Читать книгу Der vergessene Bunker - F. John-Ferrer - Страница 4

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Der Gebirgsjäger Lorenz stand mit einem halben Dutzend Essenholern unter dem weit überhängenden Dach des morschen Holzschuppens und erwartete fröstelnd die Ausgabe des Mittagessens. Die Landser in den verschlissenen Uniformen lungerten mit verdrossenen Gesichtern um die ein klein wenig Wärme spendende Feldküche herum; sie redeten kaum miteinander und schauten missvergnügt in den Regentag hinaus. Ein kalter Wind blies, und der Regen war bereits mit dem ersten Schnee vermischt. Schräg trieb er über die verschlammte Straße hinweg, kräuselte hässliche Pfützen und fuhr ins Gebälk des alten Holzschuppens, unter dem die rußgeschwärzte Feldküche stand. Es gab heute wieder die übliche Graupensuppe, die der Küchengefreite noch einmal umrührte, abschmeckte, um dann lässig zu winken:

»Auf geht’s! Porzellan fertigmachen, meine Herrschaften!«

Kochgeschirre klapperten, und der Gefreite Lorenz, Melder im 1. Zug, Gruppe Teichmann, entzurrte gemächlich den Deckel des tragbaren Kanisters und machte sich zum Empfang der grauweißlich brodelnden Brühe bereit.

Es war ein trostloser, verregneter und nasskalter Herbsttag, der 20. September 1944, kurz vor mittags. Die militärische Lage in Karelien war ebenso lichtarm wie der Tag und freudlos wie die unrasierten Gesichter der um die Feldküche drängelnden Landser.

Die Bombe, die am 20. Juni im Führerhauptquartier krepiert war und die ihr zugedachte Aufgabe nur in ungenügender Weise erfüllt hatte, änderte das Schicksal derer, die in dem finnischen Grenzdorf Laksa lagen, ebenso wenig wie das der restlichen in einem allgemeinen Rückzug befindlichen deutschen Phalanx im Osten. Längst war die Wehrmacht zurückgedrängt worden bis ins Kurland, bis über den San und die Weichsel, bis tief ins südliche Polen hinein. Der Rote Koloss walzte unerbittlich weiter und drängte auf die Entscheidung, die Westalliierten standen bereits in der Normandie, die Rumänen hatten aufgegeben, und die Finnen am 19. September in Moskau den Waffenstillstandsvertrag unterzeichnet. Der Sommer war gestorben, und mit ihm die letzte Hoffnung auf eine Wende im deutschen Kriegsgeschehen.

Der Küchengefreite Emil Gschrei klatschte die Graupenschläge ohne zu zählen in die Kochgeschirre und Kanister.

»Meine Herren, wenn Gschrei sich nicht irrt, geht’s bald ab. Vorhin ist der Bataillonsmelder eingetrudelt!«

Lorenz war gerade dabei, den Deckel des Kanisters zu verriegeln, als jenes scheußliche Geräusch ertönte, das alle kannten, das wie das Jammern eines hungrigen Kindes klingt und in der nächsten Sekunde mit einem Bersten endete.

Emil Gschrei sprang vom Trittbrett der Feldküche und flog in »Volle Deckung«. Die anderen ebenfalls.

Huuuuuuiiiii … rrrrreng!

Die russische Granate krepierte mitten auf der Dorfstraße und riss eine Dreckfontäne hoch. Etwas klirrte gegen die Feldküche, und aus dem Riss im Kessel quoll die Graupensuppe in einem faustgroßen Strahl. Es stank nach Pulver und Schwefel, und die Dreckfontäne auf der morastigen Straße sank in sich zusammen.

»Mensch, unser Fressen läuft aus!«, schrie jemand.

Flüche wurden laut, Emil Gschrei erwischte ein schmutziges Handtuch und pferchte es in den Kesselriss, um die Graupensuppe zurückzuhalten.

»Wenn der Bettelmann Pech hat«, murmelte er, »verliert er das Brot aus dem Sack. Verdammter Mist!«

Lorenz grinste.

»Habt ihr vielleicht gedacht, der Krieg ist aus, weil die Finnen nicht mehr mitmachen? Nee, sag ich – der Krieg geht flott weiter, und wenn wir nicht bald abhauen, dann …«

»Schnauze!«, sagte Lorenz’ Nebenmann. »Wir hauen nicht ab, wir bleiben hier, bis der Iwan uns kassiert.«

Lorenz grinste noch immer, noch breiter.

»Was würdest du dazu sagen, Franz?«

Der lange Obergefreite zuckte gleichmütig die Schultern. »Mir ist die Heimat zu weit weg und der Iwan zu nah dran.«

»Richtung Norden ist aber noch frei.«

Der Obergefreite mit dem mageren Gesicht und dem bläulichen Stoppelbart unter dem nach hinten geschobenen Stahlhelm schnäuzte sich mit den Fingern und erwiderte dann: »’s müsste bald sein, sonst ist der Bart restlos ab.«

Emil Gschrei stand wieder auf dem Trittbrett. »Los, es geht weiter, meine Herren! Her die Tassen! Der Küchenchef des Hauses wünscht allseits recht guten Appetit! Zehn Schläge für die Herren der Gruppe Hochreiter! Mahlzeit!«

Lorenz schulterte seinen Kanister, hängte sich den Karabiner um den Hals und trat aus dem Holzschuppen auf die Straße.

