Читать книгу Perry Rhodan 1186: Dekalog der Elemente - Ernst Vlcek - Страница 4

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1.

Er beherrscht den Zerotraum.

Er ist ein Träumer!

Doch ist er nicht verträumt. Er ist Realist, der träumend mitten in der Wirklichkeit steht und diese steuert.

Er ist das führende Element im Dekalog der Chaoskräfte. Er ist der Steuermann, der 15. Träger dieses Ranges, und er hat ihn nach terranischer Zeitrechnung schon 4000 Jahre inne.

Er besitzt die Unsterblichkeit, doch hat er sie nur gepachtet.

Über seine Abstammung weiß er nur noch, dass er dem Volk der Sarlengort angehört, das irgendwo in den Weiten des Universums existiert. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Alles andere in diesem Zusammenhang gehört einem anderen Leben an, er träumt nicht einmal mehr davon. Denn seine Traumfähigkeit ist nicht auf Vergangenes ausgerichtet, sie weist in die Zukunft.

Er ist schmächtig und von kleinem Wuchs, sein Teint von außergewöhnlicher Blässe, er steht auf zwei kurzen Beinen, die biegsamen Arme sind so lang, dass die Spitzen der achtfingrigen Hände den Boden berühren. Der flache, blockartige Kopf ist haarlos und sitzt auf zwei strangartigen Hälsen für Ernährung und Atmung. Er hat auch zwei Münder, einen für die Nahrungsaufnahme, den anderen für akustische Verständigung, die darüberliegenden anderen Sinnesorgane sind als empfindsame Flecken zu erkennen. Aber es ist nur noch die äußere Erscheinung, die an einen Sarlengort erinnert.

Gewissen hat er keines. Er hat es mit seinem früheren Leben abgelegt, zu einem geringen Teil auch in die Tiefe seines Geistes verdrängt. Aus diesem Depot holt er es gelegentlich hervor, wenn Muße zum Philosophieren ist und er Lust hat, in Selbstmitleid und Reue zu schwelgen. Doch ist das für ihn nur reine Gedankenspielerei, weil er tatsächlich ohne Skrupel und daher der Prototyp eines »Schizomoralisten« ist.

Für den Herrn der Elemente ist er darum die ideale Besetzung für diesen Posten.

Er, Kazzenkatt – das ELEMENT DER LENKUNG.

*

Der Zeroträumer rief die Elemente des Dekalogs – und alle folgten seinem Ruf.

Sie trafen teils über Transmitterverbindungen ein, die das Technikelement installiert hatte, kamen in Raumschiffen oder auf ihre ureigenste, unnachahmliche Art und Weise.

Treffpunkt war ein Pulsar in der Eastside dieser Galaxis, der von Milliarden von winzigen Asteroiden auf exzentrischen Bahnen umschwärmt wurde. In den Sternkatalogen der Einheimischen wurde dieser Sektor »Sarg-System« genannt und als »Verbotenes System« geführt.

Während der Minusphase war der Pulsar ein unscheinbarer, trübweißer Stern von 200.000 Kilometer Durchmesser, der jedoch in kurzen Intervallen zum Zehnfachen seiner Größe anschwoll und dabei extrem hohe 5-D-Strahlung emittierte. Damit nicht genug besaßen die Milliarden winziger Himmelskörper durchwegs eine extrem hohe Masse und waren von unglaublicher Dichte, kopfgroße Klumpen hatten nicht selten die Masse stattlicher Monde.

Dem Zeroträumer konnte es nur recht sein, wenn die raumfahrenden Völker diesen Raumsektor mieden, denn dadurch wurde er für ihn zum idealen Heerlager. Hier konnte er ungestört seine Kräfte massieren und die Vorbereitungen für den nächsten Schlag gegen die ordnenden Kräfte führen.

Das Sarg-System hatte zudem den Vorteil, dass es weit genug vom letzten Einsatzort entfernt lag. Über 18.000 Lichtjahre trennten es vom Vrizin-System, wo das Element des Krieges eine arge Schlappe hatte hinnehmen müssen.

Kazzenkatt erinnerte sich nicht gerne an diese Niederlage. Es war nicht allein wegen des Versagens der Kriegselemente, sondern vor allem wegen der damit verbundenen unerquicklichen Konsequenzen für ihn persönlich.

Er hatte einen schweren Gang in die Negasphäre antreten und dem Herrn der Elemente Rede und Antwort stehen müssen. Inzwischen hatte sich Kazzenkatt von den Folgen dieses Rapports erholt, aber er dachte nicht gerne an dieses Erlebnis zurück.

