Читать книгу Das Lob der Narrheit - Erasmus Desiderius - Страница 2
Lobrede, welche die Narrheit sich selbst hält
ОглавлениеWas die Sterblichen auch immer von mir schwatzen mögen (ich weiß es, meine Herren, ich weiß es, in welchem bösen Rufe die Narrheit auch bey den gröbsten Narren steht) so bin doch ich es, ich, wie Sie mich hier vor sich stehen sehen, durch deren übermenschliche Kraft den Herzen der Götter und der Menschen die muntersten Freuden eingeflößt werden. Wollen Sie hierüber einen Beweis? Hier ist ein überzeugender:
Kaum war ich aufgetreten, um in dieser zahlreichen Versammlung eine Rede zu halten, so ward plötzlich jedes Antlitz mit einem neuen und ungewöhnlichen Schimmer der Fröhlichkeit übergoldet; plötzlich entfaltete sich jede Stirn; im hellsten liebenswürdigsten Lächeln wird mir von allen Orten der holdeste Beyfall zugewinkt. Wo ich meinen Blick hinrichte, sehe ich Gesichter, die mich nicht anderst denken lassen, als jedermann habe sich bey dem Nektar, dem es die Homerischen Götter bey ihrem Gelache gewiß an dem Safte des die Traurigkeit verbannten Ochsenzungenkrautes nicht fehlen lassen, in die beste Laune getrunken: und vorhin sah jeder so finster und grämlich aus, als ob er geradesweges aus einer Eremitenzelle zurückkomme. Wie wenn die Sonne am frühen Morgen ihr goldschönes Antlitz der Erde zuwendet; wie wenn nach dem rauhen Winter der neue Frühling mit seinem belebenden Hauche kommt: jugendlich glänzt das Antlitz der ganzen Natur; Farbe, Anzug, alles hat sich verjüngt: also, meine Herren, hat sich auch auf ihren Angesichtern, sobald sie einen Blick auf mich gerichtet hatten, alles geändert. Große Redner! schwarze Sorgen wollt ihr aus den Herzen der Zuhörer verbannen; und wie betreibt ihr’s? in einer viele Nächte hindurch abgezirkelten langweiligen Rede arbeitet ihr oft vergeblich daran. Schämet euch! Sehet, mit einem einzelnen Blicke hab ichs zu Stande gebracht!
Warum ich heute in einem so ungewöhnlichen Aufputze erscheine? Sie werden es sogleich vernehmen, meine Herren, wenn es ihnen nicht zu beschwerlich ist, mir ein geneigtes Ohr zu gönnen; aber bey Leibe ja nicht ein solches, das Sie den ehrwürdigen Kanzelrednern zuwenden, sondern ein solches, das Marktschreyern, Possenspielern und Lustigmachern immer offen steht; ein solches, wie ehedem unser Midas dem Pan ein stattliches Paar zuwendete.
Mich hat die Laune angewandelt, mich Ihnen für eine Weile als Sophistin zu weisen; nicht von der Art jener, die in unsern Zeiten der Schuljugend einige Armselichkeiten ängstlich einbläuen und dabey lärmend ein mehr als weibisches Gekeif ergellen lassen. Ich werde jenen Alten nachahmen, die sich, um dem mir so verhaßten Namen der Weisen klüglich auszuweichen, Sophisten nannten. Sie übernahmen es, das Lob der Götter und der Helden herauszustreichen. Man halte sich also in Bereitschaft, eine Lobrede anzuhören; nicht auf einen Herkules, einen Solon, sondern auf mich, d. i. auf die Narrheit.
Ich mache mir nicht das geringste daraus, wenn jene Weisen jeden, der sich selbst lobt, für einen Narren und Unverschämten ausschreyen. Närrisch so viel sie wollen, wenn sie nur eingestehen, daß es dem Charakter angemessen sey. Und was könnte sich für die Narrheit besser schicken, als ihr Lob selbst auszuposaunen, und nach ihrer eigenen Pfeife zu tanzen? Wer wird mich natürlicher schildern, als ich es selbst thun kann? Wer steht in genauerer Bekanntschaft mit mir, als ich?
O ja, man wird mir eingestehen, daß ich mich noch bescheidener betrage, als der Haufe der Großen und Weisen, welche bey einer verkehrten Schamhaftigkeit, einen fuchsschwänzerischen Schwätzer, oder einen windichten Dichter mit baarem Gelde dingen, um aus seinem Munde ihr eigenes Lob anhören zu können; das ist eitele Lügen: und dann steht der Schamprahler da wie der Pfau, der mit dem ausgebreiteten Schweife stolziert, den Kamm hochtragend. Der unverschämte Schmeichler vergleicht den Taugenichts mit den Göttern; er streicht ihn als das vollkommenste Tugendmuster heraus und weiß doch, daß derselbe himmelweit davon entfernt sey; er verziert eine kleine Krähe mit fremden Federn; wascht einen Moren; macht aus einer Mücke einen Elephanten. O ich, ich folge dem gemeinen Sprüchworte; wenn niemand mich loben will, so lob ich mich selbst.
Verwundern muß ich mich über das Betragen der Sterblichen. Ists Undankbarkeit? ists Trägheit? Sie machen mir alle den Hof; meine Wohlthätigkeit gegen sie erwecket in ihnen vieles Vergnügen: doch ist seit so vielen Jahrhunderten noch niemand aufgetreten, der aus Erkenntlichkeit das Lob der Narrheit feyerlich angestimmt hätte; und doch schonte man in Herausstreichung eines Bustiris, eines Phalaris, des viertägigen Fiebers, eines Kahlkopfs, oder was dergleichen tolles Zeug mehr seyn mag, weder der Nachtlampe, noch dem Schlafe.
Eine unausgearbeitete und im Stegreife gehaltene, deßwegen aber um so viel natürlichere und der Wahrheit angemessenere Rede werden Sie von mir hören. Bilden Sie sich ja nicht ein, ich sage dieses nach der Weise gemeiner Redner, um dadurch meinen Geistesfähigkeiten Bewunderung zu erkünsteln. Diese haben sich etwa bey Verfertigung einer Rede dreyßig Jahre hindurch erschwitzt, wenn es ja nicht gar eine zusammengeborgte Waare ist: und doch behaupten sie mit einem tapfern Eidschwure, sie haben sie inner drey Tagen spielend zu Papier gebracht. Meine Sache aber ist es, alles gerade heraus zu sagen, wie es mir auf die Zunge springt.
Man erwarte nicht, daß ich mich, nach der Weise der Alletagsredner, bey einer kunstmäßigen Beschreibung meiner selbst oder wohl gar bey einer kopfbrechenden Eintheilung meines Gegenstandes, verweilen werde. Beydes würde für mich sehr unschicklich seyn. Wie! ich sollte mir selbst Schranken setzen, mir, deren Herrschaft sich über die ganze weite Welt erstreckt? Ich sollte da pedantisch trennen und theilen, wo alle Völker in ihrer Berechnung übereinstimmen? Wozu würde es dienen, ein würkliches Schattenbild von mir hier aufzustellen, da man mich selbst mit Augen sehen kann? Ich mache Sie, meine Herren, zu Augenzeugen: bin ich nicht die ächte Austheilerinn alles Guten, die man in der ganzen Welt die Narrheit zu nennen gewohnt ist?
O ja, ich Närrinn hätte dieses zu sagen nicht nöthig gehabt. Aus meinem Antlitze läßt sichs sehen, auf meiner Stirn lesen, was ich im Schilde führe. Wenn mich jemand für die Minerva ausgeben wollte, für die Göttinn der Weisheit, so würde er widerlegt seyn, so bald man mir ins Angesicht sähe. In diesem, wenn ich auch den Mund nicht aufthue, ist meine Gemüthsart nach dem wahren Leben geschildert. Ich bediene mich keiner Schminke; wie ich von innen bin, zeig ich mich von aussen; ich bin mir immer so gleich, daß man mich auch an denen nicht verkennen kann, die sich unter der Larve der Weisheit für hochweise Männer ausgeben; Affen, die im Purpurröckchen einher strotzen; Esel, die in einer Löwenhaut umher traben: wenn sie sich auch noch so listig verstellen, so verrathen doch die hervorragenden Oerchen ihren Midas.
