Читать книгу Der Tag, als ich die Socke fand - Erma Bombeck - Страница 5

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Hallo, ihr Mütter

Die Geschichte mit der Farbtube

Einmal ... nur ein einziges Mal ... wäre ich bei einem Notfall gern ordentlich angezogen.

Ich meine es nicht so, wie meine Großmutter uns immer ermahnte: »Das ist nun wirklich nicht die Unterwäsche, in der man einen Unfall haben möchte.« Ich meine nur: irgendwie bekleidet sein, damit man nicht in einem Sweatshirt mit dem Aufdruck »Eigentum der Turnerriege von Notre Dame« und in Pantoffeln in einem Krankenhausflur herumsteht.

Damit man nicht aussieht, als hätte ein grausames Schicksal den Krieg erklärt und man selbst befände sich mitten auf dem Schlachtfeld. Als ob es nicht ausreichte, dass man a) dabei ist zu verbluten, b) sich vor Schmerzen krümmt und c) vor Angst krank ist, nein, man muss auch noch befürchten, dass die Schwestern im Ostflügel Geld sammeln, um die ganze Familie an Thanksgiving zum Dinner einladen zu können.

Nehmen wir zum Beispiel diese Geschichte mit der Farbtube. Unser jüngster Sohn kletterte eines Morgens zu uns ins Bett und strahlte von einem Ohr zum anderen. Ich spürte, dass etwas nicht stimmte. Und auf meine Intuition kann ich mich verlassen, schließlich bin ich Mutter. Seine Zähne waren blau. Er hatte in eine Tube mit Farbe gebissen. Falls Sie jetzt das Bild von einem süßen, zerzausten Lockenkopf in gestreiftem Schlafanzug vor Augen haben sollten, sind Sie auf dem Holzweg. Der Knabe sah aus, als stamme er von Werwölfen ab!

Zu seinen blauen Zähnen trug er eine Trainingshose und ein altes T-Shirt seines Vaters, das ihm bis zu den Knöcheln ging. Das war ganz gewiss nicht der richtige Zeitpunkt für eine stolz geschwellte Mutterbrust oder für die Ausrede, dass ich mit der Wäsche ein paar Jahre im Verzug bin. Wir rasten wie die Feuerwehr in die Notaufnahme des Krankenhauses, wo der diensthabende Arzt die blauen Zähne so ruhig in Augenschein nahm, dass ich schon fürchtete, dass mit meinen etwas nicht in Ordnung wäre, weil sie weiß waren.

»Was für eine Farbe?« fragte er sachlich.

»Himmelblau«, antwortete ich zitternd und deutete auf die Farbe auf seinem T-Shirt.

»Das sehe ich«, gab er etwas gereizt zurück. »Ich fragte nach der chemischen Zusammensetzung.«

Mein Mann und ich sahen einander wortlos an. Eigentlich kennen wir die chemische Zusammensetzung aller in unserem Haus befindlichen Farben in ihrem prozentualen Verhältnis auswendig, ist doch klar. Aber ausgerechnet diese eine Tube muss uns doch glatt durch die Finger geschlüpft sein.

Während man unserem Sohn den Magen auspumpte, musterten wir uns gegenseitig. Mein Mann stand in einer uralten Jeans und seinem Pyjamaoberteil neben mir. Ich trug das gestrige Hauskleid ohne Gürtel und ohne Strumpfhose und ein Tuch um mein ungekämmtes Haar. In der Hand hielt ich ein Geschirrtuch, mein einziges Accessoire. Wir sahen aus wie zwei Landstreicher, die gerade vorbeigekommen waren, um sich eine mitgebrachte Blechdose mit Wasser zu füllen.

Es gibt noch andere Geschichten, andere Malheurs, aber die Personen sind immer die gleichen: Jedes Mal stehen wir da, ungewaschen, ungekämmt, ohne auch nur einen Cent in der Tasche, ohne Lippenstift, ohne Strumpfhose, mit verschiedenen Schuhen und dem schmutzigsten Lappen aus unserem Haushalt als provisorischem Verband.

Wer möchte da seinen nächsten Notfall nicht besser organisieren?

Bienen, Fische und Vögel

Die sexuelle Aufklärung eines Kindes ist ziemlich wichtig. Da möchte niemand etwas versäumen.

Eine schreckliche Vorstellung, es könnte mir ergehen wie der Frau in dem alten Witz, die von ihrem Kind gefragt wird, woher es komme. Nachdem sie den Vorgang in wohlgewählten Worten erklärt hat, schaut ihr kleiner Sohn sie eindringlich an und sagt: »Ich meinte ja nur. Mike kommt aus Hartford in Connecticut.«

Ich glaubte, das Problem in den Griff zu kriegen, als mein Sohn großes Interesse für Fische entwickelte. Gibt es einen besseren Weg, das Wunder der Entstehung des Lebens zu erklären als mit Beispielen aus dem Tierreich? Wir kauften also zwei Paar Guppys und ein kleines Aquarium. Das war unser erster Fehler. Wir hätten entweder vier männliche Fische und ein kleines Aquarium kaufen sollen oder vier weibliche Fische und ein kleines Aquarium oder aber zwei Paare und einen Teich. Ich hatte schon mal etwas von Bevölkerungsexplosion gehört, aber das hier war unglaublich! Das Gespräch am Frühstückstisch verlief etwa so:

»Was gibt’s Neues in Peyton Place by the Sea?«, erkundigte sich mein Mann.

»Mrs. Guppy ist wieder g-r-a-v-i-d«, buchstabierte ich.

»Streu ein bisschen Salz ins Wasser. Das hilft garantiert«, murmelte er.

»Daddy«, warf mein Sohn ein, »das heißt, sie ist schwanger.«

»Schon wieder!«, stammelte Daddy. »Können wir nicht ein Wasservolleyballspiel in dem Aquarium organisieren oder irgendwas Ähnliches?«

Das erste Aquarium gebar sozusagen ein zweites, ohne dass Abhilfe in Aussicht gestanden hätte. »Hast du aus den Erfahrungen mit deinen Guppys etwas gelernt?«, fragte ich eines Nachmittags vorsichtig.

»Ach, sie sind so süß!«, rief mein Sohn begeistert.

»Ich meine, jetzt wo du Männchen und Weibchen beobachtet hast, weißt du jetzt, wie es zu Nachkömmlingen kommt? Hast du beobachtet, welche Rolle die Mutter dabei spielt?«

»Klar doch«, sagte er mit glänzenden Augen. »Du solltest sehen, wie sie ihre Babys auffrisst.«

Wir erstanden ein drittes Aquarium, das unverzüglich mit Salzwasser und drei Seepferdchenpaaren gefüllt wurde.

»Ich möchte, dass du das Weibchen ganz genau beobachtest«, wies ich meinen Sohn an. »Wahrscheinlich wird sie nicht mehr lange schwanger sein, und wenn du Glück hast, kannst du sogar die Geburt miterleben.«

»Aber es sind doch nicht die Weibchen, die die Kinder kriegen«, erklärte er, »sondern die Seepferdmännchen.«

Meine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. Vielleicht konnte ich da einer Neigung vorbeugen ... »Das ist doch lächerlich«, widersprach ich. »Es sind immer die Weibchen, die die Kinder kriegen.«

Das Männchen wurde immer dicker. Ich glaubte sogar zu bemerken, dass seine Knöchel anschwollen. Am dreiundzwanzigsten des Monats wurde es dann Mutter.

»Wirklich interessant«, meinte mein Sohn. »Hoffentlich werde ich nicht auch Mutter, wenn ich erwachsen bin. Aber wenn doch, dann kommen meine Kinder wenigstens an Land zur Welt.«

Ich hatte alles vermasselt. Ich wusste ja gleich, dass ich es vermasseln würde.

Nachbarschaftskontakte

Immer wieder höre ich Frauen sagen: »Ich pflege keine Nachbarschaftskontakte. Dafür habe ich viel zu viel zu tun. Dieses ewige Hin und Her und der tägliche Kaffeeklatsch mit einem Haufen tratschender Weiber!«

Tja, wer würde nicht lieber mit ein paar netten Männern plaudern! Aber man muss Kompromisse schließen, und so nehme ich mit meinen Nachbarinnen vorlieb. Und ohne die hätte ich beim Rorschachtest vor ein paar Jahren sehr schlecht abgeschnitten.

Als die Kinder noch klein waren, zogen wir in ein ziemlich abgelegenes Haus. (Ziemlich abgelegen bedeutet: Die hatten in dieser Gegend noch nie ein Rad gesehen, bevor wir die Dreiräder der Kinder auspackten!) Nachdem ich drei Tage damit zugebracht hatte, einem Fünfjährigen zu erklären, warum Vögel keinen elektrischen Schlag erhalten, wenn sie auf den Stromleitungen sitzen, einem Dreijährigen dabei zuzusehen, wie er sein weich gekochtes Ei mit den Fingern isst, und mir rund um die Uhr das Geschrei eines drei Monate alten Babys anzuhören, war ich kurz davor, alles hinzuschmeißen und mit dem Eisverkäufer durchzubrennen.

