Читать книгу PlanungsPraxis Lüftung in Wohngebäuden - Planung und Umsetzung nach DIN 1946-6 - Ehrenfried Heinz - Страница 8

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1. Anforderungen an die Wohnungslüftung

1.1 Allgemeines

Der sprichwörtliche „Sauerstoffmangel“ wird häufig als Indiz für schlechte Raumluftqualität zitiert. Nach längerem Aufenthalt in umbauten (Wohn-)Räumen glaubt der Nutzer häufig, ein Problem wegen „zu wenig“ Sauerstoff zu haben. Ein solches Problem besteht jedoch praktisch nie. In der Realität sind vielmehr andere Effekte maßgeblich, wenn

die zur Verfügung stehende Außenluft qualitativ bzw. quantitativ nicht in der Lage ist, entstandene Schad- und Geruchsstoff-Konzentrationen auf akzeptable Werte abzusenken bzw.

nicht genügend Außenluft für den Abtransport der durch die Nutzung an die Raumluft freigesetzten Feuchtigkeit bereitgestellt werden kann.

Zu einer unmittelbaren Gefährdung des Menschen kann es darüber hinaus kommen,

wenn durch die Lüftung die für die Verbrennung von fossilen Brennstoffen in offenen (bzw. geschlossenen, aber nicht hermetisch dichten) Feuerstätten (zur Erwärmung der Aufenthaltsräume bzw. zur Warmwasserbereitung) benötigte Verbrennungsluft nicht in ausreichendem Maß zugeführt werden kann und damit eine unvollständige Verbrennung mit der Entstehung von giftigem Kohlenmonoxid droht.

Die weiteren Ausführungen sollen hinsichtlich der sich daraus ergebenden (allgemeinen) Anforderungen an die Wohnungslüftung in die zwei Hauptabschnitte

Luftqualität (Einhaltung der Anforderungen an die Raumlufthygiene: Schad- und Geruchsstoffreduktion) einschließlich des gefahrlosen Betriebs von raumluftabhängigen Feuerstätten (Verbrennungsluftsicherung) und

Bauphysik (Begrenzung der Raumluftfeuchte)

unterteilt werden.

Außerdem sollen auch Fragen der Behaglichkeit behandelt werden. Letztere darf durch die Planung und Ausführung lüftungstechnischer Maßnahmen (LtM) in den betroffenen Aufenthaltsräumen nicht beeinträchtigt werden.

1.2 (Raum-)Luftqualität

1.2.1 Allgemeine Schad- und Geruchsstoffbelastung

Sauerstoff wird von allen höheren Lebewesen zur Erhaltung der Lebensfunktionen benötigt. Er wird mit der (Atem-)Luft aufgenommen, verbindet sich im Körper teilweise mit Kohlenstoff und wird als Kohlendioxid wieder ausgeschieden. Ist die Atemluft mit anderen Beimengungen (wie z.B. flüchtigen organischen Komponenten, Mikroorganismen, Feinstaub, Stickoxiden oder Radon) als den natürlicherweise in sauberer Luft enthaltenen verunreinigt, können Belästigungen, Unwohlsein, Befindlichkeitsstörungen und Störungen der Körperfunktionen bis hin zu akuten und chronischen Schädigungen der Gesundheit auftreten.

Saubere trockene Luft enthält nach [Witthauer93] in Volumen-%
Stickstoff 78,09
Wasserstoff 0,01
Kohlendioxid 0,033
Argon 0,93
Sauerstoff 20,95
sowie Spuren von Helium, Neon, Krypton und Xenon.

Tab. 1.1: Bestandteile sauberer trockener Luft in Volumen-% [Witthauer93]

Die Bedeutung der Qualität der Raumluft wird häufig noch unterschätzt. „Die Luft in Innenräumen ist oftmals viel stärker verunreinigt als die Außenluft“ [Rat87]. In Räumen hält sich der Mensch aber bis zu 90 % des Tages auf [Witthauer93] und kann dabei folgenden, die Luft verunreinigenden Bestandteilen ausgesetzt sein:

flüchtige organische Komponenten VOC (volatile organic compounds): synthetische und natürliche Luftverunreinigungen, die bereits bei Raumtemperatur aus der Innenausstattung und aus Produkten des täglichen Bedarfs ausgasen (Kohlenwasserstoffe, wie z. B. Alkane oder Alkene als Fettlöser, und Toluol in Klebstoffen, Lacken, Druckerzeugnissen, und natürliche Bestandteile mancher Holzarten, wie z. B. Terpene in Duftstoffen)

biologische Luftbeimengungen (Mikroorganismen und Allergene): Bakterien, Viren, Pilzsporen, Pollen, Hausstaubmilben und Tierepithelien

