoph kam und meldete das Mittagessen. Der Baron saß schon in einem Sessel bei Tisch; er hatte sich von Christoph in seinen schwarzen Rock einknöpfen lassen, anders hätte ihm das Essen nicht geschmeckt. Auch Couchon saß an ihrem Platz und beugte den Kopf mit der grauen Samthaube tief auf ihren Teller nieder. Die Baronesse legte die Suppe vor. Während des Essens wurde von der Nachbarschaft gesprochen. »Bei Ports«, meinte die Baronesse, »ist es auch nicht recht gemütlich, die Gertrud muß ihre Singschule aufgeben und nach Hause kommen, und der Vater brummt, weil sie fortgegangen ist, und brummt, weil sie wieder kommt, er wird in letzter Zeit überhaupt recht schwierig. Nun und die Egloffs, die alte Baronin wird mit jedem Tag vornehmer, sie spricht nur noch von den Zeiten, da sie Palastdame war, und ihr Enkel, der Dietz, wird mit jedem Tage wilder, tobt herum, ladet allerhand fremde Leute ein, gibt Gesellschaften, Jagden, Schlittenpartien, und des Nachts sitzt er am grünen Tisch und spielt und spielt, es ist recht schade um das schöne Gut und das schöne Vermögen. Und dann, ich weiß es ja nicht, aber die Leute erzählen, er soll jetzt viel bei Dachhausens sein und der kleinen Frau ganz den Kopf verdrehen. Das würde mir für den guten Dachhausen leid tun. Nun, von ihr will ich nichts Schlechtes denken, aber bei diesen Damen, die nicht von Familie sind, weiß man ja nie. Ach ja, es ist recht traurig, so ein junger Mensch, der kein Gewissen hat.«

Fastrade lehnte sich in ihren Stuhl zurück, als machte das Essen ihr keine Freude mehr, und sagte: »Also etwas gemütlich und glücklich zu sein, das versteht hier keiner.«

»Liebes Kind«, meinte die Baronesse, »es hat eben jeder seine Sorgen.« Da legte der Baron die Gabel fort, richtete sich auf und sagte streng und ein wenig mühsam. »Es genügt nicht, als Edelmann geboren zu sein, man muß auch Edelmann sein wollen.«

»Du hast sehr recht, lieber Bruder«, unterbrach ihn die Baronesse, die fürchtete, daß er sich aufrege. Couchon beugte ihren Kopf tief auf den Teller nieder und murmelte: »Un bel homme tout de même!«

Am Nachmittage, wenn der Baron und die Baronesse sich in ihre Zimmer zurückgezogen hatten, war von jeher eine schläfrige Stille über das Haus gekommen. Fastrade mußte an den armen Bolko denken, der als Knabe stets gesagt hatte: »Um diese Stunde zieht es einen in allen Gliedern, man muß, muß etwas Unerlaubtes tun.« Sie liebte auch nicht diese Zeit des grellen Nachmittagssonnenscheins und der niedergelassenen Fenstervorhänge. Wenn das Licht rötlich zu werden begann und die Sonne tief über dem Walde stand, dann wich etwas wie ein Druck von dem Hause, und auch Fastrade fühlte neue Unternehmungslust. Sie ging hinaus in den Wald, es war hübsch, so bei Sonnenuntergang durch eine ganz rosa Welt zu gehen, die Wege glänzten wie buntes Glas, die ganze Luft war voll Farbe, alles in ihr bekam eine gefühlvolle Zartheit, selbst die grauen Gestalten der Arbeiter und die grauen Häuschen, zu denen sie langsam und müde heimgingen. Aber in diesem Lichte sah nichts traurig aus, und Fastrade meinte, sie seien in diesem einen farbigen Augenblicke so getröstet wie sie selbst. Als sie in den Wald gelangte, war die Sonne untergegangen, alles stand wieder still und weiß um sie her, der frische Schnee lag wie Polster unter den Stämmen, auf großen gespreizten Händen wurde er vorsichtig von den Tannenzweigen gehalten, und unheimlich still war es hier, wo die großen ruhigen Baumgestalten einträchtig nebeneinander standen in ihrer schweigenden Schönheit, einschüchternd fast, meinte Fastrade, in ihrer Vornehmheit. Ein leiser Ton erwachte, als huschten Schritte über Wolle, und ein Hase setzte über den Weg, tauchte in die weißen Schneepolster unter und wieder auf, es mußte gut tun, dachte Fastrade. Ja, sie hätte gern auch wie einer dieser Bäume regungslos in der Dämmerung gestanden, eingehüllt in all dies kühle Weiß, und teilgenommen an diesem geheimnisvollen Schweigen und Träumen. Aber wenn sie tiefer zu ihnen hinein wollte, ließen die Tannen ihre Schneelast fallen, im Wipfel einer Föhre erwachte ein Rabe und flog mit lautem Flügelschlage auf. Es kam Unordnung hinein, sie fühlte sofort, daß sie ein Eindringling sei. Sie war eine Waldschneide entlanggegangen, jetzt kam sie an einen Bestand alter Föhren, auf hohen ganz geraden Stämmen hoben die Bäume ihre beschneiten Schöpfe zu den Sternen auf. Hier konnte Fastrade ungehindert zwischen ihnen hingehen, hier war es so feierlich, so heilig, daß ein kleiner Eindringling wie sie nicht stören konnte. Sie lehnte sich an einen der kalten Stämme und schaute empor, in einem der hohen regungslosen Föhrenschöpfe schien die Mondsichel zu hängen. Wie oft hatte Fastrade sie dort hängen gesehen, wie gut kannte sie diese Bäume, in allen Jahreszeiten und Tageszeiten war sie bei ihnen gewesen, im Frühling, wenn der Wind in die alten Schöpfe fuhr, daß sie tief und metallig rauschten, als ob sie plötzlich miteinander stritten, oder an heißen Mittagsstunden, wenn es hier so stark nach den besonnten Nadeln duftete und über den Wipfeln der Falke revierte, ein bewegliches Stück Silber im grellblauen Himmel. Fastrade drückte ihre Wange gegen den Stamm, jetzt erst fühlte sie ganz deutlich, daß sie daheim war.