Genau da tauchte meine nächste Nachbarin auf: eine Frau, die in vollständigen Sätzen sprach, mit Messer und Gabel aß und nur bei Hochzeiten heulte. Ich konnte mich nicht mehr beherrschen. Mit einer verzweifelten Geste schloss ich die Tür und warf mich davor, um sie am Gehen zu hindern. Sie verstand mich.

Seither habe ich solche und solche Nachbarinnen erlebt. Eine hatte ich, die hätte sich noch meine Augäpfel geborgt, wenn sie in eine Tasse gepasst und den Transport zum Grundstück auf der anderen Seite des Rasens überlebt hätten. Wenn ich die perfekte Nachbarin beschreiben müsste, würde ich es folgendermaßen tun:

1. Sie ruft nicht an, um zu fragen, warum sich Ihr Sohn dreißig Pfund Zement von ihr borgen will. Sie sagt einfach »Nein!« und verständigt die Polizei.

2. Sie kommt nicht wie Doris Day in Ihre Waschküche gerannt, um Ihnen zu erklären, dass Ihr Bleichmittel nichts tauge und Ihre Wäsche vergilbt sei.

3. Sie zieht nicht die Brauen hoch, wenn Sie sich Kaffee, Butter und Kartoffeln fürs Abendessen bei ihr leihen, nachdem Sie eben acht Riesentüten aus dem Supermarkt ins Haus getragen haben.

4. Sie schmollt nicht hinter Ihrer Ligusterhecke, wenn Sie Kartentische und Besteck für eine Party bei ihr ausleihen, zu der Sie sie nicht eingeladen haben.

5. Sie hält es nicht für ihr gutes Recht, Ihre Verwandtschaft zu kritisieren, nur weil Sie ihr täglich stundenlang von ihr vorjammern.

6. Sie bestreitet nicht, dass sie Sie gut genug kennt, um einen Bestseller über Sie zu schreiben, aber nicht gut genug, um ohne anzuklopfen bei Ihnen einzutreten.

Zeigen Sie mir eine Frau, die nichts von nachbarschaftlichen Kontakten hält – dann zeige ich Ihnen eine, über die sich alle in der Nachbarschaft das Maul zerreißen.

Wie man Mama aufweckt

Wie ich aufwache, entscheidet normalerweise für den Rest des Tages über mein Wohlbefinden.

Wenn man mich auf natürlichem Wege aufwachen lässt, stelle ich mich den Anforderungen des Tages relativ munter und ausgeglichen. Wenn die Kinder das Aufwecken übernehmen, stehe ich missmutig und einsilbig auf und ermüde sehr schnell. (Einmal schlief ich doch tatsächlich ein, während mir der Zahnarzt eine Plombe verpasste.)

»Ich glaube, sie hört uns. Ihre Augenlider haben geflattert.«

»Wartet bis sie sich umdreht, dann alle loshusten.«

»Sie zieht sich die Decke übers Gesicht. Fang an zu husten.«

Ich weiß nicht, wie lange es noch dauert, bis eines meiner Kinder herauskriegt, dass man nur den Puls zu messen braucht, um festzustellen, ob ich nur so tue oder ob ich wirklich schlafe. Aber es wird nicht mehr lange dauern.

Als sie kleiner waren, waren sie weniger feinfühlig. Sie haben ihre nassen Finger in meine Nase, Augen und Ohren gesteckt und geflüstert: »Bist du wach?« Oder der liebe Daddy hat ein Windelpaket auf mich gelegt und gesagt: »Da ist Mamis kleiner Junge.« (Jede Mutter, die ihre Sinne halbwegs beisammen hat, weiß: Sobald aus Daddys kleinem Jungen Mamis kleiner Junge wird, ist Daddys kleiner Junge triefend nass.)

Die kindliche Phantasie versetzt mich immer wieder in Erstaunen. Einmal legten sie mir einen Hamster auf die Brust, und als ich mich im Bruchteil einer Sekunde kerzengerade aufrichtete (meine Sprechmuskeln waren vor Schreck gelähmt), fragten sie mich: »Hast du vielleicht ein bisschen Alkohol für unseren Chemiebaukasten?«

Das wahrscheinlich nervigste Wecksignal ertönte vor ein paar Wochen, als ich meine Augen ohne jede Nachhilfe aufschlug. »Die Kinder haben es doch wieder geschafft«, brummte ich. »Wie soll ich bei dieser höllischen Stille schlafen? Als es das letzte Mal so ruhig war, saßen sie in ihren ausgefransten Pyjamas draußen vorm Haus und stopften Frühstücksflocken in sich rein.« Ich machte mich auf die Suche.

Ich fand sie in der Küche über ihren Frühstücksflocken. Kein Lärm. Kein Streit. »Geh wieder ins Bett«, riefen sie. »Wir wollen frühestens um halb zehn Mittagessen.«

Zweifellos brach da wieder einer dieser Tage an.

Wenn das Jüngste in die Schule kommt

Eine der übelsten Formen, Frauen von heute zu terrorisieren, ist die Frage: »Was werden Sie anfangen, wenn erst mal alle Ihre Kinder in der Schule sind?«

Dann entsteht das trostlose Bild einer einsamen Mutter, die ein Paar schmutzige Socken vom Boden aufliest und herzzerreißend hineinschluchzt: »Mein Baby! Mein Baby!« Einer Frau, die durch das Haus geistert, innerlich leer, die tapfer gegen die Erkenntnis ankämpft, dass sie fortan von einem Pausenbrot und einer anderen Frau ersetzt wird, die sie am liebsten verklagen möchte, weil die ihr ihr Kind entfremdet. Das Bild einer desillusionierten Frau ohne Aufgabe, die irgendwie die Zeit totschlagen muss, bis der Schulbus ihre Brut wieder am Straßenrand ausspuckt, damit sie sie in die Arme schließen kann.

Für manche Frau mag das eine realistische Vision sein, vor allem, wenn sie ohnehin nie viele Interessen hatte. Die Geburt der Kinder war die Antwort auf ihr Problem. Die Kinder waren ihre Krücke, ihr Trumpf im Ärmel, ihre Entschuldigung, um nicht vor die Tür gehen zu müssen, nach Abwechslung zu suchen, neue Freunde kennenzulernen, sich um ihre Frisur zu kümmern, mal ein Buch zu lesen oder einfach eine Frau zu sein. Sie trug ihre Kinder wie ein Haarnetz und erzählte allen, wie sehr die Kinder sie brauchten – und im Grunde war es genau umgekehrt.

In den Ohren der meisten Frauen aber ist die Schulglocke die Glocke der Freiheit. Vorbei! Sie hat es geschafft! Zum ersten Mal seit Jahren hat sie wieder Zeit für sich selbst, Zeit, über die sie allein verfügen kann. Auch diese Frau wollte Kinder, aber aus einem anderen Grund. Sie erfüllten ihr das starke Bedürfnis zu lieben, sie zu umsorgen und sie der Welt als Vermächtnis zu hinterlassen. Nicht erfüllen konnten sie allerdings ihre Ambitionen, ihr Streben nach Individualität und ihren Wunsch, ihr Scherflein zu diesem Dasein beizutragen, auch wenn es noch so klein ist.

Ich habe Frauen gesehen, die aus dem Kokon aus Mittagsschläfchen und Erdnussbutter wie wunderschöne Schmetterlinge geschlüpft sind, die sich wieder öffentlich engagierten und sich zu aktiven Mitgliedern der Gesellschaft entwickelten, die Talente und Begabungen zeigten, mit denen sie nicht nur die anderen überraschten, die Fähigkeiten wiederentdeckten, die sie vor der Geburt ihrer Kinder besessen hatten, und die sich schließlich auch wieder um ein attraktives Äußeres kümmerten.

Allerdings habe ich auch gesehen, wie manche der Mutlosigkeit anheimfielen, vor lauter Verzweiflung zweimal die Woche den Küchenboden schrubbten und dabei immer die gleichen Sätze vor sich hin murmelten: »Ich kann nicht ... (was auch immer). Ich habe doch Kinder.«

Als Frau, die das Drama mit dem Titel »Wenn das Jüngste in die Schule kommt« überlebt hat, möchte ich Ihnen einen kleinen Rat geben. Sehen Sie ganz genau hin, wenn Ihnen Ihr Sprössling aus dem Bus zuwinkt. Gießen Sie sich eine schöne Tasse Kaffee ein und weinen Sie mindestens fünf Minuten lang wirklich herzzerreißend. Haben Sie dann noch nicht genug gelitten, gehen Sie langsam durchs Haus und lauschen Sie der Stille. Wenn Sie wollen, können Sie dann auch noch eine Runde Schuldgefühle einlegen. (»Warum war ich den ganzen Sommer über so ekelhaft zu ihm?«)

Aber dann drücken Sie die Schultern durch, holen Sie tief Luft und sehenSie aus dem Fenster. Da draußen liegt die große weite Welt. Sie haben sie verdient! Und jetzt genießen Sie sie!