anorganische Stoffe (Chemikalien), auch mit toxischer Wirkung

Geruchsstoffe

Feinstaub

Quelle Stoff-Emissionen (Raumluft-Beimengungen)
Mensch, Haustiere Kohlendioxid (CO2), Wasserdampf (H2O), Mikroorganismen (Keime, Viren), Allergene, Geruchsstoffe
Energieversorgung, häusliche Aktivitäten und Hilfsmittel
(raumluftabhängige) Heizung und Warmwasserbereitung Kohlenmonoxid (CO), Kohlendioxid (CO2), Stickstoffdioxid (NO2), Aldehyde, Kohlenwasserstoffe, polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Wasserdampf (H2O), Staubpartikel (Feinstaub)
Kochen, Braten, Backen, Grillen Wasserdampf (H2O), Fette, Geruchsstoffe
Pflege- und Reinigungsmittel, Kosmetika Aromastoffe und andere organische Verbindungen und Säuren, teilweise als Aerosol, Konservierungsstoffe, Lösungsmittel, Treibgase, Geruchsstoffe
Produkte des Heimwerker- und Bastelbedarfs Lösungsmittel aus Farben, Lacken und Klebstoffen, Holzschutzmittel, Geruchsstoffe
Mittel zur Ungezieferbekämpfung und Desinfektion sowie für den Schutz von Holz, Textilien und Zimmerpflanzen Pestizide, Insektizide, ausgasende Wirkstoffe und Lösungsmittel, Pyrethroide, Geruchsstoffe
Duschen, Baden, Waschen Wasserdampf (H2O)
Zimmerpflanzen Wasserdampf (H2O), Pilzsporen
Lüftung, Hausarbeiten, brennende Kerzen (Fein-)Staub mit vielfältigen schädlichen Anlagerungen
Rauchen CO, NO2, Acrolein und andere Aldehyde, Nitrosamine, Tabakrauch-Partikel (Feinstaub), PAK, Geruchsstoffe
Gebäude und Raumausstattung
Bau- und Renovierungsmaterial Radon, Asbest, Formaldehyd und andere organische Verbindungen, z. B. Lösungs- und Holzschutzmittel, Klebstoffe, polychlorierte Biphenyle (PCB), Geruchsstoffe
Möbel, Wandbekleidungen, Raumtextilien Lösungsmittel, Formaldehyd und andere organische Verbindungen, (Fein-)Staub, Geruchsstoffe

Tabelle 1.2: Beispiele für Raumluft-Verunreinigungen und ihre Quellen [Heinz11]

Bezüglich der bekannten Raumluftverunreinigungen und ihrer Quellen listet allein das europäische Chemikalien-Inventar EINECS (European Inventory of Existing Commercial Chemicals) mehr als hunderttausend chemische Stoffe auf. Das Chemical Abstract Service (CAS) spricht sogar von mehr als 7 Mio. Verbindungen. Allein innerhalb der EU kommen jährlich etwa 1.000 neue hinzu [LANUV09], deren mutmaßliches gesundheitliches Risiko nur schwer oder erst nach längerer Zeit richtig einzuschätzen ist. Eine Auswahl der wichtigsten Raumluftverunreinigungen einschließlich ihrer Quellen kann Tab. 1.2 entnommen werden.

Welche von den bekannten Luftbeimengungen in welchen Konzentrationen und über welche Expositionszeiträume hinweg zu Irritationen bzw. Schädigungen beim Menschen führen können, lässt sich nur unvollkommen für einige wenige Luftschadstoffe beantworten [Rat87, Witthauer93]. Für diese existieren z. B. MAK-, AGW- und BGW-Werte als Grenz- und Richtwerte. Dabei ist aber zu beachten, dass „solche Werte meist für bestimmte Zwecke oder Anwendungsbereiche erarbeitet werden und dass ihnen daher meist bestimmte Annahmen oder Voraussetzungen zugrunde liegen. Deshalb können diese Werte nur in sehr begrenztem Maße in anderen als den vorgesehenen Bereichen als Beurteilungsgrundlage dienen“ [Heinz11].

Hinsichtlich MAK-, AGW- und BGW-Werten gilt Folgendes:

MAK-(maximale Arbeitsplatzkonzentrations-)Werte dienen dem Schutz der Gesundheit des (definitionsgemäß) gesunden Erwachsenen am Arbeitsplatz, wobei die Aufenthaltsdauer und die Konstitution des Beschäftigten eine entscheidende Rolle spielen. Bei ihrer Einhaltung wird die Gesundheit bei täglicher bzw. wöchentlicher Exposition von 8 bzw. 40 h nicht beeinträchtigt.

AGW-(Arbeitsplatzgrenz-)Werte beschreiben nach [TRGS 900] die durchschnittliche Konzentration eines Stoffs in der Luft am Arbeitsplatz, bei der eine akute oder chronische Schädigung der Gesundheit der Beschäftigten nicht zu erwarten ist. Bei der Festlegung wird von einer i. d. R. achtstündigen Exposition an fünf Tagen in der Woche während der Lebensarbeitszeit ausgegangen.

BGW-(biologische Grenz-)Werte geben nach [TRGS 903] an, bis zu welcher Konzentration eines Stoffs die Gesundheit von Beschäftigten im Allgemeinen nicht beeinträchtigt wird.

Die Aufgabe der Wohnungslüftung ist es, für einen ausreichenden Abtransport der unvermeidbar frei werdenden Schadstoffe zu sorgen.

Laut Umweltbundesamt sind dafür bzgl. der zugelassenen bzw. empfohlenen unbedenklichen Werte mindestens die nachfolgend aufgeführten Konzentrationen in der Raumluft einzuhalten (Stand Juni 2013):

TVOC (total volatile organic compound): < 1 mg/m3 Summenkonzentration als Gesamtheit sämtlicher flüchtiger Kohlenwasserstoffe (bei dauerhafter Einwirkung)

Kohlenstoffmonoxid (CO): 1,5 mg/m3 über maximal acht Stunden

Stickstoffdioxid (NO2): 0,06 mg/m3 über den maximalen Zeitraum von einer Woche

Formaldehyd (HSHO): 0,1 ppm

Radon lt. Deutscher Strahlenschutz-Kommission: 200 Bq/m3 im Jahresdurchschnitt

Feinstaub: ≤ 25 µg/m3 über den Zeitraum eines Tages

Empfehlenswert ist außerdem die Einhaltung bzw. Unterschreitung des CO2-Gehalts der Raumluft entsprechend Kategorie III nach [DIN EN 15251]; dies entspricht einer Differenz von ≤ 800 ppm gegenüber dem CO2-Gehalt der Außenluft.

Darüber hinaus hat die Lüftung die Aufgabe, den Raumluftgehalt an Keimen, Mikroorganismen (z. B. Milben) und allergenen Bestandteilen im Hausstaub (z. B. Pollen, Pilzsporen) zu mindern und Geruchsstoffe (vorzugsweise aus Küche und Bad/WC-Raum) schnellstmöglich abzuführen.

