Читать книгу Die römischen Kastelle in Württemberg. - Erik Schreiber, Friedrich Rolle, Leo Woerl - Страница 6
Оглавление1. Das Kastell von Rottweil.
Unter allen Kastellen Württembergs steht obenan dasjenige von Rottweil, weitaus das grösste auf deutschem Boden diesseits des Rheins. Wie Windisch, Strassburg, Mainz, Bonn und Köln jenseits des Rheins und Regensburg a/D., so war Rottweil ein Legionslager. Dasselbe wurde wahrscheinlich im Jahre 84 von dem Kaiser Domitian aus dem Hause der Flavier als Standquartier für die XI. Legion und deren Hülfstruppen, somit im ganzen für 10 — 12000 Mann errichtet und seine Besetzung dauerte nur bis etwa zum Jahr 120 n. Chr., wo die Reichsgrenze über den Neckar vorgeschoben und der Grenzwall durch Hadrian mit Kastellen versehen wurde. Um diese Zeit wurde die überflüssig gewordene XI. Legion an die untere Donau wegverlegt und die militärische Bedeutung Rottweils war geschwunden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet man, dass hier Domitian seinem Vater und Bruder oder auch sich selbst zu Ehren die „Flavischen Altäre“ errichtet und den Ort darnach benannt habe: Arae Flaviae.
Das Kastell liegt, wie unsere Skizze zeigt, auf der grossen Hochfläche in dem Winkel, den der knieförmig gebogene Neckar begrenzt, zwischen der heutigen Stadt und der Altstadt, südlich vom Bahnhofe. Man findet auf dem Bilde ohne Schwierigkeit die von Wall und Graben umschlossene Fläche heraus, welche sanft nach SW ansteigend in der östlichen Hälfte vom Neckar bespült, in der Mitte von natürlichen Einschnitten begrenzt, und nur auf der westlichen Seite nicht von Natur geschützt war. Heute noch, nach 1800 Jahren, steht Wall und Graben auf grosse Strecken vortrefflich erhalten, auf noch grösseren aber ist er allerdings zerstört. Von römischen Mauern ist äusserlich nichts mehr zu sehen, ja man hat sogar die Existenz von solchen in Abrede gezogen, bis am 19. April 1888 der Spaten sie wieder blosslegte. Eine Wallmauer konnte nur auf der Nordseite gegenüber dem Bahnhof in den letzten Grundresten noch nachgewiesen werden; sie war natürlich der Zerstörung und Benützung als Steinfundgrube zuerst ausgesetzt. Auch die übrigen Fundamente, welche erhalten sind, liegen verhältnismässig tief. Der umwallte Platz hat eine Länge von 820 und eine Breite von durchschnittlich 400 m und misst über 30 ha. Auf der Ostseite ist eine vom oberen Wall anfangs 5, dann SO und südlich sogar 80 m zurückliegende 1,4 — 2 m starke Mauer mit Türmen und Thoren aufgefunden worden. Man findet leicht auf unserer Skizze die vermutliche Kastellmauer, welche nur im nördlichen Drittel dem Walle folgt, in den übrigen Teilen aber soweit hinter dem Walle zurückbleibt, dass etwa ein Raum von 20 ha als eigentliches Legionslager übrigbleibt. Auch im Innern des Kastelles sind, besonders den beiden Hauptquerstrassen entlang, verschiedene starke Mauern aufgefunden, über deren Bedeutung sich jedoch zur Stunde so wenig etwas Bestimmtes sagen lässt, als über die Verteilung der einzelnen Räume im Innern. Doch haben die Grabungen des Rottweiler Altertumsvereins unter Prof. Hölders Leitung immerhin schon namhafte Erfolge erzielt, insbesondere durch Auffindung der wichtigsten Thore. Da das Kastell durchaus den natürlichen Verhältnissen angepasst ist, so hat es nicht die regelmässige rechteckige Form, welche die meisten römischen Kastelle charakterisiert. Sicher ist, dass das Lager durch die beiden schon äusserlich kennbaren Querstrassen, die via principalis und die nur bei grossem Lagern vorhandene via quintana, in 3 Abteilungen zerfällt, nämlich nördlich von der principalis die praetentura, zwischen der via principalis und der quintana die latera praetorii und südlich von der via quintana die retentura.
Die via praetoria ist äusserlich nicht erkennbar; sie führt von der Ostecke des israelitischen Friedhofs in die Einsenkung, welche dem nördlichen oder Prätorialthor entspricht; ihre Fortsetzung wurde beim Bau des Güterbahnhofs in einer Furt über den Neckar gefunden. Die via principalis existiert noch als sogenannter Lumpenmühleweg; die Fortsetzung derselben ist westlich gegen die Stadt im „Ruhe-Christiweg‘‘, östlich gegen die Altstadt zu finden. Die via quintana, „Heerstrasse“ der Flurkarte, führt westlich in gerader Linie zur „Scheerers Kapelle“, wo die Gabelung nach Dunningen und nach Horgen eintritt; östlich findet wie es scheint noch innerhalb des Lagers eine Gabelung statt, indem ein Strang wohl nordöstlich in eine von der Mittelstadt gegen die Altstadt führende Strasse einmündet, der andere aber sich südlich dem zum Südthor führenden Hohlweg zuwendet, wie das von Hölder aufgefundene, von 2 Türmen flankierte Thor zeigt.
Durch diese Strassen sind auch die wichtigsten Thore gegeben. Die nördliche porta praetoria scheint grösstenteils zerstört zu sein; die principalis dextra ist gefunden am Ende des von Osten herführenden Hohlweges, bis jetzt ohne Türme, die principalis sinistra nördlich vom Friedhof scheint wie die ganze Westseite schlecht erhalten zu sein. Von der quintana sind Spuren des linken Thores gefunden; dem rechtsseitigen Ende dieser Strasse scheinen 2 Thore zu entsprechen, wovon, wie gesagt, das südliche mit 2 Türmen gefunden ist. In der „hinter dem Wall“ (auf der Flurkarte offenbar falsch ,,Wald") bezeichneten Flur sollte normalerweise die porta decumana gesucht werden; bei der völligen Anpassung an die natürlichen Verhältnisse kann es jedoch nicht verwundern, dass dieses Thor mit Türmen in der Südostecke des Kastells, am Südende des Hohlwegs, bei der Pflugwirtschaft gefunden worden ist.
Unsere Skizze zeigt auch in der Altstadt die hauptsächlichsten Gebäudefundamente, welche auf „Hochmauren“ ausgegraben worden sind und der Zivilniederlassung angehören, insbesondere das stattliche, Gebäude in welchem der berühmte Orpheus-Mosaikboden sich befand. Hier sind die vielen schönen Kleinfunde gemacht worden, welche die Rottweiler Altertumssammlung zieren. Noch sieht man rechts in der untersten Ecke an der Prim einen jüngst entdeckten Turm sammt starker Mauer, deren Bedeutung noch nicht klar ist.