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1. Es geht nicht gut mit dem Geld

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Geht es denn so gut mit dem Geld? Nein, es geht nicht gut damit. Das Gröbste, was sich dazu sagen lässt, ist zwar, dass es einem Teil der Menschen zu Wohlhabenheit und Reichtum verhilft, doch bekanntlich nur einem stets sehr kleinen Teil der Menschen, während der weitaus grössere – und zwar infolge jenes Reichtums – gequält wird, darbt und verhungert. Ist das die Schuld des Geldes? Ja, es ist seine Schuld, und zwar insofern, als Geld die allererste und allgemeinste Grundlage genau der gesellschaftlichen Verhältnisse bildet, die heute weltweit durchgesetzt sind, die diese Art von Zweiteilung der Menschheit bedingen und sie zulasten des zunehmend grösseren Teiles immer weiter noch verschärfen.

Das ist nicht so zu verstehen, als hätte es vor den Zeiten des Geldes kein Darben, keine Qual und keine Gewalt gegeben. Und noch ein anderes Missverständnis gälte es zu vermeiden, welches Sohn-Rethel lange gepflegt hat, nämlich dass mit der ersten Prägung von Münzen, also zu frühen Zeiten der griechischen Antike, das Geld bereits den nexus rerum gebildet, das heisst bereits die Kraft erlangt hätte, materiell eine Gesellschaft insgesamt zu tragen – und damit jene Wirkungen zu zeitigen, die ich meine. Dazu nämlich kommt es erst mit Anbruch der europäischen Neuzeit, ja, der Übergang zu einer auf Geld beruhenden Wirtschaft, der sich im Verlauf des sogenannten «langen» 16. Jahrhunderts vollzieht, ist geradezu der Beginn dieser Neuzeit. Selbstverständlich hat es auch in den Zeiten vor 1500 Geld gegeben, aber bis dahin – und in Ländern ausserhalb Europas gilt dies noch sehr viel länger – bleibt die Erzeugung von Gütern überwiegend eine Erzeugung für den Selbstbedarf. Das heisst, die Dinge, die eine Gesellschaft zu ihrem Leben brauchte, wurden zum grössten Teil nicht als Ware produziert, um dann erst gegen Geld verkauft zu werden. Sie sind vielmehr entweder direkt von denen hervorgebracht worden, die sie auch verbrauchten, oder wurden von anderen, die sie dank der Machtverhältnisse und durch unmittelbare Verfügung an sich brachten, weiterverteilt an die von ihnen Abhängigen. Solange der gesamte Lebensprozess einer Gesellschaft auf dieser Grundlage ruhte – also bis zur mittelalterlichen Feudalgesellschaft –, war er noch nicht von Warenproduktion und vom Tauschwert der Waren beherrscht. Und also nicht vom Geld. Spät erst, mit dem Übergang Europas in die so definierte Neuzeit, beginnt das Geld die gesamte Gesellschaft zu durchdringen und die Versorgung der Menschen mitsamt ihrer Verbindung bestimmend von sich abhängig zu machen. Und damit erst schafft es die historisch sehr spezifischen Verhältnisse, von denen ich spreche und die spätestens heute erkennen lassen, dass es, trotz Reichtum und unvorstellbar gesteigerter Produktivkräfte, grundsätzlich nicht gut mit ihnen geht.

Wir jedenfalls leben ohne Zweifel in einer, inzwischen berühmterweise gar «globalisierten», geldvermittelten Gesellschaft – wenn auch nicht mehr so ganz ohne Zweifel, was deren Funktionieren anbelangt. Selbst von biederster offizieller Seite – wenn ich mich recht entsinne unter der Schirmherrschaft eines deutschen Bundespräsidenten – wurde vor nicht allzu langer Zeit eine Werbekampagne geführt für das «Modell Ehrenamt». Nicht nur allen «Ehrenamtlichen im Sport» wurde da gedankt, nein, insgesamt seien «wir» auf das Ehrenamt angewiesen, ehrenamtliche Arbeit müsse zu einer neuen Grundlage «unserer» Gesellschaft werden, die Bürger mögen sich endlich flächendeckend bereitfinden und menschlich-solidarisch statt rechnerisch-selbstbezogen tätig werden, wenn sie nicht ihre Gesellschaft den berühmten «Herausforderungen» wollten erliegen sehen. Das Ehrenamt – die Tätigkeit ohne Bezahlung: Sie solle sich zu einer neuen konstitutiven Form der Arbeitsleistung mausern, eben weil die Bezahlung der Arbeiten, die allerorten zu leisten wären, unlösbare Schwierigkeiten macht: Ja, zu tun gäbe es viel, aber wer soll das alles bezahlen? Also, Bürger, Schluss mit der sozialen Kälte, warmherzig angepackt und menschlicherweise auf Bezahlung verzichtet!