Weit hinter dem Wald, aus dem die Regennässe dampfte, wummerte das feindliche Geschützfeuer. Der Gefreite schnupperte misstrauisch in die Luft. Laksa, das noch auf sowjetischem Boden liegende Dorf nahe der Grenze, bestand nur aus acht niedrigen, strohgedeckten Holzkaten und ein paar Schuppen. Die Bewohner hatten auf ihrer Flucht nicht viel zurückgelassen. In einer der Holzkaten, deren Strohdach schon beträchtlich zerfleddert war, hauste der Kompaniestab der »Dritten«, und sie diente auch als Gefechtsstand. Zu Gefechten kam es aber nicht. Die 3. Kompanie lag mit ihren vier bedenklich zusammengeschmolzenen Zügen längs des Waldes in Stellung und beschränkte sich darauf, gegen Südwesten abzusichern und die schmale nach Laksa führende und zwölf Kilometer nördlich endende Grenzstraße für den Rückzug freizuhalten.

Die Sowjets schossen regelmäßig herüber; es war kaum mehr als ein Störfeuer und bezweckte wahrscheinlich nur, die Reste eines zerpflückten Gebirgsjäger-Bataillons endgültig über die Grenze zu jagen und seinem weiteren Schicksal zu überlassen.

Das Bataillon hatte bei Wiborg gekämpft und schmerzliche Verluste erlitten. Wiborg befand sich schon seit Juni in den Händen der Sowjets, am 28. Juni wurde Petrosadowsk besetzt. Längs der russischfinnischen Grenze schwiegen schon seit dem 4. September die Waffen.

Die 3. Gebirgsjäger-Kompanie hatte sich etappenweise bis dicht vor die alte Landesgrenze von 1940 zurückgezogen, wobei es Oberleutnant Rambach mehr darauf ankam, weitere Opfer zu vermeiden und den Rückzug möglichst geordnet durchzuführen.

Bis auf das russische Störfeuer waren die letzten Tage ruhig verlaufen. Hier in Laksa, wo sich Füchse und Hasen gute Nacht sagten, wo der Wald ringsum nach welkendem Laub und moderndem Holz roch, wartete man die weiteren Befehle der Division ab. Es konnten nur noch Rückmarschbefehle sein. Niemand beklagte sich mehr, alle dachten an den Weg nach Norden, an das Ende dieses aussichtslos gewordenen Kampfes.

Der Gefreite Lorenz wollte noch in die Schreibstube schauen, um nachzufragen, ob es etwas Neues gebe, ob vielleicht ein Postsack eingetroffen sei, ein Brief, ein Päckchen aus der Heimat.

Vor dem Blockhaus lehnte das schlammbespritzte Krad des Bataillonsmelders. Man hatte ein paar Bretter vor den Hauseingang gelegt, sie waren glitschig und voller Schlamm. Lorenz stolperte in das Haus.

Als er den Gefechtsstand betrat, schlug ihm der Mief von nassen Kleidern, Brot und Machorka ins Gesicht. Trübes Licht erhellte dürftig den niedrigen Raum. Längs der Wände war Stroh aufgeschüttet, in dem ein paar Gestalten lagen, rauchten oder miteinander sprachen. Drei winzige Fensterlöcher ohne Scheiben ließen das graue Tageslicht herein. Auf einem rohen Tisch lag eine ausgebreitete Landkarte, und davor stand die hagere Gestalt des Kompaniechefs Oberleutnant Rambach. Der Bataillonsmelder im schweren Kradmantel, den Stahlhelm über den Unterarm gehängt, stand neben dem Offizier, auch Spieß Witt und Feldwebel Danzer umringten den Tisch.

Lorenz, von keinem beachtet, fing gerade die Worte des Oberleutnants auf:

»Na also, Herrschaften, dann können wir ja zusammenpacken. Danzer, sorgen Sie dafür, dass die Züge Bescheid kriegen. Aus den Stellungen wird möglichst geräuschlos abgerückt, verstanden? Sammeln vor dem Gefechtsstand. Abmarsch der Kompanie Punkt vierzehn Uhr.«

In diesem Augenblick schwoll ein Dröhnen an, das schnell näherkam.

»Flieger!«, brüllte jemand.

Die Gestalten am Kartentisch duckten sich. Lorenz presste sich gegen die Wand und rutschte an ihr nieder. Dann bebte für ein paar Augenblicke das ganze Haus. Die Menschen hielten den Atem an. Gleich musste es krachen!

Das russische Jagdbomber kam im Tiefflug über Laksa hinweg, flog im grauen Regendunst eine Schleife, kehrte noch einmal zurück, und dann pfiff es in der Luft.