Wie man die Mutterschaft überlebt

Ich habe herausgefunden, dass eine der schönsten Entschädigungen für eine Mutter die Verwünschungen sind, die man seinen Kindern androht für die Zeit, in der sie selbst einmal Kinder haben werden. So nach dem Motto: »Warte nur, mein Kind ... du kriegst es auch noch zu spüren.«

Zu meinen frühesten Erinnerungen an dieses Menschheitsritual gehört der Tag in meiner Kindheit, als ich dabei erwischt wurde, wie ich das an der Wäscheleine flatternde Korsett meiner Mutter mit Dreck bewarf.

Zornig schüttelte meine Mutter die Faust und rief: »Deine Kinder sollen einmal eingewachsene Fußnägel haben!« Als sie merkte, dass mich das kalt ließ, steigerte sich die Verwünschung noch: »Und deine Tränen sollen so salzig sein, dass du eine Woche lang nur Lauge spuckst!«

Ich kann nicht behaupten, dass ich das alles damals verstanden hätte, aber ihrem Ton nach zu urteilen gratulierte sie mir bestimmt nicht gerade zum Geburtstag. Meine Großmutter ging ähnlich mit mir um. Manchmal, wenn meine Mutter einen schlechten Tag gehabt hatte, lächelte Großmutter still vor sich hin und sagte: »Ich hab’ es dir ja gesagt, meine Liebe: Wenn du dein Bett auf Dornen machst, musst du barfuß drübergehen.«

Oder wenn sie Mutter wirklich fertigmachen wollte, sagte sie: »Hab’ ich dir nicht prophezeit, dass deine Unterlippe eines Tages so weit runterhängen würde, dass du sie hochklammern musst?«

Während meiner Kindheit sprudelten die Weisheiten dieser Art nur so, und ich hatte oft das Gefühl, mit zwei glutäugigen Zigeunerinnen zu leben. Ermutigende Sätze wie »Ich wünsch’ dir an deinem Hochzeitstag eine Warze auf der Nase und in den Flitterwochen Sodbrennen.« Oder »Pass auf, mein Fräulein, kleinen Mädchen, die ihrer Mutter widersprechen, fällt irgendwann die böse Zunge ab!«

Nichts von alledem schien mir viel Sinn zu ergeben, bis ich selbst Kinder hatte. Verwünschungen gegen meine eigenen Kinder auszustoßen, ist mir bereits in Fleisch und Blut übergegangen. Auf keine andere Art und Weise lassen sich meine Ängste, mein Zorn und mein Frust besser bewältigen.

Und das Beste daran ist, dass die Kinder keine Silbe davon verstehen.

Ein Trick funktioniert bei ihnen einfach immer: Ich lasse die Schultern sinken, die Arme locker an der Seite hängen und nicke müde. Ich schweige so lange, bis ich mir ihrer Aufmerksamkeit sicher sein kann. Dann lege ich los: »Wartet ... wartet nur ... bis ihr selbst einmal Mutter seid!« (Hin und wieder erinnert mich mein Sohn, der für sein Alter sehr aufgeweckt ist, daran, dass er ein Junge ist, und dass nur die weibliche Hälfte der Bevölkerung Mutter werden kann. Trotzdem versteht er. Das weiß ich.)

Verwünschungen auszustoßen ist gar nicht so einfach. Man braucht eben den richtigen Anlass, der einen auf die Palme bringt. So ging es mir vor ein paar Tagen, als ich einen Haufen dreckiger Socken in der Spielzeugkiste fand.

Ich schrie aus Leibeskräften: »Ich hoffe, ihr kriegt eineiige Zwillinge ... im Abstand von zwei Wochen! Ich hoffe, ihr kriegt eine Terrasse, die nach Norden raus geht! Euer Vater soll bei der Taufe eures Sohnes laut rülpsen.«

Und wenn sie von der Schule nach Hause kommen, fallen mir bestimmt noch weitere Flüche ein.

Ein Kostüm für die Schulaufführung

Es gibt nichts, was mich am Morgen mehr in Stimmung bringt, als ein Kind, das hysterisch schreit: »Mama! Ich brauche ein Kostüm! Wir spielen heute Theater.«

Manche Mütter haben Glück. Sie haben Kinder, die nur schöne Rollen bekommen. Ihre kleinen Mädchen spielen Märchenprinzessinnen mit Zauberstäben und Sonntagskleidchen, und ihre kleinen Buben treten als Spielzeugsoldaten auf, die aus der Spielzeugkiste eingekleidet werden können.

Aber meine Kinder nicht. Sie übernehmen die Rolle des bösen Zahns, des sechzehnten Zusatzartikels zur US-Verfassung oder die von Mister Höflichkeit.

Der böse Zahn ging ja noch. Ich habe das Kind in ein weißes Laken gehüllt und ihm eine Rosine in den Bauchnabel gesteckt, die das Loch darstellen sollte.

Der sechzehnte Zusatzartikel war etwas komplizierter. Er regelt die Befugnis des Kongresses, eine Einkommensteuer zu erheben und einzutreiben. Wir steckten sie also in einen riesigen Anzug, drehten die Taschen nach außen und malten ihr einen Scheck auf den Mund, auf dem stand: Nicht gedeckt!.

Mister Höflichkeit war eine echte Herausforderung! Wir steckten ihn schließlich in ein Supermankostüm und empfahlen ihm zu lächeln, was das Zeug hielt.

Letzte Woche kam wieder eins der Kinder an: »Du, Mama, ich hab’ vergessen, es dir zu sagen, aber ich spiele heute in einem Theaterstück mit.«

»Nur keine Aufregung«, sagte ich gelassen. »Ich sorge für ein Kostüm. Was für eine Rolle spielst du?«

»Ich bin ein Partizip«, sagte er.

Ich stützte mich am Herd ab. »Partizip Präsens oder Partizip Perfekt?«

»Nicht doch!«, sagte er. »Ich bin nur das Partizip Präsens, Dan Freeby ist das Partizip Perfekt.«

»Wunderbar. Und was hast du dir vorgestellt?«

»Eigentlich noch nichts. Der Lehrer meinte bloß, ich müsste mich von Mike Ferrett unterscheiden.«

»Was zieht der an?«

»Keine Ahnung. Was halt Substantive so tragen.«

»Du hast recht«, sagte ich. »Wenn man ein Substantiv kennt, kennt man alle. Sieh mal, warum ziehst du nicht einfach ein sauberes Hemd und einen ärmellosen Pullover und deine Sonntagshosen an?«

»Das ist doch blöd«, widersprach er. »Wer soll mich denn so als Partizip erkennen?«

»Und wer sollte wissen, dass du keins bist?«, gab ich zurück.

»Vielleicht hilft es dir«, sagte er, »dass ich eigentlich genauso aussehe wie ein Gerundium.«

Für den Fall, dass ich diesen Vormittag überleben würde, wollte ich mir einen starken Kaffee mit Cognac genehmigen, so viel stand fest.

Zu alt für das Mittagsschläfchen

Eine Gruppe junger Mütter stand vor Kurzem am Planschbecken und unterhielt sich über das Mittagsschläfchen ihrer Kleinen.

»Ich glaube, Lisa ist aus dem Alter raus«, meinte eine hübsche Blonde. »Sie ist jetzt zweiundzwanzig Monate und hat mir kürzlich erklärt, dass sie sich nachmittags nicht mehr hinlegen will.«

Ich wäre vor Staunen beinahe ins Becken gefallen. Wo kommen wir denn hin, wenn ein nicht einmal zweijähriges Kind seinen eigenen Zeitplan festlegt?

Bei mir ging es nie darum, ob die Kinder Mittagsschlaf halten oder nicht, sondern vielmehr darum, wann man als Mutter zu alt ist für das Mittagsschläfchen. Es kommt mir vor wie gestern, dass mich mein Sohn zu einer Entscheidung gedrängt hat.

»Muss ich heute Nachmittag wieder schlafen?«

»Ja.«

»Warum?«

»Weil ich heute morgen beim Zahnarzt eingeschlafen bin.«

»Warst du müde?«

»Langweilig war mir bestimmt nicht.«

»Kann ich spielen, solange du schläfst?«

»Nein!«

»Warum nicht?«

»Weil du immer was anstellst.«

»Was denn zum Beispiel?«

»Zum Beispiel hast du die Öffnung vom Gartenschlauch mit Kaugummi verklebt und das Wasser aufgedreht, bis der Schlauch platzte und es im Wohnzimmer eine Überschwemmung gab.«

»Nenn mir noch ein Beispiel!«

»Leg dich schlafen.«

»Kann ich was zu trinken haben?«

»Nein.«

»Schau mal, mein Fuß! Meine Nägel werden schon ganz schwarz.«

»Wie wär’s, wenn du dir die Füße waschen würdest?«

»Was passiert, wenn ich mich jetzt nicht hinlege?«

»Dann gehst du um halb sechs ins Bett.«

»Warum muss ich mich hinlegen, wenn du müde bist?«

»Aus dem gleichen Grund, aus dem ich dir einen Pullover überziehe, wenn mir kalt ist.«

»Ich bin der Einzige in der fünften Klasse, der mit verschlafenem Gesicht zur Turnstunde kommt.«

»Das ist also der Dank für eine Mutter, die jeden Nachmittag zwei Stunden opfert, damit ihr Kind genügend Schlaf bekommt.«

Er seufzte und sagte: »Soll ich dich auf die Seite rollen, wenn du zu schnarchen anfängst?«

Er musste immer das letzte Wort haben.

