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Der Überlebenskünstler Robinson Crusoe

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Bücher gab es schon immer. Weihnachten - in den frühen, dunklen Vierzigerjahren. Ein eiskalt weisser Christbaum in einem sehr dunklen Zimmer. Mein Geschenk: Brehms Tierleben, ein schönes buntes Bilderbuch für einen Buben, der noch nicht lesen kann.

Etwas später, Schulbeginn für andere Kinder, ich will auch in die Schule. Ich packe meinen kleinen Rucksack mit meinem Märchenbuch, das ich nicht selbst lesen kann: König Tannenzapfen. Unterwegs verlässt mich allerdings der Mut.

Als ich lesen gelernt hatte, las ich, was mir meine Eltern gaben, was ich in der väterlichen Büchersammlung vorfand. Ich las gern und viel. Ich glaubte, was ich las. Ich baute meine Wirklichkeit aus meinen Büchern.

Auch den Robinson Crusoe des Daniel Defoe habe ich gelesen. Habe ich das? Heute weiß ich, dass seit der Erstausgabe unzählige Bearbeitungen, Neufassungen und Verfälschungen erschienen sind. Ich habe sicher auch ein solches Werk, das zur Erziehung und Beeinflussung von Kindern geschrieben worden war, erhalten.

Ein Herr Campe , fanatischer Aufklärer, Philanthrop und wohl auch Freimaurer, war hier schon im achtzehnten Jahrhundert wegweisend vorangegangen. Robinson “der Jüngere” sollte Knaben lehren, wie man, ganz auf sich allein gestellt, mit überlegener Geisteskraft Alles erfinden und herstellen kann, was man zum Leben braucht.

Welchen Buben hätte das nicht begeistert. Er kann allein und selbständig erfolgreich handeln, er ist nicht mehr auf die ständige Hilfe und Kontrolle seiner Mutter angewiesen.

So wie man später im Sport alle Hilfen als unfair verboten hat, damit die in ihrer Physis genetisch Bevorzugten nicht von den körperlich Schwachen, den tapferen Schneiderleins, besiegt werden können, so hat das achtzehnte Jahrhundert als Erziehungsprinzip eine puristische Direktive erfunden:

Kein Messer, kein Feuerzeug, kein Gewehr, keine Kleidung und keine Nahrungsmittel für Robinson, den Jüngeren. Damit ist die Zivilisation ausgesperrt und die allmächtige Natur entfaltet sich ungehemmt, wie Rousseau vortrug. Immerhin darf sein Zögling Emile seinen Verstand behalten. Er soll lernen, von und in der Natur seine eigene traditionslose Zivilisation aufzubauen.

Kaum ein europäisches Knabe aus einer bildungsbürgerlichen Familie konnte seither daran vorbeikommen.

Auch ich versuchte natürlich Feuer mit aus Steinen geschlagenen Funken zu entfachen, auch ich wollte ebenso begeistert, wie erfolglos, mit einem selbstgebauten Bohrer Holz zum Glimmen zu bringen. Auch ich baute mit Freunden ein Baumhaus und öffnete, allerdings zusammen mit meinem Vater und einer Säge, eine Kokosnuss (die übrigens ganz anders beschaffen war, als von Herrn Campe beschrieben).

Unsere Schule hat zwar ganz andere Wurzeln, sie setzt auf das Lernen vorgegebener Inhalte. Trotzdem hat auch sie etwas von der Direktive übernommen, nämlich das grundsätzliche Misstrauen gegenüber allen Hilfsmitteln:

Vom Wörterbuch bis zur Formelsammlung und dem Taschenrechner. Ganz zu schweigen vom Schwindelzettel.

Der Schüler würde dadurch nur behindert und verdorben, wird vielfach verbreitet, so wie etwa auch durch das Lesen von nicht dem Lehrplan entsprechender Literatur (früher “Schmutz und Schund” genannt, ein zentrales Trauma der Fünfziger Jahre). Irgendwie hört sich das Alles nach Angst vor dem Kontrollverlust an. Vertrauen ist keine Kategorie unserer Schultradition.

Die Geburt des Nexialismus

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