Die Bombe barst hinter dem Dorf. Fehlwurf! Das Dröhnen verlor sich, erstarb im Grau des Himmels hinter dem karelischen Wald.

Im Gefechtsstand wurde es wieder lebendig, man lachte, man redete durcheinander.

»Der hat nur mal nachgeschaut, ob wir noch da sind«, sagte jemand.

Lorenz fragte den Kompanieschreiber Heimann, ob Post eingetroffen wäre.

Der schüttelte den Kopf und meinte: »Post? Was brauchen wir Post, Mann! Wir rücken ab, das ist viel wichtiger!«

Jetzt trat Spieß Witt heran.

»Na, Bua?«, grinste er Lorenz an. Witt war Münchner und sprach ein unverfärbtes Bayerisch. »Was stehst rum und hältst Maulaffen feil, ha? Hast net g’hört, dass wir abrücken ?«

»Um vierzehn Uhr, Herr Hauptfeldwebel?«

»Um vierzehn Uhr«, nickte Witt. »Und koa Minuten später. Der Zug fährt pünktlich ab!«

»Jawohl, Herr Hauptfeldwebel!« Lorenz strahlte.

»Kehrt marsch!«, befahl Witt. »Nimm deine Füß in d’ Hand und sag deiner Gruppe, dem Teichmann, Bescheid, dass er seinen Sommersitz aufgeben kann und mit Sack und Pack hier zum Abmarsch eintrifft!«

Der untersetzte Mann mit dem roten Metzgergesicht ließ Lorenz stehen und wandte sich an die in Bewegung geratenen Strippenzieher und Nachrichtenleute. Es ging also weiter! Lorenz freute sich darüber. Der verregnete Tag hatte beträchtlich an Tristheit verloren.

Lorenz verließ den wie ein Bienenkorb summenden Gefechts- und Schreibstubenraum. Draußen holte er tief Luft und schaute vergnügt in den schnürenden Regen. Bei der Feldküche stand ein Haufen Landser, und Gschrei gab noch immer das Essen aus. Ein Planwagen mit zwei pitschnassen, mageren Zossen davor, schleppte sich mühsam durch die verschlammte Wasserlandschaft der Dorfstraße. Dahinter folgten ein zweites und drittes Fuhrwerk.

Jetzt kam der Kradmelder heraus, setzte den Stahlhelm auf, trat seine Maschine an und fuhr, die bestiefelten Beine von sich streckend, dem nördlichen Dorfausgang zu. Das Wasser aus den Pfützen spritzte hoch auf, rutschend verschwand die Maschine.

Vierzehn Uhr Abmarsch! jubelte es in Lorenz. Raus aus diesem Drecknest, das auf keiner Karte eingetragen ist! Endlich marschieren! Bloß weg! Nach Norden hinauf! Über die Grenze zurück! Dort kann einem ja nicht mehr viel passieren!

Für Lorenz war es sonnenklar, dass man Richtung Norden marschieren würde; durch Finnland, in dem nicht mehr geschossen und gestorben und wo man von keinen Jabos mehr belästigt wurde! Und auch von keinen Heckenschützen!

Lorenz ging rasch auf die andere Straßenseite hinüber, dann ein Stück weiter, bis ein morastig gewordener Fußweg zum Waldrand abzweigte.

Der Kanister Graupensuppe am Rücken wärmte angenehm, der Regen prasselte auf die umgehängte Zeltbahn. Lorenz pfiff leise vor sich hin und dachte an die letzten beiden Kriegsjahre. In Narvik war er zur 3. Kompanie gestoßen, vom Ersatzhaufen kommend. Bald hatte er sich in den Kameradenkreis eingelebt und marschierte mit, tat seine Pflicht wie jeder andere, kämpfte, darbte, hoffte und wusste, dass alle Strapazen und Ängste umsonst gewesen waren; er wusste es, seit die Finnen die Waffen gestreckt hatten.

Lorenz wunderte sich darüber, dass er es den Finnen nicht einmal krumm nahm, dass er ihnen diesen Entschluss nachsah. Er kannte viele Finnen, er mochte dieses kleine, tapfere Volk und verstand, warum es die Waffen niederlegte. Es hatte wenigstens den Mut, mit diesem Irrsinn aufzuhören, es wollte nicht verbluten, das Hemd war ihm näher als der Rock!

Lorenz wich schwärzlichen, glucksenden Wasserlachen aus und streifte an triefenden Büschen entlang, von denen das Laub blätterte. Er war diesen Weg oft gegangen, bei Hitze und Kälte, bei Tag und Nacht. Rechts hinter den Büschen, in die der Regen prasselte, lag der Wald, dicht und filzig, mit schmalen Pfaden, die zu den Stellungen führten.

Dort drinnen ertönten Stimmen, Kommandos. Man hatte den Befehl zum Abrücken schon erhalten und baute ab.

Jetzt ploppte es weiter hinter dem Wald. Lorenz blieb stehen und horchte mit aufgesperrtem Mund. Jetzt kamen sie an, die Brocken: Piiiiiiauuuuu … wumm … rrrrreng! Drei Einschläge in der Nähe des Dorfes!

