Читать книгу Mäuse im Klavier - Erma Bombeck - Страница 5

Оглавление

Trautes Heim

Haushaltstipps für Eilige

»Also, wenn Sie schon so eine Zeitungskolumne schreiben«, sagte die Stimme am Telefon, »warum geben Sie Ihren Lesern dann nicht mal einen Tipp, wie man eine Nirosta-Spüle sauberhält?«

Ich murmelte etwas von wegen Ausschluss aus dem Elternbeirat aufgrund chaotischer Küchenverhältnisse und verabschiedete mich. Aber die Stimme hatte bereits in ein Hornissennest böser Erinnerungen gestochen.

Vor ungefähr fünfzehn Jahren habe ich für die regionale Zeitung tatsächlich eine Kolumne mit Ratschlägen für die Hausfrau geschrieben. Noch heute versuchen die Hausfrauen in der Umgebung, Schäden zu beseitigen, die ich damals angerichtet habe. Auf eine Frage wie »Wie pflege ich die Toilette?«, antwortete ich: »Zünden Sie täglich Räucherstäbchen an. Nach fünf Jahren sollten Sie allerdings umziehen. «

Was mich wirklich überraschte, war, wie ernst manche Frauen die Hausarbeit nehmen. Es handelt sich für einige tatsächlich um eine Lebensaufgabe. Täglich erreichten mich ihre traurigen Anfragen. »Wie reinige ich meinen Alabaster?« (»Gnädige Frau, ich wusste nicht, dass Vögel schmutzig werden.«) »Gibt es ein Mittel, um Schokolade von Polstermöbeln zu entfernen?« (»Nein, aber es gibt eines, um die Polsterung aus dem kleinen Jungen herauszuprügeln, der die Schokolade auf den Sitzgelegenheiten verspeist hat.«)

Nach mehreren Anrufen wütender Frauen, die meine kleinen Paraffinbällchen im letzten Spülwasser ausprobiert hatten, um ihren Chintzvorhängen neuen Glanz zu verleihen, versprach ich meiner Redakteurin, künftig meine Ratschläge vor Veröffentlichung bei mir zu Hause auszuprobieren. Bald herrschten bei uns Aufregung und Geschäftigkeit wie vor einem Raketenstart.

Meine Experimente führten zu ansehnlichen Ergebnissen.

Um Kalkablagerungen von Duschvorhängen zu entfernen, nehme man einfach eine gute Schere und schneide die Flecken heraus. Je mehr Kalkablagerungen, desto interessanter sehen hinterher die Duschvorhänge aus.

Um die Klaviertasten zu säubern, ziehen Sie Ihren Kindern einfach in klarem Wasser getränkte Wildlederhandschuhe über. Ich wage zu behaupten, dass die Fingerübungen nicht viel anders klingen als sonst auch, aber Sie haben hinterher saubere Klaviertasten.

Ein Sterilisationsapparat, der aus Versehen ohne Wasser erhitzt wurde, liefert interessanten Gesprächsstoff. Staubflusen unter dem Bett dienen kleinen Kindern zu stundenlanger Unterhaltung. (Übrigens auch den Schwiegereltern, bösen Nachbarn und eventuell dem Gesundheitsamt.)

Ich war der Meinung, mit meinen Ratschlägen hätte ich den Bereich der Hausarbeit ziemlich vollständig ausgeleuchtet, bis ich den Brief einer Hausfrau erhielt, die eine sehr originelle Lösung des Bügelproblems gefunden hatte. Sie schrieb: »Zwei- bis viermal im Jahr, immer vor dem Urlaub, packe ich sämtliche ungebügelt gebliebenen Sachen in eine Tüte oder Schachtel und beschrifte sie mit Ostergras, Christbaumschmuck, Flaggen für den Nationalfeiertag (regendurchnässt) oder Halloweenmasken. Sollten sie irgendwann schließlich entdeckt werden, sind die Kinder verheiratet oder haben zumindest einen eigenen Hausstand gegründet.«

Eine Frau mit Verstand!

Liebling, reich mir die Kettensäge

Ich gehöre zu den liebenden Ehefrauen, die dafür plädieren, dass das Rentenalter für Männer auf fünfundneunzig erhöht wird.

Meine Motive sind durch und durch egoistisch. Ich glaube nicht, dass ich Mr. Heimwerker länger als die bisherigen vier Stunden am Tag plus Wochenenden und Feiertage um mich herum ertragen könnte.

Die Post, die ich jeden Tag bekomme, reicht mir. Auf einer Karte stand ein klägliches Hilfe! In einem anderen Brief war mit Bleistift geschrieben: Ich werde gefangen gehalten, und zwar von einem Idioten mit einem Werkzeugkasten, in einem Haus, in dem es seit dreiundzwanzig Tagen kein fließendes Wasser gibt.

Heimwerker sind in der Regel in zwei Kategorien einzuteilen. Erstens der Unterbrechungs-Heimwerker. Das ist der, der jedes Projekt mit Begeisterung aufnimmt. Schon wenige Minuten nach einer vorgebrachten Reparaturbitte steht im Wohnzimmer ein Gerüst, daneben unzählige offene Farbtöpfe, und der Teppichboden ist mit den guten Vorhängen abgedeckt. Dann lächelt er, schlüpft in seinen Mantel und sagt: »Mir ist eben eingefallen, dass ich nach Südamerika muss, um die Tsetsefliege zu studieren. Bitte lasst alles so, bis ich wieder da bin.«

Nicht alle Unterbrecher sind so erfinderisch. Manche ziehen den Herd von der Wand weg, schrauben die Rückverkleidung ab, hängen die Tür aus, legen die Küche mit Brettern aus und sagen dann: »Mir fehlt das richtige Werkzeug. Ich hab’ mein Bestes versucht mit dem alten Pfadfinderbeil und den einfachen Werkzeugen, die ich aus Steinen und Büffelhaut gebastelt habe. Aber wenn man für eine Sache nicht das richtige Werkzeug hat ...« (Zusätzlich zum kalten Abendessen gibt es an diesem Abend noch eine eisige Stimmung.)

Einige Unterbrecher erkennt man schon von Weitem. Das sind die, in deren Fenstern im Winter Fliegengitter und im Sommer Sturmläden eingehängt sind. Sie säen das Gras im Winter und montieren bei Gewitter die Fernsehantenne.

Die zweite Kategorie ist der ewige Bastler. Er schläft so gut wie gar nicht. Und er schiebt nichts auf morgen, was er heute kann besorgen. Schlichte Einwände wie: »Aber wir essen jetzt zu Abend«, oder: »Die Gäste sind schon da«, oder: »Bitte, ich dusche gerade« stoßen auf taube Ohren. Er prescht voran wie eine Herde wilder Büffel.

Einer dieser ewigen Bastler, ein Mann aus dem Mittleren Westen, wurde gebeten, hinter der Waschmaschine einen einfachen Stecker in eine einfache Steckdose zu stecken. Er schwang sich auf die Waschmaschine, wobei er prompt mit dem Fuß den Wählknopf für das Waschprogramm abbrach. Dann beugte er sich nach hinten, schob den Stecker halb hinein, und schon fiel in der Küche der Strom aus.

Als hätte er eins gewischt bekommen, fuhr er zurück und krachte gegen den Ventilator, der daraufhin zerbrach. Dabei ließ er seine Taschenlampe in den Spalt zwischen Waschmaschine und Wand fallen. Obendrein stieß er sich den Kopf am Regalbrett und verhakte sich mit seiner Gürtelschnalle, sodass das Druckventil für das heiße Wasser geöffnet wurde.

Wenn ich Geschichten wie diese höre, frage ich mich allerdings, ob fünfundneunzig nicht vielleicht doch noch zu großzügig angesetzt ist.

Die amerikanische Wäscheleine

Jedes Mal, wenn ich Sonne auf meinem Gesicht spüre und der Wind mir sanft den Rock bauscht, lege ich die rechte Hand auf mein Herz und betrauere den Untergang des hausfraueneigenen Nachrichtensenders: der amerikanischen Wäscheleine.

