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Vom Fleischbedecken

des Papalagi, von seinen

vielen Lendentüchern

und Matten


Der Papalagi ist dauernd bemüht, sein Fleisch gut zu bedecken. »Der Leib und seine Glieder sind Fleisch, nur was oberhalb des Halses ist, das ist der wirkliche Mensch«, also sagte mir ein Weißer, der großes Ansehen genoß und als sehr klug galt. Er meinte, nur das sei des Betrachtens wert, wo der Geist und alle guten und schlechten Gedanken ihren Aufenthalt haben. Der Kopf. Ihn, zur Not auch noch die Hände, läßt der Weiße gerne unbedeckt. Obwohl auch Kopf und Hand nichts sind als Fleisch und Knochen. Wer im übrigen sein Fleisch sehen läßt, erhebt keinen Anspruch auf rechte Gesittung.

Wenn ein Jüngling ein Mädchen zu seiner Frau macht, weiß er nie, ob er mit ihm betrogen ist, denn er hat nie zuvor seinen Leib gesehen.1 Ein Mädchen, es mag noch so schön gewachsen sein wie die schönste Taopou2 von Samoa, bedeckt seinen Leib, damit niemand ihn sehen kann oder Freude an seinem Anblick nimmt.

Das Fleisch ist Sünde. Also sagt der Papalagi. Denn sein Geist ist groß nach seinem Denken. Der Arm, der sich zum Wurf im Sonnenlichte hebt, ist ein Pfeil der Sünde. Die Brust, auf der die Welle des Luftnehmens wogt, ist ein Gehäuse der Sünde. Die Glieder, auf denen die Jungfrau uns eine Silva3 schenkt, sind sündig. Und auch die Glieder, welche sich berühren, um Menschen zu machen zur Freude der großen Erde – sind Sünde. Alles ist Sünde, was Fleisch ist. Es lebt ein Gift in jeder Sehne, ein heimtückisches, das von Mensch zu Mensch springt. Wer das Fleisch nur anschaut, saugt Gift ein, ist verwundet, ist ebenso schlecht und verworfen als derjenige, welcher es zur Schau gibt. – Also verkündigen die heiligen Sittengesetze des weißen Mannes.

Darum auch ist der Körper des Papalagi vom Kopf bis zu den Füßen mit Lendentüchern, Matten und Häuten umhüllt, so fest und so dicht, daß kein Menschenauge, kein Sonnenstrahl hindurchdringt; so fest, daß sein Leib bleich, weiß und müde wird, wie die Blumen, die im tiefen Urwald wachsen.

Laßt euch berichten, verständigere Brüder der vielen Inseln, welche Last ein einzelner Papalagi auf seinem Leibe trägt: Zuunterst umhüllt den nackten Körper eine dünne weiße Haut, aus den Fasern einer Pflanze gewonnen, genannt die Oberhaut. Man wirft sie hoch und läßt sie von oben nach unten über Kopf, Brust und Arme bis zu den Schenkeln fallen. Über die Beine und Schenkel bis zum Nabel, von unten nach oben gezogen, kommt die sogenannte Unterhaut. Beide Häute werden durch eine dritte, dickere Haut bedeckt, eine Haut aus den Haaren eines vierfüßigen wolligen Tieres geflochten, das besonders zu diesem Zwecke gezüchtet wird. Dies ist das eigentliche Lendentuch. Es besteht zumeist aus drei Teilen, deren einer den Oberkörper, deren anderer den Mittelleib und deren ein dritter die Schenkel und Beine bedeckt. Alle drei Teile werden untereinander durch Muscheln und Schnüre, aus dem gedörrten Safte des Gummibaums verfertigt4, gehalten, so daß sie ganz wie ein Stück erscheinen. Dieses Lendentuch ist zumeist grau wie die Lagune zur Regenzeit; es darf nie ganz farbig sein. Höchstens das Mittelstück, und dies auch nur bei den Männern, die gerne von sich reden machen und den Weibern viel nachlaufen.



Die Füße endlich bekommen noch eine weiche und eine ganz feste Haut. Die weiche ist zumeist dehnbar und paßt sich dem Fuße schön an, um so weniger die feste. Sie ist aus dem Felle eines starken Tieres, welches so lange in Wasser getaucht, mit Messern geschabt, geschlagen und an die Sonne gehalten wird, bis es ganz hart ist. Hieraus baut der Papalagi dann eine Art hochrandiges Canoe, gerade groß genug, um einen Fuß aufzunehmen. Ein Canoe für den linken und eines für den rechten Fuß. Diese Fußschiffe werden mit Stricken und Widerhaken fest am Fußgelenk verschnürt und verknotet, so daß die Füße in einem festen Gehäuse liegen wie der Leib einer Seeschnecke. Diese Fußhäute trägt der Papalagi von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang, er geht darin auf Malaga5 und tanzt darin, er trägt sie und ob es auch heiß sei wie nach einem Tropenregen.