Sie haben es in die Nase gekriegt, dass wir abhauen, dachte Lorenz. Sie wollen uns noch ein wenig die Freude vermiesen! Er lachte und stolperte weiter.

An der Pfadkrümmung traf er mit der Gruppe Hengst zusammen. Mit Sack und Pack kam sie heran.

»Mensch, Lorenz, wo musst du noch hin?«

»Zum Teichmann. Fressen bringen und den Abmarschbefehl!«

»Na, dann beeil dich, Mann! Los, geh zur Seite, sonst überfahren wir dich!«

Sie gingen lachend vorüber und verschwanden mit klappernden Geräuschen auf dem dampfenden Pfad.

Der Weg endete auf einer kleinen Lichtung, die Lorenz noch überqueren musste. Drüben, hinter dem niedrigen Buschstreifen, lag der Bunker »Waldmaus«. Die Lichtung war mit gelbem Gras bewachsen, das der Regen plattgelegt hatte, in der Mitte stand der Torso einer Kiefer, die von einer Granate zersplittert war. Ringsum lagen die zerfetzten Äste, schon rötlich gefärbt in den langen Nadeln. Im Umkreis gähnten ein paar Granattrichter, in denen sich das Regen- und Grundwasser angesammelt hatte.

Lorenz blieb stehen. Vor dieser Lichtung hatte er schon immer Angst gehabt. Es wollte ihm vorkommen, als benützten die roten Artillerieoffiziere den hoch aufragenden Kiefernstamm als Grundrichtungspunkt für ihre Geschütze, als Punkt, der sich ausgezeichnet zum Einschießen eignete.

Jedes Mal, wenn Lorenz diese Lichtung überqueren musste, überkam ihn die Ahnung, dass dieses freie Stück karelischen Landes ihm zum Schicksal und Verhängnis werden sollte.

Auch jetzt beschlich ihn wieder diese düstere Ahnung, den Gefreiten aus dem Emsland, den einzigen Sohn des Heidebauern Felix Lorenz. Aber er zögerte nur ein paar Augenblicke lang und sagte sich: »Unsinn, es passiert nichts! Ich muss rüber und Teichmann Bescheid sagen, dass abgerückt wird! Vorwärts also! Zwei Jahre und zwei Monate ist alles gut gegangen, warum soll jetzt etwas schief gehen?«

Er fing zu traben an. Die Graupensuppe im Kanister gluckerte warm und hohl am durchschwitzten Rücken, die ausgetretenen Nagelschuhe des Gefreiten spritzten ins nasse Gras, seufzten, plumpten mit dumpfer Eile über die Lichtung hinweg.

Er lief geduckt, mit eingezogenem Genick; der Stahlhelm rutschte ihm in die Augen, das Seitengewehr klirrte gegen den am Koppel wippenden Feldspaten.

Plopp-plopp-plopp, ertönte es rechts hinter dem Wald.

Abschussfeuer! schoss es Lorenz durch den Kopf. Schnell rüber!

Hiiiiiau-wumm-rreng! Dicht vor der rennenden Gestalt sprang der grelle Blitz auf. Lorenz rannte mitten in ihn hinein.

Als die schwärzliche Detonationswolke verraucht und vom Wind von der Lichtung getrieben war, lag der Kanister Graupensuppe am Buschrand. Der Verschluss war aufgesprungen, und eine grauweiße Masse kroch ins nasse Gras.

Das Gelände vor dem Waldrand fiel in sanften Bodenwellen bis zu einer flachen Talsohle ab, die von einem Bächlein durchflossen wurde, und stieg auf der anderen Seite, mit Gras und niedrigem Buschwerk bewachsen, wieder bis zum gegenüberliegenden Waldrand hinauf. Die Entfernung zwischen hüben und drüben betrug etwa tausend Meter Luftlinie. Drüben lagen Ungewissheit und Gefahr: die Feindseite. Nicht das schärfste Fernglas, nicht das geübteste Auge hätte von dorther den Erdbunker ausmachen können. Er war vollkommen unsichtbar, tief in den modrigen Boden vergraben, mit zwei dicht über der Bodenneigung liegenden Schießscharten. Zwei MG 42 beherrschten einen Geländewinkel von fast 180 Grad.

Der Bunker lag direkt am Waldrand, mit den Raffinessen langjähriger Kampferfahrung zusammengebastelt und mit fast pedantischer Hingabe ausgestattet, auf Sicherheit bedacht und mit dicken Baumstämmen zugedeckt, auf die eine Erdauflage gelegt und mit Sträuchern bepflanzt worden war. Ein lauernder und bei Bedarf Feuer und Verderbung sprühender Flügel, dessen darauf wachsender und jetzt welkender Heckenrosenstrauch Harmlosigkeit vortäuschte.

Der Zugang zu diesem gefährlichen Nest führte aus dem Wald heran. Zwei Büsche verbargen den Eingang, der mit Zeltbahnen verhangen war. Über vier Erdstufen gelangte man ins Innere des geräumig angelegten Bunkerraumes.