Wie der amerikanische Büffel, die irischen Tenöre und eine Tasse Kaffee für fünf Cents stirbt auch die Wäscheleine praktisch aus. Und mit ihr das großartigste Kommunikationsmedium, das die Welt je gesehen hat.

Als ich klein war, zogen die Nachbarn am Tag ihres Einzuges die Wäscheleine auf. Und wir schauten und erfuhren: »Wie viele Personen? Mädchen oder Jungen? Alter? Hübsche Unterwäsche?« (Mama pflegte zu sagen, man könne eine Frau nach der Unterwäsche beurteilen, die sie auf die Leine hängt, und ihr Temperament verrate sich durch ihr Verhalten, wenn die Wäscheleine riss.)

Als ich einen eigenen Hausstand hatte, las ich aus der Montagswäsche unserer Nachbarn wie eine Zigeunerin aus dem Kaffeesatz.

Neue Windeln: »Sie hat das Baby mit nach Hause gebracht.«

Marineuniform: »Sein Urlaub wurde bewilligt.«

Zusätzliche Bettwäsche: »Die Schwiegereltern aus Kansas City sind da.«

Schlafsäcke: »Sie hat endlich ein Sommerlager für die Jungs gefunden.«

Decken: »Vorsicht! Sie haben einen Virus.«

Trainingshosen: »Also, das war ja auch Zeit.«

Vorhänge und Kissenbezüge: »Sie fängt jedes Jahr früher an.«

Gummistiefel und Fischernetze: »Ich würde den Kerl sitzenlassen.«

Großer Badezimmerteppich: »Geltungssüchtig!«

Die Wäscheleine war mehr als ein flatterndes Nachrichtenmagazin. Sie war ein Spielfeld für Hausfrauen. Sie rannten um die Wette, jede wollte ihre Wäsche als Erste aufhängen. Wenn die Sonne über einer leeren Wäscheleine aufging, hatte das etwas damit zu tun, ob eine Ehe glücklich oder unglücklich war. So schien es wenigstens.

Aber auch Geschicklichkeit und Ausdauer wurden getestet, denn es kam darauf an, eine dampfende lange Unterhose bei Minusgraden aufzuhängen, bevor sie im Wäschekorb mit übereinandergeschlagenen Beinen einfror.

Für mich war das Wäscheaufhängen eine Art Gruppentherapie ... Verschnaufpause an einem hektischen Tag ... Winken und Hallo ... tiefes Durchatmen an der frischen Luft ... ein Blick zum Himmel ... der Duft von Regen ... rauer Wind, der den Winter ankündigte ... luftgefüllte Kopfkissen und süß duftende Leintücher, die nie ein Bügeleisen sehen sollten.

Wenn es heute noch eine Wäscheleine gäbe, bräuchte ich mir gewiss nicht den Kopf zu zerbrechen über die Koffer auf der Terrasse meiner Nachbarn. Ich wüsste ganz genau, ob sie jetzt in Urlaub fahren oder bereits wieder zurück sind.

Einbrechen ist harte Arbeit

Seit dem Tag, als meiner Mutter aus ihrem eigenen Haus eine Schweizer Armbanduhr, eine Flasche Scotch und eine Schachtel Kekse gestohlen wurden, begegne ich jedem fremden Mann in der Nachbarschaft, der eine Fahne hat, mit Krümeln im Haar herumläuft oder auch nur die genaue Uhrzeit kennt, mit Misstrauen.

Wenn jemand bei uns einbrechen sollte, würde er eher eine Spende hinterlassen, aber trotzdem besteht mein Mann darauf, dass ich jedes Mal, wenn ich aus dem Haus gehe, die Türen abschließe.

Schrecklich für jemanden wie mich, der mit Schlüsseln auf Kriegsfuß steht. Schlüssel sind wie Schirme. Ich möchte mit ihnen nur dann zu tun haben, wenn ich sie unbedingt brauche.

Es kommt vor, dass ich die Schlüssel mitsamt meinen Briefen in den Postkasten werfe, sie als Lesezeichen in ein Buch einlege oder in einen Aschenbecher werfe, meistens aber lasse ich sie im Schloss stecken.

Seit Februar letzten Jahres musste ich achtunddreißigmal in mein eigenes Haus einbrechen. Das Problem des Ausgesperrtseins lässt sich auf verschiedene Arten lösen.

Als erstes kommt Plan A, auch Publikumsalarm genannt, zur Anwendung. Dazu schleppt man eine Leiter aus der Garage, lässt die Kinder am unteren Ende festhalten, klettert zu der kleinen Öffnung im Dach, die nicht größer ist als eine Konservendose, und windet sich hindurch.

Hunde sind die ersten, die den Tumult wittern und daraufhin ein Bellkonzert veranstalten. Ihr Lärm wiederum lockt Postboten, Nachbarn, Handelsreisende und Verkehrspolizisten im Umkreis von zwölf Meilen an.

Irgendwann kommt eine Sozialarbeiterin langsam die Leiter hoch und versucht, einen herunterzuholen, indem sie versichert, dass man geliebt und gebraucht werde und kein Recht dazu habe, das eigene Leben wegzuwerfen.

Plan B ist etwas subtiler ... aber nicht sehr viel. Man sucht sich ein Fenster aus, das gerade so weit geöffnet ist, dass ein kleiner Lufthauch daraus entweichen kann, und versucht, das Fliegengewicht (Sie wissen: Es ist das einzige Kind der Familie, das in einen Einkaufswagen des Supermarkts passt) durchzuschieben und es, Kopf vornüber, ins Haus fallen zu lassen.

Das Risiko dabei ist, dass der Bengel, sobald er im Haus ist, in sein Zimmer läuft, um mit seinen Autos zu spielen. Die Schlüsselgeschichte vergisst er sofort, und der Rest der Familie steht sich vor der Haustür die Beine in den Bauch.

Plan C war immer unser Lieblingsplan. Um peinliche Fragen und albernes Gelächter zu vermeiden, gehen wir in die Garage, schließen die Tür und lesen laut vor, was auf den Düngerpackungen steht, bis Daddy irgendwann mit dem Schlüssel nach Hause kommt.

Plan D, der ein bisschen theatralisch ist, erwähne ich nur ungern. Wir gehen in der Regel um das Haus herum nach hinten und bilden eine menschliche Pyramide, sodass der Kleinste von uns durch einen Lüftungsschlitz kriechen kann. Mein Mann entdeckt jedoch später unweigerlich das Loch im Dach, wo der Fuß durchgestoßen ist, und dann müssen wir eine hieb- und stichfeste Erklärung liefern.

Einbrechen ist harte Arbeit. Deshalb gebe ich jedem, den es nach einer Schweizer Armbanduhr, einer Flasche Scotch und Keksen gelüstet, den einen guten Rat, nämlich dass es fast einfacher ist, den geraden Weg zu nehmen.

Rätselhafter Bleistiftschwund

Wir haben sechsundzwanzig elektrische Geräte, zwei Autos, ein paar Sparbücher, und außerdem bin ich Stammkundin bei meinem Friseur.

Aber wir besitzen keinen Bleistift.

Nach außen hin sind wir eine wohlsituierte Familie. Wenn Onassis an der Tür klingeln würde und unser Haus kaufen wollte, um hier eine Notrufsäule zu errichten, hätte ich den Vertrag mit a) einem Augenbrauenstift, b) gelber Wachskreide, c) einem in Schuhcreme getauchten Wattestäbchen, d) einer mit Lebensmittelfarbe gefüllten Pipette oder e) einem in mein eigenes Blut getauchten scharfen Fingernagel unterschreiben müssen.

Bleistifte sind seltsame kleine Teufel. Diese Entdeckung verdanke ich im Wesentlichen dem Zufall. Eines Tages nahm ich einen nagelneuen Bleistift zur Hand, spitzte ihn an und legte ihn neben das Telefon. Drei Tage später fand ich eben diesen Bleistift im Gemüsefach des Kühlschranks.

