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I. Die Legende …

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Paris, im Mai 190 … Nun bin ich meiner Rolle ganz sicher. Die Nervosität, die mich anfangs immer beschlich, wenn ich auf meine „eigentliche Heimat“, das geheimnisvolle Indien, zu sprechen kam, ist verschwunden. Ich bin geschmeidig in mein zweites Ich geschlüpft, es restlos ausfüllend. Es sitzt nun da vor diesen Leuten, die Mund und Augen aufsperren, füllt seine Haut prall aus und sonnt sich behaglich, ohne jede Spur von Angst, man könnte ihm nicht jedes Wort glauben, auch nur eines in Zweifel ziehen. Ich befürchtete noch vor kurzem, meine Inkarnation würde auf die Pariser, diese geborenen Skeptiker, lediglich als Bluff wirken, als Saisonsensation, wie das Kuplet des Jahres oder wie die große Attraktion im Olympia … Nichts dergleichen. Und mein Tanz? Haben sie ihn auch nur begriffen, können sie auch nur seine choreographischen Umrisse sinnlich wahrnehmen – oder werden sie eines Tages die Geheimnisse der Schritte, dieser absichtlich so eng bemessenen Bewegungen, dieses getanzten Kunstwerkes, das Indien wie eine steinerne Partitur in der ungeheuren Bibliothek seiner Tempelwände für Jahrtausende aufbewahrt, restlos verstehen? Ich müßte eigentlich fragen: wird sich der Dolmetsch finden, der geniale Übersetzer, der ihnen meine so genau berechneten Wendungen übersetzen, kommentieren wird? Ach, was wissen diese Pharisäer mit ihrer mehr oder minder zufriedenstellenden Verdauung von meiner Kunst – von meiner Berufung …

„Mata Hari“! Ist der Name nicht ein Programm? Wie schön und weich sprechen sich doch die Silben aus! Ein wenig eintönig die ersten drei Takte, auf dem matten Olivgrün des gedehnten „A“ ruhend, aber dann kommt das zwitschernde, helle, ganz leise, noch kindlich spitze Jubeln des „I“. M-a-t-a-h-a-r-i … „Augenstern des Morgenrots“! Meine Schwäche für alles Poesievolle hat mich diesen Namen wählen lassen – ach, ich meine, diese liebenswürdige Vorliebe für Zartes hat ihn mich lieben gelehrt … Ich bekam ihn doch, wie ein Geschenk, aus Tausenden auserwählt, von Priestern, die meine Eltern gut berieten. Er vereint zwei Rätsel dieser Welt: das Juwel, den glitzernden Edelstein, den Shiva in die toten Höhlen einsetzte, weil ihn der Mensch dauerte, der die herrliche Bewegung der kriechenden Schlange, die selige Weise der heiligen Elefanten, die mystische Form der Blätter der Lotosblume nicht sehen konnte. Und wie prächtig setzt mein schöner Name diesem Lichte jenes andere, gewaltige gegenüber, das über die Erde und die Welten gebietet, das grausam vernichtet, aber alles wiedergebiert, das die Sterne verdunkelt, aber die Tempel vergoldet! Jedoch, nicht das unerträgliche Gestirn in seiner schrecklichen Größe, sondern nur sein erster Augenaufschlag, trotz seiner Riesenhaftigkeit sanft und lieblich wie die Hirschkuh oder die Milch des Mohns, ‚Morgenröte‘ heiß ich, ein Name, auf den ich so stolz bin. Ihr sanfter Farbenschatz ist wie der leise Hauch, der die Wange der Jungfrau schmückt, himmlisches Rosenblatt, zeigt es die Farbe des Weines dunkler Reben mit Milch vermischt, noch nicht die Rubinglut des Feuers, des rauchenden Opferblutes. Ist es nicht schön, wenn Eltern, aus Frömmigkeit arm, dem Kinde einen Namen mitgeben, besser als Reichtum? Dessen es stolz sein kann in jedem Alter, einen lieblichen Namen, nicht zu kindisch, nicht zu steif? Meine ersten Gedichte – ich sagte sie auf und bewegte mich im Klange der Verse, die mir Musik waren, – enthielten als schönsten Reim immer das indische Wort, das sich mit meinem Namen paart und das im Dialekte der malabarischen Küste „Seligkeit“ bedeutet. Mata Hari – ich werde nicht müde, den Leuten zu erzählen, was dieser Name eigentlich bedeutet, für mich bedeutet; manchmal weise ich auch darauf hin, daß er dem Liebenden große, ganz große Möglichkeiten gäbe, wenn er sich seinerbedienen würde, bedienen wollte … Ich entsinne mich nicht, daß es in Juffuapatam noch ein Mädchen dieses Namens gab, ich hoffe sogar, daß er in keiner einzigen Stadt an den Ufern der heiligen Flüße oder der Küste der Fiebermeere ausgesprochen wird – außer, er wird verwendet, um mir etwas zu sagen, oder, um mich zu rufen, sei es zum Gebet oder zum Tanz. Aber das ist für mich dasselbe.