In Wahrheit, das sind undankbare Geschöpfe: sie sind unstreitig unsre Zunftgenossen, und schämen sich doch öffentlich unsern Nahmen anzunehmen; ja sie schimpfen auf die, welche von sich ein ehrlicheres Bekenntniß ablegen. Da sie wirklich Erznarren sind; und doch für weiser als ein Thales wollen angesehen werden: können wir sie nicht mit allem Rechte Närrisch-Weise nennen? Es scheint, daß sie diesorts unsern heutigen Rednern nacheifern, die sich bald gar für Götter halten, wenn sie die Leute bereden können, daß sie, gleich den Blutsaugern, zweyzüngig seyen; sie sehen sich für Helden an, wenn sie eine lateinische Rede mit einigen griechischen Wörtern durchspicken, und also eine unschickliche Mosaikarbeit zu Markte bringen können. Und wenn es ihnen an ausländischen Wörtern fehlt, so scharren sie aus verschimmelten Schriften etliche veraltete Wörter hervor, mit denen sie dem Leser einen Dunst vor die Augen zaubern: dadurch setzen sie sich in die Gunst derer, die sich darauf verstehen; die übrigen werden um so viel tiefer in Verwunderung gesetzt, je unwissender sie sind. Auch dieses macht einen schönen Theil unsrer Wonne aus, daß wir uns durch das, so von weitem kömmt, am meisten rühren lassen. Die, welchen es an Ehrfurcht nicht fehlt, lächeln ihren Beyfall zu, und bewegen geheimnißvoll, gleich den Esel, die Ohren, damit man denke, sie seyen mit der Sache tief bekannt; ja, sprachen sie scharfsinnig: die Sache verhält sich wirklich so, wie sie sich verhält. Ich lenke wieder ein.
Sie wissen also meinen Namen, Sie, meine Herren! Welchen Ehrentittel soll ich Ihnen beylegen? Das Wort Erznarren wird Ihnen wohl nicht zuwider seyn; mit einem schicklichern weiß die Göttin der Narrheit ihre Verehrer, die mit ihren Geheimnissen vertraulich bekannt sind, nicht zu bezeichnen. Weil aber meine Abkunft eben nicht vielen bewust seyn wird, so will ich solches unter dem guten Beystande der Musen zu eröfnen trachten.
Nicht Chaos, Orkus, Saturn, Jupiter, war mein Vater, noch irgend einer der veralteten und ausgedienten hausgrunzerischen Göttergreisen: Plutus hieß er; dieser, und dieser allein (trotz dem Hesiodus, dem Homerus, und dem Jupiter selbst) war der Vater der Menschen und Götter; Plutus, auf dessen Wink auch jetzt noch, wie vor Zeiten, alles, was heilig und unheilig ist, unter einander gemengt wird. Krieg, Friede, Reiche, Rathsversammlungen, Gerichtsplätze, Landtäge, Ehen, Bündnisse, Verträge, Gesetze, Künste, das Scherzhafte; das Ernsthafte (o an Athem gebrichts mir!) kurz alle öffentlichen und besonderen Angelegenheiten der Sterblichen, richten sich nach seiner Willkühr. Ohne sein Zuthun würde das ganze poetische Göttervolk, (ich will freyer von der Brust weg reden) würden selbst die Götter der ersten Classe entweder gar nicht seyn, oder doch gewiß am häuslichen Tisch ihr Leben sehr sparsam durchbringen müssen. Dem, über den er zörnt, wird selbst Pallas kümmerlich zu helfen wissen. Der, den er begünstigt, wird er mit dem obersten Jupiter, und seinem Tonnerkeile, sicher aufnehmen können.
Eines solchen Vaters hab ich mich zu rühmen. Er erzeugte mich, nicht aus seinem Gehirne, wie Jupiter jene saure und scheußliche Minerva, sondern mit der jugendlichen Neotes, der schönsten und muntersten Nymphe. Er war mit ihr nicht im traurigen Bande des Ehestandes verstricket; ich ward nicht wie jener Vulkan, der hinkende Schmidt, gebohren; ich bin eine Tochter der freyen und freudigen Liebe.
Mein Vater war nicht (irren Sie sich nicht, meine Herren!) jener aristophanische Plutus, der abgelebte, halbblinde; nein munter war er noch, in der Blüthe der jugendlichen Hitze; ja, nicht nur der jugendlichen, sondern auch der durch den Nektar entzündeten, den er damals an einem Freudenfeste der Götter reichlich geschlürft hatte.
Wollen Sie auch meinen Geburtsort wissen? O ja, heut zu Tage kömmt es in Absicht auf den Adel vieles darauf an, wo man in der Wiege zuerst geschrien habe. Ich ward nicht in der schwimmenden Insel Delos geboren; nicht in dem wogenreichen Meere; nicht in einer verborgenen Höle; sondern in jenen beglückten schlarafischen Inseln, wo alles ungesäet und unbepflügt hervor sprudelt; da weiß man nichts von Arbeiten, vom Altern, von Krankheiten. Goldwurzeln, Pappeln, Zwiebeln, Feigbohnen, Erbsen, oder andre dergleichen Aermlichkeiten verstellen da die Felder nicht; dem Auge und Geruche schimmern, und duften von allen Seiten her Amaranten, Rosen, Majoran, Violen, Hyacinthen, entgegen; man glaubt, in dem Garten des Adonis zu seyn.
In einer solchen wonnevollen Gegend gebohren, fieng ich das Leben nicht mit Weynen an; schmeichelnd lächelte ich, kleine Närrinn, meiner Mutter sogleich ins Angesicht. Den saturnischen Jupiter beneide ich nicht, daß er eine Ziege zur Amme hatte. Zwo drollichte Nümphen reichten mir ihre Brüste dar: die taumelnde Methe, Tochter des Bachus; und die sorglose Apädia, Tochter des Pans. Beyde befinden sich hier in der Gesellschaft meiner Gefehrten und Aufwärterinnen. Ich soll sie bey ihren Namen nennen? Gut, hier sind sie! Diese, die ihre Stirn hoch trägt, ist die sich selbst liebende Philautia. Diese mit ihren zulächelnden Augen, beyfallklatschenden Händen ist die schmeichelnde Kolakia. Diese halbschlafende, die man bereits träumend glauben sollte, ist die vergeßliche Lethe. Diese, die sich auf ihre Elenbogen steuert, und die Hände gefaltet hält, ist die arbeitscheuende Misoponia. Diese mit Rosenkränzen umschlungen, Wolgerüche duftend, ist die wollüstige Edone. Diese mit ihren unstet umherschweifenden Augen, ist die wahnsinnige Anoia. Diese mit der glatten Haut, deren ganzer Körper sich sowohl genährt zeigt, ist die verzärtelte Tryphe. Unter diesen Mädchen sind auch zween Götter zu sehen. Der Eine ist der sich bey jugendlichen Trinkgelagen munter hervorthuende Komus; der Andere der sich dann in den tiefsten Schlaf versterbende Nagretos-Hypnos. Mit dem Beystande dieser meiner getreuen Bedienten unterwerf ich alles meiner Herrschaft, und Monarchen selbst ertheil ich meine Befehle.
Ich habe nun von meiner Abkunft, meiner Auferziehung, und meinem Gefolge, Nachricht gegeben. Damit niemand meyne, ich bediene mich ohne Grund des Tittels einer Göttinn, will ich zeigen, wie viel Gutes ich an Göttern und Menschen thue, und wie weit sich meine göttliche Macht erstrecke. Man öffne die Ohren!