Ich legte ihn zurück neben das Telefon. Das nächste Mal sah ich ihn im Medizinschränkchen.

Ich befestigte ihn an einer Schnur und band ihn ans Telefon. Die Spitze brach ab. Ich spitzte ihn an. Dann riss die Schnur.

Es war eindeutig: Dieser lausige Bleistift war kein gewöhnliches, unbelebtes Objekt. Er besaß die menschlichen Eigenschaften des freien Willens und des Verstandes.

Während ich diese seltsame Kreatur eingehend studierte, wurden andere Dinge offenbar. Die Kreatur hatte keinerlei Sexualleben. Andere alltägliche Dinge im Haushalt, wie beispielsweise Kleiderbügel, Stecknadeln und Büroklammern, vermehrten sich wenigstens.

Nicht aber Bleistifte. Sie erzeugten nichts als Frust. Sie kamen einsam in diese Welt, fielen hinter den Herd und waren für immer verschwunden.

Außerdem hatten sie den Hang, nie dort zu sein, wo man sie brauchte.

Vor Kurzem musste ich eine Entschuldigung für meine Tochter schreiben. »Bring mir die Schachtel mit den Karten für alle Gelegenheiten«, rief ich. (Wir hatten schon seit sechs Jahren kein richtiges Briefpapier mehr.)

Sie reichte mir die Schachtel.

»Okay, was soll ich nehmen? ›Herzlichen Glückwunsch‹ zum Geburtstag für einen Neffen, der mir immer wie eine Mutter war, ›Gute Besserung‹ oder ›Herzliche Anteilnahme‹?«

»›Glückwunsch zum Geburtstag‹.«

»Okay, und jetzt bring mir einen Bleistift.«

»Woher?«

»Schau auf dem Schreibtisch nach, im Nähkorb, in der Herdschublade, auf Daddys Werkbank in der Garage oder in meiner schwarzen Handtasche.«

»Nichts zu finden.«

»Also gut. Dann such im Handschuhfach im Auto, im Wäschekorb, in der Spielzeugkiste, in der Tasche meines blauen Morgenmantels, in der Besteckschublade, im Briefkasten, im Gitarrenkoffer oder unter der großen Eiche.« (Mit hysterischer Stimme:) »Also gut, ihr kleinen Teufel! Kommt heraus, zeigt euch! Ihr habt euren Spaß gehabt. Ich werd’s euch zeigen. Ihr geht heute hungrig ins Bett.«

Und da gibt es Menschen, die sich Sorgen wegen der Russen machen.

Wenn mein Mann zur Heckenschere greift

Baumscheren haben etwas an sich, das einen sanften, nüchternen Ehemann in ein wildes Ungeheuer verwandelt. Wenn man genau hinschaut, kann man beobachten, wie sich seine Gesichtszüge verändern. Die Ohren werden spitz, die oberen Vorderzähne schieben sich über die Unterlippe, und sein ganzer Körper zittert aufgrund der Erregung, die das Stutzen von Bäumen und Sträuchern auf eine einheitliche Höhe hin verheißt.

Es geht das Gerücht um, dass sieben Bundesstaaten in Erwägung ziehen, Überbeschneidung als Scheidungsgrund zuzulassen, gleich nach Unverträglichkeit und Ehebruch. Ich hoffe, dass unser Staat dazugehört.

Kein Richter wird sich weigern, mir die Freiheit zurückzugeben, wenn er die Geschichte meiner Ligusterhecke gehört hat.

Im ersten Jahr machte mein Mann sie mit einem Guss aus dem Gartenschlauch nieder. Im zweiten Jahr fuhr er versehentlich mit dem Rasenmäher drüber. Als ihr im dritten Jahr gerade mal Blätter wuchsen, meinte er: »Die Hecke sieht etwas zerzaust aus. Vielleicht sollte ich sie schneiden.«

»Du wirst sie doch nicht so zurechtstutzen wie unseren Ahornbaum, oder?«

»Welchen Ahornbaum?«

»Genau das meine ich.«

»Frauen begreifen anscheinend einfach das Prinzip der Entwicklung nicht«, dozierte er. »Wenn die Hecke wirklich gut gedeihen soll, muss man sie ausputzen; dann wächst sie um so schöner nach.«

Schnapp!

»Mörder.«

»Also wirklich«, sagte er. »Habe ich nicht letztes Jahr deine Rosen geschnitten? Und? Sind sie dieses Jahr nicht viel schöner?«

»Schöner als was? Ich musste sie umtopfen und ihnen Penizillin geben.«

Schnapp!

»Jetzt hast du’s geschafft«, sagte ich. »Jetzt ist die Seite niedriger als die andere.«

»Und, wo ist das Problem? Ich krieg’ sie schon noch gleich.«

»Das Letzte, was du gleich gekriegt hast, waren die immergrünen Sträucher auf beiden Seiten der Garage.«

»Welche immergrünen Sträucher?«

Schnapp!

»Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, dass du boshaft bist? Es muss doch wirklich ein sadistischer Trieb in einem Mann stecken, der schöne Dinge zerstört.«

»Um Himmels willen, deswegen brauchst du doch kein solches Theater zu machen. Sie wachsen ja wieder nach.«

»So, so. Dann sieh dich doch mal um. Dieser Garten sieht aus wie ein Testfeld für Nuklearwaffen: ein paar zusammengehauene Zweige, ein paar verkrüppelte Wurzeln, ein Häufchen Erde hie und da.«

Schnapp, schnapp, schnapp!

Ich geb’s auf.

Ein Flohmarkt in der Garage

Was ist schneller als ein Geschoss aus einer Pistole? Stärker als eine Lokomotive? Und in der Lage, in einem Satz über ein hohes Gebäude zu springen?

Die Antwort lautet: Frauen auf dem Flohmarkt.

Ich musste es erst mit eigenen Augen sehen, um es wirklich zu glauben. Kurz vor unserem Umzug stellte ich fest, dass sich einiges an überflüssigem Plunder angesammelt hatte. (Ach, warum soll ich es beschönigen? Der Dachboden war voller Gerümpel, das keiner haben wollte.)

Meine Freundin Esther meinte: »Du bist genau der Typ für einen Flohmarkt.«

»Wie kommst du darauf?«

»Weil du geizig bist.«

Ich schnaubte. Sie werden das möglicherweise nicht verstehen, aber ich finde dieses öffentliche Ausbreiten persönlicher Gegenstände nicht nur geschmacklos, sondern geradezu schamlos.

»Ich habe an meinem Gerümpel ganze zweiunddreißig Dollar verdient«, erzählte sie.

»Warum hast du das nicht gleich gesagt?« rief ich aufgeregt. »Hol den Kartentisch, damit wir anfangen können.«

Der Flohmarkt in der Garage begann um neun Uhr morgens. Um halb acht waren bereits fünfzehn Autos in der Einfahrt geparkt, achtzehn auf dem Rasen, zwei in einem Graben, und ein VW-Käfer versuchte, sich in meinem Kaminzimmer zwischen zwei Feuerböcke zu quetschen.

Sie schnappten sich alles und kauften alles, was nicht niet- und nagelfest war oder beim Anfassen Funken sprühte.

Sie kauften Cocktailspießchen, die mit »wie neu« ausgezeichnet waren, Radios mit der Garantie, nie einen Ton von sich zu geben, Plastikblumen, die längst hinüber waren, zahnlose Rechen, Eimer mit Löchern, Bücher mit deutschen Militärbefehlen und eine Ukulele, auf der man nur ein Lied spielen konnte: »The World is Waiting for the Sunrise.«

Irgendwann versuchte ich, mir mit einer großen Tüte in der Hand einen Weg durch die Menge zu bahnen. Eine Frau entriss sie mir und rief: »Ich gebe Ihnen fünfunddreißig Cents dafür.«

»Nein, um Gottes willen«, stammelte ich, »die Tüte ist nicht zu ...«

»Vierzig Cents«, beharrte sie, die Hand fest um die Tüte gekrallt, »und das ist mein letztes Angebot. «

Es war das erste Mal, dass mir jemand vierzig Cents für meinen Abfall bezahlte.