Achtung

Um alle Anforderungen mit möglichst geringem Energieeinsatz erfüllen zu können, müssen Schadstoffemissionen aus Bauwerk, Einrichtungsgegenständen, Raumtextilien, Tapeten, Wandfarben und Fußbodenbelägen durch emissionsarme oder emissionsfreie Baustoffe und Einrichtungsgegenstände weitestgehend vermieden werden.

In Deutschland gilt seit 2005 der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW). Dieser entspricht der zeitlich gewichteten durchschnittlichen Konzentration eines Stoffs in der Luft am Arbeitsplatz, bei der eine akute oder chronische Schädigung der Gesundheit der Beschäftigten nicht zu erwarten ist.

Dabei wurde und wird von einer ca. achtstündigen Exposition des Betroffenen je Tag an fünf Tagen in der Woche, bezogen auf die Lebensarbeitszeit, ausgegangen. Der AGW ersetzt die bis 2004 geltenden Grenz- und Richtwerte.

Der Wohnungsbereich ist zum überwiegenden Teil den „anderen Bereichen“ mit begrenzter Gültigkeit der für Arbeitsplätze geltenden Werte [Rat87] zuzurechnen. „Da für diesen aber detaillierte Festlegungen häufig fehlen, sollen sowohl ausgewählte AGW-als auch MAK-Werte, die nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch in unseren Wohnungen auf keinen Fall überschritten werden sollten, hier als ‚Eckdaten‘ zur Groborientierung aufgeführt werden“ (Tab. 1.3) [Heinz11].

Eine spezielle Bewertung der Luftqualität von „Innenräumen“ (u. a. auch „Wohnungen mit Wohn-, Schlaf-, Bastel-, Sport- und Kellerräumen, Küchen und Badezimmern“) ermöglichen die von der Innenraumlufthygiene-Kommission beim Umweltbundesamt (IRK) und Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) veröffentlichten Richtwerte. Diese Werte (Tab. 1.4), die (ausgenommen TVOC) nach einem einheitlichen Schema abgeleitet wurden und laufend weiter abgeleitet werden, berücksichtigen auch empfindliche Personengruppen, wie z. B. Kinder und kranke Menschen. Sie „ [...] helfen im Einzelfall zu klären, ob eine gesundheitlich bedenkliche Innenraumluftqualität besteht. Bei Streitigkeiten [...]“ können „sie als Grundlage der Gutachterbeurteilung dienen, ob eine Wohnung ‚krank’ macht oder nicht.“ [IRK09]


Tabelle 1.3: Ausgewählte Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) im Vergleich zu MAK-Werten [Heinz11]


Tabelle 1.4: Richtwerte (RW) für die Innenraumluft [IRK09] [Heinz11]

Die Richtwerte in Tab. 1.4 beziehen sich lediglich auf Einzelstoffe. Sie erlauben deshalb auch keine Aussagen über mögliche Kombinationswirkungen unterschiedlicher Substanzen.

Beachtenswert sind außerdem folgende Angaben zu wohnungsrelevanten Richt-/Grenzwerten:

Kohlendioxid (CO2) in der Raumluft: Konzentrationen unter 1.000 ppm in der Raumluft gelten lt. Ad-hoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte des Umweltbundesamts und der Obersten Landesgesundheitsbehörden als unbedenklich, Konzentrationen zwischen 1.000 und 2.000 ppm als auffällig und Konzentrationen über 2.000 ppm als inakzeptabel [UBA08-1].

Für Radon in Wohnungen gilt: Radon bzw. seine Zerfallsprodukte sind die zweitwichtigste Ursache für Lungenkrebs. Das Risiko, daran zu erkranken, steigt statistisch signifikant bei einer längeren Radonexposition ab 100 Bq/(m3Luft) [EURATOM]. Im Europäischen Strahlenschutzgesetz EURATOM ist deshalb für Arbeitsplätze und Aufenthaltsräume ein Referenzwert von ≤ 300 Bq/m³ im Jahresmittel definiert, von dem aber begründet national abgewichen werden kann.

Mit dem Strahlenschutzgesetz [StrlSchG] und der Strahlenschutzverordnung wird im nationalen Strahlenschutzrecht erstmalig auch der Schutz der Gebäudenutzer und Arbeitnehmer vor Radon in Gebäuden gesetzlich verankert. Im Strahlenschutzgesetz wird für Aufenthaltsräume und Arbeitsplätze für die Radon-Aktivitätskonzentration im Jahresmittel ein Referenzwert (kein Grenzwert!) von 300 Bq/m³ festgelegt. Dazu sind zunächst generell im Neubau die Maßnahmen zum Feuchteschutz einzuhalten. Wird im Gebäudebestand im Bereich von Aufenthaltsräumen und Arbeitsplätzen durch bauliche Maßnahmen der Luftwechsel deutlich reduziert, sind Maßnahmen zum Radonschutz zu prüfen.

In der Strahlenschutzverordnung wird für Neubauten dazu u. a. konkretisiert, dass durch die Bundesländer auf Basis der bestehenden Verwaltungsgrenzen Gebiete festzulegen sind, in denen aufgrund einer möglichen Radonexposition im Erdreich geeignete Maßnahmen zur Vermeidung des Radoneintritts in Gebäude zu ergreifen sind. Als geeignete Maßnahmen gelten danach:

1. Verringerung der Radonkonzentration unter dem Gebäude

2. Beeinflussung der Luftdruckdifferenz zwischen Gebäudeinnerem und Bodenluft

3. Begrenzung der Rissbildung in Wänden und Böden mit Bodenkontakt

4. Absaugung von Radon an Randfugen und unter Abdichtungen

5. Einsatz diffusionshemmender, konvektionsdicht verarbeiteter Materialien oder Konstruktionen

Die Festlegung der Gebiete mit einer möglichen Radonexposition durch die Bundesländer steht gegenwärtig noch aus, möglich wäre u. a. eine Orientierung an der Radonaktivitätskonzentration in der Bodenluft.