Jemand hat die nicht unschickliche Anmerkung gemacht: um ein Gott zu seyn, müsse man den Menschen Wohlthaten erweisen. Man hat der Zunft der Götter mit Recht jene einverleibt, welche die Menschen über den Gebrauch des Weines, des Getreides, und andre Lebensbedürfnisse von dieser Art unterrichtet haben. Wo hätte man das Recht her, mich nicht für das Alpha aller Götter zu halten, mich, welcher einzig jedermann alles und jedes zu verdanken hat?
Zuerst, was kann angenehmer, was köstlicher seyn, als das Leben an sich selbst? Und von wem anders, als von mir, hat man den Anfang desselben erhalten? Nicht die Lanze der aus dem stärksten der Väter gebohrnen Pallas, nicht der Schild des wolkensammelnden Jupiters, hat einen Einfluß in die Zeugung und Fortpflanzung des Menschengeschlechtes. Noch mehr; selbst der Vater der Götter, der König der Menschen, dessen Wink den ganzen Olympus zittern macht, muß seinen dreygespitzten Donnerkeil weglegen samt seiner titanischen Mine, mit welcher er, nach seinem Belieben, allen Göttern einen Schrecken einjagt; nach der armseligen Weise des Schauspielers muß er einen andern Charakter annehmen, wenn er das thun will, das er zuweilen thut; das ist, wenn er zum Vater eines kleinen Jupiters werden will.
Auf die nächste Stelle nach den Göttern machen die Stoiker Anspruch. Gebt mir einen solchen! Und wenn er auch tausendmal ein Stoiker ist, so muß er mir, wo nicht den Bart, dieses Merkmahl der Weisheit, wenn er ihn auch gleich so groß als der Bock hat, doch gewiß seine Gravität, weglegen; seine Stirn muß sich entfalten; er muß sich seiner demantfesten Grundsätze entschlagen; er muß ein wenig faseln und den Narren spielen; kurz, mich, mich, sag ich, muß der weise Mann zu Hülfe rufen, wenn er zum Vater werden will.
Warum soll ich nicht nach meiner Weise, offenherzig schwatzen? Man sage mir: ists das Haupt, das Antlitz, die Brust, die Hand, das Ohr, irgend eines der für ehrhaft gehaltenen Kleider, die zur Zeugung der Götter und Menschen erfordert werden? Mich deucht es nicht; es ist etwas so närrisches und Lächerliches, daß Sie, meine Herren und Damen, wenn ich es nennen sollte, sich des Lachens nicht enthalten würden, dem man diese Ehre zuerkennen muß. Dieses ist weit richtiger, als jener pythagorische Quaternio, die heilige Quelle, aus welcher Alles das Leben schöpft.
Wo ist der Mann, der dem ehelichen Kapzaume sein Maul darreichen würde, wenn er vorher (wie jene weisen Leute zu thun gewohnt sind) allen Jammer des Ehestandes erwogen hätte? Welche Frau würde zur vertrauten Unterhaltung mit dem Manne sich entschließen, wenn ihr ein Gedanke an die gefährliche Geburtsarbeit und das verdrüßliche Ammengeschäft käme? Da Sie also, meine Herren, ihr Leben dem Ehestande, und diesen der Anoia, meinem hirnlosen Aufwartsmädchen, zu verdanken haben, so ist es Ihnen leicht auszurechnen, in welcher tiefen Schuld Sie bey mir stehen. Die, welche einmal in dieser Noth gewesen ist, würde sich nicht wieder darin wagen, wenn sie sich nur an meine Gefährtinn, die vergeßliche Lethe, gehalten hätte. Venus selbst (Lucrez mag sagen, was er will!) wirds nicht leugnen, daß es ohne meine Hinzukunft um ihre ganze Kraft etwas ohnmächtiges und unnützes seyn würde.
Mein Spielwerke mag auch noch so taumelnd und lächerlich seyn, so entstanden doch aus ihm jene steifen Philosophen, an deren Stelle sich jetzt die befinden, die man Mönche zu nennen pflegt; in Purpur gekleidete Könige, fromme Priester, und dreymal allerheiligste Päbste; ja die ganze Zunft der poetischen Götter, so zahlreich, daß der Olymp (dessen Raum eben so klein nicht ist) sie kaum fassen kann. Ich würde mit mir selbst nicht zufrieden seyn, wenn man nur bloß die Quelle und Pflanzschule des Lebens mir zu verdanken hätte; ich will zeigen, daß auch alle Bequemlichkeiten des Lebens von mir herkommen.
Was ist dieses Leben, verdient es auch nur den Namen des Lebens, wenn man das Vergnügen davon wegnimmt? O ja! Sie, meine Herren, klatschen mir Ihren Beyfall zu! ich wußte es wohl, daß niemand unter Ihnen so weise ist, oder so närrisch, nein, so weise, daß er solche Gedanken hegen sollte. Selbst die Stoiker verachten die Wollust nicht, ob sie sich gleich aufs geflissenste verstellen, und sie öffentlich mit tausenderley Schimpfnamen belegen; die Tückmäusler, nur um andere davon wegzuscheuhen, und sich eines desto größern Theiles derselben zu versichern. Aber beym Jupiter fordere ich sie auf, diese Heuchler, mir zu sagen, welcher Theil des Lebens nicht traurig, unlustig, eckelhaft, abgeschmackt, lästig wäre, wenn ich nicht dabey für Salz und Gewürze sorgte? Den Sophokles (Und wer ist im Stande diesen Mann genug zu loben?) kann ich hierüber zum unverwerflichen Zeugen aufführen, indem er, um mir Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ausrief: Weg mit Weisheit, wenn man sich des Lebens recht erfreuen will!
Wir wollen eines nach dem andern beherzigen. Wer weiß nicht, daß die erste Scene der Kindheit die freudigste und angenehmste ist? Was befindet sich in den Kindern, das uns auffordert, sie zu küssen, zu umarmen, ihnen zu schmeicheln? das die Hand des rohsten Feindes nöthigt, sie aus jeder Noth zu retten? Anderes ist es nichts, als dieses. Die vorsichtige Natur hat sich Mühe gegeben, die Säuglinge mit der Gabe närrischer Schmeicheleyen zu versehen, damit sie mit einer angenehmen Art von Ersatze die Arbeit der sie Besorgenden erwiedern, und zugleich ihnen fernere Mühwaltungen scherzhaft abbetteln.
Wenn sie die kindlichen Jahren mit den jugendlichen vertauschet haben, so versichern sie sich der Huld jedermanns; man liebt sie; ereifert sich, ihnen nützlich zu seyn; springt ihnen bey allen Anlässen dienstfertig bey. Und wer hat sie mit einem solchen herzengewinnenden Wesen versehen? Niemand als ich. Weil ich ihnen meine Huld schenke, so sind sie noch fern von aller Weisheit, und folglich von allem Grame. Sobald sie zu mehrern Jahren gelangen, und beym Unterricht und dem Umgange mit der Welt, den verwünschen Weg der männlichen Weisheit betreten (ich will eine Erzlügnerinn seyn, wenn ich nicht die Wahrheit rede!) so ist es um die Blüte ihres aufgehellten Wesens geschehen; ihre Munterkeit fällt ins Träge; ihr artiges Betragen sinkt ins Frostige; die Lebhaftigkeit erstirbt.
Je weiter der Mensch sich von mir entfernt, desto minder erfreut er sich des Lebens; und endlich wird er zum mürrischen Greisen, der nicht nur andern, sondern auch sich selbst zur Last fällt. O ja, keinem Sterblichen würde dann sein Zustand erträglich seyn, wenn ich nicht mich seiner so vielen Mühseligkeiten erbarmend, ihm zum Beystand eilte. Wenn die poetischen Götter jemanden sehen, der zu Grunde gehen will, so kommen sie ihm mit einer Verwandlung zu Hülfe: ich, wenn ich jemanden erblike, der bald reif zur Baare geworden, ruf ihn, so viel möglich ist, wieder in die Kindheit zurück; wie man dann von der zweyten Kindheit derselben vieles zu reden pflegt.