Um sechzehn Uhr beobachtete ich erschöpft, wie eine Frau meinen Mann zu überreden suchte, mit ihr ins Auto zu steigen.

»Esther«, sagte ich, »das ist das Unglaublichste, was ich je gesehen habe.«

»Was ist in der Tüte unter deinem Arm?« fragte sie streng.

»Ach, gar nichts.« Ich zögerte.

»Das ist verschimmelte Kleidung!«, rief sie. »Wie viel hast du dafür bezahlt?«

»Fünfunddreißig Cents, aber einiges kann man noch tragen.«

Entspannung mit »Landhausmotiven«

Ich wünschte, Sie hätten mich gekannt, als ich noch als angespannt galt.

Das war die gute alte Zeit. Meine Wangen hatten Farbe, meine Hände waren ruhig, und manche behaupteten, mein Lachen sei wie der Klang von Tiffany-Glas, wenn man mit dem Fingernagel daran schlägt.

Aber das war, bevor ich anfing, Landhausmotive zu sticken.

Plötzlich hatten sie alle eine Stickarbeit, alle, die ich kannte, und eines Tages, als meine Freundin Terri einen Kalender in Petit-point-Stickerei zu erschaffen begann, fragte ich: »Woher nimmst du nur diese Geduld? «

»Geduld?« Sie lachte. »Das ist das Erholsamste am ganzen Tag. Du bist immer so angespannt. Du solltest dir auch etwas suchen, was dich entspannt.«

Daraufhin habe ich Landhausmotive gekauft. Das ist eine Packung, in der sich bedrucktes Leinen, achtundzwanzig verschiedenfarbige Garne sowie Anleitungen für achtzehn verschiedene Stiche befinden.

Seither haben mich Landhausmotive nicht mehr verlassen. Meine Sticknadel kommt mir vor wie die natürliche Verlängerung meiner Finger. Eines Morgens, als die Kinder aus dem Haus waren, fing ich an. Als sie um drei heimkamen, war ich noch immer zugange, ebenso am nächsten Morgen.

Die Entspannung nahm mich den ganzen Tag in Anspruch. Dabei nervten mich die Kinder ununterbrochen. Sie wollten etwas zu essen, Antworten auf ihre Fragen und Erste Hilfe, wenn sie bluteten. Als ich neulich morgens wieder emsig mit Sticken beschäftigt war, trat eines der Kinder neben mich und sagte: »Mama.« Ich fuhr einen halben Meter vom Stuhl hoch.

»Siehst du denn nicht, dass ich mich entspanne?«, schimpfte ich. »Du hast offenbar noch nichts von Terminvereinbarungen gehört. Wenn du willst, kann ich mir gerne Zeit für dich nehmen, aber platz bitte nicht einfach so herein. Und wieso bist du eigentlich nicht in der Schule?«

»Heute ist Samstag«, erwiderte mein Sohn schlicht.

Mein Mann behauptet, ich sei besessen. Vor Kurzem lehnte er sich um zwei Uhr morgens im Bett zu mir herüber, sagte: »Du bist entspannt genug«, und machte das Licht aus. Nicht einmal ein Tier würde einem mitten in einem Knötchenstich das Licht ausmachen. Ich weinte mich in den Schlaf.

Gestern schaute Terri vorbei (ohne vorher einen Termin zu vereinbaren) und fand, ich müsse noch mehr entspannen. »Du siehst blass aus, deine Augen sind vor Überanstrengung gerötet, und wenn ich ehrlich sein soll, macht es mir inzwischen mehr Spaß, die Luft aus meinen Tupperdosen rauszulassen, als mich mit dir zu unterhalten.«

Ich glaube, wenn ich ohne Unterbrechung durcharbeiten kann, sind die Landhausmotive bis Anfang November fertig und können gerahmt werden. Dann mache ich vielleicht ein paar Tage Pause und spanne mich an.

Schließlich ist nur Spaß und keine Arbeit auch nicht das Gelbe vom Ei.

Im Kommunikationszeitalter

Einige der besten Texte, die heutzutage geschrieben werden, kommen nie als Fortsetzungsromane in Zeitschriften oder auf die Bestsellerliste der »New York Times«.

Es handelt sich um den Nachrichtenaustausch zwischen der berufstätigen Ehefrau oder auch Junggesellin und der Frau, die das Haus oder die Wohnung saubermacht. Manchmal bekommen die beiden einander überhaupt nie zu Gesicht. Sie verständigen sich mithilfe von Zetteln, die sie an den Kühlschrank pinnen.

Nachfolgend gebe ich eine Anzahl schriftlicher Nachrichten wieder, die Wilma und ihre Arbeitgeberin Mrs. Rutledge sich über die Kühlschrank-Pinnwand zukommen ließen:

»Mrs. Rutledge, die Katze hat ein Häufchen neben das Sofa gemacht. Wilma.«

»Liebe Wilma, ich weiß. Mrs. Rutledge.«

»Mrs. Rutledge, was soll ich damit machen? Wilma.«

»Viele Möglichkeiten gibt es da nicht, liebe Wilma. Sie können Sand herum streuen und es als Wohnzimmerbiotop betrachten, oder Sie können es in Geschenkpapier einwickeln und Ihre Freunde damit überraschen – oder es beseitigen. Letzteres wäre mir das Liebste. Mrs. Rutledge.«

»Mrs. Rutledge, ich wollte das, Sie wissen schon was, beseitigen, aber der Staubsauger riecht so komisch und klingt auch seltsam und nimmt außerdem nichts auf. Können Sie ihn bitte reparieren lassen? Wilma.«

»Liebe Wilma. Die Katze ist verschwunden. Ich schlage vor, Sie sehen im Staubsaugerbeutel nach. Mrs. Rutledge.«

»Mrs. Rutledge. Die Katze ist nicht im Beutel. Vielleicht ist das Häufchen ja gar kein Häufchen. Es sieht aus wie das, was in der grünen Schüssel im Kühlschrank steht. Ist es das, was ich vermute? Wilma. «

»Liebe Wilma, was vermuten Sie denn, dass es ist? Mrs. Rutledge.«

»Mrs. Rutledge, ich erinnere mich jetzt nicht mehr daran, was ich dachte. Der Staubsauger funktioniert tadellos. Was haben Sie gemacht? Wilma.«

»Liebe Wilma, ich habe den Beutel gewechselt. Mrs. Rutledge.«

»Mrs. Rutledge, Sie wissen doch noch, das kleine Problem mit der Katze, von dem ich Ihnen vor circa zwei Wochen erzählt habe? Ich glaube, ich habe es gelöst. Ich hab’ das Sofa etwas verrückt, und jetzt ist das Häufchen kaum noch zu sehen. Wilma.«

»Liebe Wilma, Sie sind entlassen! Mrs. Rutledge.«

»Mrs. Rutledge, die Katze hat noch ein Häufchen gemacht, von dem ich Ihnen aber noch nichts erzählt habe. Es ist schwer zu finden. Ich bin die Einzige, die weiß, wo es ist. Auf Wiedersehen. Wilma.«

Die Gebrauchsanweisung zur Gebrauchsanweisung

Wochenlang sahen wir den Videorekorder in unserem Wohnzimmer nur von Weitem an.

Im Geiste hatte ich mir bereits mehrere Verwendungsmöglichkeiten dafür ausgemalt. Vielleicht konnten wir ihn mit Füßen versehen, um ihn als Couchtisch zu gebrauchen, oder das Kassettenfach als Blumenübertopf benutzen.

