Читать книгу In der Struth Band 1 - Felix Sobotta - Страница 4

1. Kapitel Odens, meine Heimat in den Südkarpaten

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Wir haben das Jahr 212 nach Christi und vor drei Tagen die Winterwende gefeiert. Einen halben Meter hoch lag der Schnee und es was klirrend Kalt. Für uns Kinder und Jugendlichen konnte es im Paradies nicht schöner sein.

Entschuldigung, ich habe es ganz vergessen mich zuerst vorzustellen. Ich bin Eberhard V., der älteste Sohn des Ortsvorstehers und Wodandieners Eberhard IV. von Odens, der zugleich verantwortlich ist, dass die Götter uns immer wohlgesonnen sind und bleiben und bin bis zu meinem achtzehnten Lebensjahr in Odens, einer gotischen Siedlung mit einem in der Umgebung sehr bekannten und verehrten Wodanheiligtum, aufgewachsen. Dieses Wodanheiligtum, das aus einer noch viel, viel älteren, urwüchsigen und knorrigen Eiche bestand, die schon viele hundert Jahre auf dem Buckel hat, das sich auf einem Hügel befand, weithin sichtbar war und viele große und kleine Schicksalsschläge, die man an ihrer gebrochenen oder rissigen Rinde erkennen kann, schon überstanden hat, freudige und weniger freudige Gegebenheiten, wie mir mein Großvater oft an den langen Winterabenden erzählt hat, wenn die Frauen der Nachbarschaft beim Federschleißen und die Opas zum Zuhören da saßen, wenn es darum ging beim Erzählen der alten und ururalten Gruselgeschichten, den einen oder die andere Erzähler/in beim Gruseln zu übertrumpfen, was sie wiederum von ihren Groß- oder ihren Urgroßeltern erfahren haben oder erzählt bekamen. Mein Vater war zugleich für die Sicherheit im Ort und um uns herum zuständig. Und damit Wodan vor lauter Einsamkeit da oben in der Eiche nicht verkommt, auf dumme Gedanken kommt oder übermütig wird, was bestimmt nicht ohne Folgen für uns geblieben wäre, war immer ein Diener zu seinen Diensten in seiner Nähe, der ihm Gesellschaft leistete, ihm die Sorgen und Freuden seiner Mitmenschen in Odens erzählte, der aber auch zugleich für unser aller Sicherheit, wegen des weiten und guten Rundblicks, unser Wächter war. Mit den Klängen seiner Lure hat er, so glaubte er, öfters Wodan unterhalten, ihm ein Ständchen geblasen oder ihn zu besänftigen versucht, wenn dunkle Gewitterwolken oder andere Unwetter aufzogen, für die Wodan in der Regel selbst verantwortlich war. Doch bei wirklicher Gefahr durfte er nur ein ganz bestimmtes Signal blasen, das schon die Jüngsten unserer Siedlung kannten, und notfalls im Ort weitertrugen, besonders zu den älteren Menschen, die das Warnsignal kaum noch oder nicht mehr hörten. Auch sie sollten nach Möglichkeit, im Falle eines Falles, nicht in der Gefahr, die da aufzog um- oder zu Schaden kommen, sondern auch von uns Jüngeren in Sicherheit gebracht werden. Ich, als der älteste Sohn, sollte einmal das Amt meines Vaters übernehmen und wurde schon früh in die heiligen Amtshandlungen gegenüber unseren Göttern und die Kriegstechniken eingeweiht, so dass ich, wie mein Vater ein hundertprozentiger Anhänger und Diener unserer Götter mit Wodan an der Spitze sein sollte. Und ich sollte auch, als der künftige Nachfolger meines Vaters, bei den Kriegsspielen nach Möglichkeit immer einer der Besten sein, auch gegen schon ältere Jungen, um von allen Mitbewohnern unseres Ortes auch als Nachfolger meines Vaters und als ihr Oberhaupt anerkannt werden und berechtigt einmal den Namen, Eberhard V. von Odens, tragen zu dürfen.

Im vergangenen Herbst, ich wurde im Sommer gerade siebzehn Jahre alt und musste ich, um in die Schar der Krieger aufgenommen zu werden, und die Manneswürde zu erlangen, das erste mal im Spätherbst, bewaffnet mit meinem neuen Ger, mit der eisernen, scharfen Spitze vorn, dem Pfeil und Bogen und dem umgehängten Schwert, mit den erfahrenen und den jungen, angehenden Kriegern meines Alters, in den Wald, um zu beweisen, was ich schon so ziemlich alles zur Eigenverteidigung und zur Selbstversorgung gelernt habe. Diesmal ging es nicht im Kampf Mann gegen Mann, so genannte Scheingefechte, sondern wir sollten heute mit unserm Ger = Speer/Lanze, die ersten großen Tiere für die lange Winterzeit erlegen und unsern Mitstreitern, falls sie in Gefahr geraten, ihnen hilfreich beizustehen. Auf mich wollten sie besonders Acht geben, denn ich sollte ja einst nach meinem Vater sein Amt als Wodandiener, Organisator der Schutzmaßnahmen der Mitbewohner unserer kleinen Ansiedlung und als Ortsvorsteher in der Nachfolge als Verantwortlicher übernehmen. Das heißt, ich musste heute nach Möglichkeit immer in der ersten Reihe sein. Von wegen sich in der zweiten Reihe zu verdrücken, das gab es nicht. Zum Träumen war jetzt keine Zeit. Und da passierte es, vermutlich haben die Treiber mir nicht einen Bär, die es noch in unserer Gegend vereinzelt gab oder einen Wisent, die es noch seltener gab, beide zusammen, das war der Traum, eines jeden jungen heranwachsenden Kriegers, sie vor den Ger zu bekommen und zu erledigen. Aber auch das, was sie da zutrieben war keineswegs zu verachten, es war ein ausgewachsener Keiler mit riesengroßen Hauern, links und rechts von seinen Nasenlöchern. Ein langes Überlegen war im Moment nicht mehr angebracht, denn der gereizte Keiler lief mit gesenktem Kopf direkt auf mich zu, so als wollte er mich jeden Moment mit seinen Hauern aufspießen. Meinen Speer zielte ich direkt in seine Nackenpartie und warf ihn ihm im aller letzten Moment mit aller Gewalt treffsicher entgegen. Ich hörte es richtig krachen. Sicherlich hatte meine Speerspitze genau sein Genick getroffen und zersplittert. Der Keiler, vielleicht war er noch etwa einen halben Meter von mir entfernt, brach er mit einem wutschnaubenden Grunzer vor mir zusammen. Um ganz sicher zu gehen, dass er nicht doch noch mal aufsteht und seine Wut an anderen auslässt, habe ich mein frisch geschliffenes Schwert gezogen. Mit ihm habe ich mit einem Hieb seine Kehle durchschlagen, so dass er richtig ausbluten konnte. Mein Oheim hatte heute doppeltes Jagdglück. In einer anderen Ecke unseres Jagdreviers hatte er mit einem einzigen Pfeil einen großen Schwarzbär, dessen Schinken besonders gut schmecken, zur Strecke gebracht. Mir gelang es noch einen Hirsch mit einem prächtigen Geweih und einem Pfeil aus meinem Bogen zu erlegen. Ich hätte heute sicher noch mehr Tiere zur Strecke bringen können, aber da wären etliche meiner Freunde bestimmt leer ausgegangen, die dann das Nächste Mal wieder hätten antreten müssen, um ihre Waffenkünste zu beweisen und, um in die Kriegerkaste aufgenommen zu werden, was das Ziel eines jeden jungen Burschen war. So egoistisch war ich doch wieder nicht. Uns wurde doch immer wieder eingetrichtert, dass Kameradschaft zueinander, Hilfe untereinander und dass jeder für den andern da zu sein hat, unsere obersten Gebote sind. Der erste Diener meines Vaters hat, als die Sonne sich zur Neige neigte, auf seiner Lure den heutigen Jagdtag abgeblasen. Die erlegten Tiere wurden mit den Karren heimgefahren und das Fleisch an die Bewohner unseres Ortes verteilt. Jeder war bemüht seine ihm zugeteilte Fleischportion für die Wintermonate haltbar zu machen. In der Regel wurde es auf seine eigene Art geräuchert, es hing über der Feuerstelle, über der Flamme und im Rauch. Die Felle wurden dem Gerber verkauft. Verkauft ist eigentlich nicht das richtige Wort, denn wir hatten ja noch kein Geld, sondern alles wurde gegen andere Waren eingetauscht. Es waren nicht immer lederne Sachen, die wir eintauschten, sondern auch Lebensmittel, von denen er gerade einige zuviel hatte, die wir dann an unsere älteren Mitbewohnern verteilten, die unschuldig oder altersmäßig in diese Lage gerieten und sich nicht mehr genügend selbst versorgen konnten. Da waren auch schon mal das eine oder das andere Paar Winterstiefel, über die sich unsere Omas und Opas schon gefreut haben, wenn die letzten schon einige Fahrzehnte auf dem Buckel hatten und undicht wurden. Wir, die Jüngeren unseres Ortes, auch wir fühlten uns für unsere Vorfahren im Ort schon ein bisschen mitverantwortlich, denn sie waren gestern das, was wir heute sind. Und wir werden morgen das sein, was sie heute sind. Auch wussten wir, dass das, was wir heute weiter bewirtschaften, das ist unser kostbarstes Gut, das wir von ihnen übernommen haben und sie wiederum von ihren Vorfahren übernommen hatten oder, dann unsern Vätern oder Müttern überließen und unsere Eltern es dann, wenn es so weit ist, uns überlassen werden. Für den Außenstehenden mag das ein bisschen verzwickt klingen, aber für uns war das eine ganz normale Sache.

Und dann kam das schon oben erwähnte Wintersonnenwendfest mit dem großen Sonnen-wendfeuer. Unsere älteren Mitbewohner hatten immer die Ehre, aus dem Rauch, aus seinen Formen, wie er aufstieg, dem Wind, der die Rauchwolken in welche Richtung und ihre Höhe trieb und wie schnell sie dahin schwebten vorherzusagen, was uns Odenser im nächsten Jahr bevorsteht; ob es Unwetter oder Dürre oder sonst noch ein anderes Unheil über uns hereinbrechen werde. Uns jungen Männern ist nur aufgefallen, dass der Wind, im Gegensatz zu anderen Jahren, den Rauch diesmal kräftig in die westliche Richtung trieb und nicht wie sonst, ihn in schwankenden Richtungen einfach in die Höhe trug. Ob das gut geht, wir werden es im nächsten Jahr schon sehen! Und was die Rauchgucker, zunächst noch hinter vorgehaltener Hand da fürs nächste Jahr vorhersagten? Auweia, wenn sich das alles erfüllen sollte, dann ihr Lieben, dann gibt es mehr kein gutes nächstes Jahr für uns Ondenseer. Nach diesen schlechten „Rauchvorhersagen“ versuchten wir auch unsere Götter, um sie dennoch gütig zu stimmen, haben wir sie reichlich mit den Früchten des Feldes, der Flüsse und des Waldes bedacht, dass sie uns, besonders jetzt, wo man so viel von Menschen hört, die angeblich aus dem fernen Osten in unsere Gegend kommen, um dann weiter nach Westen zu drängen, besonders gnädig und hilfreich zur Seite stehen mögen, man weiß ja nicht, wo man sie und wann man sie brauchen wird. Ältere Frauen aus unserem Ort kamen sogar auf die Idee unserm Gott Wodan, der ja ein Mann ist, junge Jungfrauen zu opfern! Doch da widersetzte sich mein Vater vehement diesem Ansinnen und sagte wiederholt und ganz energisch, dass so etwas purer Mord sei, und dass das Blut der jungen Mädchen ihm, unserm Wodan, garantiert keine Freude bereite, dass wisse er aus langen persönlichen Gesprächen, die er nächtelang mit Wodan bei der Lösung anderer Probleme geführt habe. Sicher hat er dabei an seine eigenen Töchter gedacht, auf die er besonders stolz war, denn sie sehen heute schon so schön aus wie meine Mutter und als Chef von Odens müsste er mit gutem Beispiel vorangehen. Und da sagte er auch schon: „Ich werde keinesfalls eine meiner Töchter wegen dieses fragwürdigen Ereignisses töten oder von irgendjemand töten lassen!“ Das Frühlingsfest haben wir wieder gefeiert. Die Sonne, für jeden sichtbar, stieg von Tag zu Tag immer höher am Firmament und es war nicht mehr so kalt und die Tage wurden wieder länger und angenehm wärmer. Doch dann, eines Tages, wir waren gerade bei der ersten Heumahd! Wir staunten nicht schlecht, denn ein Treck, vollbeladen mit allem Hab und Gut und den dazu gehörigen Menschen, die in unseren Ort hineinzogen, auf dem Thingplatz stehen blieben und von ihren Wagen stiegen. Wir fragten uns gegenseitig: „Was sind das für Menschen, die da in unseren Ort kommen, auf dem Thingplatz anhalten und jetzt von ihren Wagen steigen und so gekleidet sind wie wir? Auf dem Thingplatz durfte man nur anhalten, wenn es etwas sehr Wichtiges, möglichst gleich zu besprechen gab. Nach Handelsleuten sehen sie nicht aus, denn sie haben eigentlich nichts, außer ihrem Hab und Gut, was sie uns verkaufen könnten!“ Als wir von den Wiesen auf den Thingplatz kamen, erfahren wir, das die Neuankömmlinge nicht nur so gekleidet waren wie wir, sondern auch unsere Sprache sprechen, dass es unsere Landsleute sind, die eigentlich weiter östlich von uns wohnen, westlich vom Schwarzen Meer. Und was die Ankömmlinge da erzählten machte auch uns bange, denn dass die Menschen, vor denen sie geflohen sind, die da anrücken, sehr verwildert aussehen und die von einer für uns unsichtbaren Angst getrieben werden und alles niedermachen, was sich ihnen in den Weg stellt, nur um ihr fast nacktes Leben zu retten und nicht unsere Sprache sprechen, sondern nur ein für uns unverständliches Kauderwelsch. Es sieht so aus, dass sie in einer breiten Front von Ost nach West aus ihren angestammten Wohngebieten vor jemandem nach Westen fliehen, die hinter ihnen her sind. Unsere neuangekommenen Landsleute erzählten auch, dass sie von Kaufleuten gehört haben, das sie, die anrückenden Menschen vermutlich Slawen seien, die wiederum vor den noch weiter östlich wohnenden Hunnen und Turkvölkern fliehen, warnten uns und meinten, dass in spätestens drei Tagen sie, die vermutlichen Slawen auch hier sein werden und nur eine Absicht verfolgen: „Überleben um jeden Preis, ohne auf Rücksicht zu achten und möglichst unbehelligt weder den Hunnen und Turkvölkern, noch den Goten in die Hände zu fallen!“ So etwas Ähnliches haben uns die Rauchgucker, so nannten wir die alten Bewohner unseres Ortes, die da glaubten aus dem Rauch des Feuers, beim letzten Sonnenwendfeuer, wenn auch recht verschwommen und vielsagend, die Zukunft für das nächste Jahr heraus lesen zu können. Und sie stimmten in etwa mit allem was wir jetzt hören, mit den Aussagen der Neuankömmlinge überein. Oje, was nun? Unsere wehrfähigen Männer sind vor einem Jahr mit unserem König in Richtung Rom gezogen, um die reichen und ach so trägen und feigen Römer von ihrem Reichtum etwas zu erleichtern. Scheinbar sind die Römer doch nicht so träge, feige und ängstlich, wie es hieß, denn unsere Krieger wollten mit unserm König Godehard zum Winter mit reicher Beute zurücksein! Nun haben wir schon das zweite Jahr und Frühsommer und von unserm König und Kriegern, die wir jetzt so dringend gebrauchen könnten, haben wir immer noch nichts gehört. Der Treck, der gestern Nachmittag bei uns ankam, ist am nächsten Vormittag, versorgt mit allem Essbaren was zur Verfügung stand, weitergezogen in Richtung Westen.