Weil dies sehr unnatürlich ist, wie der Weiße wohl merkt, und weil es die Füße macht, als seien sie tot und begännen bereits zu stinken, und weil tatsächlich die meisten europäischen Füße nicht mehr greifen oder an einer Palme emporklettern können – deshalb sucht der Papalagi seine Torheit zu verbergen, indem er die Haut dieses Tieres, die an sich rot ist, mit viel Schmutz bedeckt, welchem er durch viel Reiben Glanz verleiht, so daß die Augen die Blendung nicht mehr vertragen können und sich abwenden müssen.

Es lebte einmal ein Papalagi in Europa, der berühmt wurde, zu dem viele Menschen kamen, weil er ihnen sagte: »Es ist nicht gut, daß ihr so enge und schwere Häute an den Füßen tragt, geht barfuß unter dem Himmel, solange der Tau der Nacht den Rasen bedeckt, und alle Krankheit wird von euch weichen.« Dieser Mann war sehr gesund und klug; aber man hat über ihn gelächelt und ihn bald vergessen.

Auch die Frau trägt gleich dem Manne viele Matten und Lendentücher um Leib und Schenkel gewunden. Ihre Haut ist davon bedeckt mit Narben und Schnürwunden. Die Brüste sind matt geworden und geben keine Milch mehr vom Druck einer Matte, die sie sich vom Hals bis zum Unterleib vor die Brust bindet und auch auf den Rücken; einer Matte, die durch Fischknochen, Draht und Fäden sehr hart gemacht ist. Die meisten Mütter geben daher auch ihren Kindern die Milch in einer Glasrolle, die unten geschlossen ist und oben eine künstliche Brustwarze trägt. Es ist auch nicht ihre eigene Milch, die sie geben, sondern die von roten, häßlichen, gehörnten Tieren, denen man sie gewaltsam aus ihren vier Zapfen am Unterleib entzieht.


Im übrigen sind die Lendentücher der Frauen und Mädchen dünner als die des Mannes und dürfen auch Farbe haben und weit leuchten. Auch scheinen Hals und Arme oft durch und lassen mehr Fleisch sehen als beim Manne. Trotzdem gilt es als gut, wenn ein Mädchen sich viel bedeckt, und die Leute sagen mit Wohlgefallen: Es ist keusch; das soll heißen: Es achtet die Gebote rechter Gesittung.

Darum habe ich auch nie begriffen, warum bei großen Fono6 und Essensgelagen die Frauen und Mädchen ihr Fleisch am Hals und Rücken frei sehen lassen dürfen, ohne daß dies eine Schande ist. Aber vielleicht ist dies gerade die Würze der Festlichkeit, daß dies einmal erlaubt ist, was nicht alle Tage erlaubt ist.

Nur die Männer halten Hals und Rücken stets stark bedeckt. Vom Hals bis hinab zur Brustwarze trägt der Alii7 ein Stück hartgekalktes Lendentuch von der Größe eines Taroblattes. Darauf ruht, um den Hals geschlungen, ein ebenso weißer, hoher Reifen, ebenfalls hart gekalkt. Durch diesen Reifen zieht er ein Stück farbiges Lendentuch, verschlingt es wie ein Bootsseil, stößt einen goldenen Nagel hindurch oder eine Glasperle und läßt das Ganze über das Schild hängen. Viele Papalagi tragen auch Kalkreifen an den Handgelenken; nie aber an den Fußgelenken.


Dieses weiße Schild und die weißen Kalkringe sind sehr bedeutungsvoll. Ein Papalagi wird nie da, wo ein Weib ist, ohne diesen Halsschmuck sein. Noch schlimmer ist es, wenn der Kalkring schwarz geworden ist und kein Licht mehr trägt. Viele hohe Alii wechseln darum täglich ihre Brustschilde und Kalkringe.

Während die Frau sehr viele bunte Festmatten hat, ja viele aufrecht stehende Truhen voll, und sie viele ihrer Gedanken daran gibt, welches Lendentuch sie heute oder morgen wohl tragen möchte, ob es lang oder kurz sein möge, und sie mit vieler Liebe immer davon spricht, welchen Schmuck sie darauf hängen soll – hat der Mann zumeist nur ein einziges Festkleid und spricht fast nie davon. Dies ist die sogenannte Vogelkleidung, ein tiefschwarzes Lendentuch, das auf dem Rücken spitz zuläuft wie der Schwanz des Buschpapageies.8 Bei diesem Schmuckkleid müssen auch die Hände weiße Häute tragen, Häute über jedem Finger, so eng, daß das Blut brennt und zum Herzen läuft. Es gilt daher als zulässig, daß vernunftvolle Männer diese Häute nur in den Händen tragen oder daß sie sie unterhalb der Brustwarzen in das Lendentuch einkneifen.


