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Siebentes Kapitel

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In dem geräumigen Gebäude wurde mir ein Zimmer für mich allein angewiesen. Es war sehr hübsch und phantastisch ausgestattet, aber ohne allen Schmuck von Metall und Edelsteinen, wie in den mehr öffentlichen Räumen. Die Wände sowie der Fußboden waren mit einer bunten, aus Fasern und Pflanzenstengeln gearbeiteten Matte bekleidet.

Das Bett war ohne Vorhänge, seine eisernen Träger ruhten auf krystallenen Kugeln. Die Decken bestanden aus einem feinen weißen baumwollenartigen Stoffe. Auf verschiedenen Regalen standen Bücher. Eine durch Gardinen abgeschlossene Nische führte zu einem großen Bauer, der Singvögel aller Art enthielt. Keiner von ihnen glich denen, die ich auf der Erde gesehen habe, eine schöne Taubenart ausgenommen, doch auch diese zeichnete sich durch einen hohen Kamm bläulicher Federn von unseren Tauben aus. Alle diese Vögel waren zu kunstvollem Gesänge abgerichtet. Sie übertrafen bei weitem unsere Buchfinken, die kaum zwei Töne hervorzubringen vermögen und wohl nicht im Chore singen können. Man glaubte sich in eine Oper versetzt, wenn man dem Gesänge jener Vögel lauschte. Da ertönten Duette und Terzette, Quartette und Chöre, alles zu einem Musikstücke zusammengefügt. Wollte ich die Vögel zum Schweigen bringen, brauchte ich nur die Gardine vor den Bauer zu ziehen; sobald sie sich im Dunkeln befanden verstummte der Gesang. Eine andere Öffnung bildete ein Fenster ohne Scheibe. Bei dem Druck auf eine Feder schloß sich die Öffnung durch einen Laden, der, von einer zwar weniger durchsichtigen Substanz als unser Glas, doch noch klar genug war, um einen freien Blick auf das Bild draußen zu gewähren. Vor diesem Fenster befand sich ein Balkon oder richtiger ein hängender Garten, in dem herrliche Pflanzen und prächtige Blumen wuchsen. Der Charakter dieses Zimmers und alles dessen was dazu gehörte war fremdartig in seinen Einzelheiten, doch als Ganzes entsprach es dem modernen Begriffe von Luxus. Es hatte etwas Heimisches, und würde, wenn man es zwischen den Gemächern einer englischen Herzogin oder eines modernen französischen Autors gefunden hätte Bewunderung erregt haben. Vor meiner Ankunft war es Zee's Zimmer gewesen, sie hatte es mir gastfreundlich überlassen.

Einige Stunden nach meinem Erwachen, das ich im letzten Kapitel beschrieb, lag ich auf meinem Lager und versuchte meine Gedanken zu konzentrieren und über die Natur und den Geist des Volkes, unter das ich geraten war, nachzudenken, als mein Wirt und seine Tochter Zee in das Zimmer traten. Ersterer fragte mich höflich in meiner Muttersprache, ob es mir angenehm wäre, mich zu unterhalten, oder ob ich vorzöge, allein zu bleiben. Ich erwiderte, daß ich mich sehr geehrt und verbunden fühlen würde, wenn mir Gelegenheit geboten würde, meinen Dank für die Gastfreundschaft und Liebenswürdigkeit auszudrücken, die ich in einem Lande, indem ich ein Fremdling war, empfangen habe, und so viel von seinen Sitten und Gewohnheiten kennen zu lernen, um nicht mit meiner Unwissenheit dagegen zu verstoßen.

Während ich sprach, hatte ich mich natürlich von meinem Lager erhoben, aber Zee ersuchte mich höflich, mich wieder niederzulegen. Obgleich mich das sehr verwirrte, lag doch etwas in ihrer Stimme und ihrem Auge, was mich zwang, ihr zu gehorchen. Sie setzte sich selbst am Fußende des Bettes nieder, während ihr Vater wenige Schritte davon auf einem Divan Platz nahm.