Ich habe die Frömmigkeit von meinem Vater geerbt, einem Abkömmling der frömmsten Kaste, der Kaste der Brahmanen. Man nannte ihn nicht ohne Grund Assirvadam, was so viel wie „Gottes Segen“ heißt, er war auch ein Segen für seine kleine Familie, für seine Umgebung überhaupt.

Er hatte meine arme Mutter sehr geliebt, die ich durch meine frühzeitige Geburt gemordet habe, als sie selbst im zarten Alter von vierzehn Jahren stand. Ich weiß, man wird bei dieser Erwähnung in Europa lächeln, aber es ist Tatsache, daß sie schon mit dreizehn Jahren heiratete, ja, noch mehr, daß sie damals schon eine berühmte Bajadere war, in den Diensten des Tempels der Kanda Swany; und wer diesen Tempel kennt, kann mich verstehen und an meinen Worten nicht länger zweifeln. Auch der blasierte Europäer wird von seinen gleichsam überirdischen Massen ergriffen, von seiner Ehrwürdigkeit gerührt, wenn er nur einmal die grauen Fliesen des seit Jahrhunderten im beschaulichen Dämmer liegenden Vorhofes betreten hat, die schweigenden Steine, die im Schatten der nachbarlichen Baumgiganten grünlich erschimmern, in die feuchte Schwüle des nahen Urwaldes gebettet wie in ein riesiges Aquarium …

Die unsterbliche Kunst der Khmer hat Bauwerke aufeinandergetürmt, einer einzigen Plastik ähnelnd. Der von tausenden und abertausenden Figuren bedeckte Sandstein zeigt ein buntes Göttervolk, in zeremonieller Geste erstarrt, ein Gewimmel von Leibern, Gliedern und Rümpfen, das wohl verwirrt, aber niemals ermüdet. Unsere Mönche besehen diese Figuren ein Leben lang und ihre kletternden Blicke kommen nur auf der Kolossalstatue Shivas zur Ruhe, auf dessen Fußsohlen sie eifervoll die in Perlmutter eingelegten heiligen Legenden studieren …

Dieser „Wat“ ist mir der heiligste, denn er war die Bühne der Kunst meiner Mutter. In seinem Dämmerlicht schwang ihr zarter, schmaler und brauner Körper, der dem meinen geglichen haben soll, in den geheiligten rhythmischen Zuckungen, die Wishnus Lieblingssprache durch in die Luft geschriebene Schriftzeichen ausdrücken. Sie wurde von Priestern bewundert, die sich nichts anmerken ließen, aber das „Volk“ murmelte um so beifälliger, all diese bei uns verehrten Idioten, Leprakranken, Händler mit dünnem Blattgold, rosa Betel, süßem Opium, Arekanüssen oder faulen Eiern … Sie tanzte zum Ruhme des „Vollkommenen“, zum Vergnügen des Pöbels, der nicht ohne erhebendes Gefühl die ihm nur halbverständlichen Gesten der kompliziert gebogenen Finger, das Gleiten edler Tradition gemäß gesetzter Fußsohlen verfolgte.

Wie liebte ich das stumme, aber für mich so beredte Volk der Statuen! Und besonders die Tiere, die listige Schlange, den stets zornigen Löwen mit dem Schnörkel im Schnurrbart und dem muskulösen Hinterteil, so nervig und zierlich gemeißelt, wie die stählernen, schmalen Lenden des heiligen Stieres.