Während der gesunde, widerstandsfähige Mensch auf viele Luftbeimengungen u. U. gar nicht oder höchstens mit kurzzeitigen Irritationen reagiert, können dieselben bei „unzureichender Regenerationsdauer [...] bei Allergikern, chronisch Kranken, Schwangeren und Kindern zu irreversiblen Schädigungen führen“ [Rat87].

Hinsichtlich Luftbeimengungen, die zu Krebserkrankungen führen können, wird in [LAI04] Folgendes ausgeführt: „Krebs erzeugende Umweltschadstoffe stellen innerhalb der Beurteilung gesundheitlicher Wirkungen eine Besonderheit dar. Sie unterliegen keiner Wirkschwelle, d. h. grundsätzlich kann eine Krebserkrankung durch nur ein Molekül des jeweiligen Stoffs hervorgerufen werden.

Die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Krebserkrankung ausgelöst wird, steigt mit der zugeführten Dosis eines kanzerogenen Stoffs und dessen Krebs erzeugender Potenz. Kanzerogene Effekte werden folglich in Dosis-Häufigkeitsbeziehungen beschrieben, die das Auftreten zusätzlicher Krebsfälle abbilden.“

Als Orientierungs-/Zielwerte für kanzerogene Luftschadstoffe wird in [LAI04] u. a. angegeben:

Benzol 5 µg/m3

Arsen 6 ng/m3

Cadmium 5 ng/m3

Nickel 20 ng/m3 (Ableitung nicht auf der Basis der kanzerogenen Wirkung)

PAK(BaP) 1 ng/m3 und

Asbest 220 Fasern/m3

Die Lüftung spielt eine u. U. entscheidende Rolle bei der Absenkung der im Innenraum vorzufindenden Schad- und Geruchsstoff-Konzentrationen. In [Witthauer93] wird diesbezüglich festgestellt, dass eine ausreichende Lüftung nicht nur die „Konzentrationserhöhung chemischer Luftbelastungen, sondern auch eine Anreicherung von Keimen und Viren, die die Wahrscheinlichkeit aerogener Infektionen erhöht“, reduziert.

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die folgenden Auszüge aus einer Entschließung des Bundesrats für einen verbesserten Schutz vor Luftverunreinigungen in Innenräumen, die, obwohl schon im Jahre 1992 verkündet, bis Redaktionsschluss kaum etwas von ihrer Aktualität eingebüßt haben:

„Bisher bekannt gewordene Untersuchungen belegen, dass in der Luft von Innenräumen gemessene Konzentrationen bestimmter Schadstoffe oft nicht nur beachtlich höher sind als in der Außenluft, sondern z. T. an die Werte der MAK heranreichen und diese überschreiten. [...] Der überwiegende Teil der Beeinträchtigungen, über die Patienten (in Umweltmedizinischen Beratungsstellen) berichten, wird in einen Zusammenhang mit Verunreinigungen der Innenraumluft gebracht. Vor diesem Hintergrund erbringt der Abbau der mit der Innenraumluftbelastung verbundenen Gefahren nicht nur eine direkte Verbesserung der individuellen Lebenssituation, sondern stellt auch einen erheblichen Beitrag zum vorsorgenden Gesundheitsschutz dar.“ [Beschluss92]

Wegen ihrer gesundheitlichen Bedeutung werden in dieser Entschließung u. a. folgende Verunreinigungen und Quellen hervorgehoben:

„Es ist davon auszugehen, dass passiv inhalierter Tabakrauch in seinem gesundheitlichen Risikopotenzial vermutlich alle anderen luftgetragenen Schadstoffe übertrifft.

Abschätzungen bringen etwa 10 % der in Deutschland jährlich zu verzeichnenden Lungenkrebs-Todesfälle mit dem Einatmen von Radon sowie seinen Zerfallsprodukten in Zusammenhang.

Reinigungs- und Pflegemittel, Farben, Klebstoffe und andere Haushalts- und Hobbyprodukte können durch Abgabe von leichtflüchtigen organischen Verbindungen v. a. kurzfristig zu akut toxisch irritativen Gesundheitsstörungen führen.

Baumaterialien, Möbel, Textilien und andere Raumausstattungs-Materialien sowie der Einsatz von Holzschutz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln können zu einer lang anhaltenden Belastung der Innenraumluft beitragen.

Der Betrieb offener Feuerstellen kann bei unzureichender Belüftung zu kritischen Konzentrationen von Reizgasen führen.“

1.2.2 Gefahrstoffbelastung durch unzureichende Verbrennungsluftversorgung

Die Verbrennungsluftversorgung ist nicht Gegenstand der [DIN 1946-6]. Trotzdem darf sie bei der Lüftungsplanung nicht außer Acht gelassen werden, wenn in der Wohnung raumluftabhängige Feuerstätten aufgestellt werden sollen. Da der zur Verbrennung benötigte Luftsauerstoff für Letztere dem Aufstellungsraum direkt entnommen wird, muss er deshalb in ausreichender Menge (vorzugsweise) von außen nachströmen können. Geschieht das nicht oder nicht in ausreichendem Maße, können durch unvollständige Verbrennung Schadstoffe entstehen, bei denen v. a. Kohlenmonoxid (CO) und Stickstoffoxide (NOx) die Hauptrisikofaktoren für akute Gefährdungen des Menschen sind. Diese Problematik betrifft v. a. Wohnungen mit offenen Herden und Kaminen [Witthauer93]. In ihnen kann sich z. B. bei der Holzverbrennung die Konzentration an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) in besonderem Maße erhöhen.