»Von welchem Weltteile kommen Sie nur,« fragte mein Wirt, »daß wir Ihnen sowohl wie Sie uns so fremd erscheinen? Außer den ursprünglichen Wilden, die in den einsamsten, unkultiviertesten Höhlen wohnen, die kein anderes Licht als das vulkanischer Feuer kennen und, wie so viele kriechende und fliegende Dinge, zufrieden ihren Weg im Dunkeln tappen, außer ihnen habe ich wohl von fast allen von uns abweichenden Rassen einzelne Exemplare gesehen. Aber unmöglich können Sie ein Glied jenes barbarischen Stammes sein, nein, Sie müssen einem zivilisierten Volke angehören.«

Etwas gereizt über diese letzte Bemerkung erwiderte ich, daß ich die Ehre hätte, einer der zivilisiertesten Nationen der Erde anzugehören. Daß ich, was das Licht beträfe, bewundere, mit welcher Gleichgültigkeit und Geringschätzung des Kostenaufwandes mein Wirt und seine Mitbürger Regionen beleuchteten, in die kein Sonnenstrahl dringt, daß ich aber nicht begreifen könne, wie irgend jemand, der nur einmal die Himmelskörper geschaut habe, die künstlichen von Menschen erfundenen Lichter ihrem Glänze vorziehen könne. Aber mein Wirt sagte, daß er von den meisten Rassen Exemplare gesehen hätte, außer den von ihm erwähnten elenden Barbaren. Nun, war es möglich, daß er nie auf der Oberfläche der Erde gewesen war, und seine Worte bezogen sich wohl nur auf die Bewohner, die im Innern der Erde begraben waren.

Mein Wirt schwieg während einiger Augenblicke. Auf seinem Antlitze drückte sich hohe Überraschung aus, wie sie diese Bewohner selbst in den außergewöhnlichsten Fällen nur selten kund geben. Aber Zee war klüger und rief aus: »Da siehst Du, Vater, daß in der alten Sage, an die alle Stämme zu allen Zeiten glaubten, Wahrheit liegt, volle Wahrheit!«

»Zee«, entgegnete mein Wirt sanft, »Du gehörst zu dem Colleg der Weisen und solltest klüger sein als ich; aber als oberster Verwalter der Beleuchtung ist es meine Pflicht, nichts eher zu glauben, als bis ich es mit meinen eigenen Sinnen geprüft habe.« Darauf wandte er sich zu mir und tat mehrere Fragen über die Oberfläche der Erde und die Himmelskörper. Obgleich ich ihm nach bestem Wissen antwortete, schienen ihn meine Antworten weder zu befriedigen, noch zu überzeugen. Ruhig schüttelte er mit dem Kopfe, und den Gesprächsgegenstand rasch wechselnd, fragte er mich, wie ich von einer Welt in die andere herabgekommen sei, wie er sich auszudrücken beliebte. Ich entgegnete, daß in der Erde Minen seien, die sehr viele Mineralien und Metalle enthielten, die zu unserem Gebrauche und zum Vorwärtsschreiten unserer Kunst und Industrie sehr notwendig seien. Dann gab ich eine kurze Erklärung des unglücklichen Zufalles, durch den mein armer Freund und ich beim Ausforschen einer dieser Minen einen Blick in diese Regionen erhalten hatten, wie wir hinabgestiegen waren und dieses Wagnis meinem armen Freunde das Leben gekostet hatte. Als Beleg für die Wahrheit meiner Erzählung berief ich mich auf das Tau und die Haken, die der Knabe in das Haus gebracht hatte, das mich zuerst beherbergte.