Die Negasphäre war ein Ort, an dem einzig die Mächte des Chaos herrschten. Dort war alles instabil und irrational, ohne Gesetzmäßigkeit und ohne Kausalität. Dort gab es keine folgerichtigen Abläufe – und doch war alles in Fluss und griff auf bizarre und unverständliche Weise ineinander. Die Negasphäre war ein unheimlicher Bereich, kein Platz, an dem sich Kazzenkatt wohl fühlen konnte.

Und so erschreckend und furchteinflößend wie dieser Ort war ihm auch der Herr der Elemente. Obwohl er sich ihm verschrieben hatte und ihm bedingungslos diente, hatte Kazzenkatt noch keinen Zugang zum Wesen seines Herrn und Meisters gefunden.

Wenn er den Mächten des Chaos zum Sieg über die ordnenden Kräfte verhalf, dann würde dieses ganze Universum zu einer Negasphäre werden. Und Kazzenkatt fragte sich in manchen Momenten, ob er das überhaupt wollte: in einer für ihn erschreckenden und unverständlichen Welt zu leben. Er war trotz allem ein Kind dieses Universums.

Warum half er dann mit, dieses Universum zu zerstören?

Die Antwort war einfach. Er hatte vom Herrn der Elemente Macht bekommen und ewiges Leben. Er war zum Element der Lenkung aufgestiegen und hatte als solches Unsterblichkeit erlangt. Wenn die Mächte des Chaos siegten, dieses Universum zu einer Negasphäre wurde, dann erhoffte er sich Erhöhung und Gleichstellung mit seinem Herrn und Meister.

Angesichts dieses hohen Zieles fiel es ihm leicht, alle Bedenken hinwegzuwischen.

Aber zuerst galt es, entscheidende Teilsiege zu erringen. Der Herr der Elemente hatte ihm befohlen, den gesamten Dekalog aufzubieten und in die Schlacht zu werfen, und Kazzenkatt war diesem Befehl augenblicklich nachgekommen.

Im Zerotraum hatte er den Elementen den Marschbefehl gegeben, und nun trafen sie nach und nach ein.

Das Sarg-System wurde zum Aufmarschgebiet eines gewaltigen Heeres. Und es war wohl auch die unglaublichste Kampftruppe, die diese Galaxis jemals heimgesucht hatte. Sie setzte sich aus verschiedenartigen Lebewesen und den seltsamsten Erscheinungsformen des Lebens zusammen.

Kazzenkatt beobachtete und koordinierte die Vorgänge von Bord der PRIMAT DER VERNUNFT aus.

*

Kazzenkatt parkte sein Flaggschiff dicht am Pulsar. Er war nahe genug, um in jedem Fall hundertprozentigen Ortungsschutz zu besitzen, und weit genug entfernt, dass die fünfdimensionale Strahlung von Sarg der PRIMAT DER VERNUNFT selbst während der Plusphase nichts anhaben konnte.

Er ging kein Risiko ein. Als Element der Lenkung war er das wichtigste Glied im Dekalog der Elemente und Selbstschutz sein oberstes Gebot. Die anderen Elemente waren zu ersetzen. Entweder gab es sie in großer Zahl, oder sie konnten in beliebiger Menge produziert werden. Er war dagegen einmalig.

Das Element der Technik war fast gleichzeitig mit ihm mit einem halben Dutzend seiner Riesenschiffe im Sarg-System eingetroffen. Die MASCHINEN genannten Schiffe, die bis zu 100 Kilometer lang waren, kreuzten außerhalb der Umlaufbahnen der massedichten Mini-Asteroiden.

Kazzenkatt hatte MASCHINE ELF als Kontaktschiff erwählt. Die Nummer Eins an Bord war 1-1-Schoerg. Der Anin An besaß, wie alle Schoerg-Cyborgs der 1. Klasse, einen spitzkegelförmigen Robotkörper, der Kazzenkatt in der Form an sein Flaggschiff, die PRIMAT DER VERNUNFT, erinnerte. 1-1-Schoerg war um einen Kopf kleiner als Kazzenkatt, er besaß keine sichtbaren Handlungswerkzeuge und schwebte auf einem Antigravfeld.

Als der Kommandant von MASCHINE ELF ihm über Bildfunk meldete, dass die Transmitterverbindung hergestellt war, fand Kazzenkatt sich im Zerotraum bei ihm ein. Er war zu vorsichtig, um sein Flaggschiff auch körperlich zu verlassen, und es war auch gar nicht nötig.

»Es wird gleich soweit sein«, meldete 1-1-Schoerg, als er Kazzenkatts Anwesenheit spürte. »Die Verbindung mit dem Element der Zeit ist hergestellt. Der erste Chronimalschwarm wird jeden Augenblick eintreffen.«

Kazzenkatt ging nicht weiter darauf ein. In seinen Augen waren die Chronimale nichts weiter als Tiere und nur wegen ihrer ungewöhnlichen Fähigkeit, mit Zeitebenen zu manipulieren, von Bedeutung für den Dekalog. Nur wenn sie sich zu Schwärmen von etwa fünftausend zusammentaten, konnten sie die volle Leistung erbringen.