Um Probleme und infolgedessen unerwünschte Schadstoffbelastungen ausschließen zu können, muss die Feuerstätte während des Betriebs einen ausreichenden Differenzdruck zur Nachströmung der Verbrennungsluft erzeugen. Dieser ist zur Überwindung der Strömungswiderstände in der Gebäudehülle, den Innenwänden/-türen und der Feuerstätte selbst notwendig. Für die sichere Funktion der an Feuerstätten (einschließlich Abgasanlagen) angeschlossenen Schornsteine wird deshalb ein Förderdruck (Schornsteinzug) von ≤ 4 Pa gefordert. Ist die Dichtheit der Hüllkonstruktion bzw. des Aufstellraums bzw. aller Räume einer WE im „Verbrennungsluftverbund“ dafür zu groß, müssen unverschließbare Außenluftdurchlässe im Aufstellraum oder in mit diesem lüftungstechnisch „verbundenen“ anderen Räumen vorgesehen werden (siehe dazu auch [Heinz11] und [TRGI G600/18]).

Schadstoffanreicherungen im Wohnbereich können infolge der Auslegung bzw. des Betreibens von raumluftabhängigen Feuerstätten ebenfalls entstehen, wenn

Zugstörungen durch Windeinwirkung an der Schornsteinmündung bei zu geringer Dachüberhöhung desselben (siehe [MFeuV17] § 9) auftreten oder

diese an mehrfach belegten Schornsteinen durch „Falschluft“ infolge vorhandener Undichtheiten bzw. offenstehender Brennstoffzufuhr-Türen nicht in Betrieb befindlicher Feuerstätten entstehen,

Kombinationen von Schachtlüftung mit Abgasabführung, v. a. in Verbindung mit Sammel- (oder Verbund-)Schächten falsch dimensioniert sind und

der Unterdruck im Aufstellraum der Feuerstätte(n) infolge des Betriebs von zentralen Abluftanlagen bzw. Einzelventilatoren unzulässig hoch ist.

Achtung

Es gilt nach [MFeuV17] § 3 Abs. 1 die Pflicht, die Verbrennungsluft-Sicherung nachzuweisen.

Für die hier relevante „Nennleistung bis zu 50 kW“ gilt sie als „ausreichend, wenn jeder Aufstellraum

eine ins Freie führende Öffnung mit einem lichten Querschnitt von mindestens 150 cm2 oder zwei Öffnungen von je 75 cm2 oder Leitungen ins Freie mit strömungstechnisch äquivalenten Querschnitten hat.“

mit Verbrennungsluft mit einem Volumenstrom von 1,6 m³/h pro kW versorgt wird.

Fazit

Wie schon ausgeführt wurde, kann ein Großteil der hygienisch bedingten Probleme mit ausreichender Lüftung gelöst werden. An erster Stelle muss jedoch in jedem Fall die größtmögliche Vermeidung jeglicher Emissionen aus Baustoffen und Einrichtungsgegenständen einschließlich Raumtextilien stehen. Andernfalls wird gesunde und saubere Luft mit unverhältnismäßig hohem energetischem Mehraufwand und dadurch mit insgesamt nicht vertretbar höheren, ständig wiederkehrenden Betriebskosten erkauft.

1.3 (Raum-)Luftfeuchte

1.3.1 Allgemeines

Bei der Luftfeuchte handelt es sich um Feuchtigkeit, die in Wohnungen sowohl durch deren Nutzung freigesetzt wird als auch aus der Baukonstruktion bzw. aus Einrichtungsgegenständen entweicht. Die daraus resultierende Feuchte der Raumluft muss bis zu einem gewissen Grad (siehe Abschnitt 1.4) aus der Wohnung entfernt werden, wenn sie – v. a. in der kühleren Jahreszeit – nicht zu Schädigungen am Bauwerk und der Gesundheit des Menschen führen soll. Der Abtransport kann nur über das „Transportmedium“ Luft erfolgen. Der Anteil der Feuchte, der über die häufig zitierten „atmenden“ Wände von innen nach außen gelangen kann, ist im Verhältnis zur notwendigen Menge verschwindend gering. Er wird umso kleiner und geht u. U. gegen null, je besser die Wände von innen und außen luft- und wasserdicht „versiegelt“ werden.

1.3.2 Feuchtequellen und -mengen

Koch-, Back-, Grill- und Bratvorgänge, alle Feuchtreinigungs- und Trocknungsprozesse, Wannen- und Duschbäder, freie Wasserflächen (z. B. unzureichend abgedeckte Aquarien), Zimmerpflanzen und Haustiere sowie der Mensch selbst stellen die Feuchtequellen in der Wohnung dar (Bild 1.1).


Bild 1.1: Feuchtebilanz einer Wohnung (Quelle: Heinz)

Welche Mengen dabei in Abhängigkeit von den Quellen und der Wohnungsbelegung (Haushaltsgröße) durchschnittlich freigesetzt werden, zeigen beispielhaft die Tab. 1.5 und 1.6. Dabei spielt neben der Wasserabgabe durch Personen und die Feuchtefreisetzung infolge Wäschetrocknens, das v. a. in städtischen Mehrfamilienhaus-Wohnungen noch in den 1990er-Jahren von 70 bis mehr als 80 % der Nutzer praktiziert wurde [Heinz11], eine wesentliche Rolle.


Tabelle 1.5: Durchschnittliche Feuchtelasten in Haushalten [Hartmann99, 01 und DIN FB 4108-8]


Tabelle 1.6: Durchschnittliche tägliche Feuchtelasten für unterschiedlich große Haushalte [DIN FB 4108-8]

Wird für Kochen, Braten, Grillen und Backen Gas verwendet, müssen die Feuchtelasten gemäß Tab. 1.5 und 1.6 noch um diejenigen für Gasverbrennung korrigiert werden. Abhängig von der Art des Gases beträgt die entsprechende Feuchtelast nach [CEN/TR 14788] 130 g/h für Flüssiggas und 150 g/h für Erdgas je kW Eingangsleistung. Daraus resultiert für das Kochen mit Gas (3 kg/d) gegenüber dem Kochen mit Strom (2 kg/d) eine um ca. 1 kg Feuchte höhere Last pro Tag.

