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DIE VERWANDLUNGEN DER VIER

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Während meiner Schulzeit wurden von uns Schülern in den langweiligen Unterrichtsstunden heimlich spontane Strichzeichnungen auf Tischen, Heftumschlägen, Löschblättern und den Rändern aller weißen Seiten angefertigt, denn es galt, der manchmal quälenden Schulpflicht etwas Erfreuliches abzugewinnen. Besonders gelungene Zeichnungen übertrug man, um sie vor dem Papierkorbschicksal zu bewahren, säuberlich auf das Schreibetui. Ich erinnere mich an Figuren, die aus den 26 Buchstaben des Alphabets gebildet wurden; am beliebtesten aber war es, Köpfe und Dinge aus den Zahlen 0 bis 9 zu entwerfen.

Die Null ist die Königin unter den Zahlen, denn ihre Gestaltungsmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt. Immer galt die Null als bevorzugtes Objekt, wenn es darum ging, mit wenigen Strichen ein ausdrucksstarkes Gesicht zu kreieren. Die kindlichen Zeichnungen hatten eine natürliche Tendenz zur Karikatur, wie die Beispiele zu Beginn der Sammlung zeigen.

Wie die meisten Menschen habe ich im Alter von etwa vierzehn Jahren das Zeichnen aufgegeben. Das Interesse an der Karikatur und an naturalistischen Zeichnungen begleitet mich dennoch seit meiner frühesten Schulzeit. Immer wieder durchblättere ich mit großem Genuss die Werke von Wilhelm Busch und Adolph Menzel.

Seit kurzer Zeit empfinde ich es wieder als Vergnügen, in den Nischen des Alltags, in Augenblicken der Muße, einen Stift zur Hand zu nehmen, um damit ein paar Ideen aufs Papier zu bannen. Dabei lasse ich mich von Stegreifinspirationen lenken und gebe mir selbst eine Aufgabenstellung wie diese: Ist es möglich, aus einer 4 einen Hund, eine Katze oder gar ein Kamel zu gestalten? -

Die von berechtigten Zweifeln genährte Antwort lautet zumeist »Nein, nein und nochmals nein«, denn die eher unscheinbare 4 strebt aufgrund ihrer fast bizarren Form nicht danach, im Mittelpunkt zu stehen; stattdessen begnügt sie sich damit, am Rande ein Baustein des großen Ganzen zu sein. Dieser Gesichtspunkt aber erweist sich bei der zeichnerischen Umsetzung als sehr hilfreich, wodurch das anfängliche »Nein« bald in ein entschiedenes »Ja« übergeht. Je mehr man sich mit der offenen und der geschlossenen 4 auseinandersetzt, umso deutlicher wird, dass diese Zahl eine äußerst anpassungsfähige Verwandlungskünstlerin ist. Aus einer 4 lassen sich leicht Menschen, Gesichter, Tiere, Fahrzeuge, Symbole, Szenen und tausenderlei Objekte des täglichen Lebens entwickeln und darstellen. Die Bremer Stadtmusikanten, Napoleon, die Beatles, Rübezahl, Sherlock Holmes und jene Schlange, die einst Eva im Paradies verführte, sind Figuren, die die Variationsvielfalt dieser erstaunlichen Zahl keinesfalls erschöpfen.

Leser, die meine Sammlung mit verwandelten 4en durchblättern, stellen mit jeder neuen Seite zuerst die Frage: Wo ist die 4? Eher beiläufig hat sich aus der Aneinanderreihung der Motive ein Versteckspiel entwickelt. In vielen Zeichnungen ist die 4 auf Anhieb zu finden; in einigen Entwürfen hat sie sich scheu versteckt. Oft erscheint die 4 mehrfach in einer Darstellung. Auf einem Bild, dessen Titel ich leider vergessen habe, lassen sich gleich zweiundzwanzig 4en nachweisen. Ich bin sicher: Der interessierte Leser wird das Geheimnis schnell lüften.

Dies ist nun meine Sammlung von Ideen, die ich mit einfachen Mitteln zeichnerisch zum Ausdruck brachte. Die Auseinandersetzung mit verwandelten Zahlen schärft die Wahrnehmung für Formen in unserer Lebensumwelt, regt die Fantasie des Betrachters an und ermuntert vielleicht manchen kindlichen und erwachsenen Bleistiftbesitzer, nach eigenen Verwandlungsmöglichkeiten zu suchen.

Viel Vergnügen bei dieser Beschäftigung wünscht

Erh@rd §chümmelfeder

Die Verwandlungen der Vier

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