Von Zeit zu Zeit blätterte mein Mann die Bedienungsanleitung mit einer Aufmerksamkeit durch, die er sonst nur der Broschüre mit den Notfallmaßnahmen im Flugzeug widmet.

Bis er sich schließlich am vorigen Freitagabend räusperte und sagte: »Wenn wir heute Abend zum Essen ausgehen, könnten wir doch ›Dallas‹ aufnehmen und es uns später anschauen.«

Ich legte meine Hand auf seine. »Was auch passiert, ich möchte, dass du weißt, dass du für mich der tapferste Mann auf der Welt bist.«

Während wir vor dem Apparat standen, bemerkte mein Mann: »Ist doch lächerlich! Wir sehen aus, als fehlten uns nur noch Schutzanzüge und ein Eimer Löschwasser. Schließlich zerlegen wir keine Bombe. Es ist doch nur ein ganz harmloser, kleiner Videorekorder. Du liest die Beschreibung vor, und ich drücke die Tasten.«

»Soll ich dir erst vorlesen, wie man die Gebrauchsanleitung richtig liest?«

»Das kannst du dir sparen. Lies lieber mal vor, wie man eine Sendung aufzeichnet, wenn man nicht zu Hause ist.«

»›Klappen Sie den Deckel der Programmierungseinheit auf der rechten Seite der Uhr herunter und wählen Sie die Schnelltaste LP, SP oder SLP, bevor Sie eine Kassette in das Kassettenfach schieben.‹«

»Die Uhr blinkt.«

»Dann hast du etwas falsch gemacht. Du musst noch einmal von vorne anfangen und die Timeraufnahme programmieren.«

»Und wie mache ich das?«

»Du drückst die Zeittaste. Nicht die Datumstaste, Dummerchen, sonst kannst du wieder von vorne anfangen.«

»Ich bin doch jetzt bei sieben Uhr, oder nicht?«

»Schon, aber eigentlich sollte es neunzehn Uhr sein. Es muss doch möglich sein, eins von acht Programmen auszuwählen, indem man zuerst das Programm, dann die Stunden und dann die Minuten einstellt. Siehst du nicht, wie die Wochentagsanzeige blinkt?«

»Alles blinkt hier.«

»Und vergiss nicht, das Ende der Sendung einzugeben. Blinken jetzt die Buchstaben CH? Wenn ja, dann kannst du den Programmplatz wählen. Du, ich glaube, du bist auf der richtigen Spur. Ich sehe JR und Miss Ellie.«

»Was du siehst«, belehrte mich mein Mann, »ist die Sendung im Fernsehen. Ich glaube, es ist am besten, wenn wir uns hinsetzen und uns die Sendung gleich ansehen. Fürs Abendessen außer Haus ist es ohnehin zu spät.«

»Wie spät ist es?«

Wir haben drei Uhren im Haus, und außerdem besitzt jeder von uns eine Armbanduhr. Aber wenn man wissen will, wie spät es ist, tut man besser daran, um die Ecke zur Bank zu fahren oder die Zeitansage anzurufen. Es geht einfach schneller.

Die Uhr am Videorekorder blinkt und zeigt ständig zwölf Uhr an. Das tut sie von dem Tag an, als im Frühjahr mal der Strom ausgefallen war. Seit der Stromkreis unterbrochen wurde, zeigt die Uhr durch stetes Blinken an, dass er für sie immer noch unterbrochen ist.

Wir hatten die besten Absichten, wollten alles tun, um die Uhr wieder zu stellen, bis wir in die Bedienungsanleitung schauten. Ich sollte die Uhrtaste gedrückt halten, solange mein Mann Schritt zwei bis fünf ausführte, aber er machte etwas falsch, indem er die Stunden-/Minutentaste vor der Datumstaste drückte, und nach einer Weile des Herumprobierens sahen wir ein, dass wir zu alt waren, um noch mal bei Schritt eins anzufangen. Also ließen wir es weiter blinken.

Die Uhr im Schlafzimmer ist an alle möglichen Apparate angeschlossen, darunter ein Radio und ein Telefon mit Freisprechanlage. Auch diese Uhr blinkt, weil der Stromkreis unterbrochen war, also wissen wir auch hier nie, wie spät es ist. Wir wissen nur, dass wir jeden Morgen um sechs Uhr von einem aufgekratzten Sprecher aus einem Werbespot geweckt werden, der verspricht, unseren Swimmingpool bestens zu warten. Wir haben gar keinen Swimmingpool. Wir müssen auch nicht um sechs Uhr aufstehen, aber wir finden einfach nicht heraus, wie wir den Radiowecker umprogrammieren können.

Die Uhr am Herd hat noch nie die richtige Zeit angezeigt, weil ich nämlich ohne Brille nicht sehen kann, woran ich drehe, und die Uhr meist mit dem Küchenwecker verwechsle. Wenn es also vier Uhr ist und ich einen Braten in den Ofen gebe, stelle ich die Uhr irrtümlich auf Viertel vor fünf. Mitunter verliere ich auf diese Weise bis zu zweieinhalb Stunden pro Tag in der Küche.

Ich besitze eine Armbanduhr, die die Zeit in Hamburg anzeigt. Dort wurde die Uhr nämlich hergestellt und eingestellt. Die Bedienungsanleitung der Uhr ist sicherlich vollständig, allerdings ist sie ausschließlich in deutscher Sprache verfasst.

Ich kann es kaum erwarten, dass mich jemand auf der Straße anspricht und sagt: »Ach, bitte, könnten Sie mir vielleicht sagen, wie spät es in Hamburg ist? Ich möchte meine Frau vor drei Uhr anrufen.«

Die einzige Uhr im ganzen Haus, die die richtige Zeit anzeigt, ist wahrscheinlich die meines Mannes. Er besitzt eine dieser neumodischen Uhren, die aussieht wie eine Zeitmaschine kurz vor der Explosion. Mein Mann kann einem die Zeit sagen, wenn man genügend Zeit hat, darauf zu warten. Er muss mit einem spitzen Bleistift auf einen kleinen Knopf drücken und je nach Jahreszeit vier bis fünf Stunden von der Zeit, zu der er sie gekauft hat, abziehen. Klingt ganz schön kompliziert, denn um die Uhrzeit richtig einzustellen, müsste er sich ins Auto setzen und in die Stadt fahren, und der Besitzer des Ladens, in dem er die Uhr gekauft hat, müsste dann auch da sein.

Vor Kurzem kam ein Ehepaar zu Besuch und fragte plötzlich in aller Unschuld: »Wie spät ist es?«

Mein Mann sagte: »Ich habe meinen Taschenrechner nicht zur Hand. Sag du ihnen, wie spät es ist.«

Ich blinzelte ungefähr fünfzehn- bis zwanzigmal.

Sie hatten es plötzlich furchtbar eilig. Es war noch gar nicht so spät.

Mein Duell mit dem Schwertfarn

Vergangene Woche kaufte ich einen Schwertfarn. Als ich ihn auf die Kommode stellte, senkte sich betretenes Schweigen über die ganze Familie.

Alle dachten an den Farn, den ich 1981 nach Hause gebracht hatte. Meine Mutter flüsterte meinem Mann ins Ohr: »Ich habe versucht, sie davon abzubringen, aber sie lässt sich nichts sagen.« Er antwortete: »Ich hoffe, da wird nicht wieder so eine tiefe Bindung entstehen.« Eines meiner Kinder zitterte und fragte: »Wird Mama wieder krank?«

Ich versicherte ihm, dass dieser Schwertfarn in vieler Hinsicht anders sei. Der, den ich 1981 gekauft habe, hat fünfundvierzig Dollar gekostet, eine ungeheure Summe für eine Pflanze, mehr als mein erstes Speiseservice gekostet hat. Damals war ich ein Grünschnabel, was Gefühle betraf, und hätte es nie für möglich gehalten, dass der Schwertfarn in drei Tagen hinüber sein könnte. Flora und Fauna waren mir vor fünf Jahren so wichtig, dass ich mich für ihr Hinscheiden persönlich verantwortlich fühlte. Inzwischen habe ich mich einschlägig informiert.