Wie liebte ich es, mich auf einer der sieben Terrassen, die sieben Paradiese Krishnas verwirklichend, zu verlieren, meinen Träumen nachzuhängen, mich als seine Lieblingstänzerin zu sehen, vor dem siebenstöckigen Goldthrone tanzend, „Ihm“ zum Ruhme … Jede der Terrassen erhebt sich auf steinernen Lotosblumen, die auf steinernem Wasser schwimmen … Statt der Treppen sanfte Hänge aus Stein, in die prachtvoll geballte Wolken gezeichnet sind und über die die „Hocherhabenen“ emporschweben, ohne gemeine, irdische Stufen benützen zu müssen. Oft huschte ich ins Ankleidezimmer, das die köstlichen Toiletten des „Vollkommenen“ beherbergte. Er wird für jede Jahreszeit anders gekleidet, für die Zeit der Dürre liegen Haarnetze und Perlenhalsbänder bereit, Gewänder aus kostbaren Brokaten, so dick wie Elefantenhaut. Herrliche Ringe in Gigantenmaßen, die allein seinem Gigantentum gerecht werden, funkeln wie die Edelsteine seiner Augen. Ach, diese Augen des großen Shiva! Ich betrachtete seine heilige Statue am liebsten von unten, zu seinen Füßen kauernd, ich belauerte die berückend weiche Linie seiner zum Auge zu zurückweichenden Wange und weidete mich an der heiteren Schönheit, die von seiner Schläfe ausstrahlte. Unter dem halbgesenkten Lide leuchtet der glühende Schimmer des Goldblattes über dem weißen Email des Auges, in dessen Mitte der ungeheuer große, funkelnde Edelstein der Iris schwimmt. Wenn die im Abendwinde leise wogenden Feigenbäume das Schattenspiel auf seinen Wangen in ein zartes Schmunzeln verwandelten, dann glaubte ich oft, sein großes Auge ruhe auf mir und sehe mich mit Wohlgefallen. Dann gehorchte ich sofort dem Gebieter über Leben und Tod und entkleidete mich … Soll ich es eingestehen, daß ich schon damals hoffte, schön zu sein? Ich glaubte auch, tanzen zu müssen und in dieser Stunde war es, da ich den Dämon in mir entdeckte, meine Kunst, die mich zwang – kann ich es heute noch begreifen? Unter den Augen der Gottheit! von den geheiligten Rhythmen abzugehen und einige Schritte zu wagen, profane Schritte, die mir nicht die Priester gelehrt hatten … Niemals werde ich vergessen, wie ich dann atemlos im Staube lag, des Blitzstrahles gewärtig, der die Schuldige treffen würde, mit blinder Sicherheit treffen mußte … Aber das alles war viel später.

Wie oft wurde ich gefragt, wie man diese Tänze erlernt! Ich antwortete, daß man ihrer inne wird, wie einer Religion: man versucht sich die Riten einzuprägen, man beobachtet die strengen, zeremoniellen Übungen und das Übrige muß man sich in der Hingabe an den Gott selbst holen …

Ja, auch die Traumzustände, in der wir schon als kleine Novizen durch Einatmen betäubender Dämpfe versetzt wurden, halfen, denn sie schufen in uns die Willenlosigkeit, die unser Lehrmeister brauchte, um den Körper der kindlichen Tänzerin zu meistern. Kaum ein paar Jahre alt, wurde ich mit zehn anderen Mädchen in das große unterirdische Gemach der Shivapagode gebracht, um den ersten Unterricht zu empfangen. Wohlgemerkt, es war kein Tanzunterricht im Sinne des Europäers, der es meist nicht erfaßt hat, daß der indische Tanz nichts anderes bedeutet, als eine Kette aneinandergereihter zeremonieller Gebärden, die im streng eingehaltenen Kanon wechseln. Wir wurden allmählich mit der tiefen blumenhaften Bedeutung der Zeichen bekannt, die die durch verschiedene Stellung der bizarr abgebogenen Finger entstehenden Gebärden versinnbildlichen sollten; wir mußten uns unaufhörlich die Sprache dieser seit Jahrtausenden geheiligten Gesten einprägen, um nur ja keinen Schnitzer zu machen, wenn wir vor der Statue des „Vollkommenen“ oder auch vor dem Thron des Regenten tanzen würden. Ein derartiger Fehler war ärger in den Augen der Gottheit, als der lächerlichste Akzent eines Tibetaners, eine einzige unrichtige Gebärde kreischte laut in den Ohren der eingeweihten Priester, gefährlicher dem Glauben, als wenn ein Taubstummer durch ein falsches Zeichen seiner Sprache ein folgendschweres Mißverständnis herbeiführt …

