Читать книгу GEHIRNWÄSCHE - Ewald Peischl - Страница 4
ОглавлениеVaters Auftrag
Vater deutet Peter und mir, sitzen zu bleiben. Er blickt uns beide lange an. Nach einer kleinen Pause sagt er zu uns:
Lieber Peter, lieber Paul!
Ihr kennt mein Unternehmen nun schon einige Zeit. Ich hoffe, Euch ist auch die Bedeutung unseres Unternehmens für die Wirtschaft, für die Politik, ja für die gesamte Weltgesellschaft, bewusst. WIN (World International Network) ist in allen Ländern der Welt durch Internet, Facebook, Twitter, Intranet, Fernsehen und Zeitungen vertreten. Ohne unsere Serverdienstleistungen läuft nichts. Ohne uns gäbe es viele Politiker nicht.
Viele großen Unternehmen haben ihren Erfolg nur dank unserer ausgeklügelten Werbestrategien erreichen können. Wir sind unseren Benutzern, Sehern, Hörern, Lesern, usw. schuldig, immer die neuesten Informationen und Trends zu liefern.
Ebenso unseren Werbekunden.
Natürlich hat niemand auf der Welt die Macht, die mein Unternehmen verkörpert. Wir haben den größten Datenbestand an Adressen weltweit. Mehr noch, wir kennen das Kaufverhalten von Milliarden Menschen. Jeder weiß, wie groß unsere Reichweite ist. Dementsprechend groß ist auch die Erreichbarkeit der Werbung. Ein Produkt oder eine Sache, die von uns beworben wird, ist schnell weltweit bekannt. Ein Riesenvorteil gegenüber nur regionaler Werbemaßnahmen. Vor allem weil wir das Konsumverhalten kennen. Dazu ist punktgenaue Werbung möglich, was enorme Kosten für die Firmen spart.
Es war nicht immer so. Viel Mühe hat es gekostet, einen Sender nach dem anderen aufzukaufen, ins Internetgeschäft einzusteigen und die Firmen zu überzeugen, dass Werbung wichtig ist. Werbung über WIN überhaupt der Hammer ist.
Heute ist es leicht.
Unsere Firma braucht nur Aufträge zu schreiben. Wir können den Ansturm fast nicht abwehren. Vielmehr müssen wir ausfiltern, welcher Artikel „seriös“ und welcher weniger „seriös“ ist. Es erfordert Fingerspitzengefühl. Dieses Gefühl traue ich Euch beiden schon zu.
Wie ihr wisst, werde ich nächstes Jahr 65 Jahre alt. Höchste Zeit, die Firma in jüngere Hände zu legen.
Derjenige von Euch, der mir bis zu meinem 65. Geburtstag das bessere Konzept vorlegt, wird die Firma als alleiniger Chef übernehmen. Der andere wird in der Firma als Angestellter weiterarbeiten und zwar je nach Branche, die ihm am besten liegt. Natürlich steht dem zweiten ebenfalls ein Milliardenvermögen zu. Es ist ja genug vorhanden.
Alleiniger Chef von der größten und mächtigsten Firma der Welt zu werden, ist sicher ein ganz besonderer Ansporn.
Paul fragt Vater, ob bei der Größe der Firma nicht Platz für uns beide an der Spitze wäre?
Nein, entgegnen Vater und auch Peter.
Zwei Chefs haben noch keiner Firma gutgetan. Der bessere von euch beiden soll die Firma als alleiniger Chef führen, erwidert Vater noch einmal. Der andere hat sich zu fügen.
Peter ist sichtlich zufrieden. Er ist der Ältere. War der bessere in der Schule. Absolvierte sein Studium in Rekordzeit. Ist ein dynamischer, zielstrebiger, geradliniger und entscheidungsfreudiger Managertyp. Er versteht es, das Leben zu genießen. Seine Hobbys sind schnelle Sportwagen und der Jet Set. Er hat den Pilotenschein für jede Art von Flugzeugen auch von Hubschraubern.
Obwohl unsere Firma über eine tolle Firmenjetflotte mit den besten Piloten verfügt, liebt es Peter, auch mal alleine zu fliegen.
„Alleine ist er dabei nie!“
Hat immer „süße Bienen“ um sich. Ebenso liebt er Polo, Golf und fährt bei Power-Bootrennen mit.
Seine Jacht spielt alle Stücke. Er ließ sich auf drei Decks jeden nur erdenklichen Luxus einbauen. Vom prunkvollen Speisesaal, über eine große Disco, ein Kino, ein Casino, drei Swimmingpools, Whirlpools, Dampfsauna, Lichtsauna, Kräutersauna, Eisdusche, diverse Massageräume, bis hin zu den verspieltesten Schlafzimmern, ist alles enthalten. Nicht betonen braucht man, dass seine „Dreamworld“ überall dort kreuzt, wo gerade die High Society Station macht. Formel 1 in Monaco, Abu Dhabi, Filmfestspiele in Cannes und bei vielen Veranstaltungen rund um den Erdball ist Peter stets dabei. Die Mannschaft auf seiner Jacht ist das ganze Jahr über im Einsatz, immerhin 150 Männer bzw. Frauen. Er hat Domizile auf den Bahamas, Virgin Islands, Monaco, Mauritius, Dubai, Hongkong, Madeira und der Schweiz. Mit seiner Yacht kann er aber auf allen übrigen Plätzen der Welt anlegen, die für eine entsprechende Größe eines Schiffes geeignet sind. Er ist wohl der größte Playboy der Welt.