Wie ich sie verwandle? Man soll es hören. Zur Quelle meines Flusses Lethe (er entspringt in den Inseln der Glückseligkeit, und von ihm rinnt nur ein kleines Bächlein in die unterirdischen Gegenden) führ ich sie; und sobald sie sich bey diesem das Vergessen zeugenden Getränk erlabet haben, wird das Gemüth allmählig seines Grams entladen, und vergnügt stehen sie da. – Aber, sie schwatzen ja ganz närrisches Zeug? – Es sey so! Eben dieses heißt ja, wieder jung werden; gerade so muß man plaudern, wenn man Kind heissen will: wirklich ihr unweises Tändeln bringt Ergötzen. Ein Junge, aus dem die Weisheit des Mannes hervorstrotzt: o das ist in Wahrheit ein Mißgeschöpf! Ueberwitz zeugt Ekel. Anbey, wer könnt es ausstehen, einen Greisen, der bey seinem langen Erfahrungskram alles mit Sprüchen durchwürzte, die er mit Anspannung aller seiner scharfen Beurtheilungskräfte zusammengedrechselt hätte, zum alltäglichen Gefehrten zu haben?
Weil ich gütig bin, mach ich den Alten zum Narren, der über alle die elenden Sorgen hinausgesetzt ist, mit denen der Weise sich ermartert. Er ist kein unlustiger Tischgefehrte; läßt sich das Zutrinken wohl schmecken; das Leben hängt ihm nicht mehr, wie manchem, als eine Last an; etwann wandert er wieder in die Schule zurück, darinn man sich Einsicht in die Anfangsgründe der Liebe verschaft; ein Zustand, darinn er unglücklich seyn würde, wenn er sich noch unter der Herrschaft der Weisheit befände; bey seinen Freunden ist er ein willkommener und zu Freuden aufgelegter Gast. Aus dem Munde des alten Nestors (beym Homer finden wir es) flossen honigsüsse Reden, indem aus dem Munde des Achilles nichts als Bitterkeiten hervorsprudelten. Und bey eben diesem Dichter sitzen Greisen auf den Mauern der Stadt, und ertändeln sich in blumichten Wortspielen. In diesem Gesichtspunkt ist die zweyte Jugend der ersten vorzuziehen, die zwar ein Vergnügen verschaft, doch ein noch zu kindisches; dem es an der vornehmsten Belustigung des Lebens fehlt, an der unermüdeten Schwatzhaftigkeit. Hiezu kömmt, daß Alte stets an den Kindern, Kinder an den Alten, Vergnügen finden: Gleich und gleich gesellt sich gern.
Alles stimmt bey diesen überein; ausser daß der Runzlichte mehr Geburtsfeste gefeyert hat. Sonst ist alles gleich: weisse Haare, zahnloser Mund, nach der Erde sich bükender Leib, Begierde nach Milchspeisen, Stammeln, Plaudern, Possen, Vergeßlichkeit, Unbesonnenheit, kurz, alles. Je älter der Mensch wird, desto näher kömmt er wieder der Kindheit, bis er auf eine recht kindische Weise, ohne des Lebens überdrüssig zu seyn, ohne den Tod zu fürchten, aus dem Leben heraus watschelt.
Es gehe nun, wer dazu Lust hat, und vergleiche das, dadurch ich die Menschen beglücke, mit den Verwandlungen, die das Werk der übrigen Götter waren. Was diese manchmal im auffahrenden Zorne thun, o darüber will ich kein Wort verlieren! Was thun sie aber gegen ihre trautesten Lieblinge? Sie verwandeln sie in einen Baum, einen Vogel, eine Grille, oder wohl gar eine Schlange: als ob eine solche Veränderung und das zu Grunde gehen, nicht die nämliche Sache wäre. Ich aber, ich stelle den gleichen Menschen wieder in die besten und glücklichsten Umstände seines Lebens. Wenn die Sterblichen sich durchgehends alles Umganges mit der Weisheit entschlagen, und ihr Leben einzig bey mir zubringen wollten, so würde das, was man das Veralten nennt, ihnen immer unbekannt bleiben, und in steter Jugend würden sie beglückt seyn.
Sehen Sie mir doch einmal jene Murrköpfe! Philosophisches Grübeln, oder das Betreiben ernsthafter und schwerfälliger Geschäfte, hat sie, ehe sie noch recht Jünglinge waren, zu Greisen verhudelt; Besorgnisse, stete und scharfe Gedankenanstrengung, haben ihre Geisteskräfte, ihre Lebenssäfte, nach und nach erschöpft. Sehen Sie dort meine tollen Lieblingssöhne: o wie wohl ausgefüttert sind sie nicht! ihre Haut, wie glänzend, wie gespannt! nein, die besten Eichwälder Akarnaniens hätten keine so drolichten Ferkelsgeschöpfe aufzuweisen gehabt. Gewiß sie würden vor allen und jeden Altersbeschwerden ein für allemal gesichert bleiben, wenn sie sich nur stets vor jedem Angriffe der Weisheitsseuche geflissentlich bewahren wollten. O daß sich doch in des Menschen Leben Dinge einschleichen müssen, die ihm eine durchgehende Glückseligkeit neidisch abzustehlen trachten!
Zum Ueberflusse kann ich mich auf eine alte Sache berufen, wer zufolge die Narrheit das sicherste Mittel ist, die Jugend in ihrem schnellen Laufe aufzuhalten, und das unbeliebige Alter weit wegzutreiben. Den Brabantern sagt man nicht ohne Grund nach, da das Alter andere Leute klug mache, so gerathen diese, je mehr sie an Jahren zunehmen, in desto größere Narrheiten: und wirklich ist dieses unter allen Völkern dasjenige, welches im gemeinen Umgange das fröhlichste ist, und an dem sich von dem närrischen Wesen alter Leute am wenigsten finden läßt. Man kann ihnen disorts ihre Nachbaren, meine Holländer, an die Seite setzen, die sich so eifrig für meine Anhänger dargeben, daß sie sich ein Recht auf den Ehrentitel der Narren erworben haben; nicht nur schämen sie sich nicht, dieses von sich zu gestehen, sondern sie sind sogar stolz darauf.
So gehet denn nun, schwindlichte Sterbliche, um eine Medea, Circe, Venus, Aurora, und ich weiß nicht was für einen Zauberbrunnen aufzusuchen, da man sich wieder jung machen könne: ich, ich allein, bin im Stande dieses zu bewirken, und ich thue es auch. Ich besitze den Wundersaft, vermittelst welchem Memnos Tochter die Jugend Tithons, ihres Ahnen, verlängert hat. Ich bin jene Venus, die den alten Phaon wieder so jung machte, daß Sapho sterblich in ihn verliebt wurde. Ich (wenn irgend jemand) bin im Besitze der Kräuter, der Zaubermittel, des Brunnens, der nicht nur die verflogene Zeit der Jugend wieder zurück bringt, sondern sie auch (welches unvergleichlich besser ist) für das ganze Leben dauerhaft befestigt. Nun denn ja, meine Herrn, Sie werden alle meinen Ausspruch unterschreiben: es giebt nichts liebenswürdiges, als die Jugend, nichts abscheulichers als das Alter. Gut! Sie sehen also, in welcher Schuld sie bey mir stehen; bey mir, die ich ein so grosses Gut gewähre, ein so grosses Uebel verbanne.