Es war immer einer der älteren Priester, der uns von rückwärts bei den Ellbogen hielt und mit vorgestrecktem Hals die wohlriechenden, aber berauschenden Dämpfe einatmen ließ, die uns vor dem Beginn der Übungen in den geeigneten Zustand versetzen sollten. Nun mußten wir die Bewegungen der bereits geweihten Tänzerinnen zu kopieren suchen, die sie uns maschinell und scheinbar ohne je zu ermüden, unaufhörlich vorzeigten. Mit schwerem Kopf, ach ja, aber mit heiligem Eifer ruderten wir Kleinen mit unseren mageren Ärmchen durch die Luft, mit täglich wachsendem Ehrgeiz. Der Nachmittag war Gesangsübungen gewidmet und man hielt uns an, dabei endlose Girlanden aus süßlich duftenden Jasminblüten zu winden, die zur Ausschmückung des Tempels verwendet wurden. Ich gedenke gerne dieser reinen Jahre, sie verrannen wie graue Perlen, ihre sanften Stunden hüpften leichtbeschwingt über die nur gedachten Grenzen, die die Monate aufrichteten. Aber dann kam das Jahr der Reife. Und ich, gerade ich wurde als „auserwähltes“ Geschöpf angesehen, das dem großen Shiva geweiht werden sollte. Oh, unbegreifliche Ehre – sicherlich verdankte ich sie dem unerschütterlich frommen Lebenswandel meines Vaters und den zarten Bitten, mit denen meine Mutter im Paradies der Lotosblumen zu meinen Gunsten alle einflußreichen Geister bestürmte!

Jetzt begann eine andere Art des Unterrichts. Ich mußte die Gesänge unserer heiligen Literatur studieren, die unzählgen Verse des Prem Sagar, deren Glut meine Sinne verwirrte, mich jedoch über vieles menschlich aufklärte. Ich gewann Einsicht in die Beziehungen der Geschlechter zueinander, und war erstaunt, wie anders diese Welt sich mir darstellte, wie unendlich die Zahl der Lüste sein konnte, die die Menschen beherrschen, diese aber noch lange nicht so zahlreich waren wie die Mittel und Wege, die sie sich erdachten, um ihrer Herr zu werden oder sie zu befriedigen … Ich drang in die roten Geheimnisse, die das Mysrerium des Körpers ausmachen, ich lernte die wahre Bedeutung jener seltsamen Zonen an ihm kennen, die mir vertraut, aber doch seit je so unheimlich waren, daß ich nur ganz heimlich eine scheue Berührung wagte, als wäre es nicht mein Körper, den ich betastete, sondern der eines Schläfers, und dessen Erwachen für mich furchtbar sein könnte. Ich las mit meinen Lehrern die Szenen Kalidasas und mußte aufhorchen, als man mir die Zartheit der Empfindung erklärte, die diese wie aus Mondstrahlen gewebten Dichtungen erfüllt. Ich lernte, ohne zu wissen wie es der Europäer benennt, alle psychologischen Feinheiten dieser Welt kennen, neben denen die Erzeugnisse der raffiniertesten Pariser Bühnenkunst wie plumpe Bauernstücke wirken. Ich lernte dort die Leidenschaften nach Duft und Farbe einteilen, sie in ein klares System stellen wie Pflanzen: Blau, so verkündete man mir, sei die Farbe der Liebe, Weiß die der Wonne, die Zärtlichkeit war rosenfarben, natürlich, der Mut des Helden aber Rot wie Blut … Ich lernte die Personen nach ihrer Kaste zu unterscheiden, jede sprach in diesen Schauspielen ihre eigene Sprache, wenn die eine Schicht die andere nicht verstand, mußte ein Dolmetsch vermitteln und die herrlichen Reden übersetzen. Oh, wie köstlich lang waren diese Akte! Und aus wie vielen solchen Teilen setzten sich meine Lieblingsstücke zusammen! Eines hatte zwanzig Akte und nichts an ihm gemahnte an die plebejische Hast, mit der eines dieser leeren Schauspiele europäischer Bühnen heruntergehaspelt wird. Später dann lernte ich das Wunderbarste des indischen Theaters kennen: die Darstellung. Sie erreichte einen Gipfel der Wahrheit, sie spielte nicht mehr, sie lebte auf der Bühne, die ihr zur Welt wurde. Die Liebenden liebten sich wirklich, sie liebten sich auf der offenen Szene, als wären sie allein in ihrem Schlafraum und die Zuschauer konnten die Glut und die Kraft des Liebhabers, die Künste der Geliebten ganz genau beurteilen. Und es wurde auch gehaßt, wie in der Wirklichkeit, bei Kämpfen floß wirkliches Blut. Ich verliebte mich für mein ganzes Leben in die Köstlichkeiten des Singhazan Battici, des Bakta Mal. Wir lernten, ohne zu bemerken, wie schwer die Materie eigentlich war, in die wir so unversehens eingeführt wurden.