Hm, und doch – so ähnlich denke ich mir das auch. Was immer ich tue, zurzeit noch, um damit Geld zu verdienen, von mir aus erledige ich es gerne ehrenamtlich und niemand soll mir etwas dafür zahlen – vorausgesetzt nur, ich bekomme meine Lebensmittel ebenfalls ehrenamtlich überlassen, ich darf ehrenamtlich in meiner Wohnung wohnen und ehrenamtlich hilft mir jemand bei der Reparatur meines Fahrrads. Denn dass ich zurzeit noch auf der Bezahlung meiner Arbeit bestehe, liegt nicht daran, dass ich speziell auf Geld begierig wäre und vor allem einmal Geld sehen möchte, Geld Geld Geld!, bevor ich es dann wieder ausgebe und etwas Ordentliches damit anfange. Nein, mein Geldbedürfnis hat seinen Grund vielmehr allein in der weltbekannten Notwendigkeit, auf die ich allenthalben stosse, nämlich dass ich meine Mittel zum Leben ausschliesslich für Geld bekomme, dass nämlich alle anderen um mich her auch auf Bezahlung bestehen und ich also unbedingt Geld zur Verfügung haben muss, um zu irgendetwas zu kommen. Und weshalb bestehen alle anderen darauf? Weil sie es genauso müssen, weil auch für sie gilt, dass alle anderen, mich eingeschlossen, darauf bestehen – und so schön immer weiter im Kreis und auf dem Erdkreis.

Es versteht sich also, dass der Zwang, als welcher das Geld eingerichtet und über jeden, ob er will oder nicht, in dieser Allgemeinheit verhängt ist, nur in dieser Allgemeinheit auch aufzuheben geht. Dies zu tun, hat das Projekt «Ehrenamt» in aller Unschuld vorgeschlagen, da es doch unbezahlte Arbeit zur Grundlage unserer Gesellschaft machen will – aber Vorsicht, Herr Bundespräsident, vor dieser erzkommunistischen Idee! Dass die Menschen diejenigen Arbeiten und Dinge, die ihnen nötig oder lieb sind, einfach nur deshalb erledigen und einfach deshalb herstellen, weil sie ihnen nötig oder lieb sind, und nicht, weil erst einmal der weltweite Zwang des Geldes dazwischengeschaltet ist und bedient sein will, das nämlich ist der Gedanke – man könnte ja sagen: einer befreiten Menschheit! Aber lassen wir nur diese Höhenflüge, begnügen wir uns zu sagen: Es ist der gut materialistische Gedanke eines versöhnten guten Lebens.

Um den war es Ihnen nicht zu tun, das glaube ich wohl, und an die Frage des Eigentums, die daran hängt, wollten Sie erst recht nicht rühren. Ihnen ging es im Gegenteil ja um eine Sicherung der Gesellschaft, so wie sie ist. Nur dass diese Gesellschaft offenbar mit ihrer Grundlage, dem Geld eben, so weit in Schwierigkeiten gerät, dass es einer solch widersprüchlichen Rettung bedarf, einer, die genau das entbindet, was sie uns ersparen soll, den Gedanken einer grundsätzlich veränderten Gesellschaft: dass es ohne Geld gehen müsse. Auf diesen Gedanken, seltsamerweise, kommt niemand ausser auf solch verdeckte Weise – ohne zu wissen, was er da denkt. Niemandem zwar entgehen die offen sichtbaren, radikalen und umfassenden Schwierigkeiten, die das Geld unter anderem sich selbst macht: von der so harmlos selbstverständlich gewordenen Arbeitslosigkeit, also fehlender bezahlter Arbeit, bis zur satten globalen Finanzkrise und heftig notwendigen Bemühungen mächtigster Staaten, das ganze schöne Geldsystem nicht jetzt schon zusammenbrechen zu lassen. Es ist auch durchaus kein Tabu, über Banker und Börsenleute herzuziehen, sich über Weltbank und IWF aufzuhalten, über Heuschrecken und global player, über versäumte Pflichten der Politiker oder Moral und Unfähigkeit von Managern, über Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit des Handels, richtige oder falsche Steuern, über zu freien oder zu sehr gelenkten Markt, zu grosse Schulden oder zu wenig Kredit. Und doch geht solche Kritik und Unzufriedenheit am Geldwesen niemals so weit zu fragen, wie es ohne Geld gehen könne, sondern sie besteht im Gegenteil ausnahmslos darauf, dass es mit dem Geld gehen müsse, nur eben – weiss der Teufel, wie – besser.

Abschaffung des Geldes

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