Odens, wir müssen dich verlassen

Doch schon am übernächsten Tag erschall in den Nachmittagsstunden lautstark das Gefahrensignal vom Wodanhügel. Alle Menschen schauten angstvoll zu Wodan hinauf und hatten nur den einen Gedanken: „Großer Wodan, was haben wir dir angetan, dass auch wir aus unserer viel geliebten Heimat, in der wir bisher so friedlich miteinander leben konnten, nun auch fliehen müssen? Wir haben dir doch zur Wintersonnenwende, aber auch danach zur Sommersonnenwende und allen Festivitäten die anstanden, dir reichliche Gaben gebracht. Wahrlich, du großer Wodan, du hast doch keinen Grund uns so böse zu sein, dass auch wir aus unserer Heimat fliehen müssen. Wir wollten dir ja auch unsere Töchter, wenn auch nicht alle, dir opfern, dass du uns vor diesem Exodus bewahren mögest. Wenn du uns deswegen von dir wegjagst, dann verjag die Bewohner unserer Siedlung, die dir ihre Töchter nicht opfern wollten! Und wenn dir etwas fehlt, so lass es uns doch wissen, und wir bringen es dir sofort! Schlage dann mit deinem Blitz und Donner in diese wilden Horden und bring sie wieder dahin, wohin sie gehören und woher sie kamen.“ Aber der große Wodan schien nichts zu unserm Schutz zu unternehmen, denn der Wächter blies auf seiner großen Lure das Gefahrensignal zum Zweitenmal und alle im Ort hatten das Gefühl, dass er es jetzt viel lauter und eindringlicher blies. Also blieb auch uns nichts anderes übrig als die Pferde an die schon gestern vorsorglich mit unserm Hab und Gut beladenen und bereitgestellten Wagen anzuspannen, unser restliches Hab und Gut dazuzuladen und unserer Heimat Odens den Rücken zu kehren. Viele, viele Menschen, besonders die älteren hatten beim Abschiednehmen viele Tränen in ihren Augen. Sicher ahnten sie dass dieses Abschiednehmen ein Abschiednehmen auf Nimmerwiedersehen ist. Wir hatten keine Zeit mehr der Straße zunächst nach Norden zu folgen, um dann nördlich der Karpaten in westlicher Richtung weiter zu fahren und zu marschieren. Die Eile zwang uns zunächst am Südhang der Karpaten zu ziehen, um den Abstand zu den Verfolgern zu vergrößern. Jeder von uns hoffte auch, dass die vorrückenden Slawen sich erstmals an den zurückgelassenen Lebensmitteln, den schärferen Getränken und den anderen kulinarischen Genüssen, die sie sicher daheim nicht kannten, stärken werden, und wir es vielleicht noch gar nicht so eilig haben müssen! Aber, Vorsicht ist die Mutter aller Laster oder aller Porzellankisten! Von unsern jungen berittenen Kriegern zog eine Abteilung vor dem Treck, die zweite teilte sich auf und begleitete die Wagenkolonne in voller Länge links und rechts und die dritte Abteilung, die kleinste, bildete hinten den Abschluss, die Nachhut. Es wurde nur kurz jeweils Rast gemacht, um die Tiere zu füttern und zu tränken und auch wir ein wenig Nahrung zu uns nahmen. Übernachtet wurde in einer Wagenburg. Wir waren schon den vierten Tag unterwegs. Einige unserer jungen Krieger glaubten links und rechts dunkle geduckte Gestalten im Wald kurz gesehen zu haben. Aber keiner konnte etwas Genaueres über sie, oder dazu sagen, denn, wie unsere jungen Krieger sagten, wären sie sehr behände gewesen. Also wurden die heutigen Nachtwachen außerhalb der Wagenburg verstärkt. Doch in dieser Nacht passierte nichts Außergewöhnliches. Außer bisschen neugieriges Wild, das uns wissbegierig beäugte, haben wir nichts Besonderes wahrgenommen. Waren unsere gestrigen Beobachtungen nur eine optische Täuschung, nur eine Halluzination? Wollen wir es hoffen! Oder haben uns heute Nacht die gestrigen flinken Beobachter von weitem beobachtet, wann und wie oft die Nachtwachen ausgewechselt werden? Nach dem unsere Tiere versorgt waren wurde gefrühstückt, angespannt und der Treck setzte sich wie gewohnt in Bewegung. Heute hat niemand von den begleitenden Kriegern oder den auf den Wagen sitzenden irgendwelche Beobachtungen links oder rechts im Wald gemacht. Also war man sich einig, dass die normale Nachtwache wieder ausreiche. Doch bei der Abendbesprechung hieß es, dass unsere Fleischvorräte zu Ende gehen. Das Los sollte entscheiden, wer, am besten noch heute Nacht auf die Jagd geht und uns mit Fleisch versorgt. Die gelosten Fleisch Besorger müssten dann heute Nacht keine Wache mehr halten. Das Los viel auf drei junge Krieger aus meiner heimatlichen Nachbarschaft und der vierte Jäger sollte ich sein.

ODENS; DU MUSST STERBEN

Bei dieser nächtlichen Jagd sollte ich meine Führungsqualitäten unter Beweis stellen. Wir hatten schon einige größere Tiere erlegt; das Fleisch würde wieder für gut eine Woche langen. Da, was war das? Wir vier haben kurz ein knisterndes Geräusch im Unterholz gehört, das sich noch einmal wiederholte. Es wird doch sicher kein größeres Wild sein, das auch lebensmüde ist und wir vier wollten dem Geräusch nachgehen. Noch ehe wir die Gefahr erkannten, trafen uns einige Pfeile. Meine drei Jagdgenossen lagen tödlich getroffen im Gras. Ich war der einzige, der seine lederne Brüstung trug, denn ich war zu faul, es den anderen nach zu machen und zum Abendessen sie abzulegen. An dieser meine Brüstung klatschten die Pfeile einfach ab. Ob der Schreck es war oder das Instinktive in mir, das mich hat fallen und wegdrehen lassen, jedenfalls war ich zur Zeit der einzige, der die nächtliche Jagdszene überlebt hat und hatte nur einen Wunsch möglichst schnell zur Wagenburg zurückzukehren, um meine Odenser Leute warnen zu können. Ob die heimtückischen Mörder uns schon beim Weggang aus der Wagenburg beobachtet haben, dann uns verfolgten, uns gewähren ließen, denn was wir an Wild erlegt hatten, mussten sie nicht mehr erlegen. Aber je näher ich glaubte, bei der Wagenburg meiner Leute zu sein, umso unruhiger wurde ich, dass da auch was passiert sein muss. Und da, ich hatte den letzten Hügel, der zwischen mir und der Wagenburg lag erklommen, der mich noch von der Wagenburg trennte, da sah ich die Bescherung, dass unsere Wagenburg nur noch ein glimmernder und rauchender Haufen war. Sicher habe ich vor lauter Jagdfieber nicht mitbekommen, dass unsere im Kreis zusammengestellten Wagen brannten, denn ein Blick nach oben hätte uns schon viel früher warnen müssen! Ich zog es vor, als wahrscheinlich einziger Überlebender der Bevölkerung des stolzen Ortes Odens, mich erstmals in einer Gebüschgruppe zu verstecken, von dem aus ich alles gut beobachten konnte, wie es weitergehen sollte. Auch von meinem stolzen Hengst, dem ich den Namen Thor gab, den ich von meinem Vater zur bestandenen Jagdprüfung, und zur Aufnahme in die Jungmännerschar bekam, war nichts zu sehen, wie auch von den übrigen Tieren und Pferden. Den Uuhuuuu Ruf, den ich sonst immer erschallen ließ, wenn ich wollte, dass Thor zu mir kommen sollte, habe ich jetzt vorsichtshalber nicht erschallen lassen, denn ich wusste ja nicht, wo die feigen Meuchelmörder, die meine drei Jagdkumpane erschossen haben sich gerade jetzt befinden und nur darauf warten, das ich mich irgendwie verraten möge. Ich habe nämlich meinem Hengst beigebracht, wenn der Uhu ruft, kommst du zu mir in die Richtung, aus der Ruf erschallte, denn ich brauche dich. Auch von den gestellten Nachtwächtern, die normalerweise außerhalb der Wagenburg hätten patrouillieren müssen, war nichts zu sehen. Es war bestimmt nicht Feigheit vor dem Feinde, der mich alleine gegenüber den Resten der qualmenden Wagenburg hat sitzen und den Beobachter spielen lassen. Ich saß immer noch, von außen konnte man mich nicht gleich auf den ersten Blick erkennen, in der Strauchgruppe und beobachtete das Gebiet, wo gestern Abend noch unsere Wagenburg mit ihren Bewohnern stand. Ich mochte mich noch so anstrengen, aber ich sah nichts was sich da noch bewegt hätte. Die, wer es auch immer war, haben ganze Arbeit getan. Aber gegen Mittag kamen die Banditen noch einmal an den Ort des nächtlichen Grauens, um eventuell noch wertvolle Sachen, die sie in der Nacht übersehen haben, jetzt zu finden. Mein erster Gedanke war, mit meinen sechs verbliebenen Pfeilen, könnte ich höchstens sechs Banditen töten, und was passiert dann mit den anderen rund fünfzig und mit mir? Nur sechs tote Banditen gegen einhundertachtundneunzig Odenser Tote, das wäre ein bisschen zu wenig, dass wäre eine schlechte Abrechnung. Und da hatte ich plötzlich die Gedanken, dass wir Odenser vielleicht nicht die ersten waren, die während der Nacht ihr Leben lassen mussten, ermordet durch feige Meuchelmörder, die heimlich auf ihre Art den abziehenden Goten folgten, um sie dann, um an ihr Hab und Gut zu kommen, sie auf heimtückische Art ins Jenseits beförderten. Als die Mörderbande wieder im Nichts verschwand, versuchte ich erstmals zu meinen nächtlichen Jagdgenossen zu gelangen, denn ihre Pfeile könnte ich gut gebrauchen. Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass nicht nur ihr Köcher mit den nichtverschossenen Pfeilen und dem Bogen fehlte, sondern auch der Speer und ihre kurzen Schwerter. Auch sonst war alles verwertbare, von ihnen, einschließlich ihrer Kleidung, haben sie alles mitgenommen, auch die von uns erlegten Tiere, mit denen wir unsere Fleischvorräte auffüllen wollten. So kehrte ich zu meinem Versteck im Gebüsch zurück. Und da kamen mir wieder so die Gedanken, was ist, wenn sie morgen wieder kommen, den Platz reinigen, damit, wenn die nächste Kolonne kommt, sie nicht erschrecken und gewarnt weiterziehen, ohne zu rasten, um nicht ins Verderben zu fahren, wie auch meine Odenser Mitmenschen. Und so geschah es. Am nächsten Vormittag kamen etwa vierzig Menschen, die wenig Ähnlichkeit mit uns Goten hatten. Im Gegensatz zu uns Goten waren sie kleiner, gedrungener und mit finster alles abschreckender Mine dreinschauende Gestalten, die aber sehr gelenkig und flink waren und räumten alles fort, was Vorbeiziehende zur verstärkten Vorsicht hätte mahnen können. Lautlos wie sie kamen sind sie auch wieder verschwunden. Nichts erinnerte daran, dass hier vor zwei Tagen die Bewohner eines stolzen Ortes, bis auf einen, alle ausgelöscht wurden, auch mein Vater, meine Mutter und meine drei jüngeren Geschwister. Ich alleine konnte meine Mitbewohner nicht rächen. Da müssten noch ein paar mitmachen! So kam ich auf den Gedanken, ich müsste den Weg zurückgehen etwa bis an die Stelle, als man glaubte, die ersten schemenhaften Gestalten im Wald gesehen zu haben, die nicht in der ersten Nacht zuschlugen, als die Wachen verstärkt waren, sondern in der zweiten Nacht, als die Nachtwachen wieder auf ein Minimum beschränkt war. So marschierte ich zurück, kam an die Stelle, wo wir die vorletzte Nacht kampierten. Meine innere Stimme sagte mir: „Gehe noch ein Stück weiter, denn die Räuberbande muss hier wo in der Gegend ihr Quartier haben, und wenn noch ein Treck hier auf der alten Handelsstraße vorbeikommen sollte, ist es bestimmt besser, wenn du weiter weg bist, um sie zu warnen.

