Читать книгу Die indischen Eskimos - Emil Robert Kraft - Страница 4
Eis und Schnee
ОглавлениеRichard erwachte. Bis auf das Hemd entkleidet lag er weit ab von der kochenden Quelle; dennoch aber war er über und über mit Schweiß bedeckt. Er hatte sehr gut geschlafen und fühlte sich, als hätte er ein Dampfbad genommen, wie neugeboren.
Ein Blick auf seine Taschenuhr sagte ihm, daß es schon neun Uhr sei. Da hatte er es einmal gründlich verschlafen! Diese feuchte Hitze übte eben auch die ermüdende Wirkung eines Dampfbades aus.
Was machten denn aber seine Malayen und die Eingeborenen? Seltsam, wie sich diese verhielten! Sie schliefen nicht mehr, sie lagen alle langausgestreckt auf dem Bauche, hatten das Gesicht auf die Erde gepreßt und wimmerten und stöhnten. Auch die Kinder befanden sich anscheinend in einer sehr verzweifelten Gemütsstimmung. Nur das jüngste, etwa zwei Jahre alte machte eine Ausnahme. Es schrie aus Leibeskräften und hatte dadurch auch Richard geweckt.
Dieser stand jetzt auf und rüttelte Soliman an der Schulter.
„Was giebt es denn? Soliman, bist Du krank?“ fragte er besorgt.
„O, Sahib,“ stöhnte der Gefragte, „das Ende der Kulpa ist gekommen, Vritra hat Indra besiegt.“
In dem Munde Solimans, der ein Mohammedaner war, mußten die Worte ,Kulpa‘, ,Vritra‘, ,Indra‘, die der buddhistischen Götterlehre angehören, einigermaßen befremden; aber dort in Indien ist der mohammedanische Glaube schon stark mit dem Buddhismus vermischt. Dieser teilt die Entwicklungsgeschichte der Welt in mehrere Perioden. Eine derselben, die einen Zeitraum von vielen Hunderttausenden von Jahren umfaßt, ist die Kulpa, an deren Anfang Indra, der gute und höchste Gott, die Erde schuf, die Vritra, das böse Element und besonders das Symbol der Dürre, haßt, weshalb beide Götter beständig miteinander im Kampfe liegen, bis schließlich am Ende der Kulpa Vritra siegt und die Erde wieder vernichtet wird.
„Die Malangos haben recht,“ murmelte ein anderer Malaye, „wir haben die heilige Grotte entweiht, die Götter rächen sich, wir dürfen sie lebendig nicht wieder verlassen.“
Mehr war aus ihnen nicht herauszubringen, das Entsetzen, Stöhnen und Wimmern war allgemein. Was war da passiert?
Hastig kleidete sich Richard an, um hinauszugehen, denn wenn es auch draußen noch so warm sein mochte, er mußte sich doch, wenn er den heißen Raum verließ, vor einer Erkältung hüten.
„Gehe nicht hinaus, Sahib,“ warnte Soliman, „draußen lauert Vritra, um Dich zu töten.“
Eine nähere Erklärung gab er nicht, und deshalb gerade ging Richard nun erst recht. Sturm und Regen mußten ja aufgehört haben, man hätte sonst wohl hier drinnen etwas davon vernommen. Außerdem drangen auch durch die oberen Löcher der Höhle freundliche Sonnenstrahlen herein. Wie schade, daß man nicht hinaussehen konnte und die Spalten sich zu hoch in der unersteigbaren Wand befanden!
Richard drang also durch den heißen Nebel, der den etwa zehn Meter langen Gang erfüllte, hindurch und erreichte das Freie. Hier konnte er zuerst allerdings noch nichts sehen, aber als er noch etwas seitwärts ging und der Nebel sich lichtete, da kam es ihm plötzlich so sonderbar kalt vor, trieb ein Windstoß den Nebel davon, und – –
Richard erstarrte vor Schreck einen Moment wie zur Salzsäule, und wenn er sich dann auch die Augen rieb und an der Nase zupfte, um sich zu überzeugen, daß er nicht schlafe, das Wunder, das er jetzt erblickte, blieb bestehen.