Vom Hügel, auf dem die Föhren standen, schaute sie auf eine Schonung junger Tannen nieder, das war das Ende des Padurenschen Waldes, dahinter begann der Sirowsche Wald, allein dort war alles verändert, früher hatte da eine geschlossene Wand alter Tannen gestanden, jetzt war es ein wüster, leerer Platz, die großen Balken waren am Boden hingestreckt, halb von Schnee verhüllt wie Tote in ihren Leichentüchern, die Zweige waren überall verstreut, die Baumstöcke, von Schnee bedeckt, ragten auf wie kleine weiße Grabhügel, und das alles hier mitten in der vornehmen Stille des Waldes sah aus, als sei ein Verbrechen verübt worden, als sei hier etwas Hohes und Stolzes roh besiegt worden. Dieser Anblick verdarb Fastrade die ganze Feierlichkeit ihrer Stimmung, sie ging den Hügel hinab wieder dem Tannendickicht zu. Hier war es schon fast ganz finster geworden, und plötzlich war es ihr, als wohnte in dieser Dunkelheit, in der schweigend die großen weißen Bäume standen, eine Einsamkeit, die ihr fast bange machte. Sie eilte den Waldweg entlang, um auf die Landstraße zu gelangen, hier war es heller, hier konnte sie den Mond wieder sehen, und plötzlich war der Wald voll von einem hellen, munteren Schellengeläute. Eine Reihe von Schlitten fuhr an Fastrade vorüber, voran ein Schlitten mit einem großen schwarzen Pferde, darin saß ein Herr, neben ihm eine Dame, deren weißer Schleier wehte. Fastrade hörte den Herrn lachen, und seine Stimme klang klar in den Winterabend hinein: »Ja, das ist es eben, wir sind zu klug geworden, um uns zu verirren, schade!«

Andere Schlitten folgten, Herren und Damen saßen darin, alle plauderten, der leichte Wind brachte den Duft einer Zigarre bis zu Fastrade, und eine Frauenstimme sagte, als ein Schlitten nah an ihr vorüberfuhr: »Wer steht da so dunkel, wie unheimlich.«

»Die Einsamkeit selbst«, antwortete eine Herrenstimme und lachte. Dann waren sie vorüber, nur das Schellengeläute, hell und geschwätzig, war noch lange vernehmbar. Fastrade schlug den Heimweg ein, das klingende Leben, das da an ihr vorübergefahren war mit seinem Lachen, mit dem Wehen von Schleiern, mit dem Zigarrenduft und Schellengeläute, das hatte ihr ganz warm gemacht. Gut, daß alles noch da war, zu Hause hätte sie das fast vergessen können.

Als sie daheim wieder in dem Zimmer ihres Vaters saß und zuhörte, wie Ruhke mit fetter, knarrender Stimme von Ölkuchen und Kälbern sprach und der Baron den Kopf auf die Brust sinken ließ und schlummerte, während der Lampenschein auf die große blanke Glatze fiel, da klang das helle Lachen der Schlittenschellen mitten im verschneiten Walde ihr in das Ohr und erinnerte sie dran, daß da draußen jenseits der stillen Stuben mit den grün verhangenen Lampen das Leben lustig die Straßen entlangfuhr.

Abendliche Häuser

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