Mutterblicke

Keines der bekannten Kommunikationsmittel ist so effektiv wie der Mutterblick. Oder anders ausgedrückt: Der Blick einer Mutter ist so gut wie tausend Ohrfeigen. Hier eine Auswahl, die, jeweils an die Situation angepasst, zur Standardausrüstung gehört.

Der Todesblick: Kommt bei einem Kind zum Einsatz, das man mit dem Finger in der Nase ertappt. (Er ähnelt dem starren Blick, der in der Regel angewendet wird, wenn man die Aufmerksamkeit eines Kellners erzwingen will, ist aber ein bisschen anders.) Es handelt sich um einen unerschütterlichen, unnachgiebigen Blick. Die Stirn ist gerunzelt, die Lippen sind nur noch ein Strich, nicht die Spur eines Lächelns. Die Miene verharrt in einem hypnotischen Ausdruck, bis der Finger aus der Nase genommen wird.

Der ausdruckslose Blick: Wird hauptsächlich am Abendbrottisch bei Kindern zur Geltung kommen, die ihr Glas randvoll gießen, Soße von den Fingern schlecken und sich die Backen vollstopfen. In besonderen Fällen wird dieser Blick von einem gezielten, schnellen Tritt ans Schienbein begleitet.

Der Märtyrerblick: Dieser unverkennbar schmerzerfüllte Blick wird dann angewandt, wenn ein Kind im Mittelgang der Kirche im Trainingsanzug nach vorne schreitet oder Sie während einer Cocktailparty an die zwei Dollar erinnert, die Sie sich von ihm geborgt haben. Manchmal wird der Märtyrerblick mit dem ausdruckslosen Blick verwechselt. Sollten Sie im Zweifel sein, denken Sie daran, dass der Märtyrerblick von Tränen begleitet wird, von Beißen auf die Unterlippe, bis sie blutet, oder von Ohnmachtsanfällen.

Der verzweifelte Blick ist die Pantomime in Reinkultur. Der Kiefer ist unbeweglich, die Lippen kräuseln sich, die Augen sind zusammengekniffen und blicken drohend in alle Richtungen. Dieser Blick kommt dann zum Einsatz, wenn ein Kind ein loses Mundwerk hat und beispielsweise laut fragt, ob es wahr sei, dass Tante Helen mit einem Mann, sofern sie einen fände, nichts anzufangen wüsste. Befindet sich Tante Helen gerade im Zimmer, wenn diese Worte geäußert werden, greift eine Mutter nicht selten zu ihrem flehentlichen Blick um himmlischen Beistand.

Der flehentliche Blick um himmlischen Beistand ist ein verzweifelter Blick, bei dem sich der Kopf gen Himmel richtet, die Augen nach hinten rollen, bis nur noch das Weiße zu sehen ist, und die Lippen sich endlos in vermeintlicher Wiederholung eines Mantras bewegen.

Der vielleicht gefürchtetste aller mütterlichen Blicke ist der Nicht-Blick. Dabei handelt es sich um einen vollkommen leeren Gesichtsausdruck in Richtung eines Kindes, das mit Lehmschuhen auf dem Sofa turnt oder um zwei Uhr nachts auf einer Erwachsenenparty herumtollt. Der Blick ist leer, aber er hat es in sich. Die wohl wörtlichste Auslegung des Nicht-Blicks stammt von einem Jungen: »Wenn die Gäste dann gehen, verdrückt man sich am besten ins Bett und tut klein und hilflos, bis sie sich wieder abgeregt hat.«

Chronischer Schreihals

Seit Präsident Nixon in seiner Antrittsrede dafür plädierte, »leise genug zu sprechen, damit wir neben unseren Stimmen auch unsere Worte hören«, habe ich Zweifel an der Angemessenheit meiner lauten Stimme.

Ich habe schon immer die Eltern bewundert, die ihre Kinder im Flüsterton zur Räson bringen können: »Arthur, es ist furchtbar ungezogen von dir, alle Gashähne aufzudrehen. Ich möchte, dass du jetzt deine kleine Schwester an die frische Luft schleifst, dort Mund-zu-Mund-Beatmung machst und dich entschuldigst. Du willst doch bestimmt nicht, dass Mama laut wird.«

Ich bin laut. Als eines der Kinder im Urlaub während der Fahrt durch Georgia die Heizung im Auto anstellte, versicherte mir meine Mutter später, die Erschütterungen seien bis hinauf nach Port Huron in Michigan zu spüren gewesen.

Niemand wird als zänkischer Mensch geboren. Wenn ich früher miterleben musste, wie Frauen mit hochrotem Kopf ihre Kinder anbrüllten, sagte ich mir jedes Mal: »Meine Güte, die Frau kriegt noch einen Herzinfarkt. Man sollte ein Kind nicht im Zorn erziehen.« (Damals war ich fünf Jahre alt und wurde von meiner Mutter mit einem Lineal verdroschen.)

Diese Philosophie haben meine eigenen Kinder wie ein Kartenhaus zum Einsturz gebracht. Es fängt nämlich schon damit an, dass ich nur zweiunddreißig Stunden in der Woche nicht wütend bin, und das sind die zweiunddreißig Stunden, die ich schlafe.

Außerdem habe ich festgestellt, dass Kinder niemals ein »Nein« akzeptieren, wenn dabei nicht das Porzellan im Schrank scheppert.

Aber das überzeugendste Argument ist wohl, dass ich Läufer hatte. »Läufer« sind Kinder, die sich, wenn sie etwas angestellt haben, so schnell sie nur können, auf die Straße, auf Bäume, in den Keller, zu Nachbarn, auf Dachböden oder in Abwasserkanäle verziehen.

Haben Sie schon jemals versucht, jemandem etwas im Flüsterton beizubringen, den Sie nicht sehen können? Aus diesem Grund habe ich mich aufs Schreien verlegt.

Wir hatten einmal eine Nachbarin, die in der falschen Zeit lebte. Sie hätte in einen Reifrock auf die Terrasse von Tara gehört.

Vier Jahre lang wohnte ich neben ihr, und diese grässliche alte Dame erhob nicht ein einziges Mal ihre Stimme. Man kann sich unschwer vorstellen, wie ich im Vergleich zu ihr klingen musste ...

Eines Tages warfen die Jungs einen Ball gegen ihr Haus, woraufhin sie wie eine überirdische Erscheinung in den Türrahmen trat, sie zu sich winkte und mit leiser Stimme bat: »Jungs, würdet ihr bitte einen Moment reinkommen?«

Ich beobachtete, wie sie gestikulierte, redete und lächelte. Als sie fertig war, verzogen sich die Jungs.

Ich befragte meinen Sohn. »Was hat die reizende alte Dame denn zu euch gesagt?«

»Sie sagte: Wenn wir ihr die Scheibe einwerfen, poliert sie uns die Fresse!«

Von diesem Tag an verzieh ich ihr ihre vornehme leise Stimme. Was ihr an Volumen fehlte, ersetzte sie durch Inhalt. Das nenne ich Klasse!

Ich hätte Präsident Nixons Ratschlag gerne befolgt, aber wenn man vom vielen Schreien schon Krampfadern am Hals hat, ist das nicht so leicht. Würden Sie bitte die Kaffeetasse abstellen und mir endlich zuhören? Ich sagte ja, es ist nicht einfach!

Das jüngste Kind erzählt einen Witz

Unser jüngstes Kind versucht seit drei Jahren, am Abendbrottisch einen Witz zu erzählen. Den gleichen!

Mir tut mein Kind leid. Der Jüngste in der Familie zu sein bedeutet, dass alles, was einem einfällt, entweder schon gesagt ist oder nicht wert ist, gesagt zu werden. Wir wissen immer ganz genau, wann der Postbote seine Lieblingszeitschrift bringt. Dann kommt er nämlich in die Küche gerannt und ruft: »Warum mussten der alten Dame gleich drei Pfadfinder helfen, die Straße zu überqueren?«, und eines der älteren Kinder gibt zurück: »Weil sie gar nicht rüberwollte, du Knallkopf!«

Ich wünsche mir bei solchen Gelegenheiten immer, er würde die Zeitschrift nehmen, sie zerreißen und auf ihr herumtrampeln, aber das macht er nie. Er schaut bloß ganz erstaunt, dass die anderen die Antwort schon kennen, und sagt: »Ja, genau.«

Und einen Monat später wieder das gleiche Spiel: »Weißt du, was am Morgen auf vier Beinen, am Mittag auf zwei Beinen und am Abend auf drei Beinen geht?« Seine Schwester verdreht die Augen und antwortet: »Der Mensch.«

Und er sagt verblüfft: »Ja, stimmt.«

Vor etwa drei Jahren fragte er: »Kennt ihr die Geschichte von dem Mann, der eine Mausefalle gekauft hatte und zum Kühlschrank ging, um sich ein Stück Käse zu holen, und ...«

»Ach, da fällt mir ein«, unterbrach ihn sein Vater. »Wer hat den Bierkäse gegessen?«

»Ich hab’ ihn nicht gegessen«, antwortete eines der Kinder. »Ich hab’ ihn als Fischköder benutzt.«

In den folgenden Monaten hörten wir die Einleitung des Witzes ungefähr ein dutzend Mal, aber jedes Mal unterbrochen, nie vollständig.