Ich rette einem Dorf das Leben

Tatsächlich, ich habe mir kaum etwas im Wald, zwei Händevoll verschiedener Waldfrüchte zum Essen besorgt und verspeist, da kam auch schon ein Treck, der etwas größer war als unser. Ich hielt den Treck kurz an und verlangte den Ortsvorsteher zu sprechen. Man brachte mich zu ihm. Ich stieg zu ihm auf seinen Wagen und der Treck fuhr wieder weiter. Als ich ihm sagte, dass ich der Sohn des Ortsvorstehers Eberhard IV. von Odens bin, war das Eis gebrochen. Spannend hörte er mir zu, als ich ihm dann schilderte, wie in einer einzigen Nacht, vor zwei Tagen, alle Bewohner von Odense bis auf einen, der neben ihnen sitzt, getötet wurden. Auch von den fragwürdigen Gestalten, die einige unsrer Leute im Wald gesehen haben wollten, erzählte ich ihm. Der Treck, den ich heute antraf, war fast so zusammengestellt wie der unsrige, nur dass er um einige Wagen länger war und von einpaar jungen Kriegern mehr als der unsere begleitet wurde. Der Chef des Trecks ließ anhalten und tat so, als würde er, um nicht aufzufallen, eine Futterpause einlegen. In Wirklichkeit ritt er die begleitenden Krieger ab, um zu sagen, dass sie links und rechts den Wald gut im Auge behalten und auf eventuelle Gestalten achten sollten, die entweder links oder rechts da im Wald umherstreifen. Als er alle auf den Wagen Sitzenden und alle Krieger, die den Zug begleiten gemahnt hat, taten alle so als würden sie die ‚Futterei‘ beenden und der Treck setzte sich wieder in Bewegung. Auch dieser Zug machte an der gleichen Stelle Rast, an der auch die Odenser die vorletzte Nacht verbrachten. Auch einige von diesem Treck berichteten, dass sie für kurze Momente, so komische Gestalten im Wald wahrgenommen haben, kaum dass man sie sah, waren sie schon wieder verschwunden. Und so haben auch die aus der Ortschaft Norman kommenden für heute Nacht die Wachen verstärkt, aber auf mein Anraten, sollten die Wachen nicht außerhalb der Wagenburg, für jeden sichtbar, patrouillieren, sondern möglichst lautlos innerhalb der Wagenburg und zwischen den Wagen, um jeweils das Umland gut im Auge zu behalten. Auch heute Nacht tat sich nichts, gerade so wie bei uns in der vorletzten Nacht, alles blieb ruhig. Sollten sie tatsächlich in der ersten Nacht vorerst nur weitere Erkundigungen einholen, wie es um die Wachen und ihre Wechsel bestellt ist? Am Morgen gingen mir so einige Gedanken durch den Kopf: „Haben die Mörder etwas mitbekommen, dass ein Überlebender dieser blutigen Nacht hier in dieser Wagenburg sitzt und sie eventuell gewarnt haben konnte? Ja, wenn diese Banditen rechnen könnten, so müssten sie auch bemerkt haben, dass sie auf vier Jäger in der Nacht geschossen haben, aber nur drei Tote gefunden haben! „Wo mag der vierte sein?“ Oder? Aber warten wir noch die nächste Nacht ab. Wenn dann auch nichts passiert, weiß ich nimmer weiter.“ Nachdem alle für ihr leibliches Wohl gesorgt haben, Mensch und Tier, setzte sich der Zug in Bewegung, dabei immer schön den Wald rechts und links im Auge behalten, um für einen plötzlichen Überfall gewappnet zu sein. Aber nichts passierte, gerade so wie bei unserem Odenser Treck am letzten Tag. Für diese Nacht wurden die Wachen nochmals verstärkt. Nicht nur wie in der letzen gingen die Krieger gut bewaffnet mit der dreifachen Menge an Pfeilen innerhalb der Wagenburg ihren Patrouilliergang. Die restlichen Krieger lagen unter den Wagen mit dem schussbereiten und gespannten Bogen im Anschlag. Es mochte so kurz nach Mitternacht sein, denn der Abendstern stand schon hinter dem höchsten Punkt am Firmament, als sich von allen Seiten, rundherum, dunkle Gestalten der Wagenburg näherten. Sie waren gut zu erkennen, denn sie trugen brennende Fackeln mit sich, mit denen sie sicherlich die Wagenburg in Flammen setzen wollen. Da kamen mir wieder so die Gedanken, dass es ja für die Banditen lebensgefährlich ist, mit der brennenden Fackel bis an die Wagen heranzukommen. Was ist, wenn sie mit ihrem Bogen die brennenden Fackeln zu uns schicken? Die brennende Fackel ist sicherlich etwas schwerer als der bloße Pfeil. Wenn das so ist, dann müssen sie noch etwas näher herankommen. Also was machen? Zunächst die fackeltragenden Banditen im Auge behalten, besonders die Fackeln in ihren Händen. Wenn dann die Fackeln in ihren Händen so komische, tanzenden Bewegungen machen, als wollte man sie in den Bogen spannen, sofort auf sie schießen. So passierte es auch. Plötzlich machten die Fackeln in ihren Händen so komische Bewegungen. Das war das Signal, sie mit unsern Pfeilen zu begrüßen. Nach dieser kurzen Begrüßung mit unsern Pfeilen, lagen etwa zwei Drittel der Fackeln brennend auf der Erde. Die wachhabenden Krieger wussten, dass sofort im Bogen nachgeladen werden musste, um die restlichen Fackelträger, bevor sie ihre vernichtende Ladung zu uns abschießen können, wir sie treffen müssen. Als alle Fackelträger auf der Erde lagen, und keine Fackel mehr herum spazierte, konnten wir feststellen, dass einige Fackelträge so ungünstig gefallen sind, dass ihre Kleidung Feuer fing. Einige dieser übergroßen Fackeln schienen sich zu bewegen. Und wieder kamen mir so die Gedanken, wenn wir einige Gefangene machen könnten, dann dürfte es sicherlich nicht zu schwer fallen zu erfahren, wo sie ihr Lager haben. Ich möchte zu gerne mal in ihr Beutelager schauen. Meine Mutter trug eine dicke Bernsteinkette immer um den Hals, die schon ihre Mutter, aber auch ihre Urgroßmutter getragen hat. Und mein Vater hatte eine Kette um den Hals, die aus lauter Eisbärenzähnen bestand. Im unteren Drittel der Kette baumelten vier Hauer ausgewachsener Keiler. Wie mir mein Vater erzählte, stamme die Kette, ohne die Hauer, von seinem Urururgroßvater, die, die Eisbären auf dem Eis selbst mit dem Pfeil geschossen haben, damals bei ihrer Aufnahmeprüfung in die Mannesriege. Diese Eisbärenzahnkette wurde von Generation zu Generation immer dichter mit den Zähnen der erlegten Tiere erweitert und dann jeweils an seinen ältesten männlichen Nachkommen vererbt. Die vier Hauer der Keiler stammten von meinem Vater, die er erledigt hat bei seiner Aufnahmeprüfung in die Mannesriege und dann, als er die Kette von seinem Vater übernahm, er dann die Hauer der Keiler zusätzlich an ihr befestigte. So sollte es auch geschehen, wenn ich die Kette nach meinem Vater bekommen hätte, auch ich wollte die zwei Hauer des Keilers, den ich erstmals zur Strecke brachte, an ihr dann zusätzlich befestigen. Bis auf eine Minibesatzung verließen wir die Wagenburg, um nach den brennenden Fackeln am Boden zu sehen. Wir fanden tatsächlich drei verwundete Banditen, die nicht auf ihre brennenden Fackel gefallen waren, die auch noch sprechen, aber wir ihre Sprache nicht verstehen konnten. Der Ortsvorsteher der Normaner Gruppe konnte und wollte sich nicht mit den verwundeten Banditen weiter beschäftigen und zusätzlich belasten, so ließ er sie kurzerhand ins Jenseits befördern. Am nächsten Tag wollte ich, nachdem sich unsere Wege wieder trennen sollten, meinen Weg wieder alleine fortsetzen, aber auf Schusters Rappen war das so eine Sache. Mein Frühstück habe ich mit dem Chef des Trecks eingenommen. Dabei fragte er mich nach meinen weiteren Plänen und ob ich nicht mit ihnen weiterfahren möchte. Ich sagte ihm, dass ich gerne noch ein bisschen hier in der Gegend herumstreunen möchte und vor allem möchte ich das Lager der Banditen aufsuchen, um vielleicht etwas zu finden, was meinem Vater und meiner Mutter so heilig war und das auch ich schon immer sehr hoch bei ihnen geschätzt habe. Und ich habe auch noch so das Gefühl, dass ich hier noch bald gebraucht werde. Doch der Chef der Normaner Gruppe versuchte mich von diesem meinem Ansinnen abzubringen, da das für einen Einzelnen, mag er noch so klug und wagemutig sein, einem Selbstmord gleichkäme. Bei diesem Gespräch erfuhr ich auch, dass mein Gesprächspartner Jörgensson hieß und aus einer bekannten Familie abstamme. Als er merkte, dass er mich von meinem Vorhaben nicht abbringen konnte, sagte er etwas was mich sehr beglückte, denn er fragte: „Kann ich dir dann für deine weiteren Abenteuer als unsern Dank, denn ohne deinen Rat und ohne deiner Hilfe wäre es uns gerade so ergangen wie deinen Mitbewohnern. Dürfen wir dir für deine weiteren Wege und Abenteuer ein Pferd aus unserem Besitz überlassen.“ Herr Jörgensson musste meine Freude über sein Angebot bemerkt haben, denn auf dem Rücken eines Pferdes bin ich ja viel beweglicher als auf Schusters Rappen. Am liebsten wäre ich ihm, vor lauter Dankbarkeit, um den Hals gefallen. Aber so etwas tun doch nur die Frauen aber keine Männer, die schütteln sich doch höchstens für alle sichtbar die Hände und klopfen sich, auch mal, für alle sichtbar auf die Schulter. So führte er mich zu den Pferden und gab mir ein Pferd, das sicherlich nicht zu den Zahmsten gehörte. Aber soviel Pferdeverstand hatte ich schon und wusste von einem bekannten Pferdezüchter aus unserm ehemaligen Ort Odens, dass die zahmsten Pferde oftmals nicht die schnellsten und die tapfersten sind. Mein Pferdeverstand sagte mir, dass ich mit diesem Pferd noch meine Freude haben werde. In voller Rüstung, den Köcher wieder vollgefüllt mit frischen Pfeilen, bestieg ich das Pferd, dem ich zur Ehre Wodans und meines Heimatortes den Namen Odin gab, das im ersten Moment zu buckeln versuchte, doch am Druck meiner Knie merkte es bald, dass es so etwas mit mir nicht machen konnte. Ich ließ dem Pferd erstmals freien Lauf, und bat all unsere Götter und Göttinnen, dass sie mir helfen mögen das Lager der Banditen zu finden. Dass ich da noch Lebende aus unserem Dorf finden werde, wagte ich nicht zu hoffen. Aber die Hoffnung ist etwas, was man als letztes aufgeben sollte. Und so ritten wir im ruhigen Trott, Odin versuchte paar Mal zu buckeln, als wollte er mich immer wieder daran erinnern: „He, du da droben, bitte nicht einschlafen, deine Sinne wach halten!“ Aber es sah so aus, als wären wir in die falsche Richtung geritten. Ich hielt an und witterte in alle Richtungen und meinte, dass etwa 35 ° rechts von mir etwas brennen muss. Was, konnte ich noch nicht sagen und sehen konnte ich auch noch nichts; nur meine Nase sagte mir, dass es da etwas Feuriges, etwas Rauchiges geben muss!