Jetzt weiß ich, dass man Schwertfarne nicht ernst nehmen kann. Tut man es doch, brechen sie einem das Herz. Man muss nämlich wissen, dass sie von dem Moment an, wo man sie aus der Gärtnerei hinausträgt, bösartig werden. Sie wollen kein Wasser. Sie wollen keine Sonne. Sie wollen keinen Dünger und auch keine Musik von Sam Cooke. Sie wollen einfach nur sterben.

Warum werden dann immer wieder Schwertfarne gekauft? Weil der Mensch Herausforderungen sucht. Jede von uns ist irgendwann an einem Punkt ihres Lebens angelangt, an dem sie weiß, dass sie nicht mehr Miss Amerika werden und auch den Pillsbury-Backwettbewerb nicht mehr gewinnen wird. Auch ein Volltreffer im Lotto ist unwahrscheinlich, und man wurde schon so oft übergangen, dass eine eigene Talkshow im Fernsehen kaum noch vorstellbar ist. Und eben deshalb will man wissen, wie lange man einen Schwertfarn halten kann.

Der Farn war drei Stunden im Haus, da ließ er die Flügel hängen. Wir standen alle um ihn herum und tauschten Ratschläge aus. »Er steht zu nahe an der Heizung.« »Er steht im Durchzug.« »Die Musik von ›Prairie Home Companion‹ bekommt ihm nicht.« »Du hast ihm zu viel Wasser gegeben.« »Du hättest ihn einsprühen sollen.« »Er muss gedüngt werden.« »Es liegt an der amerikanischen Außenpolitik.« »Du hättest eine Wärmelampe kaufen sollen.« »Der Staub bringt ihn um.«

Nach zwei Tagen befand sich der Farn bereits im Endstadium. Ich biss mir auf die Lippe und sagte: »So was kommt vor.« Dann warf ich mich auf die Pflanze und versuchte es mit Mund-zu-Mund-Beatmung. Die Familie riss mich zurück. »Wie viel hast du dafür bezahlt?«, wollte mein Mann wissen. Wann werden sie endlich verstehen, dass es nichts mit Geld zu tun hat?

Vor ein paar Tagen kam ich an einem dieser Läden mit Seidenblumen vorbei. Ich konnte nicht widerstehen, ging hinein und erkundigte mich nach einem seidenen Schwertfarn. Sie hatten nur zwei. Bei beiden fehlten Blätter, die Ränder waren bräunlich verfärbt.

Da fühlte ich mich gleich viel besser.

Sprechen Sie Reparaturisch?

Vor Kurzem funktionierte unsere Alarmanlage nicht mehr richtig, und die Firma schickte einen Mann, der sie wieder in Ordnung bringen sollte.

Als ich ihn fragte, worin das Problem bestünde, antwortete er: »Einer der kleinen Drähte ist krank.«

Ich hatte das Gefühl, dass er mich nicht ganz ernst nahm, und fragte: »Können Sie’s mir vielleicht etwas sachlicher erklären?«

Er erwiderte: »Ihre Anlage hat ein falsches Signal übermittelt, weil der Kipphebelschalter versehentlich in Programmstellung war, also habe ich ihn in die richtige Position gebracht und nachgesehen, ob der Sturm vor ein paar Tagen den Schaltkreis irgendwo unterbrochen hat.«

Ich fragte nach: »Bedeutet das, dass das Aua wieder heile und der Draht wieder gesund ist?«

Er nickte.

Seit Jahren versuche ich, Reparaturisch zu sprechen, aber bei den Könnern dieser Sprache klingt alles so, als hätten sie zwei Pfund Kaugummi im Mund. Außerdem gibt es in dieser Sprache sechsundfünfzig bekannte Dialekte: Elektrisch, Klempnerisch, Kammerjägerisch, Dachdeckerisch, Anstreicherisch, Waschmaschinenreparaturisch – Letzteres zu sprechen ist ein Erlebnis ganz besonderer Art.

Ich wollte lediglich einige wenige wohl plazierte Ausdrücke für meinen Mann wiederholen können, um eine Rechnung in Höhe von 67,33 Dollar zu rechtfertigen. Mehr wollte ich gar nicht. Aber aus der zehnminütigen Erklärung des Waschmaschinenreparateurs hatte ich nur zwei verständliche Wörter herausgehört: Pumpe und Boxershorts.

Als ich meinem Mann davon erzählte, meinte der: »Ich verstehe nur nicht, wieso die Pumpe meine Unterhosen anhatte.«

Als wir das Haus bauten, kam es mir vor, als befände ich mich im Turm von Babel. Alle sprachen zur gleichen Zeit in ihrer eigenen Sprache. Ich weiß noch, dass ich einmal einem Elektriker vorschlug, mehrere elektrische Kabel zusammenzuschließen, damit die Herzen von zwei Schaltern im gleichen Takt schlagen können; sie hörten eine ganze Woche lang nicht auf zu lachen.

Als der Reparateur der Alarmanlage sich anschickte, seine Sachen zusammenzupacken, musste ich doch noch etwas loswerden: »Ich verstehe vollkommen, warum Sie mir das Problem nicht in Ihrer Fachsprache erklärt haben. Mir geht es ähnlich. Ich bin nämlich Schriftstellerin, und wenn ich Ihnen sagen würde, dass meine Kreativität stagniert und Inspiration und Intuition mich verlassen haben, würden Sie wahrscheinlich auch nichts verstehen.«

Er erwiderte: »Das heißt, dass Sie nicht wissen, was Sie schreiben sollen.«

Der Mann war offensichtlich zweisprachig.

Eine Brille in jedem Zimmer

Es hat Jahre gedauert, und die zunehmende Sehschwäche brachte es mit sich, dass ich endlich genügend Brillen besaß, damit ich in jedem Zimmer des Hauses eine hatte. Mit der Hälfte kann ich zwar so gut wie nichts sehen, aber das spielt keine Rolle. Ich brauche sie ohnehin nicht.

Jedes Mal, wenn ich meine Augen untersuchen ließ und erfuhr, dass ich eine stärkere Brille brauchte, deponierte ich die alte Brille in einem der Zimmer. Inzwischen beherrsche ich auf dem Weg von einem Zimmer ins andere die »Brillenpolonaise« geradezu meisterhaft.

Die Brille, die im Schlafzimmer liegt, war meine allererste. Ich habe sie noch im Gymnasium bekommen, und wenn ich sie aufsetze, sehe ich aus wie Pippi Langstrumpf mit Migräne. Die Gläser sind fast wie Fensterglas, und ich trug sie damals nur aus dem einzigen Grund, nämlich weil ich das Gefühl hatte, mit der Brille klüger auszusehen. Sie ist mit rotem Nagellack bemalt. Seit sich jemand drauf gesetzt hat, wird sie mit Heftpflaster zusammengehalten. Ich benutze sie nur bei einer einzigen Gelegenheit, nämlich wenn ich am Abend, bevor ich zu Bett gehe, den Heizungsthermostat einstelle.

Das erlesene Stück im Wohnzimmer habe ich bald nach unserer Hochzeit gekauft. Anlass war diese dumme Sache mit dem Truthahn, der mit sämtlichen Innereien im Bauch neunzehn Stunden lang im Backofen schmorte, weil ich irrtümlich den Preis für die Garzeit gehalten hatte. Damals bekam ich eine Lesebrille.

Die Brille im Badezimmer ist schon beträchtlich stärker. Sie wurde mir verschrieben, nachdem ich gestanden hatte, dass ich im Restaurant die Speisekarte scheinbar versehentlich auf den Boden fallen lasse und sie dann ganz schnell lese, bevor ich mich hinunterbeuge, um sie wieder aufzuheben. Ich kenne übrigens viele, die das tun.