Seine unglaubliche Stärke ist wohl die Auswahl der Mitarbeiter und sein bedingungsloser Umgang mit ihnen.
Dagegen nimmt sich Pauls Lebenswandel sehr bescheiden aus. Paul besitzt eine kleine Suite im Haus seiner Eltern, die für ihn das Schönste auf der Welt ist. Hier hat er alles was man sich nur erträumen kann. Was kann es Schöneres auf der Welt geben.
Ach, könnte ich hier nur für immer verweilen, denkt Paul.
Paul, ruft mein Vater in etwas lautem Ton.
Vor dir liegt die wichtigste Entscheidung, die Du in Deinem Leben zu treffen hast. Es ist ein beinhartes Business. Dieses verlangt knallharte Entscheidungen. Träumer haben darin nichts verloren. Peter und du, ihr habt noch fast ein Jahr Zeit.
Ich schätze Euch beide.
Seht zu, dass ihr in fairem Wettstreit für unsere, für meine und später Eure Firma, arbeitet.
Nun ist es Zeit für mich, zu Bett zu gehen. Morgen ist wieder ein wichtiger Tag.
Apropos, ich habe für Euch beide in Euren Positionen Stellvertreter bestellt, die Euren Job tun sollen. Ihr braucht auf die Firma daher keine Rücksicht nehmen. Euer Ziel soll die Steigerung des Absatzes ihrer Produkte sein, und dies womöglich weltweit. Schließlich und endlich hängt der Erfolg unserer Firma vom Erfolg unserer Kunden ab. Peter, erwidert Paul. Wir haben ein Jahr Zeit. Möge der bessere die Führung der Firma übernehmen. Die letzte Entscheidung wird unser Vater treffen.
Paul wünscht daraufhin eine gute Nacht und zieht sich zurück.
Das ist wieder typisch für Paul erwidert Peter. Ohne auf ein erfolgreiches Jahr anzustoßen, zieht er sich zurück.
Paul macht es sich in seiner Suite bequem. Im Ofen flackert das Feuer, das Buchenholz knistert. Er setzt sich in seinen Lehnstuhl und beginnt leicht zu schaukeln. Peter wird wohl die Firma übernehmen, denkt er. Er hat die Kontakte, das Knowhow, die Entscheidungsfähigkeit und Entscheidungsfreudigkeit. In der High Society sowie der Welt der Großen ist er zu Hause.
Aber was kann ich schon verlieren, sinniert Paul. Eigentlich gar nichts. Mein Paradies ist unser Haus hier am See, meine wunderbare Suite. Wie könnte ich ohne die Momente am See leben, ohne meine Pferde, mein Boot. Nichts auf der Welt möchte ich gegen diese Idylle eintauschen. So gesehen kann ich nur gewinnen, wenn Peter die Firma übernimmt.
Geld und die Partygesellschaft haben mir so wieso nie so viel bedeutet wie Peter.
Zugegeben, mein Vater hat mehr Geld als er in Hunderttausend Jahren verbrauchen könnte.
Davon wird reichlich für mich übrigbleiben. Macht, ha was ist Macht. Die soll Peter haben. Viel Macht über Unternehmen, Politik und Leute. Zuviel Macht wirft Schatten und die treffen ausgerechnet die, die sie ausgesendet haben.
Am nächsten Morgen zieht Paul seine Reiterstiefel, Hose und Hemd an und geht ohne zu frühstücken in den Stall. Von weitem hört er ein freundliches Wiehern seines Vollblutarabers „Sunny“! Sunny ist fast schwarz, sein Fell glänzt in der Sonne. Sunny hat eine überragende Ausstrahlung und wir verstehen uns blind. Sunny ist sowohl schnell als auch ausdauernd. Sunny ist für mich das beste Pferd der Welt.
Pauls Ausritt
Na Sunny, Lust auf einen Ausritt? Sunny nickt mit dem Kopf. Paul holt den Sattel und legt ihn Sunny über den Rücken. Sunny wiehert, das heißt, jetzt geht’s los. Entlang dem See die Morgenluft genießend geht es dahin. Sunny galoppiert, trabt einmal schneller, einmal langsamer. So als ob er heuer das erste Mal im Freien herumtoben dürfte. Bäume und Wiesen ziehen an mir und Sunny vorüber. Ab und zu fliegt ein Vogel erschrocken hoch. Wie ein Kind im Schaukelstuhl genieße ich das hin und her auf dem Rücken meines Pferdes. Weiter und weiter bringt uns der schnelle Ritt voran. Längst ist mir das Zeitgefühl entglitten. Ich gebe keine Anweisungen, mehr. Sunny und ich verstehen uns telepathisch. Sunny weiß, dass ich nur die Natur auf seinem Rücken genießen will. Frische, taugetränkte Morgenluft mit Sauerstoff, wie er frischer nicht sein könnte. Wie heißt es so schön:
Alles Glück dieser Erde, liegt auf dem Rücken der Pferde!