Ein neuer Lebensabschnitt beginnt

So bog ich rechts ab, klopfte Odin auf den Hals, beugte meinen Oberkörper vor, denn ich wollte ihm ins Ohr flüstern, dass er jetzt seine Sinne besonders wach halten solle, denn wir bewegen uns in Feindesland. Es sah fast so aus als ob Odin mich verstanden hat, denn er nickte paar Mal so richtig mit seinem Kopf, als wollte er sagen: „Aber du auch!“ Wir mochten so etwa eine gute halbe Stunde durch den Wald getrottet sein, blieb Odin plötzlich stehen und witterte halbrechts von uns, was so viel heißen sollte: „Vorsicht, da vor uns liegt, etwas Verdächtiges!“ Ich stieg ab, band Odin an den nächsten Baum, nahm den Speer in meine rechte Hand und mehr sich vortasten als gehen bewegte ich mich in die Richtung, in die Odin schnupperte. Und da sah ich auch schon, was Odin mit seiner Nase auf gespürt hat. Allem Anschein nach war es eine junge Frau, die, wenn sie noch lebt, schwerverletzt sein muss, denn ihr Kleid war sehr blutverschmiert. Ich bückte mich zu ihr nieder, hielt mein Ohr an ihren Mund und ihre Nase, um zu hören ob sie noch lebt und atmet. „Ein Wunder, sie atmet noch,“ waren meine ersten Gedanken. Ich drehte sie vorsichtig auf den Rücken und sah, dass sie, der Kleidung nach, eine Frau aus unserem Volke war. Ich holte Odin herbei und lud sie, die immer noch so tat, als wäre sie ohne Besinnung, vorsichtig auf seinen Rücken. Odin, der sich anfangs mir gegenüber ein bisschen bockig benahm, stand, während ich sie auf seinen Rücken lud seelenruhig da, als ob er sein ganzes Leben nichts anderes getan hat, als hilflose Frauen auf seinen Rücken von Männern laden zu lassen. „Wahrscheinlich“, dachte ich mit meinem jungen „Pferdeverstand“, „haben die Pferde doch ein bisschen Verstand, der manchmal, wenn es sein muss, den menschlichen übertrumpft, denn ohne Odins Wink, hätte ich diese Frau erst gefunden, wenn ich über sie gestolpert wäre. Ich fragte so vor mich hin: „Und was nun? Odin hast du einen Rat?“ Es sah so aus, als Odin meine Frage verstanden hat, denn er nickte mit seinem Kopf in die entgegengesetzte Richtung, als wollte er sagen: „ Nichts wie weg von hier!“ Auch ich fühlte mich mit der halbtoten Frau auf Odins Rücken vorerst nicht ganz wohl. Wohler wäre mir sicherlich, wenn sie mir sagen könnte, was hier passiert ist! Mein einziger Gedanke war: „Nichts wie weg von hier und zurück in mein Versteck!“ Odin drehte sich vorsichtig um 180° und ab ging es zurück in die Richtung aus der wir gekommen waren. Es war schon dunkel als wir auf einer kleinen Lichtung, unweit der Gebüschgruppe, die mir zuerst als Versteck gedient hat, Rast machten. Vorsichtig hob ich die junge Frau von Odins Rücken, band Odin an lange Leine, damit er sein Gras finden und futtern konnte, obwohl ich Odin ins Ohr flüsterte, dass er nicht abhauen soll: „Denn wir brauchen dich noch!“ Odin hat diesmal nicht auf mein Flüstern in sein Ohr reagiert, vielleicht weil auch er großen Hunger hatte, oder aber auch keine Fliegen mehr da waren, die ihn so geärgert haben, dass er seinen Kopf nickend schüttelte, um die lästigen Fliegen zu verjagen, was ich vorher als sein bejahendes Nicken, sein Verständnis und als seine Zustimmung gedeutet habe. Wie es so aussah, machte Odin keine Versuche, sich beim Futtern von uns zu entfernen. Ich konnte mich jetzt mehr um diese verletzte Frau kümmern und holte mit meinem Essnapf Wasser aus der kleinen Quelle und versuchte das Gesicht der jungen Frau zu säubern. Dabei machte sie, ganz kurz und unauffällig ihre Augen auf, um sie sofort wieder zu schließen. Wahrscheinlich wollte sie das eben gesehene erst mal verdauen und zog es vor, die Tote zu spielen, bevor ihr Gegenüber, das war ich, es merken sollte, das sie noch richtig, auch mit ihren Sinnen noch lebt. Ich wusch weiter mit dem Wasser ihren Hals und ihre Hände und beobachtete dabei ihre Augen. Dass sie noch lebt, habe ich eben kurz sehen dürfen, durch das Öffnen und schließen ihrer Augen. Nachdem ich ihr Gesicht, Hals und Hände gewaschen habe, goss ich das Wasser aus und holte neues. Jetzt fragte ich sie in unserer Sprache ob sie etwas Wasser trinken möchte. Sicher war es die ihr bekannte Sprache, die ihre Augen geöffnet haben, denn das Wissen, nicht mehr den Banditen ausgeliefert sein zu müssen hat ihren müden Lebensgeistern einen Ruck im Positiven gegeben. Und sie konnte auch wieder sprechen. Sie erzählte, noch mit stockender Stimme, dass sie die einzige Überlebende ihres Treck sei, der etwa vier Tage vor unserm Treck, auch bei Nacht und Nebel ausgelöscht worden sei. Und sie erzählte auch, dass sie in dieser Nacht, die andern schliefen schon, ganz heimlich unter ihrem Wagen ins Freie krabbelte um im Vollmondschein Blumen zu pflücken. Mit diesem Blumensträußchen wollte sie ihre Mutter, die am nächsten Tag ihren vierundvierzigsten Geburtstag hätte, überraschen. „Die Blumen habe ich ja gepflückt, aber die Mutter gab es nicht mehr, als ich zur ehemaligen Wagenburg zurückkehrte. Dieses Blumensträußchen trage ich, halbgetrocknet unter meiner Bluse. Nachdem die Asche unseres Wagens abgekühlt war, setzte ich mich in diese Asche und meinte meiner Familie ganz nahe zu sein. Doch gegen Mittag kamen die Banditen, um alle Spuren zu beseitigen, die nachfolgende Trecks hätten warnen können, dass hier etwas ganz Schlimmes passiert ist. Die Banditen nahmen mich mit und wollten mich zu einer Frau ihres Häuptlings machen, die wievielte es sein sollte weiß ich nicht. Ich habe sie nicht verstanden was sie von mir wollten, denn es war nicht meine Sprache die sie sprachen. Aber ich ahnte so was, denn ihre Gesten ließen auf nichts anderes schließen. Da ich von ihrem Getue unbeeindruckt blieb, schleppten sie mich in den Wald und schlugen mich nicht nur grün und blau, sondern auch blutig und ließen mich da liegen. Sie glaubten sicherlich, die wilden Tiere werden in der Nacht schon dafür sorgen, dass es für das nächtliche Debakel, das hier vor einigen Tagen stattfand, keine Zeugen mehr geben werde.“ Ich erzählte ihr, dass es mir ähnlich ergangen ist, nur ich wollte keine Blumen für meine Mutter pflücken: „Vier unsrer Leute gingen in den Wald, um bei Nacht und Nebel unsere Fleischvorräte aufzufüllen. Dabei wurden drei meiner Jagdfreunde von den Banditen erschossen, ich, in meiner Rüstung, habe den Pfeilangriff überstanden, denn die Pfeile, die mich trafen, rutschten an meiner Brüstung ab. Auch ich bin der einzige Überlebende meines Trecks und habe alles verloren, auch meinen Hengst, der auf den Namen Thor hört, ist weg. Es sieht fast so aus, als ob dich die Walhalla auf die Erde zu mir geschickt hat, dass ich nicht mehr so alleine sein muss? Dann fragte ich sie, ob sie im Lager der Banditen noch andere überlebende Landsleute gesehen habe, was sie verneinte und sagte, dass sie alle auf dem Felde geblieben sind. Auch die Frage, ob sie vielleicht mitbekommen hat, dass die Banditen irgendwelche Beute, Tiere oder andere Sahen ins Lager mitgebracht haben, verneinte sie. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass sie so wenig Pferdeverstand haben sollten und sie auch meinen unbezahlbaren und edlen Hengst Thor auch getötet haben und anschließend verbrannten. „Vielleicht haben sie noch ein zweites Lager, in dem sie ihre Beute an Tieren oder anderen Wertsachen einfach unterbringen, aus dem sie dann heimlich ihren Bedarf deckten.“ Ich konnte noch paar frische Schnepfen Eier organisieren, die gerade so aus der Schale getrunken, eigentlich mehr geschlürft wurden und sehr nahrhaft sind. Frisches Wasser aus der Quelle spülte dann auch noch die kleinsten, im Mund verbliebenen Reste aus dem Mund in den Magen. Ich weiß nicht wie lange wir geschlafen haben. Das Wiehern Odins weckte uns, denn er hat etwas bemerkt was nicht ganz ungefährlich sein kann. So viel wusste ich schon, Odin, der Naturbursche, weckt uns nicht umsonst. Und da knackte es schon im Untergehölz und im Vollmondschein konnte ich erkennen, dass es ein ausgewachsener Braunbär war, den Odin, mein zweites Pferd witterte und jetzt es mit der Angst zu tun bekam und überlegte, ob er fortlaufen sollte, um sein bisschen Leben zu retten. Oder bei mir zu bleiben und eventuell wir alle drei überleben oder alle drei zugrunde gehen. Nur mein gutes Zureden, ließ Odin ganz nahe hinter mir sein. Vielleicht ahnte er, dass ich doch stärker als der Braunbär bin. Ich ließ den Bär ganz nahe an mich herankommen und wartete, dass er sich vor mir aufrichten werde. Und so kam es auch. Etwa drei Meter vor mir stellte er sich auf seine Hinterbeine, hob seine linke Pranke in die Höhe, hob das rechte Hinterbein, so als wollte er sicher noch einen Schritt näher an mich ran kommen, um dann mit seiner Tatze mir den tödlichen Schlag zu verpassen. In dem Moment, als er nur auf seinem linken Hinterbein stand stieß ich ihm meinen Ger zwischen den Rippen in seine Brust, genau in sein Herz. Ich musste eiligst zur Seite springen, denn der in seinen letzten Zügen stehende Bär versuchte, mit letzter Kraft sich nach rechts wegzudrehen und fiel dabei seitwärts in meine Richtung. Hier lag nun der Bär und verblutete. Danach bekam Odin zur Belohnung seine Streicheleinheiten und eine Sonderration: „Kraulen in der Mähne“, was er, so viel hatte ich auch schon herausbekommen, besonders gern hatte. Dann versuchten wir bis zum Aufstehen noch bisschen zu schlafen. Die Sonne stand schon etwas über den Bäumen, als Odin uns durch ein nicht zu lautes Wiehern weckte. Was er, vermutlich mit seinen guten Lauschern schon vor uns gehört hat und vielleicht auch mit seinen Nüstern gewittert hat war ein Treck wandelnder und reitender menschenähnlicher Gestalten, die gerade so aussahen, wie die getöteten Banditen, die wir damals, als sie die Wagenburg der Erde gleich machen wollten. Sicherlich wurde ihnen der Boden, nach ihren letzten Misserfolgen auf dem sie zurzeit kampierten doch ein bisschen zu heiß! Sicher waren ihre Verluste, auch Dank meiner Hilfe, bei ihrem letzten Abenteuer doch viel größer als ich angenommen habe und jetzt ihren Campus vielleicht etwas überstürzt verlassen, um irgendwo eine neue Bleibe zu finden, um ihr mörderisches Unternehmen aufs Neue zu beginnen? Einer geregelten Arbeit nachzugehen, wie wir es in unsern Ortschaften kannten, mit Ackerbau und Viehzucht, Handel und Wandel, kannten sie offensichtlich nicht und glaubten, dass sie auch von Mord und Todschlag gut leben können, zumindest von dem Hab und Gut der Erschlagenen und Ausgeraubten. Was waren das für brutale Menschen, die keinen Respekt, keine Achtung vor den Menschen anderer Sippen hatten und auch haben wollten und kein Zusammengehörigkeitsgefühl über ihre Sippe hinaus kannten, die noch nicht begriffen haben, dass Zusammenarbeit, Handel und Wandel miteinander mehr bringt als Raub und Todschlag und in ständiger Angst zu leben von der Gerechtigkeit erwischt zu werden? Woher kamen sie bloß hier in unsere Gegend? Dabei habe ich aus der Deckung heraus sie beobachten können. Es gab doch noch zu viele Reiter unter ihnen, mit denen ich alleine es hätte aufnehmen können und auf nicht so großen Pferden ritten, wie wir sie haben. Die ihren waren etwa nur dreiviertel so groß wie die unsern und ihre hatten alle die gleiche Statue und Farbe, ein dunkles Silbergrau-beige. Wagen wie wir sie haben, scheinen sie auch noch nicht zu kennen. Mitten drin in ihrem Zug zählte ich drei Wagen, die offensichtlich auch Beutegut waren. Dafür führten viele Frauen beladene Pferde an der Leine. Aber, was müssen meine Augen am Ende des Zuges sehen? Da wurden einige zig Pferde, wie in einer Herde von berittenen, dunkel drein guckenden und cowboyähnlichen, scheinbar müde im Sattel sitzenden Gestalten angetrieben. Es durchzuckte mich förmlich und ich ließ den Uhuschrei ein paar Mal erschallen, was hier im Wald zunächst keinen Verdacht wecken konnte. Ich traute meinen Augen nicht! Ist das nicht mein Thor, der Hengst, den ich von meinem Vater damals bekam, als ich in die Schar der Jungkrieger aufgenommen wurde, der da von der Herde weg in die Richtung lief, aus der, der Uhuschrei kam? Ich konnte es nicht länger unterdrücken und rief zweimal ein freudiges und lautes: „Uuhuuuu, Uuhuuuu!“ Und tatsächlich, das Pferd lief wie von einem bösen Geist angetrieben und gehetzt, wie von einer unsichtbaren Gewalt gejagt, in die Richtung, aus der, der Uhuruf kam. Ich dachte, weiter kam ich nicht mit meinem „Dachten“, denn vier von den antreibenden und so dunkel drein blickenden berittenen Cowboyähnlichen Gestalten nahmen die Verfolgung auf. Sicher haben auch sie den Wert dieses Hengstes längst erkannt, der vermutlich keinen dieser Banditen vorerst auf seinen Rücken gelassen hat! Ich legte schon mal meine Pfeile neben mich, spannte einen in meinen Bogen und schickte dem Verfolger, der mir am nächsten war, schon mal aus meiner Deckung heraus einen „bepfeilten Gruß“, der ihn im Hals traf, und er von seinem Pferdchen fiel. Jetzt kam mir das viele Üben, dass wir schon als zehnjährige aufwärts üben mussten, nämlich, das Legen des Pfeils in den Bogen, ihn anspannen und ihn ins angepeilte Ziel ab zu schießen. Dasselbe taten wir bis ging nicht mehr. Interessant war damals beim Üben nur das Wettschießen, wenn wir in einer bestimmten Zeit so und so viele Pfeile treffsicher ins Ziel schießen mussten, denn dann gab es immer Sieger, nicht nur was die Zielgenauigkeit, sondern auch in der Schnelligkeit, und das in jeder, in seiner Altersklasse; das war das Wettschießen. Die Zeit, die geschossen werden durfte wurde mit einer vorsintflutlichen Sanduhr gemessen. Und wer wollte von uns Jungen nicht auch mal Sieger seiner Altersgruppe sein? Aber zum Überlegen war jetzt nicht die Zeit. Der zweite Pfeil musste schnellstens abgeschossen werden und so auch der dritte und der vierte, denn die berittenen Banditen kamen mir immer näher, schneller als ich dachte. Zu meinem Glück muss ich sagen, haben sie mich in meinem Versteck nicht entdeckt. Und was wäre, wenn sie mich eher entdeckt hätten, als meine Pfeile sie trafen? Alle vier spitzen Pfeile, die ich ihnen entgegenschickte mussten sicher ihr Ziel getroffen haben, denn ihre Pferde liefen ohne ihre Reiter von dannen, immer dem Thor nach, in den Wald, der ja auch ein Herdentier ist, ohne mich zu beachten. Als ich mir sicher war, dass keiner mehr von den anderen Cowboys aus dem Treck meinen Thor verfolgte und den vier Cowboys, die meinen Thor schon verfolgt haben nachgeritten kamen, traute ich mich aus meinem Versteck, und rief dreimal: „Uuhuuuu, Uuhuuuu, Uuhuuuu“, den Ruf des Uhus. Sicher waren die Pferde schon ein ganzes Stück weit weg von mir im Walde. Doch Thor musste den Ruf seines Herrn gehört haben, der da heißt: „Zu deinem Herrchen kommen“, was ich mit ihm in besseren Zeiten eingeübt habe, und er es scheinbar bis heute noch nicht vergessen hat, denn er war der erste, der aus dem Wald auf der Lichtung auftauchte. Ich traute meinen Augen nicht, auch die vier flotten Pferde der Banditen kamen hinter Thor hergelaufen. Sollten die etwa, alle vier Pferde Stuten sein, die Gefallen an Thor gefunden haben? Aber noch etwas ist mir bei den reitenden Cowboys kurz aufgefallen. Sie ritten eigentlich sehr flott auf ihren nicht allzu großen Pferden, was ich den Pferden, was die Schnelligkeit anbelangt, beim ersten Anblick gar nicht zugetraut habe. Aber zurück zu den Reitern, sie hielten ihre Pferde nicht an der kurzen Leine fest. In der rechten Hand hielten sie ihre drei Meter langen Lanzen und in der linken das kurze Nahkampfschwert. Obwohl sie über die Leine ihr Pferd nicht gelenkt haben, wussten sie, die Pferde, wohin sie reiten sollten, nach links, nach rechts, schneller oder langsamer. War es etwa das Geschrei der gedrungenen Cowboybanditen, das ich nicht verstanden habe, dass ihren Pferden sagte wo es lang zu gehen hat? Oder war das Geschrei ihr normales Kriegsgeschrei, mit dem sie ihre Gegner verunsichern und einschüchtern wollten. „Wenn ich erst mal die vier Pferde an der Leine hab, werde ich es sicher schon beim Reiten herausfinden. Zunächst musste ich nach den vier Cowboys gucken, die mich sicherlich, wenn sie mich entdeckt hätten, nicht am Leben gelassen hätten. Wie es so aussah, sind alle vier Angreifer am Boden verblutet. Von den vier Cowboybanditen nahm ich die Köcher, die auch ein kleines bisschen größer waren als unsere und voller Pfeile, die Bögen, ihre Lanzen und Schwerter mit. Wer weiß schon, was ich vielleicht schon bald mit ihnen werde machen müssen! Als nächstes schaute ich nach meinem weiblichen Gast von gestern Abend. Sie hat sich zur Quelle geschleppt, um sich etwas zu waschen. Jedenfalls tat sie so, als ob sie den heutigen Zwischenfall gar nicht bemerkt hat. Wir kamen sehr schnell ins Gespräch über das „Wie, Wo, Was, Wann und so weiter.“ Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich auch, dass sie Didilind heißt, einen sehr guten Vater und eine liebe Mutter und noch drei jüngere Brüder hatte, die mal alle drei gute und tapfere Krieger werden wollten, um ihrem König immer treue Diener zu sein. Sie war neben der Mutter das einzige Mädchen in der Familie. Auch sagte sie mir, dass sie daheim mit ihrem Vater und ihren Brüdern viel Zeit auf den Rücken der Pferde verbrachte und das Reiten für sie nichts Neues sei. Auch ich sagte ihr, dass ich Eberhard heiße, noch einen jüngeren Bruder und zwei jüngere Schwestern hatte, für die ich mich auch ein bisschen verantwortlich fühlte und noch immer fühle. Mein Vater war der Ortsvorsteher von Odens. Und ich sollte mal sein Nachfolger werden. „Nun scheint alles vorbeizusein und wir nicht wissen was uns der morgige Tag bringen wird, geschweige die heutige Nacht, wenn ich so an die vergangene Nacht mit dem Bären denke! Auch fragte ich Didilind, wie sie sich heute gesundheitlich so fühle und ob sie sich schon traue auf den Rücken eines Pferdes zu setzen. „Auf den Rücken eines Pferdes“, sagte sie, „möchte ich mich noch nicht alleine setzen. Aber vielleicht kann ich dir beim zurechtmachen des Bären von heute Nacht schon ein bisschen behilflich sein, denn er kann doch so in seinem Fell hier nicht ewig herumliegen!“ „Auweia, an den Bären von heute Nacht, an den habe ich schon ganz vergessen! Dabei ist doch so ein Bärenfell, die Klauen und die Zähne ein sehr wertvolles Utensil, mit dem sich die erfahrenen und tapferen Krieger schmücken konnten und von den Bärenschinken ganz zu schweigen. Anscheinend hat sie doch ein bisschen von der Bärenjagd in der Nacht mit bekommen, und sich sehr klug verhalten und so tat, als wäre sie überhaupt nicht da. „An den Bären, den du heute Nacht so mutig besiegt hast, habe ich, Eberhard, schon ganz vergessen!“ Mit meinem Dolch und meinen zwei Händen, und dem zaghaften Zugreifen vom Didilind haben wir ihm bald das Fell abgezogen und zum Trocken zwischen zwei Bäume gespannt. Aus den Kiefern brach ich ihm mit meinem Dolch alle Zähne aus und aus den Tatzen schnitt ich alle Krallen. In normalen Zeiten haben die Händler Bärenzähne und ihre Krallen sehr gut eingetauscht. Aber auch ein gutes Bärenfell, so ganz ohne Löcher, konntest du gut an den Mann bringen. Es sah immer gut aus, wenn an der Wand oder auf der Diele, für alle gut sichtbar so ein gegerbtes Bärenfell sich befand, dass auch nur ein Einstichloch in seiner Decke vorweisen konnte und der Eigentümer dieses Felles den Bären auch selbst im Zweikampf erlegt hat. „Was würde ich jetzt nicht alles für einen feuerfesten Topf, der an einem eisernen, dreifüßigen Gestell über dem Feuer hing, etwa so einen eisernen, wie er bei uns daheim im Garten und über der Feuerstelle in der Küche hing tun, in dem jetzt das Bärenfleisch weich kochen könnte! Bei so viel Glück, das ich bisher hatte, wollte ich nicht vergessen auch Wodan etwas zu Opfern. Als nächstes versuchte ich an meiner Gerspitze und an der Spitze meines Schwertes ein großes Stück Fleisch zu befestigen, um es am offenen Feuer weich zu kriegen, was auch so halbwegs gelang, aber nicht im Topf sondern halbwegs über dem offenen Feuer. Nachdem wir beide vom halbwegs geschmorten Fleisch satt waren, sagte ich zu Didilind, dass wir auch an Wodan denken sollten und ihm zum Dank, dass wir noch leben ein Stück geschmortes Fleisch da hinten unter die altaussehende Eiche legen. Didilind war mit meinem Vorschlag auf Anhieb nicht ganz einverstanden, ging aber mit. Warum sie mit dem Mitgehen nicht gleich einverstanden war, habe ich paar Tage später von ihr erfahren. Als wir von der Eiche zurückkamen, gingen wir zu den Pferden, die friedlich bei einander grasten. Hier zeigte ich Didilind das Pferd, das sie gestern hier herbrachte und Odin heiße. Auch sagte ich ihr, dass ab jetzt Odin ihr Pferd ist, das sie weiter und immer weiter in ein unbekanntes Land, das irgendwo im Westen liegt, tragen wird. „Und sei ganz lieb zu ihm, dann wird es auch ganz lieb und treu zu dir sein, wie es zu mir in den letzten Tagen war, als große Gefahr für uns bestand und er auch dich im Wald gefunden hat. Sie tätschelte Odin am Hals und was er besonders gerne mochte, sie kraulte seine Mähne. Ich glaube, dass hier und jetzt Odin und Didilind eine Freundschaft auf ewige Gegenseitigkeit geschlossen haben, die Odin ganz bestimmt nicht brechen werde. Warten wir’s ab!