Was halt ich mich so lange bey Sterblichen auf? Lasset den ganzen Himmel durch die Musterung gehen; und man sage mir den Namen, den ich führe, mit einem Hohngelächter ins Angesicht hinein, wenn sich nicht jede Gottheit als etwas widerliches und verächtliches darstellen würde, sobald ich sie meines Einflusses berauben sollte. Warum zeigt sich Bacchus als ein blondhaarichter Jüngling? Weil er bey der Nectarfeuchte, Gastereyen, Tänzen, Spielen, sein ganzes Leben zubringt, und mit der Pallas nicht den geringsten Umgang hat; er, dem kein Gedanke kömmt, sich für einen Weisen auszugeben; der sich freut, wenn man ihn mit Aeffereyen und drollichten Scherzen verehrt; der sich nicht ärgert, wenn man ihn einen Stocknarren nennt; wenn er an der Thür seines Tempels sitzt, und ein muthwilliger Bauernlümmel ihm das Antlitz mit Most und reifen Feigen beschmiert. Mit welchen Spottnamen hat nicht die alte Komödie ihn belegt! O des abgeschmackten Gottes (hieß es) man kann ihm den Ort anriechen, aus dem er gebohren worden! Aber bey allem dem, wer wollte nicht lieber dieser abgeschmackte Thor seyn, der immer lustig ist, immer jugendlich-munter, immer Spiel und Wollust mit sich bringend, als Jupiter mit den schiefen Zornblicken, die jedermann Furcht einjagen; oder Pan, bey dessen sauerm Grunzen man bald selbst zum närrischen Schreckbilde werden könnte; oder Vulkan, der mit Aschen und Schmutz verziert aus seiner rauchigen Werkstätte hervorhinkt; oder auch die schielende Pallas selbst, die zu nichts taugt, als mit ihrem Medusenkopf und ihrer Lanze den Leuten einen Schrecken einzujagen.
Warum bleibt Amor immer ein Junge? warum? blos weil er ein Possenreisser ist, und nichts thut und denkt, das man auch nur einem Scheine von Ueberlegung zuschreiben könnte. Wie kömmts, daß man die goldschöne Venus stets mit ihrer Frühlingsmine sieht? Sie steht mit mir in Verwandtschaft; die Farbe meines Vaters glüht auf ihrem Antlitze: daher Homer sie die goldene Göttinn nennt; auch lacht sie beständig, wenn Dichter und die ihnen nacheifernden Bildhauer Glauben verdienen. Welche Gottheit ward von den Römern andächtiger verehrt, als Flora, die Mutter aller Wollüste?
Wie steht es um das Thun und Lassen der sauern Götter? Wenn man sich darüber bey dem Homer und den übrigen Dichtern, Raths erholt, so zeigt sichs, daß es selbst ihnen an nichts weniger fehle, als an Narrheit. Was würd es helfen, die Thaten der Andern weitläufig zu erzehlen, da alle Welt von der Verliebtheit und den Narrentheidungen Jupiters, des Donnergottes, nur zu vieles zu sagen hat? Die strenge Diana, die auf ihren beständigen Jagdschwärmereyen ihres Geschlechts vergießt, wie jämmerlich hat sie sich nicht in ihren Endymion verliebt? Doch mir wär es lieber, wenn die Götter sich ihre Geschichte von dem Momus wollten erzehlen lassen, der sie ihnen ehedem oft vorgepredigt hat: aber neulich stürzten sie ihn im Zorne, samt der keifenden Ate, auf die Erde hinab, weil er, der Verdrüßliche, neidisch auf das Glück der Götter, ihnen mit seiner Weisheit stets in den Ohren lag; kein Sterblicher würdigt ihn, ihn unter Dach zu nehmen; und noch weniger findet er einen Eingang an den Höfen der Fürsten, wo mein Folgemädchen, die schmeichelnde Kolakia, in der grösten Achtung steht; und mit ihr stimmt Momus so wenig überein, als der Wolf mit dem Lamme.
Also haben die Götter sich von dem Momus los gemacht; und jetzt können sie, von jedem Sittenrichter befreyt, frey und lustig den Narren spielen. Priapus, ehedem ein Feigenklotz, was bringt er jetzt nicht für Scherze hervor! Merkur, mit seinen Diebereyen und Taschenspielerstreichen setzt alles ins Lachen. Selbst Vulkan spielt im Gelache der Götter den Stocknarren, und läßts am Herumhinken, an Spöttereyen, an lächerlichen Sprüchen nicht fehlen, die Trinkgesellschaft bey guter Laune zu erhalten. Sogar Silen, der alte Verliebte, hüpft im ländlichen Tanze mit dem Polyphem und den barfüssigen Nymphen, wacker umher. Satyren ertanzen sich mit ihren Bocksspringen. Pan, mit einem ungesalzenen Liedchen, bringt alles ins Lautlachen: lieber hört man ihn, als die Musen; besonders wenn der Nektar anfängt in den Kopf hinaufzudünsten. O was könnte ich hier für herrliche Dinge von der Wirthschaft der sich sattgenektarisirten Götter sagen! Da, da gehts (beym Herkules schwör ich!) so närrisch her, daß ich, ich selbst, mich zuweilen des Lachens nicht erwehren kann. Doch besser ists, ich lege, gleich dem Harpokrates, den Finger auf den Mund; leicht könnte sonst ein corycäisch-auflaurender Gott zuhorchen, wenn ich Dinge erzehlte, die selbst dem Momus nicht unbestraft entwischet sind.
Es ist Zeit, daß ich, nach homerischer Weise von den Himmelsbewohnern, zu den Kindern der Erde herabschländre. Ach da, werden wir sehen, daß sich nichts freudiges und glückliches befinde, das nicht mein Geschenk ist.
Sie sehen meine Herren, wie vorsichtig die Natur, die Mutter und Schöpferinn des Menschengeschlechts, alles mit Narrheit durchwürzt hat! Die Stoiker, die es in der Kunst des Beschreibens weit gebracht haben, sagen: sich durch die Vernunft führen lassen, sey Weisheit; Narrheit sey es, wenn man sich nach der Willkühr der Leidenschaften richte. Nun, damit das Leben der Menschen nicht etwas ganz trauriges und finsteres seyn müsse, hat Jupiter in ein Pfund von Leidenschaften kaum eine Unze von Vernunft gemengt; die Vernunft hat er in einen kleinen Winkel des Kopfes gebannt, und den ganzen Leib den regen Leidenschaften zum Taumelplatz angewiesen. Der Vernunft hat er zween der heftigen Tyrannen entgegen gesetzt; den Zorn, der seine Herrschaft in der Burg und der Quelle des Lebens hat, in dem Herzen; und die Lüsternheit, die in der Gegend des Unterleibes alles zum Gehorsam nöthigt. Was die Vernunft wider diese zween Feinde vermöge, zeigt sich zureichend aus dem gemeinen Betragen der Menschen; sie schreyt sich heischer, um ihnen ihre Tugendsprüchgen einzupredigen; aber um den Zügel ihrer Königinn bekümmern sie sich wenig, und treiben die Widerspenstigkeit so weit, daß endlich die müde Fürstin sich zum Nachgeben gezwungen sieht, und sich alles gefallen läßt.
Weil der Mann zur Betreibung der Geschäfte gebohren ist, so mußte ihm von der Unze der Vernunft etwas mehrers eingepfropft werden. Damit auch dieses richtig angeordnet werde, ward ich, wie über alles andere, zu Rath gezogen; und ich that einen Vorschlag, der meiner würdig war: man soll ihm ein Weib zugesellen; ein närrisches und schwindlichtes Thier, aber zugleich ein holdes und lächerliches; ein Hausmittel, welches das Düstere des männlichen Scharfsinns durch eigenthümliche Narrheit zu würzen, und zu versüssen im Stande ist.