Paul verliert dadurch jedes Zeit- und Raumgefühl.
Sunny galoppiert, trabt, wie es ihm gerade beliebt. Nach einiger Zeit zieht Paul die Zügel an.
Sunny bleibt stehen. Paul steigt ab und lässt sich ins Gras fallen. Herrliche Blumen umgeben ihn, daneben die silbrige Oberfläche des Sees. Ober ihm blauer Himmel. So muss wohl das Paradies ausgesehen haben. Als ob der Herrgott gerade die Welt erschaffen hat. Müde macht Paul seine Augen zu. Er schlummert ein. Sunny sucht sich frisches Gras und Kräuter.
Pauls Traum
So wandert Paul im Schlaf durch das Paradies. Plötzlich erblickt er ein kleines, verfallenes Haus. Zögernd nähert er sich diesem. Als er die Tür aufmacht sitzt in der Mitte des Raumes eine alte Frau vor einem Kessel. Paul weiß nicht, ob sie ihn bereits entdeckt hat und will schnell den Raum wieder verlassen.
Paul, hallo, sagt die Alte. Ich habe dich schon erwartet.
Hab keine Angst! Wie du es in deinen Träumen schon öfters verlangt hast habe ich dir deinen „Wundertrank“ gemischt. Dieser Trank wird dir die Welt zeigen wie sie wirklich ist!
Aber, wie, wieso weißt du, dass ich herkomme?
Setz dich, erwidert die Alte. Hier, sie schöpft aus einer üblen Brühe und reicht mir einen Becher.
Das musst du trinken!
Eklig, denkt Paul. Aber wenn ich das in meinen Träumen schon öfters verlangt habe werde ich wohl trinken müssen. Möge Gott geben, dass ich daran nicht zugrunde gehe.
Paul trinkt, zuerst einen Schluck, dann alles auf einmal. Kaum hat Paul getrunken sieht er sich in den Slums vieler Großstädte. Männer, Frauen, Kinder, Hunde, Katzen wühlen in Müllhaufen nach Nahrung. Kinder haben Bäuche und elendig dünne Hände und Füße. Bitte hilf uns, flehen sie Paul an. Aber seht doch her, ich habe auch nichts, außer dem, was ich anhabe.
Aber dein Vater, er ist der reichste Mann der Welt, er könnte uns helfen.
Weiter geht es nach Afrika, wo Aidskranke sterbend die Hände hinhalten. Nach Asien, wo Kinder unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten müssen, sexuell ausgebeutet werden.
Dagegen ist Dantes Hölle der reinste Erholungsort denkt Paul.
So viel Elend, Hunger, Not, und sonstige Gräueltaten kann es doch auf unserer Mutter Erde nicht geben. Bisher war doch alles so schön, so behütet. Wir konnten Essen was wir wollen, trinken wann und was wir wollen. Jede Vergnügungsmöglichkeit steht uns offen. Und hier nicht einmal etwas, was man als Nahrung anerkennen könnte. Viele schlafen auf den Müllhalden inmitten verwesender Lebensmittel. Der Gestank, pfui Teufel. Plastikfetzen mit verfaulenden Fleischresten. Dazwischen giftige Flüssigkeiten. Immer wieder ersticken und ertrinken Kinder darin. Paul will davonlaufen. Es gelingt ihm aber nicht.
Plötzlich stupst es Paul im Gesicht. Sunny hat ihn aus seinem Traum gerissen.
Verwirrt steigt Paul auf sein Pferd und galoppiert so schnell er kann davon. Lauf Sunny, lauf. Im schnellen Tempo geht es dahin. Sunny scheint kaum müde zu werden. Obwohl sie nun schon den ganzen Tag unterwegs sind scheint Sunny nun schneller zu laufen, als vorher. Lauf nur, lauf. Lassen wir alles hinter uns.
Der Weg biegt jetzt in einen Waldweg ein. Dieser ist naturbelassen. Die Wurzeln der Bäume ziehen quer über den Weg. Plötzlich stolpert Sunny über eine solche Wurzel. Paul stürzt zu Boden und kullert über einen Abhang.
Peters Meeting
Peter gibt in seinem Büro in Manhattan die Anweisung, alle wichtigen Korrespondenten und Leiter der jeweiligen Landesbüros in 14 Tagen auf seine Jacht in die British Virgin Islands zu laden. Dabei mögen sie sich auf ein etwa dreiwöchiges Meeting einstellen, bei dem der zukünftige Kurs von WIN festgelegt werden soll.
14 Tage später ....