Die Decke war aus dicht zusammengefügten Baumstämmen gebaut und mit zwei entrindeten Pfosten gut abgestützt. Die Wände hatte man mit Ruten versteift und dann mit alten Frontzeitungen tapeziert. Vor den breiten Schießscharten stand der MG-Tisch mit den beiden tadellos instandgehaltenen Maschinengewehren vom Typ MG 42. Es war reichlich Munition vorhanden. Handgranaten lagen griffbereit. Zu beiden Seiten des Bunkers befanden sich die Lager, ein drittes unter dem MG-Tisch. Der Raum bot genügend Platz für die sieben Mann Besatzung. In der Mitte, neben dem ersten Stützpfosten, stand der aus Konservenblech hergestellte Bunkerofen, eine ebenso einfache wie praktische Erfindung, die mit trockenen Hölzchen, die rauchlos verbrannten, geheizt wurde. Ein langes, schmales Ofenrohr führte nach hinten schräg ins Freie. Ober den Lagern waren Wandbretter angebracht, auf denen in geordneter Reihe Stahlhelme, Gasmasken und sonstige Geräte lagen. Es gab sogar ein Schränkchen, in dem die Lebensmittel aufbewahrt wurden.

Im Bunker »Waldmaus« herrschten preußische Ordnung und Sauberkeit, obwohl die meisten der Insassen aus den südlichen Zonen Deutschlands stammten.

Oberjäger Werner Teichmann hieß der hagere, erst knapp 24-jährige Gruppenführer mit dem knochigen Gesicht und der Gasmaskenbrille auf der dünnen Nase. Er war eigentlich Fähnrich und hatte, was Wissen und Intelligenz anging, beträchtlich mehr aufzuweisen als seine sechs Untergebenen. Er diente erst seit etwas über ein halbes Jahr bei der Dritten und kam von einem Münchner Ersatzbataillon, wo er den Offizierslehrgang mit »gut« bestanden hatte und anschließend zur Frontbewährung abkommandiert worden war.

Werner Teichmann war ein eigenartiger Mensch. Er schien stets eine unsichtbare Mauer um sich aufgebaut zu haben und sein eigenes Leben zu leben. In seinem hageren Gesicht stand ein Zug von eigensinniger Bitterkeit, von innerer Verschlossenheit; der Blick seiner hellen Augen, die sich hinter den Brillengläsern verbargen, verriet oft Arroganz und unverhohlene Geringschätzung dessen, was sich vor ihm zeigte oder zu behaupten versuchte.

Teichmann ließ gern durchblicken, dass er aus besseren Verhältnissen stammte und sein Vater Studienrat war. Er selbst hatte Medizin studieren wollen, war aber vor etwas über einem Jahr beim Physikum durchgefallen und hatte sich daraufhin freiwillig zum Wehrdienst gemeldet, um Offizier zu werden.

Vielleicht lag es am missglückten Studium, dass er einen gewissen Groll gegen seine Umgebung empfand und sich hinter Hochmut und oft verletzender Herablassung verschanzte. Jedenfalls war es schwer, mit ihm warm zu werden oder einen Blick in sein Inneres zu erlangen. Den Vorgesetzten, besonders den Offizieren gegenüber, legte er jene Zackigkeit an den Tag, die leicht ans Lächerliche grenzte. Er nahm sich wichtig, aber er hatte auch bereits gezeigt, dass er den Kampf nicht scheute und über beträchtlichen persönlichen Mut verfügte. Der Kompaniechef hatte ihn für die Verleihung des EK II vorgeschlagen, und darauf wartete Teichmann, ohne dass er es sich vor den anderen anmerken ließ. Er gierte nach Belobigungen und der Anerkennung seiner Mustergültigkeit.

Als Teichmann die Gruppe 3 des 1. Zuges übernommen hatte, war er bald auf passiven Widerstand gestoßen. Die Oberschnäpser und Gefreiten hatten sich über ihn mokiert und nahmen ihn erst für voll, seit er bei den Kämpfen um Wiborg seinen Mann gestanden und die Gruppe nach heftigen Kämpfen ohne Verluste wieder herausgebracht hatte.

»Spinnerter Teifi«, pflegte Loisl Brunner, der älteste Obergefreite der Gruppe 3, zu sagen, oder »Damischer Ritter«.

In dem Obergefreiten Alois Brunner, dem vorhergehenden Gruppenführer, fand Teichmann anfangs den heftigsten Widerpart, der keine Gelegenheit vorübergehen ließ, ihm, dem Narren, klarzumachen, wer schon länger am Feind war, und dass es ratsam wäre, die alten Oberschnäpser und Frontschweine als die »Stützen der Wehrmacht« anzuerkennen, als das schon sprichwörtlich gewordene »Rückgrat der Armee«. Man wünschte im Umgang mit sich und dem Ranghöheren eine gewisse Saloppheit, eine Jovialität, die beileibe keine plumpe Vertraulichkeit zu sein brauchte.