Plato der im Zweifel zu seyn scheint, ob das Weib zu den vernünftigen oder zu den vernunftlosen Thieren zu ordnen sey, wollte dadurch blos die grosse Narrheit dieses Geschlechtes andeuten. Wenn ein Weib Anspruch auf Weisheit macht, so erweist sie sich als eine doppelte Närrinn; sie will gerade wider den Strom schwimmen: wer sich auf eine naturwidrige Weise mit der Schminke der Tugend beschmiert, und seiner Gemüthsart Gewalt anthut, der verdoppelt seinen Fehler. Bey den Griechen hieß es: der Affe bleibt ein Affe, wenn er gleich in der Purpurjacke einherschwanzt: also bleibt ein Weib ein Weib, das ist eine Närrinn, was sie auch immer für eine Rolle spielt.
Nein, meine Damen, so närrisch wird wohl keine unter Ihnen seyn, deßwegen böse auf mich zu werden, daß ich, selbst ein Weib, die Erznärrinn, Ihnen Narrheit beymesse. Wenn es Ihnen beliebt, die Sache genau zu erwägen, so werden Sie mir, der Narrheit, es danken, daß ich Sie weit glücklicher gemacht habe, als die Männer es seyn können.
Ohne mich besässen die Weiber jene reizende Schönheit nicht, die sie mit Recht allen Dingen vorziehen, und vermittelst welcher sie selbst über Tyrannen tyrannisieren. Etwas wegschreckendes in der Mine, die faltige Haut, das Bartgestrauche, das greisenmässige frostige Wesen, wem hat der Mann dieses Lumpenzeug zu verdanken, als der bösen Klugheit? Die Wangen der Weiber hingegen sind immer glatt; fein ist stets ihre Stimme, weich ihre Haut, als ob sie sich einer immerdaurenden Jugend versichert hätten. Was wünschen sie sich in diesem Leben anders, als den lieben Männern recht wohl zu gefallen? Diesen Endzwecke haben sie bey ihrem Aufputzen, ihrem Schminken, ihrem Baden, ihrem Haarkräuseln, allen den Künsteleyen, durch die sie ihre Gesichtszüge ordnen, ihre Liebäugeln, und so weiter. Wie! preisen sie sich denn wirklich den Männern durch irgend etwas nachdrücklicher an, als durch die Narrheit? Was ists, daß diese den Weibern nicht erlauben? und, haben sie dabey andere Absichten, als die Befriedigung ihrer dringenden Begierden? Wirklich finden sie ihr Vergnügen an nichts, als an der Narrheit. Man wird einsehen, daß diese Bemerkung sich ganz auf die Wahrheit gründe, sobald man bey sich überlegt, wie viele Thorheiten der Mann dem Weibe vorplaudere welche Possen er treibe, so oft er sich vorgenommen hat, sein Vergnügen bey ihr zu bewirthen.
Ich habe die Quelle der ersten und vornehmsten Freuden des Lebens aufgedeckt. Ja, es fehlt an einigen nicht, die man eben so weibisch nicht nennen kann; es sind alte durstige Brüder, welche die höchste Wollust beym Weine finden. Ob sichs eine gute Mahlzeit thun lasse, wo Weiber davon ausgeschlossen sind, ist eine Frage, deren Entscheidung ich andern überlasse. Gewiß ist dieses: jedem Orte fehlt es am Gewürze, an Munterkeit, wo man der Narrheit den Eingang versperrt hat; wenn keiner der Gesellschafter ein wirklicher Narr ist, oder sich als einen Narren zu bezeigen das Geschick hat, so läßt man einen mit Gelde gedungenen Lustigmacher kommen, oder einen lächerlichen Schmarotzer, um durch seine lustigen, das ist, närrischen Schwänke das düstere Schweigen, oder die Traurigkeit, von der Tafel zu verbannen; denn, wozu würd’ es dienen, mit so vielen Niedlichkeiten und Leckerbissen den Bauch zu beladen, wenn man nicht Augen, Ohren, und das ganze Gemüth bey Lachen, Scherzen, und artigen Einfällen gastierte?
Nun bin ich es, ich einzig, die verdient, die Erfinderinn solcher Tafelherrlichkeiten betitelt zu werden. Auch die übrigen feyerlichen Spiele solcher Gelage; zum Exempel, durch das Loos einen Tafelkönig wählen, das Würfelspiel, eine Gesundheit im Ringe herum trinken, ein Liedchen dabey anstimmen, mit einem Myrtenzweige in der Hand wechselweise singen, tanzen, springen, und so weiter. Das sind Dinge, die nicht von den sieben Weisen Griechenlandes erfunden worden, sondern von mir, da ich mir das Wohlseyn des menschlichen Geschlechtes angelegen seyn lasse. Je mehr Narrheit in solche Dinge gemischt ist, desto heilsamer sind sie für das Leben der Sterblichen, welches, wenn es traurig ist, den Namen des Lebens nicht verdient; und traurig muß es werden, wenn man es nicht vermittelst solcher heilsamen Gaukeleyen vor dem Ueberdrusse sicher stellt.
Vielleicht aber giebt es Leute, bey denen diese Art von Wollust keinen Werth hat, weil sie sich mit lieben Freunden und Bekannten begnügen. Die Freundschaft für sich schon (sagen sie) ist allem andern vorzuziehen; ist eben so unentbehrlich, als Luft, Feuer, Wasser, es immer seyn mögen; sie führt so viele Freuden bey sich, daß, sie verbannen eben so viel wäre, als die Sonne verbannen; sie ist etwas so Tugendhaftes (man hätte ihr wohl ein besseres Lob beylegen können) daß selbst die Philosophen keinen Anstand finden, sie zum höchsten Gute zu rechnen. Wie aber, wenn ich zeigen könnte, daß es auch bey dieser herrlichen Sache alles auf mich ankomme? Wolan, ich will es thun; und zwar nicht durch krumme verfängliche Trugschlüsse, sondern so ehrlich-einfältig, daß jeder, der auch nur seiner Nase nachzugehen im Stande ist, die Sache mit Händen wird greifen können.
Aufgehorcht! Wenn man bey den Fehlern des Freundes die Augen schließt, sie nicht sehen will, sie liebenswürdig findet, etwann auch seine grossen Laster als liebenswürdige Tugenden herausstreicht: ist man da nicht auf dem geraden Wege zur Narrheit? Sehet doch diesen, der die Warze küßt, die seine Geliebte mit auf die Welt gebracht hat; jenen, der seines Mädchens ranzichten Athem balsamisch findet; dort den über die schielenden Augen seines Söhnchens entzückten Vater. Ists nicht pur-lautere Narrheit? Ja, man schreie so lange man will, daß es Narrheit sey: diese Narrheit einzig ist im Stande, Freundschaft zu stiften, und dauerhaft zu machen. Ich rede von den Sterblichen, von denen keiner ohne seine Fehler auf die Welt kömmt; wer die wenigsten hat, ist der beste. Wenn sich zu jenen weisen Philosophen, die sich Götter zu seyn träumen, je eine Freundschaft naht, so ists eine störrische und freudenlose; und auch dieser sind nur die wenigsten fähig; ich sage mit Fleisse nicht alle: der gröste Theil der Menschen spielt den Narren; ja, keinen wird man finden; der nicht auf vielerley Weise faselt; nun sind nur die, welche einander ähnlich sind, der vertrauten Freundschaft fähig.