Da es den Chronimalen aber an der nötigen Intelligenz mangelte, bedurften sie ständiger Führung.

Das Transmitterfeld begann zu flimmern, dann materialisierte auf der Empfängerplattform ein riesiger Knäuel aus Tausenden von echsenhaften, geschuppten Körpern. Kaum waren sie angekommen, trennten die Chronimale sich und wollten in alle Richtungen ausschwärmen. Nur dem raschen Handeln der Anin An war es zu verdanken, dass sie sich nicht in irgendeine entlegene Schiffsregion verkrochen.

Die Chronimale wurden mit Suggestivimpulsen eingedeckt, so dass sie sich wieder aneinanderdrängten und an einem vorbestimmten Sammelplatz zur Bewegungslosigkeit erstarrten.

Ein Anin An der 3. Klasse, etwas größer und plumper als 1-1-Schoerg, erschien, um den ersten Schwarm des Elements der Zeit in die vorbereitete Unterkunft zu führen. Der Abtransport musste rasch vor sich gehen, denn schon war der zweite Chronimalschwarm eingetroffen, und weitere wurden in kurzen Abständen erwartet.

»Warte!«, telepathierte der zeroträumende Kazzenkatt. Er fischte sich ein Chronimal heraus. Sein geschuppter, fetter Körper bebte unter Kazzenkatts Gedankenimpulsen, der Echsenkopf ruckte hin und her.

»Was die Peripherie der Negasphäre so alles hervorbringt«, telepathierte Kazzenkatt abfällig und musterte das verschreckte Tier, das nur eineinhalb Fuß groß war. Kazzenkatt befahl ihm: »Schicke mir mein eigenes Abbild aus der Vergangenheit. Ich möchte mich selbst sehen, wie ich einst war, bevor ich das Element der Lenkung wurde.«

Das Chronimal begann heftiger zu zittern. Seine Artgenossen aus dem Schwarm stießen kehlige Laute aus, wie um ihrem Artgenossen zu helfen. Aber Kazzenkatt schirmte das einzelne Chronimal ab.

»Geht weit in die Vergangenheit zurück«, suggerierte Kazzenkatt. »Ich möchte zu gerne wissen, wie ich einmal war – was für ein schwächlicher, skrupelbehafteter Sarlengort.«

Aber das Chronimal war außerstande, ihm ein Geisterbild zu schicken. Kazzenkatt entließ das Chronimal mit einem Fluch, und es lief auf seinen acht Beinen zu seinen Artgenossen, die es sofort schützend unter ihren Körpern verbargen.

»Ab mit ihnen!«, befahl Kazzenkatt. Der drittklassige Anin An führte den ersten Schwarm des Elements der Zeit ab. Weitere Schwärme folgten in rasch aufeinanderfolgenden Schüben.

»Die Unterkünfte für das Element der Zeit sind vorbereitet«, berichtete 1-1-Schoerg. »Sie können von dir jederzeit abberufen und zum Einsatz gebracht werden. Wird das bald sein?«

»Je eher, desto besser«, antwortete Kazzenkatt, gegenüber anderen Elementen war er nicht so redselig wie bei dem der Technik. Die Anin An waren Genies, wenn auch nur auf technischem Gebiet.

»Alle?«, fragte 1-1-Schoerg, und es klang irgendwie anzüglich.

Aber anstatt aufzubrausen, antwortete Kazzenkatt: »Das Element der Kälte soll natürlich im Leerraum außerhalb der Galaxis bleiben und sich weiter ausdehnen.«

»Und was ist mit dem Element der Finsternis?«

Diese Frage empfand Kazzenkatt als Provokation. Aber dann sagte er sich, dass 1-1-Schoerg sie aus rein wissenschaftlichem Interesse stellte. Kazzenkatt blieb die Antwort schuldig.

»Was ist mit dem Element des Krieges?«, fragte er.

»Ist in Produktion«, antwortete der Kommandant von MASCHINE ELF. »Die neue Generation von Kriegselementen wird rechtzeitig eintreffen. Die Kriegselemente dieser Serie werden gegen Taurecs Abwehrwaffe immun sein. Wo werden sie eingesetzt?«

Als der Name des Kosmokraten fiel, erwachte Kazzenkatts Zorn. Taurec war einer seiner drei Erzfeinde, neben der Kosmokratin Vishna und dem Terraner Perry Rhodan. Der Herr der Elemente hatte dieses Feindbild ganz deutlich und eindeutig heraufbeschworen.