Irgendwann letzte Woche bat ich schließlich: »Erzähl mir den Witz von dem Mann mit der Mausefalle und dem Käseköder.«

»Also«, begann er und richtete sich auf dem Stuhl auf, »er stellte fest, dass er keinen Käse hatte. Also schnitt er ein Bild von einem Käse aus einer Zeitschrift aus. Und was meinst du, war in der Mausefalle, als er am nächsten Morgen aufwachte? Das Bild von einer Maus.«

»Erzähl den Witz beim Abendessen«, forderte ich ihn auf.

Unter stummem Protest hörte sich die Familie die Geschichte ohne Unterbrechungen an. Als er sich dem Höhepunkt näherte, war er vor Aufregung ganz außer sich. Seine Augen glänzten, es hätte nicht viel gefehlt, und er wäre über seinem Stuhl geschwebt. »Und wisst ihr, was am nächsten Morgen in seiner Mausefalle war?« fragte er. »Eine Maus!«

Niemand sagte ein Wort. Ich frage mich, ob unsere Fernsehunterhalter auch mal so klein angefangen haben ...

Nie mehr Haferflockenküsse

Eine junge Mutter schreibt: »Sie haben über das Leere-Nest-Syndrom geschrieben, die einsame Zeit im Leben, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Ich allerdings stecke gerade bis zum Hals in schmutziger Wäsche und lehmverkrusteten Stiefeln. Das Kleine zahnt, die beiden Größeren prügeln sich. Mein Mann hat eben angerufen und gemeint, wir sollen ohne ihn zu Abend essen. Außerdem halte ich meine Diät nicht durch. Können Sie mir bitte noch einmal erklären, was es mit dem oben erwähnten Syndrom auf sich hat?«

Also gut: Demnächst werden Sie Ihre Kinder anschreien: »Wenn ihr doch nur schon erwachsen wärt und euch dementsprechend benehmen würdet!« Und das werden sie. Oder: »Geht raus und sucht euch draußen was zu tun ... und macht die Tür bitte leise zu!« Das werden sie nicht.

Sie werden das Schlafzimmer der Jungs aufräumen: alle Aufkleber abgelöst, Bettzeug faltenfrei glatt gestrichen, alle Spielsachen säuberlich im Regal. Im Schrank hängen die Kleiderbügel, die Tiere sind im Käfig. Und automatisch sagen Sie: »Und so bleibt es jetzt!« Und es bleibt auch so.

Sie bereiten ein perfektes Essen zu mit einem Salat, in dem niemand herumgemanscht hat, und backen einen Kuchen ohne Fingerspuren auf dem Zuckerguss. Dann rufen Sie: »Das Essen ist fertig!«, und müssen alles alleine essen.

Sie werden sagen: »Ich möchte allein sein und in Ruhe telefonieren. Kein Affenzirkus! Ruhe! Habt ihr gehört?« Und es wird so sein.

Keine Plastiktischdecken mehr, auf denen Spaghetti kleben. Keine Laken auf dem Sofa, um es vor feuchten Popos zu schützen. Keine Gitter, über die man auf dem Weg in den Keller stolpert. Keine Wäscheklammern unter dem Sofa. Keine Spielwiesen mitten im Wohnzimmer.

Keine sorgenvollen Nächte unter dem Sauerstoffzelt. Kein Sand mehr im Bett, keine Spielzeugtiere im Badezimmer. Keine aufbügelbaren Flicken mehr, keine Haargummis für Pferdeschwänze. Nie mehr zu kleine Stiefel oder feuchte, verknotete Schnürsenkel.

Stellen Sie sich vor: Ein Lippenstift, der nicht abgebrochen ist! Kein Babysitter für Silvester. Wäsche nur noch einmal in der Woche. Ein Steak, das nicht im Fleischwolf war. Zahnsteinentfernen ohne ein Baby auf dem Schoß.

Kein Elternabend mehr. Keine Fahrdienste zu irgendwelchen Partys mehr. Keine laut aufgedrehten Radios. Kein Haarewaschen um elf Uhr nachts. Eine eigene Rolle Tesafilm.

Lassen Sie sich das durch den Kopf gehen. Keine Weihnachtsgeschenke aus Zahnstochern und Kinderkleber mehr. Keine feuchten Haferflockenküsse. Keine Zahnspangen. Kein Kichern in der Dunkelheit. Keine aufgeschürften Knie, keine Verantwortung.

Nur diese Stimme: »Warum wirst du nicht endlich erwachsen?«, und das Echo in der Stille: »Ich bin erwachsen.«

»Sind wir reich?«

Vor ein paar Tagen fragte Brucie aus heiterem Himmel: »Sind wir reich?«

Ich verharrte auf den Knien, während ich einen Vierteldollar aus dem Staubsaugerbeutel fischte, den Staub wegblies und antwortete: »Nicht sonderlich. Wieso?«

»Woran merkt man, dass jemand reich ist?«, fragte er weiter.

Ich richtete mich auf und dachte einen Moment lang nach, bevor ich ihm eine Antwort geben konnte.

»Reichsein ist eine relative Angelegenheit. Ich erkenne es in der Regel an Folgendem:

Reich ist, wer das Benzin immer an der gleichen Tankstelle kauft, damit die Gläser, die man dort geschenkt bekommt, zusammenpassen.

Reich ist, wer acht Leute zum Abendessen einladen kann, ohne zwischen Vorspeise und Hauptgang das Besteck abspülen zu müssen.

Reich ist, wer die Kleidung für sein Kind zwei Nummern zu groß kauft und vier Nummern zu groß für das nächste.

Reich ist, wer ein Boot besitzt ohne Ruder.

Reich ist, wer einen Scheck ausschreiben kann, ohne gleich rechnen zu müssen.

Reich ist, wer mit der Kassiererin scherzen kann, während der Computer die Deckung des Kontos überprüft.

Reich ist, wer der Lehrerin auf bedrucktem Briefpapier schreibt.

Reich ist, wer einen Fernsehapparat mit fünfzig Knöpfen besitzt.

Reich ist, wer eine Strumpfhose wegwerfen kann, nur weil sie ein großes Loch hat.

Reich ist, wer nicht die Gummibänder vom Gemüse aufhebt.

Reich ist, wer zu Hause eine Hochzeit feiern kann, ohne dass auf den Klappstühlen Bestattungsinstitut Heaven zu lesen ist.

Reich ist, wer einen Stapel der New York Times im Keller hat, wenn die Pfadfinder zum Sammeln kommen.

Reich ist, wer einen Hund hat, der nass ist und doch gut riecht.

Reich ist, wer so gepflegtes Haar hat, dass alle meinen, es sei eine Perücke.«

Brucie sah mich einen Moment lang schweigend an, dann meinte er: »Ich glaube, mein Freund Ronny ist reich.«

»Wie kommst du darauf?«, wollte ich wissen.

»Auf dem Geburtstagskuchen, den seine Mutter für ihn in der Bäckerei gekauft hat, fehlte nicht eine Zuckerperle.«

»Ja, das klingt nach reich«, seufzte ich.

Als Gott die Mutter schuf

Als Gott die Mutter schuf, arbeitete er bereits seit sechs Tagen. Da trat der Engel neben ihn und sagte: »Du machst dir aber furchtbar viel Mühe mit diesem Geschöpf.«

Und Gott antwortete: »Hast du schon die Ausstattungsanforderungen für diesen Auftrag gelesen?


Sie muss voll waschbar sein, aber nicht aus Plastik,

einhundertachtzig bewegliche Teile haben ... alle ersetzbar,

mit schwarzem Kaffee und Resten zufrieden sein,

einen Bauch haben, der im Stehen unsichtbar wird,

Hände, die alles heilen können, vom gebrochenen Bein bis zur unglücklichen Liebe, und noch zwei weitere Paar Hände.«

Der Engel schüttelte den Kopf und sagte: »Drei Paar Hände? Unmöglich.«

»Nicht die Hände machen mir Kopfzerbrechen«, antwortete Gott, »sondern vor allem die drei Paar Augen, die Mütter haben müssen.«

»Drei Paar beim Standardmodell?«, fragte der Engel.

Gott nickte. »Ein Paar, das durch geschlossene Türen sehen kann, wenn sie fragt: ›Was macht ihr Kinder da drin?‹, obwohl sie die Antwort längst kennt. Ein zweites Paar am Hinterkopf, das sieht, was sie nicht sehen soll, aber sehen muss, und natürlich das Augenpaar vorne, das ein Kind ansieht, wenn es Mist baut, und sagt: ›Ich verstehe und ich liebe dich‹, ohne ein Wort zu sprechen.«

»Gott«, sagte der Engel und berührte ihn sacht am Ärmel, »komm schlafen. Morgen ...«

»Ich kann nicht«, antwortete Gott. »Ich bin kurz davor, etwas zu schaffen, das mir sehr ähnlich ist. Ich bin bereits so weit, dass sie sich selbst heilt, wenn sie krank ist ... eine sechsköpfige Familie mit einem Pfund Hackfleisch satt kriegt ... und einen Neunjährigen dazu bringt, sich unter die Dusche zu stellen.«

Der Engel umkreiste das Modell der Mutter langsam und seufzte. »Sie ist zu weich.«

»Aber zäh!«, gab Gott aufgeregt zurück. »Du hast ja keine Ahnung, was so eine Mutter alles tun und aushalten kann.«

»Kann sie denken?«

»Nicht nur denken, sondern auch noch argumentieren und Kompromisse schließen«, sagte Gott.