1.4 Thermisches Raumklima (Behaglichkeit)

1.4.1 Allgemeines

Für das thermische Raumklima und damit für behagliche Raumzustände besitzen hinsichtlich der Auswirkungen lüftungstechnischer Maßnahmen die nachfolgenden Parameter besondere Relevanz:

operative oder empfundene Temperatur

Luftgeschwindigkeit

Luftfeuchte

Alle Maßnahmen müssen deshalb unter Beachtung der empfohlenen Grenzparameter getroffen werden. Letztere sind u. a. im Nationalen Anhang (NA) zur [DIN EN 15251] 2012 festgelegt worden.

1.4.2 Operative oder empfundene Temperatur

Die operative oder auch empfundene Temperatur (θop) beschreibt eine Kombination aus (Raum-)Lufttemperatur (θL,i) und resultierender Oberflächentemperatur (auch mittlere Strahlungstemperatur θS) aller (Raum-)Umschließungsflächen. Sie errechnet sich unter üblichen Nutzungsbedingungen und näherungsweise nach Gleichung (1.1):

θop = 0,5 (θL,i + θS) (1.1)

Nach [DIN EN 15251] wird „für Neubau und zu modernisierende Bestandsgebäude die Kategorie II als Basis für Planung und Ausführung empfohlen“. Diese Kategorie entspricht dem „normalen Maß an Erwartungen“ (siehe auch Kategorie B nach [DIN EN ISO 7730]).

Für die operative Temperatur θE wird im lüftungsrelevanten Bereich der Außenlufttemperatur von θAu ≤ 16 °C als „Komfort-Raumtemperatur“ θRa,C=22 °C mit einem Toleranzbereich von ± 2 K vorgegeben (Gleichung (1.2)):

θRa,C = 22 °C ± 2 K (1.2)

Für jeden Raum kann darüber hinaus eine optimale operative Temperatur ermittelt werden, die von der Aktivität und der Bekleidung der im Raum befindlichen Personen abhängig ist. Ihre Ermittlung kann für die drei Kategorien 6, 10 oder 15 % „unzufriedener Personen“ aus diesbezüglichen Diagrammen in [DIN EN ISO 7730] abgeleitet werden. Voraussetzung für die Einordnung in die jeweilige Kategorie ist die Einhaltung eines Luftgeschwindigkeitsbereichs von vL,m < 0,1 m/s bei einer relativen Luftfeuchte von φL,i ≈ 50 %, wobei Letztere einen vergleichsweise geringfügigen Einfluss auf die thermische Behaglichkeit hat.

Gebräuchliche, für die Heizungsauslegung maßgebliche raumabhängige Temperaturen werden als Norm-Innentemperaturen θint bezeichnet und in [DIN EN 12831 Bbl. 1] aufgeführt (Tab. 1.7):

Neben der empfundenen Temperatur spielt auch der vertikale Temperaturunterschied (Temperaturgradient) im relevanten Bereich des überwiegend sitzenden Menschen von 0,1–1,1 m über dem Fußboden eine wichtige Rolle für das thermische Wohlbefinden. Je größer er ist, desto eher wird Unbehaglichkeit empfunden. Nach [DIN EN 15251] in Verbindung mit [DIN EN ISO 7730], Kategorie B, wird empfohlen, den Temperaturunterschied immer kleiner als 3 K zu halten.

RaumartNorm-Innentemperatur θint [°C]
Wohn- und Schlafräume20
Bade- und Duschräume (generell jede Nutzung für den unbekleideten Bereich)24
WC-Räume20
beheizte Nebenräume (Flure, Treppenhäuser)15
unbeheizte Nebenräume (Keller, Treppenhäuser, Abstellräume)10

Tabelle 1.7: Norm-Innentemperaturen [DIN EN 12831 Bbl. 1]

Dabei hat auch die eigentliche Oberflächentemperatur des Fußbodens θFB Einfluss auf das Behaglichkeitsempfinden. Bei ungünstiger Anordnung von ALD kann durch das Entstehen eines Kaltluftsees [Richter03] sowohl der Temperaturgradient vergrößert als auch die Fußbodentemperatur ungünstig abgesenkt werden. Nach [DIN EN 15251] i. V. m. [DIN EN ISO 7730], Kategorie A und B, wird ein Bereich von θFB ≥ 19 °C empfohlen.

Stark abhängig vom Mittel der Oberflächentemperaturen von Wänden und Decken, die im modernen Wohnungsbau dank guter Wärmedämmung und Fenstern mit minimiertem Wärmedurchgang nur gering streuen, kann eine merklich unter dem restlichen Mittel liegende Oberflächentemperatur des Fußbodens sich darüber hinaus auch ungünstig auf die Strahlungstemperatur θS auswirken. Die dadurch u. U. entstehende Strahlungsasymmetrie als Maß für eine lokal unterschiedliche Wärmeabgabe des Menschen kann zu einem als unbehaglich empfundenen Raumzustand führen.

Bei hohen Zulufttemperaturen (z. B. bei Luftheizung in ungenügend gedämmten Gebäuden) können bei oben liegender Zuluftzuführung umgekehrt Warmluftzonen in den oberen Raumbereichen entstehen, die ebenfalls zu einer ungünstigen Vergrößerung des Temperaturgradienten führen können. Auch aus diesem Grund wird nach [DIN 1946-6] eine Zulufttemperatur-Begrenzung auf 50 °C empfohlen, wobei lediglich „kurzzeitige Überschreitungen vertretbar sind“.