Die heutige Nacht verlief ganz ruhig. Keines der Pferde weckte uns und alle sechs Pferde waren früh noch da. Nachdem wir kräftig gefrühstückt haben, das wieder aus geschmorter Bärenkeule bestand, stellten wir unser bisschen Hausrat zusammen, deckten es mit Ästen zu, banden die vier Banditenpferde zusammen, setzten uns auf unsere Pferde, banden die vier Banditenpferde am Hals meines Thors fest und ab ging’s in den Wald, immer schön hinter uns die vier Beigegrauschimmel der Banditenpferde. Didilind und ich ritten nebeneinander und ich hielt in meiner rechten Hand meinen Ger, immer bereit sofort bei Gefahr zustoßen zu können. Zunächst wollten wir das Lager, der Banditen aufsuchen, und hofften, dass wir da noch etwas Verwertbares für unsern Haushalt finden werden. Aber nichts war mehr da. Was mir besonders auffiel, das hier bei so vielen Pferden keine Pferdeäpfel herumlagen. „Die Pferdeäpfel werden sie doch nicht zum Feuern und Kochen mitgenommen haben. Dazu gibt es doch hier in den Wäldern genug Holz?“, waren so ganz kurz meine Gedanken. Oder sollte auf der anderen Seite das Fehlen der Pferdeäpfel meine Vermutung bestätigen, das die Reit- und Transportiere auf einer anderen Stelle aufbewahrt wurden? Also jetzt Augen auf beim Weitersuchen und immer darauf achten, wo liegen die Pferdeäpfel, denn da wo sie lagen, musste das zweite Lager der Banditen gewesen sein. Es durfte schon Mittag sein, denn die Sonne stand am höchsten Punkt des Himmels. Wir stiegen von den Pferden und ließen sie grasen und wir suchten nach Waldfrüchten, die wir reichlich zu dieser Jahreszeit fanden und aßen, bis auch wir richtig satt waren. Nach einer kleinen Ruhepause für Tier und Mensch, setzen wir unsere Suchexkursion fort und fanden tatsächlich die Stelle, an der das zweite Lage war. Auch diesen zweiten Lagerplatz durchkämmten wir so gründlich in der Hoffnung etwas Brauchbares zu finden, das wenigsten beim Herstellen der Mahlzeiten uns helfen möge. In einer Ecke voller Gestrüpp, mitten drin, fanden wir eine Eisenstange mit einer kleinen Kurbel am Ende. Das sah gerade so aus, wie daheim die Eisenstange, die wir daheim zum Grillen eines Schweines oder Kalbes benutzt haben, das dann überm Feuer langsam an der Kurbel gedreht werden musste. Nur unsere Grillstange sah um vieles sauberer aus, als die hier gefundene. Wir waren uns sehr schnell einig, dass wir diese Grillstange mal mitnehmen werden. Auch fand Didilind noch eine zusammen gefaltete Zeltplane, die sie, die Banditen vermutlich liegen gelassen oder beim Abmarsch übersehen haben, und die uns bei Unwetter schon mal Schutz bieten kann. Da die Sonne schon recht tief stand, banden wir die Banditenpferde zusammen, befestigten sie am Hals meines Pferdes Thor, bestiegen Thor und Odin und ab ging es im leichten Galopp zu unserem Lagerplatz. Hier bekamen alle Pferde ihre kleine Belohnung, das eine mehr das andere bisschen weniger Gekraule am Hals, hinter den Ohren oder in der Mähne. Der Rest des gestrigen Fleisches, das in meinem Essenstopf aufbewahrt war, hat keiner geholt und so mussten wir uns keine Gedanken machen, was essen wir heute Abend. Am nächsten Morgen war ich sehr zeitig munter, habe an der letzten Grillstelle ein Feuer gemacht und ein großes Stück vom Bärenfleisch auf meinem Ger und dem Schwert aufgespießt und durch drehende Bewegungen so lange über dem Feuer gehalten, bis es essbar war. Nach dem Frühstück haben wir unsere sieben Sachen zusammengepackt, auch das gegrillte Bärenfleisch und sie auf die Pferde der Banditen geladen, sie zusammen gebunden, unsere Reitpferde reitklar gemacht, bestiegen unsere Reitpferde und banden, Didilind zwei der Packpferde und ich zwei Packpferde an unsere Reitpferde fest und ab ging die Reise ins Ungewisse, immer in westlicher Richtung und die Augen immer offengehalten, um von eventuellen Gefahren nicht überrascht zu werden. Ihr werdet sicher jetzt fragen: „Woher wusstet ihr, da ihr noch von keinem Kompass etwas erwähnt habt, wo es denn nach Westen langgeht?“ Als künftiger Chef von Odense habe ich es auch schon früh lernen müssen, wo Osten, Süden, Westen und Norden liegt. Ihr werdet vielleicht auch noch fragen, wie ich das gesehen habe? Jetzt mal gut aufgepasst, ich will es euch verraten, wie ich es gelernt und gemacht habe! Bevor wir weiter ritten, habe ich mir einen freistehenden Baum gesucht. Ich wusste schon, dass die Sonne von Norden nie scheint, also ist die Nordseite immer die Schattenseite. Und wenn man diesen Baum langsam umgeht, und ihn genau beobachtet, sieht man dass nur die nördliche Baumseite leicht bemoost ist, die drei anderen Seiten sind sauber und glatt. Und jetzt kommt das Wichtigste: Links von der Nordseite ist immer Westen. Rechts von der Nordseite ist immer die Ostseite und gegenüber der Nordseite ist immer die Südseite. Bei bisschen Übung hat man das bald kapiert, wenn man schon mal weiß, wo die Nordseite ist, hat man bald den Dreh heraus, wo dann die anderen Himmelsrichtungen liegen, vorausgesetzt, ihr wisst, wie viele der Himmels-richtungen wir haben, wo sie liegen und wie sie heißen! Am Spätnachmittag kamen wir an einen breiten Fluss, den keiner von uns je gesehen hat und auch keiner von uns eine Ahnung hat, wie er heißt und wie tief er ist. Ich beobachtete den Wasserlauf nach dem Sprichwort, das stille Wasser immer tiefer seien als forsch dahinfließende. Bei meinen Beobachtungen kam ich auch an eine Stelle am Ufer, die so aussah, als ob das eine Einfahrt in den Fluss sei, denn gegenüber gab es auch eine so ähnliche Ausfahrt aus dem Fluss. Und das Wasser, das da so hinfloss, machte gerade nicht den Eindruck als ob es hier sehr tief sein sollte. Dann hatten wir auch noch Hochsommer und es hat schon lange hier nicht mehr geregnet. Also machte ich Didilind den Vorschlag, dass alles hier darauf hindeute, dass hier die Einfahrt und drüben, am andern Ufer die Ausfahrt einer Furt durch das Wasser sei. Und meine Gedanken gingen noch ein Stück weiter, wenn das hier tatsächlich eine Furt durchs Wasser ist, dann ist ganz bestimmt eine Ortschaft auch nicht mehr fern, in der wir unser Bärenfell, seine Zähne und die Krallen gegen eine Axt, eine Säge und vielleicht auch noch gegen einen größeren Kochtopf mit drei eisernen Stangen, an denen der Kochtopf oben in der Spitze über eine Kette befestigt wird, eintauschen können. Zur Not könnten wir auch zwei der vier braven Pferde der Banditen gegen einige Gebrauchsgegenstände eintauschen. Jetzt brannte meine Phantasie ganz durch, denn ich wagte sogar an einen Wagen zu denken, den man vielleicht auch noch dazu eintauschen könnte. Aber wir mussten weiter, a: der Tag ging langsam zu Ende und b: die Rauchsäulen am Himmel hinter uns verheißen nichts Gutes. Ein kurzer fragende Blick in die Augen von Didilind, sie nickte kurz und ab ging’s auf den Rücken unserer Pferde hinein ins Wasser, Odin hatte offensichtlich noch keine Erfahrungen mit kaltem und nassem Wasser gemacht, denn er wollte im ersten Moment nicht weitergehen, oder wusste er noch nicht, dass er auch schwimmen kann. Ich merkte sein Gebaren und rief Didilind zu: „Drück deine Knie gegen seinen Brustkorb und klopf leicht mit deinen Fersen gegen seinen Bauch, während ich versuche mit meinen Pferden noch etwas schneller als gewohnt Voranzukommen. Vielleicht erwacht dann der Nachahmungstrieb in Odin, nicht alleine hier zurückbleiben zu müssen und er überwindet die Angst vor dem Wasser.“ Didilind versuchte mit ihren Knien Odins Brust etwas fester zusammenzudrücken und mit ihren Fersen leicht gegen seinen Bauch zu klopfen und als er dann noch sah, dass er mehr und mehr zurückgeblieben ist, beschleunigte er seinen Marsch durchs Wasser, das den Pferden bis jetzt kaum an den Bauch reichte. Drüben bekamen die Pferde erstmals alle sechs ihre doppelte Portion Lob, dann durften sie, von ihrer Last befreit, erstmals ihr Abendessen in der Flussaue ergrasen. Ich machte Didilind den Vorschlag: „Wie wär’s, wenn wir uns mal wieder richtig im Fluss waschen möchten?“ Aber sie hielt nicht viel davon, denn dann müsste sie, ja wie müsste sie eigentlich ins Wasser gehen. Also stiegen wir in unserer Unterwäsche in den Fluss, dabei wurde auch unsere Unterwäsche gleich mitgewaschen.