Mein Wirt fuhr fort, mich über die Sitten und Gewohnheiten der auf der Erdoberfläche lebenden Bewohner auszufragen, namentlich über die, die wie er sich auszudrücken beliebte, in der Kunst am meisten fortgeschritten seien, in einer Gemeinde die glückliche Zufriedenheit zu verbreiten, die einen tugendhaften und gutorganisierten Staat ausmacht. Von dem natürlichen Wunsche beseelt, die Welt, von der ich kam, im besten Lichte darzustellen, berührte ich die veralteten und in Verfall geratenden Einrichtungen Europas nur oberflächlich, um mich um so ausführlicher über die gegenwärtige Größe und den in Aussicht stehenden Vorrang der glorreichen Republik Amerikas zu ergehen, in der Europa neiderfüllt sein Vorbild sucht und zitternd seinen Verfall sieht. Als Beispiel des sozialen Lebens in den Vereinigten Staaten führte ich die vorgeschrittenste Stadt an und erging mich in einer lebhaften Beschreibung der moralischen Sitten New-Yorks. Voll Ärger bemerkte ich auf den Gesichtern meiner Zuhörer, daß meine Beschreibung nicht den guten Eindruck machte, den ich erwartet hatte. Lebhafter fuhr ich fort und ich schilderte eingehend die vortrefflichen demokratischen Einrichtungen und wie sie die Stabilität und das Vertrauen der Regierungspartei zustande gebracht haben. Ich schilderte ferner die Art und Weise, wie Zufriedenheit selbst in die größere staatliche Gemeinschaft gebracht wird, dadurch, daß jedem einzelnen Bürger Gelegenheit gegeben wird, in bezug auf Erziehung und Charakter das Bestmöglichste zu entwickeln. Glücklicherweise rief ich mir den Schluß einer Rede über den läuternden Einfluß der amerikanischen Demokratie und ihre Verbreitung über die Erde in das Gedächtnis zurück, die ein beredter Senator gehalten hatte, für dessen Wahlstimme in den Senat eine Eisenbahngesellschaft, zu der meine beiden Brüder gehörten, eben erst 20 000 Dollars bezahlt hatte. Begeistert wiederholte ich seine Prophezeihungen über die glänzende Zukunft, die der Menschheit entgegenstrahle, wenn die Fahne der Freiheit über einem ganzen Festlande wehen und zweihundert Millionen gebildeter Bürger, von Jugend auf an den täglichen Gebrauch der Revolver gewöhnt, ein sinkendes Universum der Lehre des Patrioten Monroe anheim stellen werde.

Als ich zu Ende war, schüttelte mein Wirt leise den Kopf und versank in sinnendes Nachdenken, indem er mir und seiner Tochter durch ein Zeichen zu verstehen gab, daß wir uns ruhig verhalten möchten. Nach einer Weile hob er in ernstem, feierlichen Tone an: »Wenn Sie, wie Sie sagten, glauben, daß Sie, obgleich ein Fremder, Gutes von mir und den Meinigen empfangen haben, so beschwöre ich Sie, daß Sie keinem aus unserem Volke etwas aus jener Welt, aus der Sie kommen, offenbaren, wenn ich Ihnen nicht die besondere Erlaubnis dazu gebe. Wollen Sie mir diese Bitte gewähren?«

»Gewiß, ich gebe mein Wort darauf« sagte ich, einigermaßen verwundert, und reichte zum Handschlag meine Rechte hin. Er aber legte meine Hand sanft auf seine Stirn und seine Rechte auf meine Brust, wie das bei diesem Volke Brauch für alle Arten von Versprechungen und mündlichen Verbindlichkeiten ist. Dann wandte er sich an seine Tochter: »Und Du, Zee, wirst Niemandem wiederholen, was dieser Fremde uns von seiner anderen Welt gesagt hat oder noch sagen wird.« Zee erhob sich, küßte ihren Vater auf die Schläfe und sagte lächelnd: »Die Zunge einer Gy ist lebhaft, aber die Liebe kann sie fesseln. Und selbst wenn Du fürchtest, mein Vater, daß ein unbedachtes Wort von Dir oder mir unsere Gemeinde gefährden könnte, indem es in ihr das Verlangen weckt, eine Welt, die über uns ist, zu erforschen, würde nicht ein Strom des Vril, richtig geführt, selbst die Erinnerung an das, was wir von dem Fremdling erfuhren, aus unserem Gedächtnisse wischen?«

»Was ist Vril?« fragte ich.