»Unser nächstes Angriffsziel im Zuge der ersten Offensive ist das Verth-System mit Gatas, dem Hauptplaneten der Blues«, sagte Kazzenkatt. »Gatas ist das erste Chronofossil, und es muss verhindert werden, dass die Signalflamme es erreicht.«

»Die Milchstraßenvölker sind sich der Bedeutung des Verth-Systems offenbar bewusst«, meinte dazu 1-1-Schoerg, »denn sie beordern ihre Raumschiffsverbände dort hin. Sie scheinen fest entschlossen, das Chronofossil mit allen Mitteln zu verteidigen.«

»Das ist mir nicht entgangen«, sagte Kazzenkatt. Er verschwieg, dass die Raumschiffmassierung der Grund dafür war, dass er den Sammelplatz in das 1000 Lichtjahre entfernte Sarg-System verlegt hatte. Das war weit genug, um vor Entdeckung sicher zu sein, aber noch so nahe, dass man schnell zuschlagen konnte. Kazzenkatt fügte hinzu: »Gegen die geballte Kraft des Dekalogs sind die Milchstraßenvölker chancenlos. Ich warte nur noch auf das erste Kontingent Kriegselemente.«

»Es wird bald eintreffen. Die anderen Elemente sind bereits zur Stelle.«

Der Transmitterverkehr war wieder eingestellt worden. Kazzenkatt hatte nicht mitgezählt, wie viele Chronimalschwärme angekommen waren. Aber das Element der Zeit war bestimmt in genügend großer Zahl vertreten, um im entscheidenden Augenblick die Schrecken der Vergangenheit wachzurufen.

Kazzenkatt setzte seine Inspektionsrunde fort, ohne noch einen weiteren Gedanken an die Chronimale zu verschwenden. Sie waren Geschöpfe aus der Randzone der Negasphäre, und allein deshalb wollte er sich mit ihnen nicht so recht anfreunden.

Und wenn erst das gesamte Universum zur Negasphäre wird, Kazzenkatt?, fragte er sich und gab sich sogleich auch die Antwort: Dann werde auch ich ein Teil von ihr werden.

*

Neben den Riesenschiffen des Elements der Technik gab es auch eine gemischte Flotte kleinerer Schiffe, von denen keines dem anderen glich. Es waren die individuellen Fortbewegungshilfen der Margenane – des Elements der Maske.

Kazzenkatt ließ sie vorerst unbeachtet und wandte sich anderen Objekten zu. Es waren lange, schlanke Körper von bis zu hundert Metern Länge, die am vorderen Ende einen Querbalken aufwiesen, so dass ihre Schnauze stumpf und überlastig wirkte. Dennoch hatten diese Gebilde etwas Majestätisches, Graziles an sich.

Es waren die Gruuthe – in ihrer Gesamtheit das Element des Raumes.

Kazzenkatt fixierte einen Gruuth, weil er ihm wegen seiner bunten Maserung besonders ins Auge stach.

»Ich bin Glittersegler«, meldete sich das Element des Raumes telepathisch, Gruuthe gaben sich solche poetische Namen, die einen Anachronismus zu ihrer sonst so rationellen Denkweise bildeten.

Aber diese Namen passten zu ihrem Äußeren. Obwohl synthetische Geschöpfe wie die Kriegselemente, organische Roboter bloß, die am Fließband produziert wurden, boten sie einen ästhetischen Anblick, erweckten sie Assoziationen zu buntschillernden Fischen, die das Vakuum des Alls durchschwammen. Selbst Kazzenkatt fiel es schwer, sie als Roboter statt als organische Lebewesen zu sehen.

Sie hatten eine halbenergetische, transparente Hülle, durch die farbenprächtige, pulsierende Innereien, Organe geradezu, zu sehen waren.

Glittersegler war ein besonders schönes Exemplar, war sich seiner Wirkung aber bestimmt nicht bewusst.

»Willkommen im Dekalog der Elemente«, begrüßte Kazzenkatt den Gruuth, was nicht ohne Spott gemeint war, denn so etwas wie Emotionen kannten die Vertreter des Elements des Raumes nicht. »Hattet ihr einen guten Flug?«

»Wir sind stets zur Stelle, wenn du uns rufst«, antwortete Glittersegler. »Aber wir hätten uns einen angenehmeren Treffpunkt gewünscht. Dies ist kein Platz, an dem wir uns entfalten können. Orte selbst, Sonnentänzer und Nebeltaucher hat es erwischt!«

Kazzenkatt folgte dem Hinweis und sah im Zerotraum, wie zwei Gruuthe abtrudelten. Sie hatten sich vom Schwarm abgesetzt und waren ins Feld der schweren Mini-Asteroiden geraten. Mit zuckenden Bugbalken und peitschenden Rumpfenden versuchten sie, sich wieder in den freien Weltraum zu retten.