Gesetzt es ereigne sich etwann unter diesen Sauertöpfen, daß einer dem andern sein Wohlwollen bezeige, so wirds doch von keiner langen Dauer seyn: kein Adler, kein Drache, ist so scharfsüchtig, als sie es bey den Fehlern ihrer Freunde sind; die ihrigen können sie nicht sehen, denn die Schlauköpfe haben sie in den Sacke hinten auf ihren Schultern gelegt. Da nun kein Mensch so verständig ist, daß er nicht seine großen Fehler hätte; da sie an Jahren und Neigungen so verschieden; solchem Straucheln, solchen Ausschweifungen, solchen Zufällen des sterblichen Lebens unterworfen sind: wie könnte die freudige Freundschaft sich bey diesen spitzäugigen Ausspühren auch nur eine Stunde lang verweilen, wenn sich nicht die gesittete und gutmuthige Narrheit zugleich mit ihr einstellte? Und wie! ist nicht Cupido der Uhrheber und Vater aller Vertraulichkeit, starrblind, so daß er leicht das Häßliche für das Schöne ergreift? Schämen Sie sich nicht, meine Herren, die Wahrheit zu gestehen: hat der lose Vogel nicht auch Sie so bethört, daß jeder das Seine schön findet; daß der Kahlkopf in sein Mütterchen, wie der Gelbschnabel in sein Püpchen vernarrt ist? O aller Orten findet mans so, und belacht es! aber gerade diese Lächerlichkeiten sind das Kitt und die Bänder der herzerquickenden Gesellschaft.
Was von der Freundschaft gesagt worden, das läßt sich noch füglicher vom Ehestande denken, dem für Zeitlebens dauernden Freundschaftsbande. O ihr unsterbliche Götter! wie würde nicht alles von Ehescheidungen, oder auch noch schlimmern Dingen, aller Orten wimmeln, wenn nicht Schmeicheley, Scherz, gefälliger Leichtsinn, Irrung, Verstellung, meine ganze Scharwache, den Hausfrieden zwischen Mann und Weib unterstützen, und nährten? Zum Henker! wie dünne würden die Ehen gesäet werden, wenn der Herr Bräutigam klüglich nachspührte, in was für Spiele sein verschlecket-schamhaft aber naseweises Jüngferchen schon lange vor dem hochzeitlichen Leben, sich eingelassen habe? und wie manches schon geknüpfte Band würde zerreissen, wenn nicht (Dank sey es der Nachlässigkeit oder Tummheit des Herrn Gemahls!) vieles von dem Thun und Lassen des lieben Weibchens verborgen bliebe?
Freylich schreibt man alles dieses mit Rechte der Narrheit zu; diese aber betreibts inzwischen so, daß der Mann sich des Weibes erfreut, das Weib des Mannes, und die Eintracht sich im friedlichen Hause befestigt. Hahnrey, und was dergleichen Wörterchen mehr sein mögen, ruft hier und da ein Hohnlacher; thut nicht das gute Weibchen wohl, daß sie darüber Thränen vergießt; und der gutherzige Hörnerträger, daß er in bester tröstender Laune sie ihr von den Wangen wegküßt? O wie weit seliger ists, sich hier also irren, als im Taumel der Eifersucht sich selbst aufzehren, und ein Trauerspiel aller Orten verbreiten? Kurz, ohne mich kann keine Gesellschaft, keine Vertraulichkeit munter oder standhaft seyn; unerträglich wird der Fürst dem Volke, der Knecht dem Herrn, die Magd der Frau, der Schüler dem Lehrer, der Freund dem Freunde, die Frau dem Manne, der Verkäufer dem Käufer, ein Tischgefehrte dem andern, wenn sie nicht wechselweise irren, klüglich durch die Finger sehen, und sich mit tollen Honigwörterchen abspeisen. Ja, meine Herren, Sie halten was ich bisher gesagt, für wichtige Dinge; aber Geduld, Sie werden noch wichtigere hören!
Kann der jemanden lieben, der sich selbst haßt? der mit Andern einträchtig seyn, der sich selbst in den Haaren liegt? der jemanden Freude machen, der sich selbst zur Last und zum Ueberdrusse lebt? Niemand wirds behaupten, als der, welcher närrischer als die Narrheit ist. In Wahrheit, wo man mich auf die Strasse hinaussperrt, wird jeder dem andern unerträglich, stinkt sich selbst an, faßt Eckel ab allem dem seinigen, hat keinen verhaßtern Feind als sich selbst. Stiefmütterlich wühlt oft die Natur in den Köpfen der Sterblichen, sonderlich den besten, so daß ihnen das Ihrige mißfällt; und das Fremde bewundern sie; dann wird alles geschändet, geht alles zu Grunde, dadurch sonst das Leben bereichert, und geschmückt wird. Wozu nützt die Schönheit, das edelste Geschenck der unsterblichen Götter, wenn sie garstig befleckt wird? Wozu die Jugend, wenn des Alters gährender Gram sie angestecket hat? Was wirst du bey dem beglücktesten Leben zu Hause und draussen mit Anständigkeit thun (und auf diese kömmt hauptsächlich alles an) wenn dir nicht die sich selbst liebende Philautia, die ich billig als meine leibliche Schwester verehre, mit ihrer Geschicklichkeit beysteht? O tapfer vertheidigt sie durchgehends meine Sache!
Nun, was kannst du närrischers thun, als dir selbst gefallen? dich selbst bewundern? Was schönes, holdes, einnehmendes, kannst du zu Stande bringen, wenn du mißvergnügt mit dir selbst bist? Wenn du dieses Gewürze des Lebens wegschafst, so steht der Redner mit seinem Gewäsche frostig da; nur höhnisches Mitleiden ertrillert sich der Tonkünstler; der sich müde erarbeitende Schauspieler wird ausgepfiffen; zum Gelächter wird der Dichter samt seinen Musen; der Mahler erpinselt sich Verachtung; bey seinen Lebenspillen hungert der Arzt sich zu Tode; wenn du dich schön wie Nireus zu seyn dünkst, jugendlich wie Phaon, weise wie Minerva, so wird man dich für garstig halten wie Thersites war, veraltet wie Nestor, tumm wie ein Schwein. Ja, unumgänglich nöthig ists, daß jeder sich schmeichle, und sich selbst mit einem Beyfällchen anpreise, wenn er sich bey andern in Gunst schwingen will. Endlich, da die Glückseligkeit hauptsächlich darum besteht, daß du wirklich nichts anders seyn willst, als was du bist, so hast du dich mit der Grundregel meiner Philautia bekannt zu machen, die also lautet: Niemand werde seines Looses überdrüssig, seines Witzes, seiner Abkunft, seines Vaterlandes, seiner Auferziehung. Der Irrländer wünsche sich nicht ein Italiäner zu seyn, der Thracier ein Athenienser, der Scythe ein Bürger des gesegneten Schlarafenlandes. Herrlicher Kunstgriff der Natur, der so verschiedene Dinge ins gleiche Gleis bringt! Wo sie bey ihrer Gabenaustheilung etwas kärglich zu Werke gegangen, läßt sie den Abgang durch die Philautia ersetzen – nur den Abgang? – Ich rede wie eine wirkliche Närrin, sie theilt auf diese Weise ihr herrlichstes Geschenke mit.
Ich darf wohl sagen: ohne meinen Antrieb geschicht keine edle That; wo schöne Künste betrieben werden, preisen sie mich als ihre Erfinderinn. Muß man sich nicht an den Krieg wenden, wenn man belobte Heldenthaten in ihrem Elemente finden möchte? Nun, was kann wohl närrischer seyn, als um einer Ursache willen, die man selbst nicht anzugeben weiß, sich in einen Streit einlassen, bey dem man beiderseits mehr Böses als Gutes einzuerndten hat? Von dem, der da mit seiner Haut bezahlt, kräht kein Hahn nicht. Wenn die beyden Heere in Schlachtordnung gegen einander stehen, und die Hörner im frischern Tone zum Angriffe geblasen haben: wozu taugen dann jene Söhne der Weisheit, durch Nachgrüblen erschöpft, beym dünnen und kalten Geblüte kaum den Athem zu ziehen vermögend? Solcher ist man da benöthigt, derer Adern vom dicken und fetten Geblüte strotzen; desto kühner, um so viel unverständiger sie sind. Oder will man sich mit Fleisse einen Demosthenes zum Soldaten wählen? Kaum kam der Feind ihm ins Gesicht, so warf er, nach dem Rathe des Archilochus, herzhaft den Schild weg; unter dem Hasenpanier sah man den feigen Soldaten an dem weisen Redner.