1.4.3 (Raum-)Luftgeschwindigkeit

Um die Anforderungen an behagliche thermische Raumverhältnisse einhalten zu können, ist bei der Lüftungsplanung neben der Lufttemperatur (θL) unbedingt auch die mittlere Luftgeschwindigkeit im Raum vL,m zu beachten. Sie beeinflusst im umbauten Raum die konvektive Wärmeabgabe einer Person an die Umgebung. Infolge des daraus resultierenden Wärmeverlusts des Körpers wird die allgemeine thermische Behaglichkeit u. U. ungünstig beeinflusst. Das kann im Extremfall bis zur lokalen thermischen Unbehaglichkeit aufgrund von Zuglufteinwirkung auf Teile des menschlichen Körpers führen. Am empfindlichsten sind Nacken- und Fußgelenkbereiche.

Besonders durch das Einbringen von nicht vorgewärmter Außenluft über Außenbauteil-Luftdurchlässe (ALD) bei der freien Lüftung und bei Abluftanlagen, können leicht entsprechende Diskomfort-Zonen im Aufenthalts- oder Behaglichkeitsbereich entstehen. Letzterer erstreckt sich nach [DIN 1946-6] über den Höhenbereich von 0,1–1,8 m über Fußboden in 0,5 m Abstand zu Außen- und Innenwänden sowie 1,0 m zu Außenfenstern, Türen und Heizflächen.

Bei ALD kann der Diskomfort mit Sicherheit nur ausgeschlossen werden, wenn über jeden Luftdurchlass nicht mehr als jeweils 5 m3/h Außenluft zugeführt werden. Bei größeren Einzelmengen ist es günstig, die ALD hinter oder unmittelbar über (in Betrieb befindlichen) Heizkörpern anzuordnen. In allen anderen Fällen haben sowohl Strahlgeometrie und -richtung als auch die Anordnung der ALD im Raum Einfluss auf die zugluftfreie bzw. -arme Zuführung der Außenluft. Als günstig hat sich in dem Zusammenhang die außenwandparallele Luftzuführung mit geringer Fallhöhe über dem Fußboden sowie mit geringem Zuluft-Impuls pL als Produkt aus Luftmasse qm und Luftgeschwindigkeit vL (Gleichung (1.3))

pL = qm vL in [kg⋅m/s2] (1.3)

erwiesen.

Planungshinweise

Generell gilt, dass die Installation vieler kleiner ALD je Raum eine risikoärmere Sicherstellung der thermischen Behaglichkeit erwarten lässt als der Einsatz weniger großer ALD (weitere diesbezügliche Hinweise siehe [Heinz11] und [Reichel96]). Detailliertere Planungs- bzw. Auswahl-Hinweise finden sich außerdem in [Markfort04.1 und 04.2] und [Richter03].

Gleiches wie für ALD gilt auch für Zu(luft)-Luftdurchlässe (ZLD). Auch wenn die Zuluft gegenüber der Außenluft wegen der Möglichkeit der Vorwärmung (mittels Wärmerückgewinnung bzw. Vorwärmer) mit höherer Temperatur zugeführt werden kann, darf ihre Anordnung im Raum nicht wahllos erfolgen. Es ist deshalb sinnvoll, Zuluftdurchlässe immer so auszulegen und anzuordnen, dass die nach Tab. 1.7 empfohlenen Werte für die mittleren Luftgeschwindigkeiten vL,m nicht überschritten werden. Die in Abhängigkeit von der lokalen Lufttemperatur qL aufgeführten maximal zulässigen Werte gelten für den in Wohnungen mit Mischluftsystemen anzunehmenden lokalen Turbulenzgrad Tu von 40 % [DIN EN ISO 7730]. Richtwert für die mittlere Luftstrahlgeschwindigkeit bei Eintritt in den Aufenthaltsbereich nach [DIN 1946-6] ist hierfür vL,m ≤ 0,3 m/s.


Tabelle 1.8: Maximal zulässige mittlere (Raum-)Luftgeschwindigkeiten v L,m nach Nationalem Anhang (NA) zur [DIN EN 15251]

Weil Überström(luft)-Luftdurchlässe (ÜLD) auf ihrer Abströmseite wie Zuluftdurchlässe fungieren, sind sie bzgl. Zugluftvermeidung ebenfalls wie solche zu behandeln. Bei ihrer Anordnung ist wegen des in jedem Raum vorhandenen Temperaturgradienten die obere Anordnung (Überströmen wärmerer Luft) der unteren vorzuziehen. Das gilt besonders für kleine Badräume/-zellen. In diesen besteht bei unterer Anordnung (z. B. als üblicher Tür-Unterschnitt) die Gefahr von Zugluftbelästigung im nicht nur besonders empfindlichen, sondern häufig noch feuchten Fußgelenkbereich (siehe auch [DIN 1946-6]).

1.4.4 (Raum-)Luftfeuchte

Bei der Luftfeuchte wird unterschieden in absoluter Feuchtegehalt und relative Luftfeuchte. Während der absolute Feuchtegehalt x den dampfförmigen Wassergehalt der Luft in Gramm Wasser je Kilogramm trockene Luft in [g/kg] oder [kg/kg] beschreibt, stellt die relative Luftfeuchte φ den jeweils in der Luft vorhandenen prozentualen Anteil an dampfförmigem Wasser zur physikalisch höchstmöglichen (Wasser-)Menge in [%] (oder dimensionslos [-]) dar. Die Höchstmenge an dampfförmigem Wasser wird dabei von der Kondensationsgrenze (φ = 100 % bzw. 1) bestimmt. Sie ist temperaturabhängig und kann mithilfe des Mollier-(h, x)-Diagramms ermittelt werden (Bild 1.2). Für das dargestellte Beispiel (θi = 22 °C und ϕi = 0,5) beträgt sie ca. 8 g/kg bei der Lufttemperatur von ca. 11 °C. Die relative Luftfeuchte von ϕO = 0,775 bei einer Wandoberflächentemperatur von ca. θO = 15 °C entspricht dabei in etwa der Grenzfeuchte (ϕO,min = 0,8) für ein beginnendes Schimmelpilzwachstum, wenn sie sich an einer Wandoberfläche länger andauernd einstellt bzw. diese noch überschreitet. Nach [DIN EN ISO 13788] sind darunter die „monatlichen Mittelwerte der relativen Luftfeuchte an den Oberflächen“ mit einer „kritischen relativen Feuchte ϕsi,cr von mehr als 0,8 zu verstehen, sofern keine „näheren Informationen aus nationalen Bestimmungen oder anderweitig vorliegen“. Solche enthält der [DIN SPEC FB4108-8]: „Eine Schimmelpilzbildung kann auftreten, wenn an mindestens fünf aufeinanderfolgenden Tagen die relative Luftfeuchte auf der Bauteiloberfläche mindestens 12 h/d einen Wert von mehr als 0,8 aufweist.“