Es dauerte eine Zeit, bis Teichmann begriff, dass er hier nicht herumkommandieren und im Kasernenhofstillstil verfahren konnte; es dämmerte ihm alsbald, dass seine Leute, denen er Befehle geben musste, keine Puppen waren, sondern im Laufe der sechs Kriegsjahre gelernt hatten, die Tatsachen realistisch zu sehen und die Lage zuverlässig einzuschätzen.

»Wissen S’, Herr Oberjäger«, hatte vor einiger Zeit der Loisl zum Teichmann gesagt, »hier an der Front gilt der Soldat ein wengerl mehr als daheim im Kasernenhof. Drum plärrn S’ net so rum und san S’ schön friedlich. Auf solchene Weis kemma wir bestimmt guat miteinander aus und dös wolln wir doch. Oder net?«

Und dabei schaute der Loisl den Teichmann mit seinen schwarzen Kulleraugen so treuherzig an, dass Teichmann antworten musste: »Schön, Obergefreiter Brunner, versuchen wir es so rum.«

Worauf der Loisl grinsend erwiderte: »Den Obergefreiten können S’ Eahna schenka, Herr Oberjäger. Sagen S’ einfach Brunner oder Loisl zu mir, dös passt mir am besten.«

Seither rief Teichmann seine Mannen nur noch mit Familiennamen, und so ging es ganz gut. Was Teichmann aber insgeheim dachte, das ließ er sich nicht anmerken.

Im Bunker war es schon dunkel geworden. Ein Hindenburglicht flackerte auf einer leeren Munitionskiste. Auf dem linken Lager spielte jemand auf einer Mundharmonika; es war ein gedankenvolles Musizieren, ein klangvolles Variieren von sentimentalen Weisen, mal volkstümlich, mal in bekannte Schlager überwechselnd.

Alois Brunner, der Mechaniker aus Berchtesgaden, lag auf dem Rücken, die Beine angezogen, und spielte. Er hielt die Augen geschlossen. Am MG-Tisch gurteten zwei Soldaten Munition: der Obergefreite Ernst Amann aus Dachau und Franz Lämmer. Lämmer war erst vor acht Wochen durch einen Granatsplitter am Kopf verwundet worden, hatte sich aber nicht heimschicken lassen, sondern war nach kurzer Behandlung am Verbandsplatz und ohne sich dort abzumelden wieder zur Kompanie zurückgekehrt. Seitdem litt er oft unter Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit, machte davon aber kein Aufheben. Er war ein stiller Mensch, der jederzeit half und an seinen Kameraden hing; deshalb wollte er sich auch nicht irgendwohin in ein Lazarett abschieben lassen.

»Man schickt mich sowieso wieder an die Front«, sagte er. »Da ist’s mir lieber, ich bleib gleich da.«

Von Beruf war er Bäcker; er stammte aus Würzburg, wo er im Betrieb seiner Eltern half.

Auf der linken Bunkerseite lagen zwei weitere Gestalten auf den Decken. Die eine, es war der Gefreite Walter Drexler, ein Münchner, schlief, die andere reinigte sich, auf dem Rücken liegend und die Beine übereinandergeschlagen, mit dem Taschenmesser die Fingernägel. Es handelte sich um den Gefreiten Ferdinand Koch, von Beruf Kellner und in Ruhpolding daheim.

Der siebte Mann der Bunkerbesatzung, der bullige Toni Weiß, ein Fuhrknecht aus Aschau, stand unweit des Bunkers auf Posten.

Teichmann saß im Lichtkreis des Hindenburglichtes und stopfte eine Socke. Sein knochiges Gesicht war über die Arbeit gebeugt. Er führte die Nadel mit auffallend langen und dünnen Fingern. Sein weizenblondes Haar war bürstenartig geschnitten, und die Brille hing mit ihren grauen Bändern hinter den abstehenden Ohren.

»Es hört auf zu regnen«, sagte Amann und warf einen Blick durch die linke Schießscharte. »Wie spät haben wir’s denn schon, Herrschaften?«

»Viertel nach viere«, ertönte es von links, wo Ferdl lag. Er hatte einen Blick auf die Armbanduhr geworfen.

Das Mundharmonikaspiel brach ab.

»Zeit wär’s, dass ’s Fressen rankommt.« Brunner setzte sich auf und klopfte die Mundharmonika in die Handmuschel. »Wo nur der Lorenz bleibt, der müsst doch schon längst da sein.«

Teichmann biss den Wollfaden ab und sagte mit schnarrender Stimme: »Jemand muss raus und zum Gefechtsstand. Wer geht freiwillig?«

Schweigen.

»Na los, Herrschaften«, ließ sich Teichmann mit leichter Ungeduld vernehmen und stand auf. Sein Kopf reichte bis zur Bunkerdecke. »Jemand muss nach Laksa rüber.«

»Zu was?«, kam es von rechts. Brunner schob die Mundharmonika in die Brusttasche seiner abgetragenen Uniformjacke. »Die Lage ist unverändert, Herr Oberjäger: Russki hat das Feuer eingestellt, Regen hat aufgehört, wir sitzen da und warten auf den großen Sieg.«

Teichmanns Brillengläser funkelten matt, sein Gesicht wurde ärgerlich.