»Diese Gravitation!«, vernahm Kazzenkatt den telepathischen Aufschrei des einen Gruuth. »Sie wird mich vernichten.«

Diese Befürchtung war gewiss übertrieben, denn Gruuthe waren nur durch Überladung höherdimensionaler Energien zu zerstören. Aber immerhin konnte ihnen die Schwerkraft von Himmelskörpern ganz schön zusetzen, und die extrem dichten Winzlinge von Asteroiden des Sarg-Systems entwickelten eine ungeheure Gravitation, die recht schmerzlich für Gruuthe sein musste.

Kazzenkatt beobachtete fasziniert, wie sich die beiden Vertreter des Elements des Raumes nach längerem verzweifelten Bemühen schließlich aus dem Gravitationsbereich des Asteroidenfelds brachten.

Zuvor gab es aber noch einen Zwischenfall. Ohne äußerlich erkennbare Zeichen fanden in Glittersegler plötzlich zwei Emotio-Explosionen statt. Für einen Moment kam es zu einem mentalen Aufruhr, dann legten sich die Wogen wieder.

Kazzenkatt merkte an dem telepathischen Potenzial, dass Glittersegler plötzlich mehrere Geister innewohnten, die sich als Tjan identifizierten. Das Element der Lenkung wusste natürlich, was das zu bedeuten hatte.

Die Tjan waren das Element des Geistes, körperlose, unsichtbare und unstoffliche Wesen, die die Gruuthe als Transporthilfe benutzten, um die Entfernungen zurücklegen zu können. Die Tjan waren reiner Geist, hervorgegangen aus dem Vergeistigungsprozess eines Volkes. Aber anstatt sich zu einem Multibewusstsein zusammenzuschließen, war jeder vergeistigter Tjan ein eigenes Individuum geblieben. Und so war eine Horde überaus unruhiger, polternder Geister entstanden.

Als Nebeltaucher und Sonnentänzer dem Gravitationsfeld der Asteroiden zu nahe gekommen waren, mussten die Tjan, die die beiden Gruuthe als Träger benutzten, in einer Art Panikreaktion zu Glittersegler übergewechselt sein. Als Transporthilfen dienten ihnen dabei zur Not auch kosmische Partikel.

Glittersegler hatte die Tjan aber schnell wieder unter Kontrolle.

Kazzenkatt fand aber, dass es auf die Dauer nicht tragbar war, wenn die Gruuthe durch die Tjan abgelenkt wurden. Darum wandte er sich in einem Aufruf an das Element des Geistes.

»Das Element der Technik wird euch für die Zeit bis zu eurem Einsatz aufnehmen«, telepathierte er. »An alle Tjan: Wendet euch an MASCHINE ACHT. Dort werdet ihr vorübergehend Quartier finden. Aber verhaltet euch so, wie es einem Element des Dekalogs zu einem anderen entspricht.«

Dieser Appell war nötig, denn die Tjan waren Unruhestifter. Mittels ihrer Fähigkeit, Molekülstrukturen toter Materie völlig umzugruppieren, konnten sie ein Raumschiff selbst von der Größe einer MASCHINE mühelos in Trümmer legen.

Kazzenkatt hielt sich nicht damit auf, den Exodus des Geisteselements aus dem Raumelement nach MASCHINE ACHT zu beobachten. Er zog sich kurz zur PRIMAT DER VERNUNFT zurück, um sich einen Lageüberblick zu verschaffen und einige Ortungen vorzunehmen. Dabei registrierte er, dass sich im Sarg-System an manchen Stellen so etwas wie »blinde Flecke« gebildet hatten, über deren Beschaffenheit aber keine genaueren Daten vorlagen. Kazzenkatt schenkte dem vorerst keine Beachtung, er wollte sich später damit auseinandersetzen.

Zuerst wollte er sich dem Element der Maske zuwenden, die Margenane gebührend begrüßen, er trieb gerne sein boshaftes Spiel mit ihnen.

Doch da traf von MASCHINE DREI die Meldung ein, dass die Transmitterverbindung zur Negasphäre hergestellt sei und der Transport des Elements der Transzendenz vorgenommen werden könne.

»Dann nehmt den Transfer vor«, befahl Kazzenkatt ungehalten.

»Willst du ihn nicht überwachen?«, erkundigte sich 1-1-Monorg, der Kommandant von MASCHINE DREI, der einen schwarzen, eiförmigen Körper von Kazzenkatts Größe besaß und wie eine Miniaturausgabe seines Schiffes aussah.