Bis zur Großmutterbrille hat es lange gebraucht. Ich konnte mich mit diesem Ding einfach nicht anfreunden, das auf meiner Nasenspitze hockte, bis ich eines Tages, am Elternsprechtag in der Schule, zu meinem Entsetzen feststellen musste, dass ich »Aber bitte, Sie sind vor mir dran« zu einem Kleiderständer sagte. Ich bekam eine Halbbrille, die den Menschen in meiner Umgebung vorspiegeln sollte, dass sie eine intellektuelle Mutter vor sich hatten. Zurzeit liegt sie zwischen den Seiten des Telefonbuchs im Flur.

Die Brille in der Küche ist etwas neueren Datums. Sie hat eine auffallende Fassung mit Flossen auf beiden Seiten wie an einem alten Buick. Zu ihr hat mich mein Mann überredet, der es überaus leid war, mir am Tisch gegenüber zu sitzen und mein Mahlzeitenlotse zu sein: »Deine Erbsen sind in Elf-Uhr-, dein Steak ist in Drei-Uhr-Position und die Steaksauce auf halb-fünf.« Diese aparte Brille ist etwas stärker, aber eigentlich brauche ich sie gar nicht.

Meine gegenwärtige Brille übrigens auch nicht. Ehrlich. Ich setze sie nur auf, um zusammenpassende Schuhe zu finden, den Lippenstift aufzutragen, meine Mutter zu erkennen, bevor sie den Mund aufmacht, und die Uhr zu lesen. Aber damit alle glücklich und zufrieden sind, habe ich auch noch Brillen in meinen Handtaschen, dem Handschuhfach im Auto und in meinen Manteltaschen.

Meine Familie liegt mir andauernd in den Ohren, ich solle mir Kontaktlinsen zulegen. Also, ich wäre die Erste, die sich welche anschaffte, wenn es tatsächlich notwendig wäre – aber ich brauche sie einfach nicht!

Das Wochenend-Phänomen

Um circa neunzehn Uhr an jedem Freitagabend bricht meine persönliche Welt zusammen.

Meine vor Gesundheit strotzenden Zähne beginnen zu schmerzen, weil sie wissen, dass der Zahnarzt seit einer Stunde seine Praxis für den Rest des Wochenendes geschlossen hat. Sie hören nicht auf, weh zu tun, bis zum frühen Montagmorgen, an dem sie sich wieder in kerngesunde Zähne verwandeln.

Der Fernsehapparat gibt pünktlich zum Wochenende den Geist auf. Darauf können Sie wetten. Meine wiederholten Anrufe verbinden mich mit einer Bandstimme, von der ich erfahre, zu welcher Zeit der Angerufene werktags zu sprechen ist. Ab Montag ist es dann egal. Ich werde höchstwahrscheinlich ohnehin keine Zeit haben, um fernzusehen.

Irgendwer in der Familie wird von einer geheimnisvollen Krankheit befallen werden, die ich das Freitagnachtfieber nenne: nicht hoch genug für den Notarzt, aber auch nicht niedrig genug, um es zu ignorieren. Es ist lediglich hinreichend, einem die Gewissheit zu vermitteln, dass man, sollte man nichts unternehmen, einen Anwalt brauchen könnte.

Gerade weil so viele Dienstleistungsbetriebe auch am Wochenende in Bereitschaft sind, ist es unglaublich, wie viele Dinge zu spüren scheinen, wann und womit man in die Knie zu zwingen ist.

Wenn mir die Schecks ausgehen, dann bestimmt am Wochenende. Wenn unser Hund wegläuft, dann bestimmt zwischen Freitagabend und Sonntag, wenn das Wort Nachbarschaftshilfe auf taube Ohren stößt. Schlüssel brechen nur am Wochenende in den Schlössern ab. Und ich hatte noch nie eine rezeptpflichtige Arznei, die mir nicht am Samstag oder Sonntag ausgegangen wäre.

Oberflächlich betrachtet möchte man meinen, dass Autos unbeseelte, des Denkens unfähige Blechkisten sind. Aber keineswegs! Am Wochenende beanspruchen sie Schonung, und deshalb weigern sie sich zu fahren. Im Winter fallen die elektrischen Scheiben runter und frieren fest. Das Auto weiß, dass Sie ganz schön weit fahren müssen, um einen Mechaniker aufzutreiben, der am Wochenende arbeitet.

Was am Wochenende jedoch am meisten nervt, ist das Haus selbst. Es entgleist förmlich. Toiletten fließen über, Waschmaschinen bleiben stehen, Geschirrspüler laufen heiß bis zum Hitzschlag, Trockner fallen aus, Wasserkocher geben den Geist auf, die Sickergrube verströmt üble Gerüche, die gläserne Schiebetür lässt sich nicht schließen, der Wasserdruck hat sich bis auf ein Tröpfeln reduziert.

Ich versuche ja, mich mit der Gott-sei-Dank-dass-es-Freitag-ist-Gruppe zu freuen, die Montag bis Donnerstag nacheinander im Kalender abhakt, als würde sie Militärdienst leisten, aber ich lebe dennoch in schrecklicher Angst vor diesen beiden Tagen, an denen all das, worauf ich mich sonst verlasse, plötzlich aussetzt.

Wer sich gern in einer Bar trifft, freut sich auf zwei herrliche Tage ohne Arbeit. Ich kann mich wenigstens damit trösten, dass Synagogen am Samstag und Kirschen am Sonntag offen sind. Wenn ich an meine Wochenenden denke, weiß ich auch, warum.

Ein schöner Brauch

Das Ritual ist so alt, dass die Wachablösung vor dem Buckingham Palast dagegen wie eine spontane Handlung wirkt.

Im Frühling und Herbst marschieren Millionen von Frauen in ihre Schlafzimmer, reißen die Schranktüren auf und machen sich an das jahreszeitlich bedingte Umsortieren ihrer Garderobe.

Ich bin ziemlich sicher, dass es sich dabei um eine vornehmlich weibliche Tätigkeit handelt.

Die meisten Männer können sehr gut mit kurzärmeligen Hemden zwischen Wollpullovern leben, für Frauen aber wäre das ein Ding der Unmöglichkeit.

Jedes Stück, das von der Stange genommen wird, ist mit Fragen und Entscheidungen verbunden:

1. Lässt diese Hose sich zuknöpfen, wenn meine Taille drinsteckt? Nein. Sieht die Hose gut an mir aus? Nein. Handelt es sich um eine Markenhose? Ja. Dieses Ja entscheidet. Ich behalte die Hose.

2. Passt der Hut zu irgendwas? Nein. Würde ihn überhaupt jemand aufsetzen? Nein. Hat er vierzig Dollar gekostet? Ja. Der Hut bleibt.

3. Habe ich den Mantel letztes Jahr getragen? Nein. Werde ich ihn nächstes Jahr tragen? Nein. Ist er noch in Mode? Ja. Ich hebe den Mantel also auf.

Dabei sind Regeln zu beachten. Kleidung hat ein Verfallsdatum. Wenn ich ein Kleidungsstück in fünf Jahren nicht ein einziges Mal getragen habe, muss ich es a) entweder ändern lassen, b) eine Diät machen, um wenigstens halbwegs hineinzupassen, oder c) das Teil in die dreijährige Übergangsschublade verfrachten.

Nach Ablauf der drei Jahre werden diese Kleidungsstücke erneut unter die Lupe genommen. Nun wird entschieden, ob sie a) wieder zum aktiven Teil der Garderobe gezählt werden, indem man ein Gummi statt des Bundes einzieht, b) zwischen die anderen Kleidungsstücke zu hängen sind, damit die Garderobe üppiger aussieht, als sie in Wirklichkeit ist, oder c) ob man die Knöpfe abtrennt und das Stück zu Staublappen zerschneidet.

Wie eine Hummel schleppe ich die Kleidungsstücke zwischen meinem Schrank im Schlafzimmer und dem im Gästezimmer hin und her. Jedes Mal entledige ich mich einer Ladung dunkler Woll- und Lederstücke und kehre zurück mit einem Bündel Baumwolle und Spitze. Das Verladen dauert Tage – oft sogar Wochen. Meinem Mann unbegreiflich.