»Sparen Sie sich Ihre Sottisen, Brunner; es hat Sie niemand um Ihre Meinung gefragt.«

»Sottisen?« Brunner grinste schief. »Was ist denn dös wieder? So a Wort hab ich noch nie gehört.«

»Man kann auch ›dumme Redensarten‹ sagen«, erwiderte Teichmann schroff.

»Ach so«, spottete Brunner, »dumme Redensarten nennt man’s in Ihren Kreisen, wenn man vom Endsieg redet? Dös muss ich mir merken, Herr Oberjäger.«

Teichmann machte den Mund auf, um Brunner zurechtzuweisen, ließ es aber sein und fragte dann noch einmal: »Also – wer geht?«

»Ich!«, kam es vom MG-Tisch her. Lämmer rutschte von der Tischkante, ging zum Wandbrett, holte den Stahlhelm herunter, zog die an einem Zipfel aufgehängte Zeltbahn vom Nagel und schlüpfte hinein; dann nahm er den Karabiner, probierte den Sitz des Mündungsschoners und trat zu Teichmann. Mit gleichgültiger Stimme sagte er: »Melde mich ab nach Laksa.«

Teichmann nickte dienstlich.

»Schauen Sie mal nach, wo der Lorenz bleibt, und wenn Sie Feldwebel Danzer treffen, sagen Sie ihm, dass unser Waffenöl zu Ende gegangen ist.«

»Jawohl.« Lämmer grüßte lasch und verließ den Bunkerraum mit schleppenden Schritten.

Er schlich die Erdstufen herauf, schob die Zeltbahn des Einganges zur Seite und blieb stehen.

Man konnte sein unrasiertes Gesicht jetzt deutlicher erkennen. Es sah kränklich aus und alt. Am Haaransatz über dem rechten Auge klebte ein verschmutztes Pflaster. Lämmer betastete es, murmelte etwas und setzte dann vorsichtig den Stahlhelm auf.

Der noch im Schädel steckende Granatsplitter schmerzte heftig, und Lämmer verzog leicht das Gesicht. Dann hängte er umständlich den Karabiner über und wollte gehen.

Da erscholl von links eine tiefe Stimme: »Sakra, warum werd ich denn net abgelöst? Die zwoa Stunden san doch längst um!«

Es war der bullige Toni Weiß, der weiter drüben in einem tiefen Schützenloch, von dem aus man das freie Gelände überschauen konnte, auf Posten stand. Man sah ihn nicht, man hörte nur seinen bayerischen Bierbass aus den Büschen.

»Muss gleich soweit sein«, rief Lämmer hinüber. »Der Teichmann passt schon auf, dass du net über die Zeit stehst.«

»Und wo bleibt ’s Futter?«, kam die Frage aus dem Busch.

»Ich geh mal nachschaun, wo der Lorenz bleibt.«

»Ist er noch net da, der Hammel?«

»Nein.«

»Wannst ihn siehst, sagst ihm, dass ich ihm demnächst a Raketen einbau, damit er a wengerl schneller hin und z’ruck kimmt, verstanden!«

Lämmer setzte sich in Bewegung und ging den Pfad entlang. Von den Bäumen tropfte die Nässe, der Wald roch nach Moder. Es dunkelte schon langsam.

Wie schnell jetzt die Tage zu Ende sind, dachte Lämmer. Und geschneit hat es heute auch zum ersten Mal. Werden wir noch einen Winter in Russland verbringen? Das wäre scheußlich. Ich weiß nicht, ob ich das durchstehe. Vielleicht melde ich mich doch beim Sani und lass mich heimschicken. Aber wie soll das gehen? In welche Richtung müssten sie mich schicken? Die Russen stehen überall, und der Weg nach Norden bis Petsamo oder Kirkenes ist so weit wie von hier nach Königsberg, und die Russen sind sicher nicht mehr weit von Königsberg weg. Wie soll das enden? Wo ist das Loch, durch das wir schlüpfen können?

Lämmer tastete sich mit der Linken an den triefenden Büschen entlang, stolperte einmal und fing sich wieder. Der Granatsplitter im Schädelknochen tat weh, der Schmerz schoss tief ins Genick hinein.

Ich schaff es nimmer, kam es Lämmer plötzlich zum Bewusstsein. Ich muss mir das Ding rausnehmen lassen, sonst werd ich noch verrückt. Ich kann nimmer schlafen, und der Schädel tut mir den ganzen Tag lang weh.

Die Lichtung zeigte sich. Nebeldunst kroch über sie hinweg, wogte träge hin und her. Der zerschossene Baumstamm ragte wie ein schwarzer, riesiger Zeigefinger ins Grau. Es war dämmerig geworden.

Lämmer blieb stehen, ehe er aus dem Wald trat. Es kam ihm vor, als röche es nach Pulver … und nach noch etwas anderem: nach … nach Maggi! Ja, nach Maggi!