Kazzenkatt hätte am liebsten geantwortet, dass ihm der Anblick der wurmartigen Transzendenten zuwider war. Aber er verkniff es sich. Seine Emotionen gingen das Technikelement nichts an. Er behielt seine Aversion gegen diese negasphärischen Geschöpfe für sich. Ihre erstaunliche Gabe, ihre Opfer für längere Zeit in eigentümliche Sphären hüllen zu können, in denen für sie geradezu paradiesische Zustände herrschten, war ihm zudem nicht geheuer. Wie alles, was aus der Negasphäre kam, hatten auch die Transzendenten etwas an sich, dem Kazzenkatt lieber aus dem Weg ging.

1-1-Monorg ließ er aber nur wissen: »Bringt die Transzendenten gut unter. Sie sollen sich auf Abruf bereithalten.«

*

Das Element der Maske war die 5. Kolonne des Dekalogs, unentbehrlich dafür, den Feind auszuspionieren und ihn von innen her auszuhöhlen.

Kazzenkatt begab sich im Zerotraum an Bord eines der Schiffe der gemischten Flotte. Es war ein kleiner, fünfzig Meter messender Kugelraumer, dem terranischen Typ nicht unähnlich, nur dass der Bugpol durch einen zwiebelförmigen Aufsatz gekennzeichnet war.

An Bord befanden sich zehn Margenane, doch sah keiner dem anderen ähnlich, jeder hatte eine andere Gestalt. Kazzenkatt sah sich riesenhaften Margenanen ebenso gegenüber wie zwergenhaften, auf die selbst er hinunterblicken konnte.

»Hier stinkt es«, stellte Kazzenkatt bei seinem Eintreffen fest. Tatsächlich lag ein Geruch nach Früchten in der Luft, der Kazzenkatt irgendwie an seine Heimat erinnerte. Das ärgerte ihn, denn er mochte solche Erinnerungen nicht.

»Wir sind deinem Ruf gefolgt, um unsere Fähigkeiten dem Dekalog zur Verfügung zu stellen«, sagte ein Margenane in Echsengestalt, der eine Montur trug, die schwer und klobig wie eine Rüstung anmutete. Beides, Körper und Kleidung, hatte der Margenan kraft seiner Fähigkeiten selbst geformt.

»Du bist der Kommandant an Bord?«, fragte Kazzenkatt. »Wie heißt du?«

»Antirus-Kon.«

»Und wie lautet dein richtiger Name?«

Der Margenan schwieg betreten. Kazzenkatt wusste, dass Margenane ihre wahren Namen nur ihren engsten Freunden verrieten, ebenso wie sie sich in ihrer ursprünglichen Gestalt nur untereinander zeigten. Und in diesem wunden Punkt gedachte Kazzenkatt zu bohren.

»Ich bin das Element der Lenkung«, sagte er. »Ich verlange blinden Gehorsam von dir. Wie ist dein wirklicher Name?«

Der Margenan ließ seine hervortretenden Augen in der Runde kreisen, als suche er Hilfe bei den anderen. Doch seine Artgenossen ließen ihn im Stich, sie waren sichtlich froh, nicht selbst einem solchen Kreuzverhör unterzogen zu werden.

»Mein Name ist wie der Duft meines Körpers beim Abnehmen des dritten Mondes zur Mittsommernacht«, sagte der Margenane. Ein Raunen ging durch seine Artgenossen, denn für sie, die sie einen überfeinerten Geruchsinn besaßen und die Verhältnisse ihrer Heimatwelt kannten, war dieser orakelhafte Ausspruch eine Offenbarung.

»Ich habe weder eine Margenanennase, noch bin ich zum Rätselraten aufgelegt«, sagte Kazzenkatt unwirsch. »Deinen Namen!«

Der Margenan sprudelte irgend etwas hervor. Die anderen wandten sich beschämt ab, als hätte er sein Innerstes nackt präsentiert. Obwohl Kazzenkatt den Namen nicht verstanden hatte, gab er sich zufrieden.

»Gut so«, sagte er. »Und jetzt zeigst du dich mir in deiner wahren Gestalt.«

»Nein!«

»Doch!«

»Nicht vor allen ...«

»In Ordnung«, gab Kazzenkatt nach. Er deutete auf einen Margenan in riesiger haariger Gestalt. »Du bleibst, die anderen verschwinden auf ein anderes Schiff. Wir drei machen ein kleines Symposium. Ein richtiges Verwandlungsritual.«

»Verlange das nicht von uns«, bat der haarige Riese. »Nicht das!«

»Ich weiß, dass das Mimikry-Zeremoniell euch heilig ist und ihr es vor keinem Außenstehenden vornehmen wollt«, sagte Kazzenkatt in heuchlerischem Verständnis. »Aber ich möchte, dass ihr das Schiff und seine Einrichtung genau nach meinen Angaben formt. Und ihr beide müsst das Aussehen eines Milchstraßenvolkes annehmen. Ich muss den Vorgang überwachen, damit ihr keinen Fehler begeht. Davon kann das Gelingen unseres Unternehmens abhängen. Ich schicke euch in einen Einsatz, der heiliger ist als euer lächerliches Verwandlungsritual.«