Unter solchen Bedingungen kann sich infolge vermehrter Sporenfreisetzung eine Gesundheitsgefährdung ergeben.


Bild 1.2: Mollier-(h, x)-Diagramm mit senkrechter Abkühlungslinie (Abkühlungsgerade) [Heinz11]

Durch Verdunstung an der Hautoberfläche des Menschen, die durch die absolute Luftfeuchte beeinflusst wird, entsteht ein Wärmeverlust, der sich wiederum ebenfalls auf die thermische Behaglichkeit auswirkt. „Bei Temperaturen < 26 °C und bei mäßiger körperlicher Tätigkeit ist dieser Einfluss jedoch sehr begrenzt. In einem gemäßigten Umgebungsklima hat die Luftfeuchte deshalb nur eine geringe Auswirkung auf das Wärmeempfinden. Üblicherweise wird eine um 10 % höhere relative Luftfeuchte als genauso ‚warm‘ empfunden wie eine um 0,3 K höhere operative Temperatur“. Bezüglich der Grenzwerte der Luftfeuchte kann hinsichtlich „Wärmeempfinden, […] und Trockenheit der Haut sowie Reizung der Augen […] ein weiterer Bereich für die Luftfeuchte“ angenommen werden [DIN EN ISO 7730].

Nach [DIN EN 15251] „verursacht lang andauernde hohe Raumluftfeuchte mikrobielles Wachstum, während sehr niedrige Luftfeuchte (< 15 bis 20 %) Trockenheit und Reizungen der Augen und Luftwege“ hervorruft. Die dafür häufig noch verantwortlich gemachte Staubverschwelung dürfte bei den heute üblichen niedrigen Vorlauftemperaturen in Heizkörpern von ≤ 60 °C keine wesentliche Rolle mehr spielen. Vielmehr sind hohe Lufttemperaturen und u. U. auch zu große Luftvolumenströme bei tiefen Außentemperaturen die Ursachen dafür (Bild 1.3). „Die Anforderungen an die Luftfeuchte beeinflussen die Auslegung von Entfeuchtungs- (Kühllast) und Befeuchtungsanlagen und den Energieverbrauch. […] Üblicherweise ist keine Befeuchtung oder Entfeuchtung der Raumluft erforderlich (z. B. überwiegend im Wohnungsbau); werden jedoch Befeuchtungs- und/oder Entfeuchtungsanlagen eingesetzt, so sollte eine übermäßige Befeuchtung und Entfeuchtung vermieden werden.“

Abweichend von [DIN EN 15251] wird im zugehörigen Nationalen Anhang (NA) die Einhaltung von ≥ 30 % (entspricht abweichender Einordnung in Kategorie I, für Kategorie II gilt: ≥ 25 %) empfohlen, wenn während der Heizzeit gesundheitliche Beeinträchtigungen, wie z. B. das Austrocknen der Schleimhäute, vermieden werden sollen. Nach [DIN 1946-6] können die Zeiträume, in denen bei tiefen Außentemperaturen die Raumluftfeuchte unter 30 % abfällt bzw. abzufallen droht, verkürzt werden, indem Anlagen oder Geräte auch bei Anwesenheit der Nutzer vorübergehend mit geringeren Luftvolumenströmen betrieben werden. Bild 1.3 zeigt am Beispiel eines Wohnraums (ohne Luftbefeuchtung) mit zwei Personen und fünf mittleren Pflanzen, in welchem Maße die Menge des Außenluftvolumenstroms die relative Luftfeuchte in Abhängigkeit von der Raumlufttemperatur bei

der mittleren Außenlufttemperatur für Berlin im Zeitraum von September bis Mai (≈ 5 °C) sowie

bei häufig länger anhaltenden mittleren tiefen Außenlufttemperaturen (- 5 °C)

beeinflusst.


Bild 1.3: Abhängigkeit der relativen Raumluftfeuchte vom zugeführten Außenluftvolumenstrom und von der Raumlufttemperatur im Heizungsfall (Außenlufttemperatur: 5 °C und -5 °C) (Quelle: Heinz)

Zur Vermeidung eines Abfalls der relativen Luftfeuchte unter bspw. 25 % und damit auch zur Vermeidung der o. a. Empfindungsstörungen, kann neben der Verringerung der Außenluftzufuhr also auch die Raumlufttemperatur zeitweilig reduziert werden. Kompensierend wird jedoch u. U. eine Anpassung der Bekleidung notwendig.

Für den im Wohnungsbau zzt. noch nicht sonderlich relevanten Sommerfall gelten gemäß Nationalem Anhang 65 % für die relative und 11,5 g/kg für die absolute Feuchte (auch als Schwülegrenze/-kurve bezeichnet) der Luft als Obergrenze. Oberhalb ergäbe sich die Konsequenz einer Kühlung mit dem damit verbundenen energetischen Mehraufwand und bei Luftkühlung mit den aus hygienischen Gründen nicht ganz unproblematischen Instandhaltungsmaßnahmen.

PlanungsPraxis Lüftung in Wohngebäuden - Planung und Umsetzung nach DIN 1946-6

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