Und schließlich kam noch das Studium jener Riten an die Reihe, die das Liebesleben zu regeln hatten, das sonst bei der tierischen Veranlagung der Menschen sich ins Uferlose verlieren würde, in die giftigen Niederungen sumpfiger Ausschweifung … Seltsam, ich war bisher eifrig und aufmerksam gewesen, aber nun erfaßte mich eine tolle Lust, alle Geheimnisse kennenzulernen, auch die verborgensten, ich berauschte mich an nackten Worten wie an nackten Gliedern. Ich las und wiederholte unaufhörlich, ohne zu ermüden, ohne mich je zu langweilen, die Regeln, die sich versteckt in der Gita Govinda finden, ich durchdachte sie und übte mich, sie auszuführen, ohne Objekt natürlich, so wie der Lernbegierige, der im Tanzen Unterricht nimmt, alle Schritte und Wendungen sitzend markiert, ohne die Nase vom Buche zu erheben, er tanzt „blind“. Ich beschäftigte mich unaufhörlich mit diesen Lehren, die mir schon als ganz kleines Mädchen die ungeheure Welt der Sinne vor die Augen führte, theoretisch, ohne mich vorerst in Verwirrung zu versetzen, alles Geschlechtliche war vorläufig Lehrstoff für mich, den ich zu überblicken hatte, zu benennen und einzuteilen in einfache und schwierige Stellungen, oberflächliche und irrende und vernichtende Liebkosungen, in Präliminarien und erschöpfende Akte, kurz ich lernte das Vokabular ohne sprechen zu können. Die Sinne hatten sich mir noch nicht angekündigt – ist es zu verwundern, daß ich von dem Tage an, da sie sich zu eigenem Leben in meinem Körper meldeten, mit einem Schlage die graue Hülle der Theorie abstreifte und nun plötzlich die Leidenschaft wie eine volle Stimme in mir emporquoll, wie bei einer Frau, die alle Noten, Skalen und Passagen stumm gelernt, aber nun auf einmal das Material in sich entdeckt, sie auszudrücken? Da wußte ich, warum wir schon als ganz kleine Bajaderen die strengen und sogar ein wenig komisch anmutenden Regeln der „Kama Sutram“ beherrschen mußten, alle diese Absätze, die dem, der sie nicht praktisch befolgt, fast eintönig vorkommen. Sie alle dienten der Beherrsehung der Wollust, jener Leidenschaft, der schwer Zügel anzulegen sind und die so leicht in Begierde ausartet. Ihren Reiter abwirft und ihm den Hals bricht, statt ihn im Schritt oder Trab oder Galopp durch das Wunderreich der Liebe sprengen zu lassen, ihn vor vorzeitiger Ermüdung schützend, vor frühem Ekel weise bewahrend, vor Verletzungen und tiefen Wunden … Kommt deshalb die Sinnlichkeit weniger auf ihre Rechnung, wenn weise Regeln sie zügeln? Ist der Gourmet nicht besser daran als der Fresser, der alles wahllos in sich hineinstopft und doch nicht satt wird? Außer im Magen; und wie der Prasser des alten Rom sich einer Pfauenfeder bedienen muß, um wieder von vorne beginnen zu können – ohne sich das zweitemal klüger anzuschicken. Die weisen Regeln der indischen Liebeskunst benützen die Erfahrung der Jahrhunderte und führen uns zum Ziel, ohne unsere Kräfte zu vergeuden, aber auf dem blumigsten Pfaden, mit den schönsten Ausblicken, den genußreichsten Haltestellen. Am Gipfel angelangt, brechen wir nicht atemlos zusammen, sondern weiden uns an dem Panorama, nicht ohne der Freuden des Abstieges zu gedenken; meist aber besteigen wir einen benachbarten Gipfel und finden diesen Weg vielleicht noch schöner mit unseren für solche Herrlichkeiten bereits geschärften Sinnen …