»Zeig uns Bilder der darzustellenden Wesen«, versuchte der Margenan, der sich Antirus-Kon nannte, ihn umzustimmen. »Gib uns Stimmproben, Konstruktionspläne des zu formenden Raumschiffs. Das genügt uns. Wir versprechen dir, alles genau nach deinen Angaben zu duplizieren. Wir können das, wir gehören zum Element der Maske.«

»Nein!«, entschied Kazzenkatt, obwohl in der Tat keine Notwendigkeit bestand, beim Verwandlungsritual dabei zu sein, es war nicht einmal von solcher Wichtigkeit, wie Kazzenkatt behauptete, hatte aber doch seinen besonderen Grund.

»Zuerst nehmt ihr eure wahre Gestalt an«, befahl er.

Die beiden Margenane gehorchten. Kazzenkatt hatte das Gefühl, dass sie lieber sterben wollten, als sich ihm gegenüber diese Blöße zu geben. Doch waren sie dazu zu feige, ihr Wollen in die Tat umzusetzen, lieber ließen sie sich demütigen.

Und dann standen sie vor ihm. Sie waren etwa menschengroß, hatten aber nichts Humanoides an sich. Ihre Köpfe waren pelzig, die Kiefer schnauzenartig vorspringend, die Ohren klein und spitz, halb unter dem goldenen Pelz verborgen. Sie hatten pralle, längliche Körper, ebenfalls von goldgelbem Pelz überzogen, die weich und fettgepolstert wirkten. Dieser Eindruck entstand jedoch nur, weil sie keinerlei Knochengerüst besaßen. Ihre oberen Extremitäten wirkten wie ein Zwischending von Flügeln und Flossen, endeten jedoch in feinnervigen Greifwerkzeugen. Auch die kurzen Beine erinnerten an Flossen mit einem rechtwinkligen Knick, so dass eine große Auftrittsfläche gegeben war. Dadurch entstand ein grotesk anmutender, watschelnder Gang, unterstützt durch fächelnde Bewegungen der oberen Extremitäten zur Stützung des Gleichgewichts, was die Margenane unbeholfen und linkisch erscheinen ließ – und das trotz ihrer wendigen und schmiegsamen Körper.

»Kein Wunder, dass ihr euch so nicht zeigen wollt«, sagte Kazzenkatt abfällig. »Ihr müsstet aber auch noch euren Körpergeruch ablegen. So, und jetzt macht euch an die Verformung der Schiffseinrichtung. Ihr müsst reichlich Variosekret verspritzen, um dem Schiff – von der Hülle bis zum kleinsten Mikrobauteil – ein Aussehen nach meinen Vorstellungen zu geben. Danach erst dürft ihr ein anderes Aussehen annehmen.«

Kazzenkatt langweilte sich bei der folgenden Prozedur so sehr, dass er immer wieder Abstecher zur PRIMAT DER VERNUNFT machte, um sich wichtigeren Dingen zuzuwenden. Aber er hielt die beiden Margenane unter Aufsicht.

Sie machten sich gut, aber das überraschte ihn nicht. Er wusste, dass auf die Mimikrys in jeder Situation Verlass war – außer bei einer Mutprobe. Und das war der eigentliche Grund, dass er bei dem Verwandlungszeremoniell als Beobachter dabei sein wollte. Er tat es nicht, um sie unnötig zu quälen, sondern in der Hoffnung, sie ein wenig in seinem Sinn formen zu können. Ob ihm das gelingen würde, war wiederum etwas ganz anderes, aber wenigstens wollte er den Versuch gemacht haben.

Nachdem das Schiff ein perfektes Duplikat des Originals war, das Kazzenkatt den Margenanen als Vorlage gezeigt hatte, gestattete er ihnen, auch das Aussehen der dazugehörigen Lebewesen anzunehmen.

Danach kümmerte sich das Lenkungselement nicht mehr um sie.

*

Nun waren alle Elemente des Dekalogs bis auf das Element der Finsternis im Bereich dieser Galaxis stationiert. Eben hatte 1-1-Schoerg von MASCHINE ELF gemeldet, dass die ersten Kriegselemente geliefert wurden, die gegen Taurecs Abwehrwaffe immun waren.

Es wäre auch zu schade gewesen, auf das Element des Krieges verzichten zu müssen. Das Abermilliarden zählende Volk der Blues war geradezu prädestiniert, in Krieger der Chaosmächte verwandelt zu werden.

Diesmal, davon war Kazzenkatt überzeugt, würde es klappen. Und er wäre recht froh, wenn er auf die Hilfe des Elements der Finsternis würde verzichten können.