Komisch, warum riecht es hier so stark nach Maggi? Lämmer schnupperte intensiv und war ganz sicher, dass es in der Umgebung nach jener Suppenwürze roch, die einem schon zum Halse raushing und Widerwillen aufsteigen ließ.

Er tat ein paar Schritte vor und plötzlich sah er etwas Dunkles, Viereckiges im gelblichen Gras liegen. Er ging rasch darauf zu und bückte sich. Der Verpflegungskanister lag da. Die Graupensuppe war ausgelaufen und lag als große grauweiße Breimasse im Gras.

Lämmer erschrak. Was sollte das bedeuten? Der Lorenz …

Mit aufgerissenen Augen schaute Lämmer sich um, ängstlich und verwirrt war sein Blick, halb offen der Mund.

»Lorenz!«

Der Ruf schallte über die Lichtung und blieb ohne Echo. Ganz fern rumpelte Geschützfeuer. In Richtung Laksa war alles still. Im Wald knisterte die Nässe.

»Looooorenz!« Hohl tönte der Ruf ins Leere und verhallte.

Es hat ihn erwischt, den Gliedern, dazu ein dumpfes Dröhnen im Schädel. Vorhin … da hat’s hier reingehauen! Ein paar Mal! Und wir haben dagesessen, und der Loisl hat gesagt: »Dass die so viel Munition verschwenden!« Und der Ernst Amann hat gelacht und erwidert: »Wenn sie’s haben, warum net? Uns treffen sie sowieso net!« Aber den Lorenz hat’s getroffen! Ich muss ihn suchen! Das arme Schwein!

Franz Lämmer fing mit der Suche an, erst rings um den Kanister und die eklige Graupensuppe, dann weiter im Halbkreis – bis zu den Granattrichtern.

Dort lagen ein verschlammter Knobelbecher und ein paar Meter davon ein Tuchfetzen, halb verbrannt.

Lämmers Hände zitterten. Kalter Schweiß brach ihm aus. Stumm starrte er auf die Spuren des Todes nieder, immer nur einen Gedanken im dröhnenden Kopf: Den Lorenz hat’s erwischt, so kurz vorm End!

Lämmer hatte nicht mehr die Kraft, über die Lichtung nach Laksa zu gehen. Es drängte ihn, auf dem Absatz kehrtzumachen und zum Bunker zu rennen, zu brüllen, sie alle herauszuholen und ihnen zu sagen, dass es den Lorenz …

Was lag dort? Dort drüben am Fuß des großen Wacholderbusches erkannte er im Zwielicht etwas Dunkles, Rundes … Lämmer ging langsam darauf zu, bückte sich … und stieß einen röchelnden Laut des Entsetzens aus. Er warf den linken Arm vors Gesicht und wimmerte. Vor dem Wacholderbusch, im nassen, farblosen Gras lag ein abgerissener Kopf, darauf, schief, verbeult und rauchschwarz, der Stahlhelm. Zwei glasige Augen, ein schwarzes, aufgerissenes Mundloch, ein verbranntes Gesicht.

»Leut! Leut!«, gurgelte Lämmer, dann drehte er sich um und stolperte schreiend davon: »Leut, kommt’s doch … der Lorenz … sein Kopf … sein Kopf …!«

Die im Bunker unterhielten sich, und Teichmann zog die Taschenuhr auf. Noch zwei Minuten, dann musste Brunner den Weiß auf Posten ablösen. Bei Teichmann ging es genau zu, auf die Minute genau, »Und ich sag, dass man auch giftige Schwammerln essen kann«, ließ sich gerade der Ferdl vernehmen.

»Du spinnst ja«, erwiderte Loisl. »Da wirst unter Garantie hin.«

»Koa Spur, Loisl. Wenn du die Schwammerl in Milch abkochst, sind sie essbar.«

»Haha, da trink ich die Milch lieber, Freund!« »Still!«, rief Teichmann scharf. »Horcht mal! Was ist denn das?«

Sie lauschten. Von draußen drang dumpfes Jammern und Geschrei. Die tiefe Stimme Tonis ertönte. Dann polterten Schritte die Erdstiege herunter. Franz Lämmer wankte herein, grau im Gesicht, die Augen weit aufgerissen. Hinter ihm stand der einsneunzig große Obergefreite, der Toni, und rief über Lämmer hinweg:

»Der hat den Verstand verlorn, Leut! Helft ihm! An Eimer Wasser her, dass er wieder normal wird!«

Die Landser drängten heran. Teichmann packte den scheinbar geistesabwesenden Lämmer an den Schultern und rüttelte ihn.

»Lämmer, was haben Sie! Sind Sie übergeschnappt?«

»Der Kopf … der Kopf«, stammelte Lämmer.

»Was für ein Kopf?«, rief Teichmann aufgeregt.

»Dem … dem Lorenz seiner … ooo …« Mit einem Ächzen knickte Lämmer zusammen.

Viele Hände fingen ihn auf.

Der vergessene Bunker

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