Wir werden plötzlich reich

Auf einmal schrie Didilind leise auf, denn sie sei auf etwas Steiniges getreten. Ich bat sie da stehen zu bleiben und tauchte hinab, um das etwas steinige hoch zu holen. Wir staunten beide nicht schlecht, denn das was ich hochbrachte, war kein gewöhnlicher Stein, sondern ein faustgroßes und leicht glattgeschliffenes, zackiges Stück pures Gold. Mein erster Gedanke, den ich laut aussprach war: „Großer Wodan, du Vater aller Götter, dir sei Dank. Und wenn du uns vielleicht noch so ein zweites oder gar ein drittes Stück finden lässt, dann könnten wir uns bald einen neuen Wagen mit Plane kaufen, für unsere weitere Reise und uns vielleicht langsam für den Winter vorbereiten!“ Didilind, die mich bei meinem lauten Gedankengang jetzt eben beobachtet, fragte mich sehr nachdenklich, ob ich wirklich daran glaube, dass Wodan, der oberste Germanengott,

uns eben mit dem Goldfund geholfen hat: „Wo war er denn, als wir unsere Heimatorte verlassen mussten? Und wo war er denn, als unsere Eltern und Geschwister ermordet und verbrannt wurden mit all ihren Bekannten ihres Ortes?“ Ich fragte sie, vielleicht ein bisschen entsetzt: „Seit wann zweifelst du an der Macht unserer germanischen Götter, an den Asen?“ Sie schaute mich fast mitleidig an, als sie sagte: „Lieber Eberhard, sei mir bitte nicht böse, wenn ich doch lieber an einen großen noch unbekannten Gott, der alles in unserer Welt erschaffen hat, glaube, den auch die Götter, an die du glaubst verehren zu müssen, sind weiter nichts, als nur seine geduldeten Geschöpfe, die weiter nichts, als unserer menschlichen Fantasie entsprungen sind, der einmal wieder kommen wird in die Welt und alle, die an IHN geglaubt haben, und die so gelebt haben, wie es ihm gefallen hat zu sich in den Himmel holen wird, denn er wohnt in dem Himmel und nicht irgendwo in der Walhalla, wo Zeus, Wodan und seine Götter leben und es nur ewig Ruhmeskämpfe mit Verletzungen gibt, keinen Frieden, keine Glückseligkeit. Bei ihm, diesem unbekannten Gott, der über der Walhalla thront gibt es nur Frieden und Zufriedenheit, die ewige Glückseligkeit, immer nur Freude erleben dürfen, keine Hektik, keine Angst und keine Schmerzen.“ Ich fragte noch einmal, seit wann sie an unseren Göttern und an den Göttern unserer Väter zweifelt? Und sie sagte, vielleicht ein bisschen ängstlich: „Vor der letzten Sonnenwendfeier kam zu uns ins Haus ein weiser Mann mit einem großen Bart im Gesicht, grauen Haaren auf dem Kopf und einem langen Rock, der ein Übernachtungslager für eine Nacht suchte. Dieser Mann hat sehr schlecht unsere Sprache gesprochen und meinte, dass er das Nachtlager weder mit Gold noch mit Silber bezahlen kann. Er kann uns nur Kunde bringen von dem einen unbekannten Gott, der alles erschaffen hat, auch uns Menschen und der einmal wiederkommen wird in nicht allzu ferner Zeit, um alle Menschen, die an ihn glauben und gut zu einander sind zu sich in den Himmel holen wird. Und er machte auch so komische Andeutungen, dass Wodan bald als Versager da stehen wird und viel Leid auf seine Verehrer kommt. „Besonders sein letzter Satz, das Wodan bald versagen wird, hat mich sehr nachdenklich gemacht. Und trotzdem frage ich dich Didilind: „Wo war dein unbekannter große Gott, als wir unsere Heimat verlassen mussten, um in eine unbekannte Zukunft, Hals über Kopf fort zu ziehen?“ Didilind schaute mich fast mitleidig an und sagte in einem fast wehmütigen Ton: „Wem habt ihr, bevor ihr Odens verlassen habt um Hilfe gebeten? Wem habt ihr eure Opfer dargebracht? Und wem wolltet ihr eure jungen unschuldigen Mädchen opfern, das heißt sie töten, für wen? Bist du schon mal auf die Idee gekommen, diesen großen, uns noch ziemlich unbekannten Gott um seine Hilfe anzuflehen?“ Was Didilind mir jetzt gesagt hat, das hat mich persönlich tief getroffen, denn wie recht hatte sie doch, denn wen haben wir vor unserm Wegzug um Hilfe gebeten, wem haben wir unsere Opfergaben dargebracht?. Ich konnte mir im Moment nicht vorstellen, dass man vielleicht auch hätte Didilind oder eine meiner jungen Schwestern diesem Wodan opfern können, indem man ihnen unter der Eiche, bei vollem Bewusstsein die Kehle durchgeschnitten und ihr Blut in den Boden rings um die Eiche hätte fließen lassen. Und seitdem musste auch ich immer wieder an diesen weisen Mann denken, obwohl ich es, dank meiner Herkunft nicht hätte tun dürfen und wie Recht er vielleicht oder doch hatte!“ Auch ich wurde über das eben gehörte sehr nachdenklich. Aber mir kamen so auf einmal die Gedanken: „Steigt noch einmal ins Wasser und meinte zu ahnen, warum Didilind gestern Abend so gar nicht begeistert war von meinem Vorschlag, auch Wodan etwas von unserem Bärenbraten zu opfern. Wie sagte doch mein Großvater immer beim Pilze sammeln im Spätsommer, wenn er einen besonders schönen, großen und unversehrten Pilz gefunden hat: „Wo einer ist, da wächst auch noch ein zweiter!“ Ich schaute Didilind so richtig fragend an und sie nickte, so als hätte sie meinen fragenden Blick verstanden. Also nichts wie noch mal ins Wasser und gefühlvoll den Grund im Wasser abtasten. Wir wurden noch zweimal fündig. Didilinds zweiter Fund war um ein vieles größer als ihr erste Fund. Mein Fund lag in der Größe so zwischen Didilinds ersten und zweiten Fund. Mein erster Gedanke war, dass Didilinds Gott doch größer als Wodan, der meine sein muss, denn das Gold, das sie gefunden hat, war auch um ein sehr vieles größer als mein Fund. Nachdem wir die Pferde wieder gesattelt und bepackt haben, stiegen wir, noch nass bis auf die Haut auf und ab ging die Reise in die nächste Stadt, in den nächsten Ort, in der wir hoffentlich viel für unser Gold kaufen können und wir kein Pferde eintauschen müssen. Der Abend kam immer näher und die Sonne sank immer tiefer. Wir hielten kurz inne und beratschlagten, wo wir heute wie übernachten, denn wir befanden uns wieder in einer Gegend, die für uns völlig unbekannt war, unberührt und unheimlich aussah. In einem Gehölz, das etwas abseits von unserem Weg lag, glaubten wir ein sicheres Plätzchen zum Übernachten gefunden zu haben. Noch vom letzten Bärenbraten war einiges da, das zum Nachtessen langte. Auch eine saubere Quelle, etwa dreihundert Meter entfernt von unserm Lagerplatz, versorgte uns und die Pferde mit dem köstlichen Nass. Didilind hatte sicher einen tiefen Schlaf, warm eingewickelt in der Zeltplane, und ich nicht weit entfernt bei den Pferden mit dem Ger in der Hand, um für alle möglichen Gefahren gewappnet zu sein. Auch diese Nacht weckten mich die Pferde, denn Rehe kamen ziemlich dicht in ihre Nähe, die, die Pferde sicherlich als für uns gefährlich hielten. Doch ich habe mit meinem Pfeil einen Rehbock geschossen, den ich noch in der Nach ausgenommen und die Innereiern fortgeschafft habe, um kein Raubtier damit anzulocken, denn das Reh in der Decke verbreitet nicht einen so starken Anziehungsgeruch, wie die freiliegenden Innerreihen. So war es auch. Die freiliegenden Innerreihen waren von den Füchsen in der Nacht weggefuttert. Das Reh zwischen uns war unangerührt. Didilind schien noch zu schlafen, als ich anfing das Reh zu häuten und dann portionsgerecht zu zerlegen, um es zum Grillen an der langen Eisenstange zu befestigen, was sicherlich nicht so ganz ohne weckende Geräusche gelang, denn ich habe beim Häuten und zerlegen nicht nur auf die Arbeit geschaut, sondern auch immer unser Umland in den Augen gehabt, um, wie immer nicht von jemandem unangenehm überrascht zu werden, und diese Arbeitsweise war halt nicht so lautlos wie es hätte sein müssen. So ist auch Didilind aufgewacht. Nachdem sie mir eine ganze Weile, ohne etwas zu sagen zugeschaut hat, wünschte sie, noch in ihrer Plane eingepackt einen guten Morgen und heute einen allseits erfolgreichen Tag. Nachdem sie aus der Plane gekrabbelt war, ging sie zur Quelle und noch ein Stückchen weiter, um ihre Morgentoilette zu verrichten. Als sie zurückkam, hatte ich schon das Reh auf meinen Eisenstab mit der Kurbel gezogen und war dabei zwei dickere Astgabeln in den Boden zu stoßen. Auf diese Astgabeln sollte die Stange mit dem Reh gelegt werden, dass dann überm Feuer gedreht wird, bis das Fleisch gar ist. Didilind staunte nicht schlecht, als das Feuer schon unterm Reh brannte. Ihr fragt sicher, woher hatte ich die Streichhölzer, zum Feuermachen, die es damals noch gar nicht gab? Ich hatte immer zwei Hühnereier große Feuersteine bei mir in meiner Wamstasche, die ein verantwortlicher Mann, egal ob jung oder alt, immer bei sich haben musste. Beim aneinander schlagen der Steine bildeten sich Funken, die auf den Boden fielen. Diese Funken sollten dabei immer auf ein leicht brennbares Material, nicht zu tief fallen. Am besten eignet sich dafür vertrocknetes Moos. Und wenn dann die Funken in das Moos fallen, nicht vergessen leicht hinein zu blasen, bis das getrocknete Moos anfängt zu glimmen und sich entzündet. Als ich so die ersten Male daheim Feuer machte, war das auch immer so eine Sache, bis es brannte. Es war immer wichtig, den ganz richtigen Moment: Funkenflug und Blasen zu erwischen. Aber wie sagt man doch so schön: „Übung macht den Meister!“ Heute, es muss nur das richtige trockene Zeug da sein, und das Feuer brennt eins, zwei, drei lichterloh!