Schließlich beugte sich der Engel über sie und fuhr mit dem Finger über ihre Wange.

»Da ist ein Loch«, bemerkte der Engel. »Ich hab’ dir doch gesagt, dass du zu viel des Guten versucht hast.«

»Das ist kein Loch«, sagte Gott. »Das ist eine Träne.«

»Wozu?«

»Für Freude, Enttäuschung, Schmerz, Einsamkeit und Stolz.«

»Du bist ein Genie«, sagte der Engel.

Gott wurde ernst. »Ich habe diese Träne nicht geschaffen.«

Mutterschaft – Liebe und Lachen

Hin und wieder erregen meine unbefangenen Ansichten zum Thema Mutterschaft den Zorn einiger Leserinnen.

»Warum haben Sie sich überhaupt Kinder angeschafft?« ... »Sie müssen eine schreckliche Mutter sein!« ... »Ihre Familie tut mir leid!« So und anders lautet die Kritik.

Als ich geboren wurde, war ich vierzig, hatte eine Tasse kalten Kaffee in einer, einen Schwamm in der anderen Hand und eine Migräne, die sich gewaschen hatte. Meine Eltern riefen: »Großer Gott! Wir haben eine einhundertdreißig Pfund schwere Mutter in die Welt gesetzt!« So muss es gewesen sein.

Als ich eines Abends im Kreise meiner drei Kinder saß und mir den Zahnschmelz von den Zähnen schabte, weil ich versuchte, einen verknoteten Schnürsenkel aufzubekommen, den eines der Kinder den ganzen Tag über eingeweicht hatte, begann ich, über Mutterschaft nachzudenken.

Anscheinend standen mir folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

a) Ich konnte mich selbst ernst nehmen, was darauf hinausliefe, dass ich mir eine Flasche Gin hinter die Binde kippte, sobald der Schulbus außer Sichtweite war.

b) Ich konnte die Kinder ernst nehmen, was dazu führte, dass ich schon trinken würde, bevor der Schulbus abfuhr.

c) Ich konnte mir meine Ängste und meinen Frust ehrlich eingestehen und versuchen, das Beste daraus zu machen.

Es ist nicht immer leicht gewesen. Jeder liebt Kinder. Selbstverständlich. Sie sind klein, süß und unschuldig. Sie haben die Welt auf ihrer Seite. Meine Dreijährige grub einmal ihre sämtlichen Zähne in meine Schulter, sodass ich den Arzt aufsuchen musste, der die Wunde genäht hat. Er gab dem Kind eine Tetanusspritze und schnauzte mich an: »Wie konnten Sie das Kind dermaßen provozieren?«

In einem Restaurant habe ich einmal eins meiner Kinder geohrfeigt, weil es die Salzstreuer aufschraubte, das andere, weil es die Soße über den Tisch goss; und das dritte, weil es die Stühle umstellen wollte (obwohl die Gäste noch drauf saßen), woraufhin ein Ehepaar an unserem Tisch stehenblieb und meinte: »Manche Leute verdienen es gar nicht, Kinder zu haben.«

Ich möchte die Eltern sehen, die nicht schon einmal daran gedacht haben, ihr Kind an der nächsten Tankstelle auszusetzen, nachdem es im Auto fünfzig Meilen lang gegen ihren Sitz getreten, einen seiner Schuhe aus dem Fenster geworfen, seine geliebte Spielzeugschlange in Cleveland im Feierabendverkehr verloren und einem sein Eisgetränk über den Rücken gegossen hatte.

Welche Mutter ist noch nie in die Knie gegangen, wenn sie das Zimmer ihres Sohnes betrat, und hat gebetet: »Bitte, lieber Gott, das reicht! Du hast versprochen, mir nur so viel zuzumuten, wie ich ertragen kann.«

Und, mal ehrlich, welche Großmutter hat noch nicht ständig auf die Uhr geschaut, wenn ihr süßer Enkel drei Stunden lang auf dem Klavier hämmerte? (Der Fernsehkinderarzt macht dafür zwar Verstopfung verantwortlich, aber in Wahrheit spielt das Kind einfach verrückt.)

Meinen Kritikern kann ich versichern, dass ich meine Kinder liebe und dass jemand, der lacht ... überlebt!

Wie man mit einem Kleinkind kommuniziert

Ein Vater in Champaign, Illinois, will wissen, wie man mit Kleinkindern kommuniziert.

Sie alle wissen, was Kleinkinder sind. Es handelt sich dabei um etwa sechzig Zentimeter große Menschlein, die unter Couchtischen krabbeln und als Einzige im Haus den Sicherheitsverschluss eines Tablettenfläschchens aufschrauben können.

Insbesondere hatte der oben genannte Vater Schwierigkeiten mit seinem Baby, weil er ihm vergeblich folgende Dinge nahezubringen versuchte:

1. Es bestehen grundlegende Unterschiede zwischen Nahrungsmitteln und Kleidung. Nahrungsmittel sind zum Essen da, Kleidung zum Anziehen. Nahrungsmittel werden innerlich, Kleidung wird äußerlich angewandt.

2. Beiße nichts, was zurückbeißen könnte. Dazu gehören Hunde, andere Kleinkinder, elektrische Kabel und dein Vater, wenn er Football im Fernsehen anschaut.

3. Die Säuberung des Gesichts nach dem Essen ist keine grausame und ungewöhnliche Bestrafung. Es nützt nichts, so zu schreien, dass Mami und Papi von den Nachbarn angezeigt werden.

4. Dein Schnuller ist kein Teil deines Gesichts. Die Entfernung des Schnullers ist keine Operation und erfordert in der Regel auch kein Betäubungsmittel.

5. Verstecke deine Schühchen nicht im Backofen, wenn Mami das Abendessen zubereitet. Der Braten könnte einen komischen Geschmack annehmen.

6. Benutze nicht die Vorhänge im Wohnzimmer, um Hände und Gesicht abzuwischen, es sei denn, diese Vorhänge sind gemustert.

7. Windelausschlag ist keine tödliche Krankheit.

Ich kann durchaus mit dem Vater aus Illinois fühlen, aber ich weiß nicht, was ich ihm raten könnte. Meine Kinder sind an einem Montag geboren, und Sie wissen ja, wie nachlässig am Wochenanfang produziert wird.

Ich kenne keine drei Kinder, die mich weniger verstünden als die meinen. Wenn ich ihre Pyjamas zurechtlegte, das Gitter am Bettchen hochstellte und das Nachtlicht anknipste, erwachten ihre Lebensgeister; sie machten Kopfstand, kramten sämtliche Spielsachen hervor und tollten mit dem Hund herum.

Sobald ich den Telefonhörer in die Hand nahm, gurgelten sie automatisch mit Bleichmitteln, spielten Fußball mit Kartoffeln, kletterten auf den Fernseher oder rissen sich die Kleider vom Leib.

Sagte ich »nein«, kicherten sie, sagte ich »nicht jetzt«, bissen sie mich, sagte ich »kommt her«, rannten sie auf die Straße, sagte ich »esst euer passiertes Lamm«, spuckten sie es mir ins Gesicht.

Mit einem Kleinkind kommunizieren? Ich würde es lieber mit einem noch nicht stubenreinen, nervösen Hund auf einem neuen weißen Teppich probieren.

Die zwölf Schultage

Zur Melodie von »Wer soll das bezahlen?« zu singen.