Wie nahm ich es mir zu Herzen, wenn mir verkündet wurde, daß die pflichtgetreue Bajadere „gerne geschlechtliche Vereinigungen eingehen soll und sich ohne Rast und Ruhe bemühen muß, den Schatz ihrer Erfahrung und ihrer Talente zu vermehren, was ihr gelingen wird, wenn sie sich immer hochherzig zeigt und eine unermüdliche Freundin der geschlechtlichen Unterhaltungen und der Künste auf diesem Gebiete bleibt“. Wie lehrreich, was Vats iayana über das Benehmen im Bett verkündet: „Um den Geliebten für sich zu gewinnen, muß die Bajadere die lebhafteste Bewunderung für seine Kenntnis auf dem Gebiete der Liebkosungen bezeugen und für seine unwiderstehliche Art, sie zur Hingabe zu bewegen.“ Oder: „Wenn sie mit ihm schläft, muß sie stets zu allem bereit sein; sie soll alle Teile seines Körpers streicheln, sie ohne Rückhalt küssen, bis sie merkt, daß sein Feuer grell auflodert. Dann soll sie ihren Mund noch stärker auf jene deutliche Stelle pressen, denn gerade dies verlangt sein Körper gebieterisch.“ „Wenn er eingeschlafen ist, soll sie ihn mit sichtlicher Sorge betrachten und leise küssen, es wird seine Träume vergolden …“ Es gab auch sehr praktische Ratschläge zu befolgen, die den Erfolg fast sicher machten: „Damit sein ganzes Wesen dir gehört, laß ihn einen Trunk genießen, den du bereitest aus Chabpfeffer, Duchalawurzeln, Sansevierakörnern und Roxburguinakörner, aus Kshiriasaft und Schadavanstrazweigen“. Brauchte man mir noch nahezulegen, „um zu gefallen, beachte vor allem die Ratschläge des Atharva Veda.

Ich habe mich vielleicht nicht ganz richtig ausgedrückt, wenn ich sagte, der Unterricht sei ein lediglich theoretischer gewesen. Nach einiger Zeit wurden wir kleinen Mädchen auch schon auf ein wenig andere Art unterwiesen, auf eine Art, die uns in vollkommen natürlicher Weise die wichtigsten Handgriffe unseres zukünftigen Berufes beibrachte. Wir mußten von da an einzeln mit je einer bereits geweihten Tänzerin schlafen, die sich ihres Schützlings auf fast mütterliche Art annahm und ihm, wenn die Nacht besonders schwül war und er nicht einschlafen konnte, mit leiser Stimme Verse vorsagte, aber auch seine kleinen Hände nahm und sie zwischen ihre Schenkel preßte. Meine Gefährtin hieß Rahna Pura und war ein hübsches Mädchen mit einem für ihr Alter erstaunlichen Busen. Es bildete ein großes Vergnügen, diese sowohl weichen als harten Kugeln zu drücken und zu quetschen und ich bemerkte bald, daß Rahna es auch ganz gern hatte, wenn ich es tat. Sie dehnte sich dann wollüstig, steckte ihre eigene Hand zwischen die schlanken Schenkel, während sie mit dem Becken eigentümlich kreisende Bewegungen vollführte. Als ich mich einmal unbeobachtet fühlte und Rahna im tiefen Schlummer lag, versuchte ich es so wie sie zu tun und tatsächlich, es war ein angenehmes Gefühl, etwas zwischen den Beinen zu fühlen. Da ich aber bisher immer nur gelernt hatte, was dem Manne gut tue, wußte ich nicht, wie ich mich weiter zu benehmen hätte und so verlief dieser erste Versuch, ohne etwas anderes als einen sehr angenehmen Kitzel, der mich wohlig überrann, bei mir auszulösen.