Didilind hat mir so eine Weile zugeguckt, wie ich traumversunken, an der Kurbel das Reh langsam in eine Richtung drehte. Mir ging immer noch unser gestriges Gespräch mit Didilind durch den Kopf von dem einen Gott, der angeblich über allem steht, auch über unsern Göttern, den Asen stehen soll, alles zum Guten lenkt und doch so weit weg sein soll, von uns droben im Himmel, den man nicht sieht, den man nicht hört, wenn er hustet oder poltert, wie unsern Wodan, der auch nicht, wenn er ganz böse auf uns ist, etwas ähnliches wie Wodans Blitze schickt, die nicht nur die Welt kurzfristig erleuchten? Sondern auch verheerende Brände anrichten! Wer kann mir über diesen geheimnisvollen Gott, der angeblich, wie mir Didilind sagte, alles erschaffen hat, angeblich auch unsere Götter, die nur so lange unsere Götter sind, wie es ihm gefällt, und der auch alles erschaffen hat, was wir mit unsern Augen sehen können. Wer kann mir etwas Genaueres über diesen Gott sagen? Während ich so vor mich hin meditierte und die Kurbel langsam drehte, habe ich gar nicht mitbekommen, wie Didilind Holz ins Feuer legte, dass das Feuer nicht ausgehe. Langsam begriff ich, was ich mit Didilind doch für einen guten Fang oder Fund gemacht habe, nicht nur wegen der Goldklumpen gestern Abend; sollte er es auch gewesen sein, der uns auf so geheimnisvolle Weise das Gold hat finden lassen? Sie merkt es einfach, wann sie im richtigen Augenblick zu packen soll, ohne sich aufzudrängen und es zu meiner Freude immer alles richtig machte. Zum ersten Male kam mir so ganz heimlich der Gedanke, Didilind und ich, obwohl ich noch keine achtzehn Jahre alt bin. Weiter kam ich nicht, denn sie sagte plötzlich, sie hatte mir schon längst die Kurbel aus der Hand genommen und das Drehen des Rehs übernommen, ob ich nicht das Holz unterm Reh zusammenschieben könnte, denn das Feuer sollte mehr unterm Reh und nicht so großflächig um das Reh herum brennen. Ich musste dabei doch ein bisschen erschrocken sein, als sie mich aus meinen Träumereien weckte, was auch sie bemerkt haben musste, obwohl das Träumen nicht so ganz mein Metier war.. So fragte sie mich, wo ich eben mit meinen Gedanken gewesen war, dass ich es gar nicht bemerkt habe, wie sie das Drehen des Rehs übernahm und ich ein bisschen erschrocken sei, als sie mich wegen des Holzes ums Feuer herum ansprach. Ich musste ihr sehr lange, ohne ein Wort zu sagen in die Augen geschaut haben, denn sie sagte fast ängstlich: „Eberhard, mach mir keine Angst!“ Das war wohl der richtige Schupp für mich, Träumer aus der Träumerei wieder zu erwachen und in die Wirklichkeit zurückzufinden. Normalerweise war ich kein Träumer! Sollte die Frau in Didilind mich doch so ein bisschen irritiert haben, und der Mann in mir erwacht sein? Ich nahm ihre linke Hand, denn mit der rechten war sie gerade am Drehen und schaute ihr wieder tief in die Augen und sagte: „Ich habe sehr viel über unser gestriges Gespräch, und deinen Gott nachdenken müssen von dem du mir gestern einiges erzählst hast, was mich tief berührt hat. Ich wäre ihm sehr dankbar, wenn er mich jemanden finden lässt, der mir noch bisschen mehr von ihm und über ihn sagen könnte, der meine Zweifel aus dem Weg räumen würde, denn dann wüsste ich, ob ich deinem Gott oder meinem Wodan den Vorzug geben sollte und dafür danken, dass er mich dich hat finden lassen. Und da ich jetzt nichts Genaues weiß, so muss ich beiden, deinem, der so weit weg von uns im Himmel wohnt, von dem man nichts sieht und hört wie bei unserm Wodan, der in der Eiche sicher da hinten wohnt und den man in seinen Blitzen sieht und im Donner und Stürmen hört, danken, dass ich dich finden durfte und du mit mir, wir beide in ein Land ziehen, wo wir nicht mehr weiterziehen müssen. Zum Beispiel hast du mir von deinem Gott berichtet, dass er einmal in die Welt kommen wird, um die guten Menschen zu sich in den Himmel holen wird. Aber was passiert mit den Menschen, die schon lange unter der Erde sind, wie zum Beispiel die Umgebrachten unserer Familien, die sind doch nicht mehr da, wenn er in die Welt zurückkommt? Jetzt schaute Didilind mich lange an und fragte mich: „Willst du das wirklich wissen?“ Ich nickte paar Mal und wurde beim Nicken wahrscheinlich immer schneller. Offensichtlich merkten wir es beide nicht, dass wir uns schon lange an der Hand hielten und sie sagte: „Nun gut! Du, ich und alle Menschen in dieser Welt bestehen aus einem Leib und einem Geist. Der Geist, der in jedem Menschen wohnt, hält deinen, meinen und von allen Menschen ihren Leib zusammen, so dass er nicht auseinanderfallen kann und gibt dem Leib die Kraft sich zu bewegen, zum Denken, aber auch Gutes oder Schlechtes zu tun. Wenn ein Mensch, egal wie er zu Tode kommt stirbt, verlässt der Geist den Leib und kehrt schon mal zu ihm in den Himmel. Sein Leib wird in der Erde vergraben und löst sich in Erde auf.“ „Also“, fragte ich wieder ganz ungläubig, „wie das hier bei den Menschen unserer Familien passiert ist, kommt dann nur der unsichtbare Geist, ihr Geist, zu deinem Gott, und wenn er auf die Erde kommt, dann kommen alle Menschen, mit ihrem Leib, der sich längst in der Erde wieder in Erde aufgelöst hat und ihrem Geist zu ihm? Das ist doch gar nicht gerecht!“ „O doch“; erwiderte sie, „wenn er kommen wird, dann werden alle unsere Verstorbenen wieder als Menschen mit einem verklärten Leib aus den Gräbern kommen und Ihr Geist, der schon mal bei Gott war fährt dann wieder in ihren neuen Leib und sie werden als Menschen bei ihm wohnen, so wie früher hier auf der Erde. Und daran kannst du sehen, wie gut der eine, für uns noch unbekannte Gott ist, er lässt den wichtigsten Teil seiner Schöpfung, den Geist, schon mal bei sich wohnen bis zu dem Tag, an dem er wieder mit seinem neuen verklärten Leib vereint bei ihm sein darf. Und ich musste wieder weiter fragen: „Und was ist mit unsern Verstorbenen, die schon vor uns das Leben lassen mussten, werden wir sie dann, wenn wir zu ihm in den Himmel kommen, auch sie da wiedersehen?“ Sie nickte paarmal sehr zuversichtlich und sagte: „Ganz bestimmt wirst du deine Eltern und deine Geschwister, deine Großeltern droben im Himmel bei Gott wiedersehen, wie auch ich, vorausgesetzt, wir haben ihn nicht geärgert.“ Ich musste auch hier gleich wieder nachfragen: „Und wie ärgere ich deinen Gott?“ Sie sagte: „Wenn du zu deinen Mitmenschen, auch denen, die dir böse sind auch böse bist, denn du sollst immer der erste sein, der Böses mit Gutem belohnt! Und vielleicht könnten wir dann.........“, weiter kam ich wieder nicht, denn ein greller Blitz durchzuckte das Firmament, dem ein lauter Donner folgte und ein leichter Regen fiel auf die Erde, der sie mit dem nötigen kostbaren Nass versorgte. „Offensichtlich“, so dachte ich, will Wodan nicht, dass Didilind mich von ihm weiter wegzieht und ich, Eberhard, und sie, Didilind, eine neue Familie gründen, in der wir die Tugenden und Eigenschaften unserer Vorfahren in unsern Kindern weitergeben, in der die Asen keine Rolle mehr spielen, denn langsam merkte ich, dass sie mir nicht mehr gleichgültig war! Wir waren beide so in unser Gespräch vertieft, dass wir gar nicht merkten, wie die Gewitterwolken immer dichter wurden und es mehr und mehr blitzte und zu donnern anfing. Es war ein kurzes aber heftiges Gewitter, dessen Blitze, auch in einige der uns umgebenden Bäume, die hoch hinausragten, einschlug, sie aber nicht Feuer fingen. Aber auch die Donner, bei dessen Erschallen die Erde mitunter leicht erbebte, versuchte mich wieder ein bisschen zu Wodan zurückzuführen. Meine ersten Gedanken waren, als das Unwetter vorbei war: „Eberhard, das war eine kleine Strafe, weil du im Stillen an uns, Wodan und seiner Götterfamilie gezweifelt hast!“ Didilind und ich standen, nass bis auf die Haut in der Sonne und hofften, dass sie uns bald wieder trocknet. Da wurde uns bewusst was wir zu nächst brauchten. Erstmals Sachen zum Anziehen, zum Wechseln und einen Behälter, in dem wir die Sachen bei Regen trocken aufbewahren können. Ungeduldig warteten wir auf einen Ort mit Marktplatz, auf dem wir alle unsere Träume erfüllen werden können. Wir hätten ja gerne, nach dem wir, so nass wie wir waren, etwas gegessen, die Sachen zusammengepackt, auf unsere Cowboypferde geladen und weiter nach Westen gezogen. Aber die nassen Sachen konnten wir unmöglich einpacken, denn sie wären so eingepackt nie getrocknet. Also breiteten wir alles, was abtrocknen sollte, auf den von der Sonne schon getrockneten Boden aus, um möglichst schnell zu trocknen, zerlegten das gegrillte Reh in Mahlzeitportionen und versuchten sie irgendwie zu verstauen, kontrollierten ob alles fest sitzt, ob die Pferde zufrieden sind und warteten, dass die Zeltplane möglichst schnell in der Sonne trocknet, denn die wollten wir ganz bestimmt hier nicht liegen lassen. Nach etwa einer Stunde war es so weit, die Zeltplane, aber auch wir waren wieder abgetrocknet. Beide haben wir die Zeltplane zusammengelegt und an Didilinds Sattel befestigt, bestiegen unsere Pferde, jeder hatte wieder zwei Banditenpferde im Schlepptau und weiter ging es in ein neues Land, das irgendwo im Westen liegen soll, da wo die Sonne am Abend sich zum Schlaf niederlegt, um am Morgen wieder auf der anderen Seite aufzustehen. Nur wo das neue Land liegt, das wussten wir noch nicht. Didilind glaubte, dass ihr neuer, unsichtbarer Gott sie schon dahinführen werde, und ich glaubte immer noch, das gestrige Gewitter hatte mich darin bestätigt, dass unsere Götterfamilie, mit Wodan an der Spitze, uns dahinführen werde. Dass das Gewitter ein normales Naturschauspiel ist, das keine Götter irgendwann, um die Menschen zu ärgern, aus purer Lust über die Bühne ziehen lassen, wusste ich noch nicht. Später habe ich erfahren, das keine Götter und kein Gott die Urheber jeglichen Gewitters sind, sondern das Klima, wenn Wärme und Kälte hoch oben zusammenstoßen, Gewitter entstehen und ich durch meine ständigen und fortschreitenden Wetterbeobachtungen mehr und mehr voraussagen konnte wie das Wetter morgen ist und auch bei den Gewittern hatte ich bald Recht und konnte meine Mitmenschen vor so einem Gewitter warnen. Aber so weit sind wir noch nicht, noch befinden wir uns in den Karpaten, die irgendwann auch noch überschritten werden müssen. Bei unserer weiteren Reise wurde nicht viel miteinander gesprochen, jeder hing so seinen Gedanken von anno dazumal nach. Ich fragte mich immer wieder: „Hast du gesehen, wie sie die Augen zumachte und leicht rot wurde, als ich ihr sagte, welchem Gott ich danken soll, der mich dich hat finden lassen oder der uns zusammenführte, oder anders gesagt, der uns auf eine so brutale Art mich dich hat finden lassen. Um ihr mehr zu sagen, was sie mir bedeutet, dazu hatte ich jetzt nicht den Mut und versuchte zu warten, bis sich wieder eine Gelegenheit bot. Aber ein bisschen Stolz war ich schon, dass sie und ich schon mal gemeinsam das Land im Westen suchten. Ich glaube, wenn wir gewusst hätten, dass es vielleicht noch einige Jahre dauern wird, bis wir das Land im Westen erreichen werden, ich glaube, wir wären bald nach links abgebogen, um bei den Römern irgendwo zu landen. Nur da wäre es mit unserer Freiheit bald vorbeigewesen. Nur gut, dass wir damals keine blasse Ahnung hatten, wie weit das Land im Westen noch von uns entfernt ist und wie nah es zu den Römern in die Unfreiheit wäre. Es konnte so, dem Sonnenstand nach um die 15°° sein. Unsere Pferde suchten während unseres Dahinreiten immer wieder mal ein Maul Futter zu rupfen und zu schlucken, was so viel heißt: „Wir haben Hunger, macht Pause!“ Didilind hatte das Futterfassen der Pferde während des Reitens wohl schon ein bisschen vor mir bemerkt. Sie sagte so ganz nebenbei: „Ich glaube unsere Pferde brauchen eine kleine Fresspause. Wollen wir anhalten und absteigen?“ Ich nickte und sagte, dass ich nichts gegen eine Pause habe und hielt an, stieg herab, band die Pferde los, so dass sie frei ihr Futter finden konnten, was auch Didilind mit ihren Pferden tat. Danach ver-schwanden wir im Gebüsch, sie rechts und ich links, um unser Geschäftchen zu verrichten, tranken dann jeder eine ordentliche Portion Wasser, frisch und klar aus dem Bach, der neben uns dahinfließt. Zum Essen hatte keiner so richtigen Hunger, denn das Frühstück von heut Morgen, als es Rehfleisch mit Rehfleisch gab, war noch immer nicht so richtig verdaut. Und als die Pferde immer mehr die Köpfe oben als unten hatten, wussten wir, dass ihr Hunger fürs erste gestillt war. Wir führten sie zum Bach, dass auch sie ihren Durst stillen konnten und weiter ging unsere Reise. Spät am Abend heute fanden wir wieder einen abgelegenen Platz mit einer Wasserstelle, an der auch unsere Pferde ihr Futter fanden und ihren Durst stillen konnten. Wir aßen von dem mitgebrachten und gegrillten Reh- aber auch vom Bärenbraten, die auch kalt prima schmeckten, obwohl es förmlich nach einer Prise Salz schrie, machten uns frisch am Wasser und legten uns nach den gute Nacht Wünschen zum Schlafen nieder. Didilind wieder eingewickelt in der Zeltplane und ich in voller Rüstung wieder zwischen unsern Pferden. Ich musste zweimal hingucken, denn der Abstand von der schlafenden Didilind zu mir war heute schon ein ganzes Stück kleiner als noch gestern. Oder war das nur ein Wunschtraum meinerseits, das ich das ganz gerne so hätte, denn wir verkehren immer noch mit einander wie der große Bruder und die kleine Schwester, die so alt ist wie ich und jeder freut sich darüber, dass der andere da ist! Sie kann ihren mütterlichen Gefühlen freien Lauf geben, und ich der beschützende und umsorgend große Bruder spielen. Der Mensch ist nun mal nicht als Einzelgänger erschaffen, schon eher als etwas, das sich in der Gemeinschaft wohler fühlt. Heute Nacht ist nichts passiert. Als ich munter wurde, haben noch alle Pferde, wie gestern Abend in meiner Nähe gelegen. Ich stand auf und ging reihum zu jedem Pferd, klopfte es am Hals, so als wollte ich sie Wecken und flüsterte ihnen in die Ohren, heute Morgen bisschen schneller zu futtern, denn der heutige Tag wird zu schön sein, um ihn zu verschlafen oder zu vertrödeln. Und ich möchte doch endlich an einen Markt gelangen, an dem wir uns für den Winter eindecken können, der bestimmt wieder bei uns vorbeikommt, der sicher auch hier mitunter sicher sehr kalt, schneereich und streng sein kann.