Nun gab mir Zee eine Erklärung, von der ich sehr wenig verstand, denn keine der Sprachen, die ich kenne, hat ein Wort, das gleichbedeutend mit Vril ist. Ich würde es Elektrizität nennen, doch begreift es viele andere Naturkräfte in sich, die in unserer wissenschaftlichen Sprache verschiedene Namen haben, wie Magnetismus, Galvanismus usw. Dieses Volk hier glaubt, daß Vril alle Naturkräfte in sich vereinigt, deren Vorhandensein viele unserer Philosophen vermutet haben und über deren gegenseitige Beziehungen der berühmte Faraday, der so viel experimentiert hat, sich in folgenden vorsichtigen Worten äußert: »Ich bin gleich vielen anderen Naturwissenschaftlern der Meinung gewesen, daß die verschiedenen Formen, in denen die betreffenden Kräfte sich zeigen, einen Ursprung haben, oder mit anderen Worten: sie sind so nahe miteinander verwandt und so voneinander abhängig, daß man eine in die andere umwandeln und so eine gleiche Wirkung mit ihnen erzielen kann.«

Diese unterirdischen Philosophen behaupten daß sie durch eine Anwendung des Vril, den Faraday vielleicht atmosphärischen Magnetismus nennen würde, die verschiedene Temperatur, einfacher gesagt: das Wetter beeinflussen können; daß sie durch Vril-Leiter auf Geist eine dem Mesmerismus, der Elektro-Biologie und anderen Kräften verwandte Operation auf animalische und vegetabilische Körper einen Einfluß ausüben könnten, der keine Fabel unserer Mystiker nahe kommt.

Für alle diese Wirkungen haben sie die allgemeine Benennung Vril. Zee fragte mich, ob es in meiner Welt bekannt wäre, daß alle Kräfte des Geistes durch Verzückungen und Visionen zu einem in wachem Zustande unbekanntem Grade angefeuert werden könnten, daß die Gedanken des einen Hirnes dann in ein anderes übertragen werden können und dadurch eine rasche Verständigung möglich sei. Ich entgegnete, daß man sich bei uns von dergleichen erzähle, und daß ich oft gehört und gesehen hätte, in welcher Weise man solche Verzückungen und Visionen künstlich hervorruft, z. B. durch Mesmerische Hellseherei; daß derartige Operationen jetzt aber bespöttelt und nur noch selten in Anwendung gebracht würden, teils wegen der groben Betrügereien, zu denen sie Anlaß gegeben haben, teils weil die Wirkung selbst da, wo sie bei einzelnen außergewöhnlichen Konstitutionen eine wahre gewesen war, sie bei genauer Prüfung und Analyse doch nur unbefriedigend erschien. Es ließ sich keine Wahrheit darauf begründen und keine praktische Anwendung darauf aufbauen und sie gereichte den Abergläubischen nur zum Schaden.

Zee lauschte meinen Worten mit wohlwollender Aufmerksamkeit und entgegnete, daß anfangs auch bei ihnen dergleichen Aberglauben und Mißbräuche vorgekommen wären und man die Kraft des Vril falsch angewendet hätte; sie behalte sich jedoch ein weiteres Besprechen dieses Gegenstandes vor, bis ich fähiger würde, darauf einzugehen. Sie begnügte sich damit, hinzuzufügen, daß ich, nachdem man mich in einen Zustand der Verzückung versetzt hatte, durch die Wirkung des Vril mit den Anfangsgründen ihrer Sprache bekannt gemacht worden sei, und daß sie und ihr Vater - die Einzigen in der Familie, die sich der Mühe unterzogen hatten, das Experiment zu beobachten - dabei meine Sprache besser kennen gelernt hätten, als ich die ihrige; teils weil meine Sprache viel einfacher sei als ihre eigene, und teils, weil ihre Organisation ursprünglich viel lenkbarer und befähigter sei, sich Kenntnisse anzueignen, als die meinige. Ich bezweifelte das im Stillen. Da ich im Laufe eines praktischen Lebens sowohl zu Hause wie auf Reisen viel Gelegenheit gehabt hatte, meinen Geist zu bilden, so konnte ich nicht annehmen, daß meine geistige Organisation weniger ausgebildet sein sollte, als die eines Volkes, das sein ganzes Leben bei Lampenlicht zubrachte. Aber während ich so dachte, deutete Zee mit ihrem Zeigefinger auf meine Stirn und ich versank in Schlaf.

Das Geschlecht der Zukunft

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