Am ersten Schultag sagten meine Kinder zu mir: »Bist du nicht froh, dass es kein Schulgeld mehr gibt?«

Am zweiten Schultag sagten meine Kinder zu mir: »Ich brauche fünf Hefte, sechs Schnellhefter und ein ungekürztes Wörterbuch.«

Am dritten Schultag sagten meine Kinder zu mir: »Wir brauchen Farbstifte, deinen alten Plattenspieler, ein Mäppchen und einen Dollar für ein Vorhängeschloss mit Schlüssel.«

Am vierten Schultag sagten meine Kinder zu mir: »Ich brauche einen Gymnastikanzug, Tennisschuhe, eine Badekappe, Nähzeug, Schere, fünf Meter Schnur, eine Nähkreide, zwei Fingerhüte, Schrägband und so etwas wie eine Sandblattfeile.«

Am fünften Schultag sagten meine Kinder zu mir: »Wir brauchen eine Versicherung, vergiss nicht unser Pausenbrot und das Geld für das Labor.«

Am sechsten Schultag sagten meine Kinder zu mir: »Du hast mein Heft vergessen, außerdem die Namensschilder auf meinen Turnsocken, und kannst du mir dein Auto leihen bis drei Uhr?«

Am siebten Schultag sagten meine Kinder zu mir: »Ich brauche einen Fotoapparat, Hockeyschläger und pinkfarbene Gymnastikhosen, eine gestimmte Tuba, ein Schachspiel, eine Nasenklemme und Leggins für nach der Schule.«

Am achten Schultag sagten meine Kinder zu mir: »Haben wir irgendwo alte Schuhe, Lebensmittel, die wir nicht mehr brauchen, Bücher, die wir nicht mehr lesen, und ein bisschen Geld — für eine bedürftige Familie?«

Am neunten Schultag sagten meine Kinder zu mir: »Ich bin heute fotografiert worden. Wenn du die Bilder sehen willst, kostet es zehn, wenn du sie kaufen willst, zwanzig Dollar, keine Briefmarken, kein Scheck, nur Bargeld.«

Am zehnten Schultag sagten meine Kinder zu mir: »Möchtest du Mitglied im Elternbeirat werden oder im Förderverein oder im Diskussionsclub? Die Schulband verkauft Schlüsselanhänger, du verlierst doch andauernd deine Schlüssel.«

Am elften Schultag sagten meine Kinder zu mir: »Wo ist meine Zigarrenschachtel? Hast du meine Milchrechnung bezahlt? Ich brauche fünfzig Cents. Wir werden heute einen Baum pflanzen.«

Am zwölften Schultag sagten meine Kinder zu mir: »Warum weinst du? Du musst doch nichts mehr kaufen. Bist du nicht froh, dass es kein Schulgeld mehr gibt?«

Aufsatz: »Was mich meine Mutter lehrte«

Eines meiner Kinder musste vor Kurzem einen Aufsatz schreiben. Das Thema lautete: »Was mich meine Mutter lehrte.«

Ich war natürlich erst einmal geschmeichelt, als er sich hinsetzte und circa fünfundvierzig Minuten lang ununterbrochen in sein Heft schrieb. Als er fertig war, fragte ich: »Hast du was dagegen, wenn ich es mal lese?«

Er zuckte mit den Schultern. »Nichts dagegen; aber mach’ mir keinen Fleck drauf!«

Was mich meine Mutter lehrte

Logik: »Wenn du von der Schaukel fällst und dir den Hals brichst, gehst du nicht mit mir einkaufen.«

Medizin: »Wenn du nicht aufhörst zu schielen, läufst du bald mit Kreuzblick durch die Gegend!« (Für Kreuzblick gibt es keine Behandlung, keinen Spendenaufruf, keine Heilung.)

Optimismus: »Du wirst dich auf dieser Geburtstagsparty amüsieren, oder ich breche dir sämtliche Knochen im Leib.«

Philosophie: »Zeig du mir einen Jungen mit einer Hausschlange, dann zeig’ ich dir einen Jungen, der seiner Mutter den Tod wünscht.«

Außersinnliche Wahrnehmung: »Zieh den Pullover an! Glaubst du vielleicht, ich wüsste nicht, wann dir kalt ist?«

Wissenschaft: »Streck deine Hand nicht aus dem Autofenster, sonst fliegt sie davon.« (Schwerkraft: Was raussteht, fliegt raus.)

Einsicht: »Ist dir eigentlich klar, dass fünfzig Millionen Kinder in Südostasien liebend gern Brokkoli essen würden ... genauso gern wie Eis?« (Wie kommt man zu einem Brokkolimangel?)

Geld: »Ich hab’ dir doch gesagt, die Zahnfee stellt Schecks aus, weil bargeldloser Zahlungsverkehr für das Finanzamt einfacher zu kontrollieren ist.«

Herausforderung zu Höchstleistungen: »Wo ist deine Schwester? Und sprich nicht mit vollem Mund. Ich warte auf eine Antwort!«

Ethik: »Wenn du zu viel zu tun hast, um den Abfall rauszutragen, hast du auch zu viel zu tun, um Taschengeld zu brauchen.«

Abstammung: »Mach die Tür zu. Oder bist du vielleicht im Urwald zur Welt gekommen?« (Das fragst du mich?)

Spannung: »Weißt du, was ich heute unter deinem Bett gefunden habe?«

Humor: »Wenn dir der Rasenmäher über die Zehen gefahren ist, dann komm bloß nicht zu mir gerannt.«

Ich setzte meine Brille ab und legte das Heft aus der Hand. Ich war einfach platt. Ich wäre nämlich jede Wette eingegangen, dass er in all den Jahren nicht ein einziges Mal zugehört hatte.

Grundrechte eines Babys

Am Vorabend des zweihundertsten Geburtstages unseres Landes ist es nur angemessen, dass die verschiedenen Gruppen sich ihrer Rechte versichern.

Auf verbriefte Rechte können inzwischen Frauen, Senioren, Kinder und sogar Diäthaltende hinweisen. Heute möchte ich das Wort für eine Gruppe ergreifen, die zwar nicht für sich selbst sprechen kann, aber dennoch einen wichtigen Platz in unserer Gesellschaft einnimmt.

Grundrechte eines Babys

Artikel eins: Menschen, die Knoblauch essen, müssen einen Sicherheitsabstand von mindestens drei Meilen zu einem Baby einhalten, sonst droht ihnen Tod durch Ertrinken in Spucke.

Artikel zwei: Empfindliche Strafe droht Menschen, welche die Fußsohlen eines Babys kitzeln, bis es ohnmächtig wird, oder es nach einer Mahlzeit in die Luft werfen.

Artikel drei: Im Falle eines nierenbedingten Missverhaltens ist der Verursacher berechtigt, unverzüglichen Windelwechsel zu verlangen. Öffentliche Ankündigungen, Einzelheiten bei der Berichterstattung und Besichtigungstouren des vorher Beschriebenen sind unnötig.

Artikel vier: Die Entscheidung, passiertes Lamm zu essen oder nicht zu essen, sollte beim Esser und nicht bei dem liegen, der dieses verabreicht. Das Ausspucken des passierten Lamms sollte als mögliche Alternative akzeptiert und nicht als Kriegserklärung gewertet werden.

Artikel fünf: Es sollten neue und innovative Möglichkeiten erprobt werden, um herauszufinden, ob der Brei des Babys zu heiß ist. Wäre es Gottes Wille gewesen, dass Eltern den Brei mit der Zunge prüfen, hätte er Wegwerfzungen erschaffen.

Artikel sechs: Babys sollten die Möglichkeit haben, sich nach Belieben zu äußern, sei es in der Kirche, auf öffentlichen Plätzen, im Kino oder zu später Stunde. Sie wissen noch nicht, dass Freude und Lachen ein Leben lang vorhalten und deshalb sparsam eingesetzt werden müssen.

Artikel sieben: Kein Mensch sollte einen Pullover anziehen müssen, nur weil den Eltern/Großeltern kalt ist oder sie sich gerade unter dem kalten Gartenschlauch erfrischt haben, während es oben Erwähntem heiß ist.

Erster Zusatzartikel: Kein Baby sollte in einem Haus bleiben müssen, in dem es keinen weichen Schoß, kein Lachen und keine Liebe gibt.

Glück und Mutterschaft

Endlich kommen die Wissenschaftler auf dem Gebiet postnataler Depression zu Ergebnissen, die sich sehen lassen können. Wissen Sie, zu welchem Ergebnis sie gekommen sind?

Eine Frau soll nach der Geburt eines Kindes gar nicht glücklich sein.

Viele von uns haben sowas geahnt, es aber nie auszusprechen gewagt.

Meine postnatale Depression dauerte länger als die meisten. Sie fing sieben Monate vor der Geburt des Kindes an und endete, als das Kind siebzehn war. Das heißt, von da an wurde es langsam besser.

Hätte es nicht die Sendung As the World Turns und Schnuller gegeben, wäre ich wahrscheinlich wahnsinnig geworden. Tag für Tag stopfte ich dem Baby den Schnuller in irgendeine Gesichtsöffnung, häufte mir Nudeln mit Butter auf den Teller und setzte mich damit vor den Fernseher, wo ich immer jemanden fand, dem es noch schlechter ging als mir.

Jedesmal, wenn ich zum Kinderarzt ging, suchte ich in den Gesichtern der anderen Mütter nach Spuren von Erschöpfung.

Ich habe nur einmal miterlebt, dass eine Mutter zusammenbrach, das war, als ihr Sohn, ein schlimmer Bengel, über den Teppich schlitterte, alle Anwesenden anrempelte, das Mobiliar umstellte, den Trinkbrunnen ableckte, einem anderen Kind das Buch aus der Hand riss und schließlich im Aquarium fischte. Sie saß da wie betäubt und sagte nur: »Ganz ruhig bleiben!«

Noch einer dieser seltenen Augenblicke der Ehrlichkeit, der vermuten ließ, Mutterschaft bedeute nicht unbedingt perfektes Glück, zeigte sich am Muttertag in der Kirche, als ein neuer Pfarrer, seinen Blick auf die Mütter gerichtet, sagte: »Ich weiß, was Sie denken. Ich weiß, Sie sind müde. Sie haben das Gefühl, in neun verschiedene Richtungen gezogen zu werden. Sie glauben, dass niemand Sie versteht, und Sie sagen sich im stillen: Maria und ihr Kind. Na und?‹«

Wenn man einer neuen Theorie Glauben schenkt, sind ambivalente Gefühle vollkommen normal. Das bedeutet nicht, dass man sein Kind weniger liebt; es bedeutet, dass man sich über die Anforderungen an das eigene Leben vollkommen klar ist.