Sobald ein Mann oder Weib die Hütte verläßt und auf die Gasse tritt, hüllen sie sich noch in ein weiteres Lendentuch, das, je nachdem ob die Sonne scheint oder nicht, dick oder dünner ist. Dann bedecken sie auch ihren Kopf, die Männer mit einem schwarzen, steifen Gefäß, wölbig und hohl wie das Dach eines Samoahauses, die Frauen mit großen Bastgeflechten oder umgestülpten Körben, an die sie Blumen, die nie welken können, Schmuckfedern, Fetzen von Lendentüchern, Glasperlen und allerlei anderen Zierat knüpfen. Sie gleichen der Tuiga9 einer Taopou beim Kriegstanz, nur daß diese weit schöner ist und auch beim Sturm oder Tanz nicht vom Kopfe fallen kann. Die Männer schwingen diese Kopfhäuser bei jeder Bewegung zum Gruße, während die Frauen ihre Kopflast nur leise nach vorne neigen wie ein Boot, das schlecht geladen ist.



Nur bei Nacht, wenn der Papalagi die Matte sucht, wirft er alle Lendentücher von sich, hüllt sich aber sogleich in ein neues einziges, das den Füßen zu offen ist und diese unbedeckt läßt. Die Mädchen und Frauen tragen dieses Nachttuch zumeist am Halse reich verziert, obwohl man es wenig zu sehen bekommt. Sobald der Papalagi auf seiner Matte liegt, bedeckt er sich augenblicklich bis zum Kopfe mit den Bauchfedern eines großen Vogels, die in einem großen Lendentuch zusammengehalten werden, damit sie nicht auseinanderfallen oder fortfliegen können. Diese Federn bringen den Leib in Schweiß und veranlassen, daß der Papalagi denkt, er läge in der Sonne, auch wenn sie nicht scheint. Denn die wirkliche Sonne achtet er nicht so sehr.

Es ist nun klar, daß durch dies alles der Leib des Papalagi weiß und bleich wird, ohne die Farbe der Freude. Aber so liebt es der Weiße. Ja die Frauen, zumal die Mädchen, sind ängstlich darauf bedacht, ihre Haut zu schützen, daß sie nie im großen Lichte rot werde, und halten zur Abwehr, sobald sie in die Sonne gehen, ein großes Dach über sich. Als ob die bleiche Farbe des Mondes köstlicher sei als die Farbe der Sonne. Aber die Papalagi liebt es, in allen Dingen sich eine Weisheit und ein Gesetz nach seiner Weise zu machen. Weil seine eigene Nase spitz ist wie der Zahn des Haies, ist sie auch schön, und die unsere, die ewig rund bleibt und ohne Widerstand, erklärt er für häßlich, für unschön, während wir doch genau das Gegenteil sagen.

Weil nun die Leiber der Frauen und Mädchen so stark bedeckt sind, tragen die Männer und Jünglinge ein großes Verlangen, ihr Fleisch zu sehen; wie dies auch natürlich ist. Sie denken bei Tag und Nacht daran und sprechen viel von den Körperformen der Frauen und Mädchen und immer so, als ob das, was natürlich und schön ist, eine große Sünde sei und nur im dunkelsten Schatten geschehen dürfe. Wenn sie das Fleisch offen sehen lassen würden, möchten sie ihre Gedanken mehr an andere Dinge geben, und ihre Augen würden nicht schielen, und ihr Mund würde nicht lüsterne Worte sagen, wenn sie einem Mädchen begegnen.


Aber das Fleisch ist ja Sünde, ist vom Aitu10. Gibt es ein törichteres Denken, liebe Brüder? – Wenn man den Worten des Weißen glauben könnte, möchte man wohl mit ihm wünschen, unser Fleisch sei lieber hart wie das Gestein der Lava und ohne seine schöne Wärme, die von innen kommt. Noch aber wollen wir uns freuen, daß unser Fleisch mit der Sonne sprechen kann, daß wir unsere Beine schwingen können wie das wilde Pferd, weil kein Lendentuch sie bindet und keine Fußhaut sie beschwert und wir nicht achtgeben müssen, daß unsere Bedeckung vom Kopfe fällt. Laßt uns freuen an der Jungfrau, die schön von Leib ist und ihre Glieder zeigt in Sonne und Mondenlicht. Töricht, blind, ohne Sinn für rechte Freude ist der Weiße, der sich so stark verhüllen muß, um ohne Scham zu sein.

1 Randbemerkung Tuiaviis: Auch später wird es ihn ihm selten zeigen und wenn, dann zur Stunde der Nacht oder Dämmerung

2 Eine Dorfjungfrau, Mädchenkönigin

3 Eingeborenentanz

4 Tuiavii meint Knöpfe und Gummibänder

5 Auf Reisen

6 Zusammenkünfte, Gesellschaften

7 Herr

8 Wohl der Frack gemeint

9 Kopfschmuck

10 Der schlechte Geist, der Teufel

Der Papalagi

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