Auf Klugheit, heißts, kömmt im Kriege vieles an. O ja, an einem Feldherren; aber auf eine kriegerische, nicht eine philosophische! Mit Schmarotzern, Hurenjägern, Strassenräubern, Meuchelmördern, Bauernklötzen, Tummköpfen, Bankerottierern, und dergleichen Abschaume des Menschengeschlechtes, nicht mit bey der Nachtlampe verrauchten Philosophen, werden solche herrlichen Ding erfochten. Sokrates, der nach dem eben nicht weisen Ausspruche des Apollo einzige Weise, kann zum Gewährsmanne dienen. Er unterfieng sich, etwas, ich weiß nicht was, öffentlich zu betreiben; und unter dem Hohngelächter der ganzen Versammlung schlich er sich vom Rednerstuhle weg. Und doch war der Mann nicht Narrs genug, sich mit dem Titel des Weisen zu brüsten; er gab ihn dem Gotte zurück; er hielt dafür, ein Weiser solle sich in die Verwaltung des gemeinen Wesens nicht mengen; nur hätte er noch hinzusetzen sollen: jeder, der seinen Platz in der Zunft der Menschen behaupten wolle, müsse sich der Weisheit enthalten. Anbey, hatte er es nicht blos der Weisheit zu verdanken, daß er verklagt worden; und sich den Schirlingsbecher wählen mußte? Ueber Wolken und Hirngespinste philosophierend, einen Flohfuß messend, das Mückensumsen bewundernd, vergaß er, Dinge zu erlernen, die zum gemeinen Leben unentbehrlich sind.
Zum Schutzredner seines sich in Lebensgefahr befindenden Lehrers wirft sich der Schüler Plato auf. Ein mannhafter Vertheidiger! weil ein Geräusch entsteht, verstummt er, ehe er von seinem ersten Satze die Hälfte herausgemartert hatte. Und was soll ich vom Theophrast sagen? Kaum hatte er eine Rede angefangen, so blieb er mit offenem Munde stehen, als ob ein Wolf ihm in die Quer gekommen wäre. Wie würde der Mann den Soldaten Muth zur Schlacht gemacht haben! Isokrates war zu furchtsam, als daß er es jemals gewagt hätte, den Mund aufzuthun. Cicero, der Vater der römischen Beredsamkeit, fieng seine Reden, gleich einen gluchsenden Schuljungen, mit einem unangenehmen Stammeln an; Fabius ist so gut, daß er behauptet, daraus erkenne man einen verständigen die Gefahr einsehenden Redner; er hätte besser gethan, rund und ehrlich heraus zu sagen: zur schicklichen Betreibung öffentlicher Geschäfte tauge die Weisheit nicht. Was würden Leute, die vor Furcht halb todt sind, wenn sie sich blos in ein Wortgefecht einlassen sollen, da ausrichten, wo man die Sache mit dem Schwerdt ausfechten muß?
Nun gehe man, und erhebe den berühmten Ausspruch des Plato bis in den Himmel: „Beglückt wäre das Land, wo Philosophen herrschten, oder Beherrscher zu Philosophen würden.“ Wenn man die Geschichtsschreiber zu Rathe zieht, so zeigt sichs, daß es nirgends schlimmer zugegangen, als wo die Herrschaft einem Philosophosten oder Buchgelehrten zu Theile geworden. Man kann sich hier kecklich auf die Catonen berufen: durch wahnsinnige Anklagen störte der Eine die Ruhe der Republik; und der Andere richtete die Freyheit derselben zu Grunde, indem er sie allzuweislich vertheidigte. Man denke sich hier auch den Brutus, Cassius, die Gracchen, und selbst den Cicero, welcher der römischen Republik zu einer eben so schädlichen Pest ward, als Demosthenes der atheniensischen. Gesetzt, Marcus Antoninus sey ein guter Kaiser gewesen; bin ich deßwegen genöthigt, meinen Satz aufzugeben? gewiß nicht: eben deßwegen, weil er ein Philosoph war, wird er seinen Unterthanen lästig und verhaßt. Ja, gesetzt er sey für sich gut gewesen, so fügte er doch durch Hinderlassung seines Sohnes dem Reiche einen weit grössern Schaden zu, als er ihm durch seine Regierung nützlich gewesen. Solche weisen Leute sind, wie in allen übrigen Dingen, also besonders im Kinderzeugen, höchst unglücklich; und dieses, wie mich deucht, hat die Natur vorsichtig geordnet, damit diese Seuche der Weisheit unter den Sterblichen nicht zu viel um sich fasse. So wissen wir von dem Cicero, daß er einen aus der Art geschlagenen Sohn gehabt hat; und von den Kindern des weisen Sokrates hat man die feine Anmerkung gemacht, sie seyen der Mutter ähnlicher als dem Vater; das ist, Narren gewesen.
Es würde noch alles zu ertragen seyn, wenn diese Philosophen gleich zur Verwaltung der öffentlichen Geschäfte so ungeschickt wären, als der Esel zum Lautenschlagen; insofern sie nur nicht auch zur Betreibung der Angelegenheiten des gemeinen Lebens eben so schief befunden würden. Bitte einen Weisen zu Gaste; er wird durch ein düsteres Schweigen, oder durch ein lästiges Frägeln, die Freude der Gesellschaft stören. Fordere ihn zum Tanz auf; er wird so flink als ein Camel umher tramplen. Nimm ihn zu einem öffentlichen Schauspiele mit; sein Gesicht wird die Zuschauer ihres Vergnügens berauben; der weise Cato, der seine feyerliche Mine nicht ablegen will, wird genöthigt werden, die Bühne zu verlassen. Er kömmt in eine Gesellschaft, und alles verblaßt, als ob ein Wolf sich hätte sehen lassen. Wo es zu thun ist, um etwas zu kaufen, um einen Handel zu treffen, kurz, um etwas vorzunehmen, ohne welches man im gemeinen Leben nicht bestehen kann, da wird man diesen Weisen ehender für einen Klotz als für einen Menschen ansehen. Also kann er sich, dem Vaterlande, den Seinigen, zu nichts dienen, weil die gemeinsten Dinge, Meynungen, Einrichtungen, ihm ganz spanische Dörfer sind.
Bey den Unternehmungen der Sterblichen ist alles voll Thorheit: Narren unterhalten sich mit Narren. Dem, der sich allen widersetzen will, möcht ich den Rath erteilen, in die Fußstapfen Timons zu treten, in eine Einöde zu wandern, und sich da seiner Weisheit satt zu erfreuen.
Ich lenke wieder ein. Welche Macht hat stein- und eichenharte rohe Menschen ins gesellschaftliche Leben vereint? Die Schmeicheley. Sie wird durch die Leyer des Amphion und des Orpheus angedeutet. Was hat das römische Volk, da es unter sich aufs äusserste zerfallen war, wieder einträchtig gemacht? Wars eine philosophische Rede? nichts weniger: es war die lächerliche und kindische Fabel von dem Bauche und den übrigen Gliedern. Ein gleiches Wunder that Themistokles durch die Fabel von dem Fuchsen und dem Igel. Welche Rede eines Weisen hätte so vieles vermocht, als jenes erdichtete Rehe des Sertorius? als die beiden Hunde jenes lacedämonischen Gesetzgebers? als die lächerliche Erdichtung von den ausgeraufenen Haaren des Pferdeschweifes? Um nichts von dem Minus zu reden, und von dem Numa, welche den närrischen Pöbel durch fabelhafte Erfindungen nach ihrem Willen lenkten: durch solche Possen läßt sich dieses grosse und mächtige Thier, etwas aufbinden.