Eine junge Mutter in Colorado hat mir vor kurzem über ihre beiden Kinder geschrieben, das eine zwei Jahre alt, das andere drei Monate. Sie setzte das Größere aufs Töpfchen, damit sie das Kleine baden konnte. Sie hatte das Baby eben eingeseift, als der Mann vom Elektrizitätswerk zum Stromablesen kam. Plötzlich spielte der Hund verrückt. Das Telefon klingelte. Das Größere hatte genug vom Töpfchen, sprang auf und kippte den Inhalt auf den neuen Teppich. Dann steckte es den Kopf zwischen die Waschmaschine und die Wand, um zu sehen, was der Stromanzeiger machte, und blieb stecken. Das Baby fing an zu frieren und zu schreien. Plötzlich rannten mehrere fremde Hunde durchs Haus. Die Mutter rückte die Waschmaschine zur Seite und zog den blutenden Kopf ihres Sohnes hervor. »Was hätten Sie an meiner Stelle gemacht?« wollte sie wissen.

Ich hätte das getan, was ich schon vor Jahren hätte tun sollen ... ich hätte geheult!

Wegwerfwindeln

Die Frage der Babyboomgeneration lautet nicht: »Gibt es ein Leben nach Abschaffung der Wegwerfwindeln?«, sondern: »Ist dieses Leben noch lebenswert?«

Von Wegwerfwindeln konnte meine Generation nur träumen wie von Kathetern für Babys. Wenn draußen der Schneesturm tobte, pflegte ich vor meinem Panoramafenster zu stehen und zu beten: »Lieber Gott, es ist mir egal, ob der Milchwagen durchkommt oder die Post oder sogar der Schulbus ... aber mach, dass es der Windelservicewagen schafft.«

Vielleicht habe ich mich deshalb so verhalten, weil ich die Schüttel-und-Spül-Ära auf Händen und Knien vor der Toilette noch mitgemacht habe. Keineswegs ein schöner Anblick. Wenn man nicht vorsichtig war, wurden Windel und Arm in die Sickergrube bis in den Vorgarten gezogen.

Als schließlich jemand den Windelservice erfand, waren wir selig. Zugegeben, die letzte Windel am Tag vor Abholung in den Eimer zu werfen, bedeutete, den Verlust des Augenlichtes zu riskieren, aber es war bei weitem besser als das, was wir bis dahin hatten.

Als dann Papierprodukte den Markt eroberten, waren Wegwerfwindeln eine natürliche Konsequenz. Heute kommen alljährlich sechzehn Millionen Windeln zum Einsatz. Umgerechnet sind das über dreieinhalb Millionen Tonnen Müll. Umweltschützer meinen, man müsse irgendwo anfangen. Warum nicht zu Stoffwindeln zurückkehren, die man leert und spült, wäscht, bleicht, weichspült und wiederverwendet?

Könnten wir uns das vorstellen? Als Mutter würde ich eher auf Styroporbecher verzichten und heißen Kaffee aus meinen Händen schlürfen als auf Wegwerfwindeln. Weniger Papierprodukte benutzen? Wie wär’s, wenn man diese kleinen papierenen Flügelhemden abschaffte, die Ärzte ihren Patienten so gerne verpassen, um sie zunächst mal ganz zu verwirren? Warum nicht von zu Hause einen Bademantel mitbringen?

Es ist ja nicht so, als ob wir keine Wahl hätten. Überlegen Sie bloß, wie viel Papier wir sparen könnten, wenn wir auf die achtzehn oder neunzehn Abokarten verzichten würden, die jeden Monat aus einer einzigen Zeitschrift herausfallen. Fragen Sie sich selbst: Brauchen wir das ganze Papier, mit dem neue Schuhe ausgestopft sind? Außerdem besteht absolut keine Notwendigkeit, Jahr für Jahr neue Geschenkschachteln zu produzieren. Meine Mutter hat so viele gesammelt, dass sie jede größere Stadt in diesem Land zehn Jahre lang damit versorgen könnte.

Man muss nur Prioritäten setzen. Was ist wichtiger, wegen eines Risses in der Windschutzscheibe acht Pfund Versicherungsunterlagen auszufüllen oder einem Kind die Windel zu wechseln, das eben Lehm gegessen hat? Es hat in diesem Jahrhundert nur wenige Erfindungen gegeben, die unsere Gesellschaft so sehr verändert haben wie Wegwerfwindeln. Ich glaube nicht, dass der Verbraucher großen Wert darauf legt, ob sein Hamburger in einer weißen Styroporverpackung liegt oder der Sechserpack Bier mit Plastikringen zusammengehalten wird. Aber Einmalwindeln vom Markt zu nehmen, würde Mütter — im wahrsten Sinne des Wortes — in die Knie zwingen.

Lassen Sie uns hoffen, dass die Hersteller bald mit einem Produkt auf den Markt kommen, das umweltfreundlich ist. Die Rückkehr zur Stoffwindel würde uns in die Zeit zurückversetzen, in der es unmöglich war, gleichzeitig zu atmen und ein Kind großzuziehen.

Spucke

Meine Tochter hat mir eine Geburtstagskarte geschickt, auf der gedruckt steht, dass sie mich liebt. Als ich die Karte aufklappte, las ich weiter: »Aber ich habe dir nie verziehen, dass du mir das Gesicht mit Spucke auf dem Taschentuch abgewischt hast.«

Wir lachten. Sie, weil sie dachte, es wäre mir peinlich. Ich, weil ich nie ein Taschentuch benutzt hatte. Ich habe meine Finger benutzt.

Eigentlich hielt ich den Spruch für einen ziemlichen Witz, denn meine Tochter war ein Kind, das aus der Wasserflasche trank und dabei soviel Krümel in dieser Flasche hinterließ, dass sie aussah wie eine Schneekugel.

Noch hat meine Tochter keine Kinder. Woher soll sie also wissen, dass Mütter mit einem Spuckevorrat ausgestattet sind, der sich während der Schwangerschaft genauso wie der Milchvorrat bildet? Deshalb verfügt man nach der Geburt über genau so viel Spucke, wie man benötigt, um ein Kind großzuziehen.

Mütter brauchen jedes Quentchen Spucke, das sie kriegen können. Am Anfang findet man es grässlich, bis man sich dran gewöhnt hat. Wie sollte man sonst Milchflecken von einem Lätzchen entfernen? Lippenstiftküsse von einer Wange? Schokolade von den Lippen? Vogeldreck und Lehm von Schuhen? Eis von Nasen? Essensreste von Kleidern?

Mütter brauchen Speichel, um widerspenstiges Haar zu bändigen, um Senf von Autositzen und Fingerabdrücke von Wänden und Türknäufen zu entfernen. Sie brauchen ihn, um Taucherbrillen in Form zu bringen. (Sie glauben doch nicht, dass Kinder ihre eigene Spucke benutzen, oder?) Bei jedem Kind hatte ich Angst, meine Spucke könnte mir ausgehen, bevor ich das Kind an Wasser und Seife gewöhnt hatte.

Eltern tun viele grässliche Dinge im Namen von Mutterschaft und Vaterschaft. Dabei spielt ihre materielle Lage gar keine Rolle. Wenn Ihnen ein Kind seinen Schuh mit einem Knoten im Schnürsenkel entgegenstreckt, mit dem es den ganzen Tag in Pfützen watete, dann schieben alle Eltern den Schnürsenkel instinktiv in den Mund und versuchen, den Knoten mit den Zähnen aufzumachen. Wenn wir auch nur einen Funken Stolz besäßen, würden wir sagen: »Wenn du mir noch einmal mit einem solchen Schuh daherkommst, kannst du in Zukunft barfuß laufen!«

Und was ist das erste, was Sie tun, wenn ein Kind seinen Kaugummi loswerden will? Sie strecken die Hand aus und sagen: »Spuck ihn aus«, obwohl Sie nicht die leiseste Ahnung haben, was Sie damit anfangen sollen. Es scheint einfach das Gegebene zu sein.

Es gibt keine Mutter auf der ganzen Welt, die nicht mitangesehen hätte, wie ihr Kind mit seinem Essen herum mantscht, bis es aussieht wie eine überfahrene Straßenkatze, und es dann selber isst, damit es nicht vergeudet ist.

Wir sind geboren, um zu opfern, aber meine Tochter ist zu jung und zu unerfahren, um über diese Dinge Bescheid zu wissen. Der Tag wird kommen, an dem sich ihre Spucke auf drei Kindern, einem Sofa, einem Lenkrad, einem Lichtschalter und der Stange eines Einkaufswagens befindet und sie nicht mehr genügend Speichel hat, um ihre Wimperntusche zu korrigieren.

Dann weiß sie Bescheid.

Der Tag, als ich die Socke fand

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