Rahna Pura selbst war es, die mir in einer der nächsten Nächte den Weg zeigte, mich „den Pfad des Entzückens“ wies, mich vor „die Pforte der Glückseligkeit“ führte, wie es in unseren Büchern heißt und wie es von meiner älteren, aber um so vieles erfahreneren Gefährtin genannt wurde.

Sie lag neben mir und sagte mir einige Verse vor, die sie, wie sie mir versicherte, eigens für schöne Stunden aufgehoben hatte. Es mochten besonders glühende Worte gewesen sein, die diese göttlichen Verse mit ihrer Leidenschaft durchloderten: Sie brachten beim Hören unabweislich die beabsichtigte Wirkung hervor, sie erweckten die Sinnlichkeit und schmolzen das abwehrbereite Fleisch der Jungfrau.

„Schließe dich eng an mich“, befahl mir Rahna, deren Stimme in dieser Nacht einen eigenartigen, gezwungenen Ton angenommen hatte. „Und mache mir alles nach, tue, wie ich tue!“

Ich spürte gleichzeitig, wie ihre Rechte leise zwischen meine Schenkel glitt und erst vor der geheimen Spalte halt machte, die mich in letzter Zeit so eigentümlich juckte und die, so oft ich verstohlen hingriff, sich stets sonderbar feucht anfühlte.

Ihr Ellbogen brachte mir in Erinnerung, daß ich all ihre Bewegungen nachzumachen hätte und so folgte ich denn und schob nun meine Hand zwischen ihre Schenkel, die so zart wie Samt, aber so hart wie das polierte Holz des Teakbaumes waren. Hatten sich ihre langen schlanken Schenkel in dem Augenblick, da ich gegen den Punkt, der sie vereinigte, verstoßen wollte, wie unwillkürlich geöffnet, so schlossen sie sich jetzt, als meine Hand gegen die ein wenig größere Spalte meiner Gefährtin stieß – ich hatte dies beim Baden feststellen können und auch die Linie der Haare, die die zarte Zone zwischen ihren Beinen ausfüllte, verriet es mir – um diese, als wollten sie sie nie mehr frei geben. Auch ich glaubte die Hand, die sich bei mir befand, mit meinen kleinen Schenkeln preßen zu müßen und tat es eifrig, als ich bemerkte, wie sich Rahna im Gegenteil bemühte, mich zu veranlassen, diese ein wenig zu lockern.

„Ich werde dich jetzt streicheln, wie es im elften Abschnitt der „Kama Sutram“ gelehrt wird: Wenn der Gebieter die Lieblingsfrau mit ihrer Lieblingssklavin allein läßt, heißt das Kapitel!“ murmelte Rahna mir ins Ohr und als ich gehorchte, begann sie auch gleich mit zartem Finger meine kleine Ritze zu betasten, die bis dahin keine fremde Berührung erfahren hatte. Ich konnte, in verhaltener Erregung, deutlich verfolgen, wie sie mit unendlicher Vorsicht das Terrain erforschte und mit größter Aufmerksamkeit meinen Atemzügen lauschte – und als sie an einem etwas heftigeren Luftholen Genuß zu erkennen glaubte, blieb sie an der Stelle und setzte nun mit einer außerordentlich behutsamen Massage an, die mir wie die schönste Liebkosung vorkam. Zum Glück erinnerte ich mich an das Gebot meiner Gefährtin und versuchte, auch ihrer Spalte mit der gleichen Wohltat aufzuwarten. Ich bemühte mich redlich und aus den kleinen Seufzern, die den halbgeöffneten Lippen Rahnas entflohen, entnahm ich trotz meiner Unerfahrenheit, das meine Bemühungen ihr große Lust bereiten mochte. Mein Wunsch war, daß diese Schmeicheleien, die wir uns auf so wahrhaft schwesterliche Art gegenseitig erwiesen, die ganze Nacht andauern möchten, ich fühlte mich in ein glückliches Dahindämmern eingehüllt, wie ich es empfand, wenn ich im heißen Meeressand lag und das eintönige Rauschen der Wogen sich unablässig erneuerte und kein menschliches Gehirn sich vorstellen vermochte, dieses gebändigte Donnern könnte jemals enden, wie etwa das Getöse der großen Tempeltrommel, die jäh abbricht und eine Stille zurückläßt, leer auseinanderklaffend, ein gewaltiger Riß im All …

Aber mein Träumen wurde unterbrochen. Rahnas Atem ging nun immer heftiger und ihr Körper wand sich auf dem Lager in Windungen, die mich bedrängten und an die Wand preßten.