Von allen Elementen war die Finsternis das unheimlichste. Eher ein Phänomen als eine Lebensform, schien es aus den ersten Tagen nach der Geburtsstunde des Lebendigen zu stammen und die Jahrmilliarden kosmischer Entwicklung unbeeinflusst überstanden zu haben.

Wenn es irgend ging, so wollte Kazzenkatt auf den Einsatz der Finsternis verzichten. Selbst die Negasphäre war gegen dieses 10. Element des Dekalogs noch ein heimeliger Ort.

Während das Lenkungselement solche Überlegungen abklingen ließ, ging es im Zerotraum auf die Reise.

Und der Zerotraum brachte es an den Tag.

Im Raumsektor Verth war die Kräftemobilisierung der galaktischen Völker immer noch im Gang. Es trafen immer noch Raumschiffsverbände anderer Blues-Nationen ein, die den Gatasern auf diese Weise ihre Verbundenheit demonstrierten.

»Wartet nur, bis das Kriegselement über euch kommt«, meinte Kazzenkatt bei sich dazu.

Zu dem Kosmischen Basar LÜBECK, der in 14 Lichtjahren Entfernung vom Verth-System stationiert war, gesellte sich ein weiterer mit Namen NOWGOROD.

Diese so genannten Kosmischen Basare waren gigantische Handelsknotenpunkte, die im Fall einer länger währenden Auseinandersetzung als Nachschubbasen Bedeutung erlangen würden. Sie besaßen imposante Ausmaße, jeder dieser Basare war mehr als zehnmal so groß wie irgendeine MASCHINE des Technikelements.

Dazu kamen noch die Flotten der verschiedensten Völker, die der so genannten GAVÖK angehörten. Das war die Abkürzung für eine Organisation, die sich Galaktische Völkerwürde-Koalition nannte und der sich fast alle raumfahrenden Völker dieser Galaxis angeschlossen hatten, um den inneren Frieden zu sichern.

Nun waren die Mitgliedsvölker in das gefährdete Gebiet gekommen, um das erste Chronofossil, das die Armadaflamme anzufliegen hatte, vor den Einflüssen der Mächte des Chaos zu schützen.

»Wartet nur, wie die Lage nach meiner Galaktischen Völkerentwürdigungsaktion aussieht«, meinte Kazzenkatt.

Nach all den Anstrengungen, die die galaktischen Völker unternahmen, um das Verth-System zu schützen, musste ihnen die Bedeutung der Chronofossilien bekannt sein. Es gab mehrere in dieser Galaxis und in ihrem Umraum.

Kazzenkatt wusste nur, dass diese Chronofossilien eine Art Etappenziele der Endlosen Armada auf dem Weg durch die Milchstraße waren. Die Signalflamme war ein Vorbote, ein Wegbereiter, um das Feld für den Durchzug der Endlosen Armada vorzubereiten.

Dem Lenkungselement war auch bekannt, dass die Endlose Armada jedes dieser Chronofossilien passieren musste – ohne auch nur ein einziges auszulassen –, und dass dieser ganze Komplex sehr eng mit dem Wirken von Perry Rhodan zusammenhing.

Ohne vom Herrn der Elemente über die letztendliche Bedeutung und die Zusammenhänge aufgeklärt worden zu sein, war Kazzenkatts Auftrag unmissverständlich:

Das Verth-System musste vom Dekalog erobert und als Chronofossil unbrauchbar gemacht werden. Dazu war es nötig, das Volk der Blues aus der galaktischen Völkergemeinschaft zu lösen und den Kräften des Chaos dienstbar zu machen.

»Mit der neuen Generation von Kriegselementen wird das möglich sein!« Davon war Kazzenkatt überzeugt.

Das gegnerische Machtpotenzial im Verth-System bereitete Kazzenkatt keine Sorgen. Er besaß mit den ihm zur Verfügung stehenden Elementen eine breite Palette von Möglichkeiten, den feindlichen Kräften zu begegnen: Von der großangelegten Offensive bis zur Infiltration im kleinen Maßstab.

Kazzenkatt zog sich in die PRIMAT DER VERNUNFT zurück.

Die Ortung schlug an.

Kazzenkatt setzte sich mental mit ihr in Verbindung und erfuhr, dass es im Sarg-System zu einer Häufung von Anomalien kam. Es waren vermehrt jene »blinde Flecke« aufgetreten, die zu einer »Erstarrung« des Raumes führten.

Kazzenkatt kümmerte sich nicht weiter darum. Er konnte sich nicht mit solchen Nebensächlichkeiten aufhalten – nicht zu diesem Zeitpunkt.

Jetzt galt es, die Vorbereitungen für den Angriff auf das Verth-System zu treffen.

Der Dekalog stand bereit – und Kazzenkatt an seiner Spitze.

Perry Rhodan 1186: Dekalog der Elemente

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