»Wenn du sämtliche Kleider aus dem Schlafzimmerschrank in den Gästezimmerschrank verfrachtest und die aus dem Gästezimmerschrank in den Schlafzimmerschrank, warum nicht stattdessen abwechselnd den einen und den anderen Schrank benutzen? «

Aber wie soll man einem Mann, dem Ästhetik und Tradition nichts bedeuten, so was erklären?

Als man noch auf der Eingangsveranda schaukelte

In einer Zeit, in der sich Menschen vor Menschen fürchten, die im Schatten der Geldautomaten lauern, um die jeweils anderen von dem zu erleichtern, was sie gerade abgehoben haben, und Zettel mit der Aufschrift »Machen Sie sich nicht die Mühe einzubrechen, wir sind schon ausgeraubt worden« an Autoscheiben kleben, war ich beglückt zu lesen, dass die Eingangsveranda wieder in Mode kommt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerten sich sämtliche Familienaktivitäten hinter das Haus. Dort installierten die Hausbesitzer Terrassen, Swimmingpools und Grills; und sie bauten Hecken drum herum, damit ihnen auch ja niemand zusehen konnte.

Denen, die sich die Funktion einer Eingangsveranda nicht mehr vorstellen können, möchte ich schildern, wie man sie nutzte. Diese Veranda war der Ort der quietschenden Schaukel. Sie hatte ein Dach, damit man auch bei schlechtem Wetter schaukeln und gleichzeitig dem Regen lauschen und die Erde riechen konnte. Kinder ließen ihre Fahrräder und Seifenkisten auf der Eingangsveranda stehen, damit niemand in der Dunkelheit auf dem Gehweg darüber stolperte.

Nach dem Abendessen tranken die Eltern noch einen Kaffee auf dieser Veranda, während sie den Leuten nachsahen, die einen Abendspaziergang machten. Manchmal blieb jemand stehen, und man erfuhr bei der Gelegenheit noch ein paar Neuigkeiten aus der Nachbarschaft.

Für Verliebte war die Eingangsveranda der Ort, an dem man sich küsste, Händchen hielt und dem jeweils anderen versprach, bald anzurufen. Wirklich wahr!

Wir lebten damals in einer anderen Welt. Wir konnten uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass es einmal eine Zeit geben sollte, in der man sich, sobald es dunkel wird, hinter Jalousien versteckt. Genauso wenig konnten wir uns vorstellen, auf das ganze Nachbarschaftsdrumherum zu verzichten und stattdessen in einem dunklen Zimmer zu sitzen und sich auf einem winzigen Bildschirm irgendwelche Seifenopern anzuschauen.

Die Veranda war ein zusätzlicher Wohnraum. Ich erinnere mich, dass meine Mutter im Frühling auf eine Leiter stieg und der Veranda mit Wasser und Schwamm zu Leibe rückte. Wir hatten Blumenkästen draußen und einen Tisch für die Limonade. Außerdem einen Fußabtreter mit der Aufschrift Willkommen.

Wir vier – meine Mutter, mein Vater, meine Schwester und ich – unterhielten uns dort über alles. Wir sprachen über Vaters Arbeit, unsere Schule, über Mutters Tagewerk und darüber, wann wir uns einen Hund zulegen wollten. Wir beobachteten die Sterne, und manchmal stritten wir uns auch.

Das beliebteste Thema unserer Zeit ist der Zustand dieser Welt und seiner Menschen. Was ist mit uns geschehen? Unsere Autos sind mit Alarmanlagen ausgerüstet, die Lenkräder mit Sicherungsstangen. An den Türen haben wir unzählige Sicherheitsschlösser und vor den Türen eine Beleuchtung, die einem Atomkraftwerk zur Ehre gereichen könnte. Wir haben Angst vor anderen Erwachsenen und deren Kindern. Wir sehnen uns alle nach unserer alten Welt zurück, haben aber keine Ahnung, wie wir sie zurückholen können.

Vielleicht, aber nur vielleicht, führt der Weg über die Eingangsveranda. Sie war mehr als nur ein Platz; sie war der Ort, an dem man lernte, mit anderen umzugehen, anderen zu vertrauen und Teil eines großen Ganzen zu sein, das wichtiger ist als wir selbst.

Martha Stewart – die Fernsehsuperhausfrau

Meine Mutter war vor Kurzem zu Besuch, und gemeinsam saßen wir wie festgenagelt vor dem Fernseher, denn Martha Stewart weihte das Publikum in ihre Weihnachtsvorbereitungen ein. In zwanzig Minuten buk sie ein kunstvolles Lebkuchenhaus, das schöner aussah als das Haus, in dem ich wohne. Anschließend zauberte sie dreihundert Plätzchen von der Größe eines Nadelkissens aus dem Ärmel, die sie allesamt kunstvoll verzierte und dann an den Christbaum hängte.

Dass zwei erwachsene Frauen die Festtagsvorbereitungen einer Hausfrauengöttin verfolgen, obwohl es bis zu diesen Feiertagen noch drei Monate hin ist, das eben ist das Unglaubliche am Martha-Stewart-Phänomen.

Ich war nicht in der Lage, den Fernsehapparat auszuschalten.

Was bedeutet das? Gibt es vielleicht noch andere Frauen, die ihre Hausarbeit wieder mit mehr Kreativität verrichten möchten?

Genau das haben diejenigen von uns, die eine Martha Stewart als Nachbarin hatten, gemieden wie die Pest. Sie alle erinnern sich an diese Nachbarin. Die Frau, die ihre Abfalltonnen eigenhändig mit Sonnenblumen bemalte, die unsereins nicht einmal hingekriegt hätte, wenn sie vorgezeichnet gewesen wären. Die Biogemüse anpflanzte, Sicherungen auswechseln konnte und für ihre Kinder wunderschöne Halloween-Kostüme schneiderte, während wir anderen Löcher in Müllsäcke schnitten und unsere Kinder damit zur Tür hinausschoben.

Sie lud zu Themenpartys ein (kalorienarm und trotzdem nahrhaft). Sie buk jeden Tag und aß selber nichts.

Vor zwanzig Jahren habe ich zum letzten Mal an einen Kräutergarten auf der Fensterbank gedacht, aber als ich vor Kurzem sah, wie Martha ihre Tomaten mit einer in Ringe geschnittenen Strumpfhose festband, rief ich: »Das kann ich auch.«

Ich habe angefangen, mich auf Flohmärkten nach nicht zusammenpassendem billigem Geschirr umzuschauen, um etwas Leben auf unseren Tisch zu bringen. Ich glaube, ich habe einen Großteil des Geschirrs zurückgekauft, das ich 1958 nicht mehr sehen konnte, aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

Mein Mann begreift überhaupt nicht, was mit mir los ist. Vor Kurzem schaute ich mir im Fernsehen an, wie sich Martha auf ein Hummeressen am Strand vorbereitete. Er setzte sich neben mich und sah, wie sie eine halbe Tasse Gin in das kochende Wasser goss, bevor sie die Hummer hineinwarf.

»Warum trinkt sie den Gin nicht einfach und lässt das Abendessen sein?«

»Schhhh.«

Während Martha den Hummer zubereitete, erklärte sie: »Der Gin entspannt den Hummer. Wenn Sie in kochendes Wasser geworfen und gegart würden, hätten Sie wahrscheinlich vorher auch gern ein Schlückchen.«

Als sie sich auf den Weg zum Strand machte, befanden sich in ihrem Korb auch kleine Sträußchen aus Rosmarin und Dill, Butter mit Chili, eine Limette sowie frischer Mais.

Mein Mann fragte trocken: »Funktioniert das Ganze auch auf dem Garagenvorplatz?«

Offenbar ist Martha nicht verheiratet.

Mäuse im Klavier

Подняться наверх