„Nimm meine Brüste in die Hände, schnell, und sauge mir auch die Spitzen, aber beeile dich, es kommt mir – ich kann es nicht mehr länger zurückhalten!“ zischte sie mir ins Ohr, gleichzeitig meine Hände fortdrängend, ihre eigene Rechte dorthin führend, wo ich bis zu dieser Minute im Schutze der lauen, weichen Polster, die die sonst so harten Schenkel an ihrer Innenseite bildeten – dort, wo sie sich gleich unterhalb des geheimnisvollen Tales fast berühren, beim Gehen leise aneinanderwetzen – ihre allmählich immer feuchter werdende Spalte gestreichelt hatte. „Ach, ,pack doch fester zu, drücke meine Zitzen – so – soo –, ja, noch fester – fester – ah …, soo, ja … soooo!“

Rahna warf sich neben mir auf dem schmalen Lager wie im Fieber und ich sah ihre feine braune Hand, die ein großer, hellgrüner Jaspis schmückte, zwischen ihren Beinen hin- und herwetzen, daß der helle Stein vor meinen Augen wie eine Zickzacklinie tanzte. Sie rieb mit einer Geschwindigkeit, die es mir unmöglich machte, die genaue Stelle zu erkennen, die sie einer derartig heftigen Bearbeitung unterzog. Mit ihrer freien Hand oder vielmehr mit dem Zeigefinger und dem Mittelfinger derselben, spreizte sie die beiden feinen Lippen auseinander, die eine, von feinem Seim erglitzerte, zartrosa Muschel umrahmten, ihrerseits wieder zwischen einem zierlich gekräuselten Kranz glänzernder schwarzer Haare gebettet. Die Seufzer Rahnas wurden jetzt rauher. Sie gurgelte immer wieder dieselben Worte hervor, mich anspornend, ihre Brüste nur ja recht fest zu quetschen. „Reiß mir die Zitzen aus, du! Ich werde gleich spritzen …, ich spür’ es ja schon, wie der Saft kommt – reiß! – stark, stärker – du, ach ist das gut, mein Loch brennt mich wie Feuer, aber ich muß spritzen, ich möchte fortwährend onanieren – du, wenn du wüßtest wie gut das ist! Noch, noch, quetsch sie doch, die geilen Zitzen, nimm sie in den Mund, beiß hinein, ich will, daß sie mir weh tun – so, soo – ich – ich aaah! Jetzt! – jetzt – jetzt … aaah – aaah …!“ Hier fiel der Körper Rahnas in sich zusammen. Ihre Hand war aus der Spalte geglitten und diese klaffte jetzt weit offen zwischen den geborstenen Schenkeln, in schimmernder Feuchtigkeit, die in einem dünnen Faden in die feine Ritze eindrang, die sich nach hinten zu, zwischen die zwei nervigen Hinterbacken, verlor. Ich hielt die Brüste Rahnas noch in der Hand – und war erstaunt, wie sie sich jetzt plötzlich aus zwei harten prallen Kugeln, die von dicken Knöpfen gekrönt waren, in ganz weiche, fast schlaffe Polster verwandelt hatten. Eine müde Bewegung Rahnas schob nun auch meine Hände weg und in dieser Nacht schlug sie die Augen nicht mehr auf. Dunkle Ringe umsäumten sie noch den ganzen nächsten Tag, den ich in tiefen Sinnen verbrachte, unausgesetzt darüber nachgrübelnd, welche Gefühle Rahna erfüllt haben mochten, als ihr Körper wie von einem inneren Sturm geschüttelt wurde und aus welchem Grunde der Dämon – etwas anderes konnte sie doch nicht derart und mit solcher Macht in Besitz nehmen! Ihn so plötzlich verlassen hatte …

Mata Hari I

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