Was gab es für uns zum Frühstück? Ihr könnt es euch schon denken! Es ist dasselbe wie gestern Morgen und gestern Abend, gegrilltes Reh- und Bärenfleisch und Wasser aus dem nahen Wasserloch. Auch die Pferde haben ihr Futter gefunden und im nahen Bach ihren Durst gelöscht und so wurden die Pferde beladen und gesattelt, festgebunden und ab ging die Reise nach dem unbekannten Westen, immer dabei die Gegend um uns herum gut im Auge zu behalten, obwohl die verräterischen Rauchsäulen ein kleines Bisschen zurückgeblieben sind. Bald musste ich sehen, warum ich heute früh so zeitig munter wurde. Wir mussten schon so gut drei Stunden unterwegs sein. Da schnupperten Thor und Odin, als ob sie sich verabredet hätten in der Luft und prusteten ihre Lüstern, gerade so laut, als wollten sie nur uns auf etwas aufmerksam machen, das nur uns drei etwas angeht.

Der verletzte Mann im Unterholz

Und da blieben Thor und Odin stehen und witterten nach rechts ins Unterholz. Ich stieg ab, nahm meinen Ger wurfbereit in meine rechte Hand und schlich möglichst lautlos ins Unterholz, um alles was vor mir passieren könnte genauestens im Auge zu haben und der erste sein, der es wahrnimmt. Und da war schon das was unsere Pferde hat unruhig werden lassen. Es war ein verletzter Mensch, ob Mann oder Frau, das konnte ich auf Anhieb nicht gleich erkennen, denn sein Kopf war frauenähnlich behaart, und die waren wirr durcheinander. Auch lag er auf seinem Bauch. Zunächst versuchte ich mit meinem Ger sie oder ihn vom Geäst, das über ihr oder ihm lag, zu befreien und habe festgestellt, dass durch die Geräusche die ich da verursacht habe, keine ungebetenen Gäste angelockt habe. Mit einem kurzen Blick habe ich den vor mir Liegenden abgetastet, ob er vielleicht in seiner Hände Nähe ein griffbereites Messer liegen hat oder etwas Ähnliches, mit dem er nach mir hätte stechen oder schlagen können. Ich stieß meinen Ger neben den vor mir liegenden in den Boden, das war das Zeichen unter uns Kriegern, dass ich ganz friedfertig bin und das gleiche auch von dir jetzt erwarte und kniete mich neben seinen Oberkörper auf den Boden und drehte ihn/sie längs um 180° auf seinen Rücken. Jetzt sah ich, dass der da, der vor mir am Boden lag ein noch nicht zu alter Mann war, einige Jahre sicher älter als ich, der auch zu unserem Stamm, wenigstens der Kleidung nach, gehörte, dass er auch keinen Schmuck bei sich trug, aus dem man eventuell auf seine Herkunft hätte schließen können, wie bei meinem Vater und seiner Kleidung und seine Bärenzähnehalskette, die normalerweise nur ein Mann tragen durfte, der so ein Amt wie mein Vater innehatte. Da stand auch schon Didilind neben mir und meinte: „Man müsste diesen armen Mann erstmals ein bisschen waschen und allgemein reinigen! Und sicher täte ihm auch ein Schluck frisches Wasser gut, wie mir damals.“ Und da ging sie schon, meinen Esstopf in der Hand und begleitet von allen sechs Pferden, um eine Wasserstelle zu suchen. Auch hier waren die Pferde beim finden der Wasserstelle ihr durch ihr Schnuppern in der Luft behilflich, denn sie waren es, die den kleinen schmalen Bach, der unter dem Gestrüpp dahinplätscherte entdeckten und von dem dahinfließenden Wasser auch als erste trinken durften. Nachdem sie wieder ihre Köpfe in die Höhe hoben, schöpfte auch Didilind in meinem Kochtopf Wasser und kehrte zu mir zurück. Mit dem Wasser wusch ich zunächst seine Verletzungen, die scheinbar von einer Attacke eines wilden Tieres herstammen können. Didilind holte noch einmal Wasser und ich versuchte den unbekannten Verletzten zum Sprechen zu bringen. Ich fragte ihn, wobei ich bei meiner Fragerei immer lauter wurde, wer er sei und was passiert ist. Vielleicht war es die dreizehnte oder vierzehnte Frage, als er plötzlich die Augen aufmachte und ängstlich in der Runde herumschaute, als wollte auch er sich erst einmal überzeugen, dass vorerst keine Gefahr besteht, vor der man, wenn man es noch könnte, hätte flüchten müssen. Und als er sich ganz sicher war, das auch wir seine Sprache sprechen, war das Eis schon mal halbwegs gebrochen. Er versuchte, was ihm hörbar schwer fiel, uns zu erzählen, dass er, seine Frau, seine Kinder als Einsiedler auf einer weiten Lichtung wohnten. „Ich wollte langsam die umliegenden Wiesen, eine nach der anderen, in fruchtbare Felder umwandeln und mit den späteren Kindeskindern einen neuen Ort in einer bisher unbewohnten Gegend, die etwa einhundertfünfzig Kilometer südöstlich von euch daheim liegen musste, gründen. Und er versuchte uns zu erzählen, dass er mit seiner Familie auf der Flucht vor den anrückenden Slawen sei und dabei war, für seine Familie etwas Essbares im Wald zu organisieren. „Dabei muss ich“, so sagte er mit immer noch matter Stimme, „einem riesengroßen Tier, vielleicht war es ein Wisent, übersehen haben, der mich überraschend von hinten umgeworfen hat. Was weiter geschah, weiß ich nicht mehr. Nur dass ihr mich wieder ins jetzt so harte Leben zurückgerufen habt. Ein ausgewachsener Keiler konnte es nicht sein, denn auf seinen vier Beinen ist er zu niedrig. Dem großen Wodan sei Dank!“ Auch ich fragte ihn, ob er denn so ganz unbewaffnet auf Nahrungssuche in den Wald gegangen sei, was er verneinte. „Und wo sind jetzt deine Waffen, die du angeblich bei dir hattest? Das Wisent wird sie doch sicherlich nicht gefressen haben?“ Je mehr er zu sich wieder kam, desto unruhiger wurde er, was mich ihm und seinen Aussagen gegenüber sehr misstrauisch machte! „Ob er die Wahrheit sagt? Ob er etwas zu verbergen hat? Oder hat er hier eine kleine Abreibung von jemandem bekommen, die ihn dabei überrascht haben, als er gerade dabei war ein krummes Ding zu drehen!“ Ich durchsuchte zunächst erst mal die Umgebung um ihn herum, ob da vielleicht etwas Verdächtiges liegt oder etwas Waffenähnliches? Aber nichts konnte ich da finden. Ich fragte ihn wieder sehr ernsthaft, wo er denn sich von seiner Familie verabschiedet hat, als er in den Wald ging, um etwas Essbares zu organisieren, wo sie womöglich auf ihn warte. Er überlegte eine ganze Weile, dann sagte er, dass er immer gegen die Sonne gegangen sei bis er plötzlich den Schlag in den Rücken bekam. Wenn das so stimmt was er hier sagte, so musste er in südöstliche Richtung gegangen sein, das heißt, er kam aus nordwestlicher Richtung. Wenn seine Familie tatsächlich auf ihn warte, dann müsste das, der Sonne nach in dieser nordwestlichen Richtung irgendwo sein. Aber da kam mir der Gedanke, war das, wenn er die Wahrheit sagt, überhaupt ein Tier auf vier Beinen, oder war das ein zweibeiniges Tier in Menschengestalt, das hier noch irgendwo einige Komplizen hat, die hier ihr Unwesen treiben. Das heißt: „Eberhard sei doppelt wachsam, denn wenn es ein zweibeiniges Tier war, muss ich mich nicht wundern, wenn von seinen Waffen nichts mehr zu finden ist!“ Zunächst gab es ein riesiges Problem: „Wie kriegen wir den hier am Boden liegenden Verletzten nur auf den Rücken eines der vier Banditen Pferde?“ Ich fragte so vor mich hinsprechend: „Wie bekomme ich dich nur auf den Rücken eines Pferdes?“ Didilind schaute mich so richtig vielsagend an und sagte: „Ich bin ja auch noch da. Und wenn er seine Zähne noch zusammenbeißen kann, dann hilft er auch mit!“ Zunächst tastete ich seinen Körper ab, ob da etwas gebrochen sei. Seine Beine, Arme und Hände konnte er schon unter Didilinds und meiner Mithilfe bewegen. Auch seine Wirbelsäule schien den Schlag in die Rückenpartie, außer einigen blauen Flecken, einigermaßen gut überstanden zu haben. Didilind gab ihm ihre linke Hand in seine linke Hand und ich ihm meine rechte Hand in seine rechte Hand. Schon das uns entgegenstrecken seiner Hände im Liegen, schien ihm keine allzu große Schwierigkeiten zu bereiten. Jetzt sollte er versuchen sich an unsern Händen in eine sitzende Position aufzurichten, was sichtlich ohne größere Schwierigkeiten gelang. Das Schlimmste aber sollte jetzt noch kommen, das Aufstehen. Didilind sagte zu ihm: „Zähne fest zusammenbeißen und eins, zwei, drei!“ Ein kurzer Ruck mit unsern Händen, und er stand auf seinen zwei Beinen. Noch etwas benommen musterte er jetzt stehend, von oben herab sein Umland. Auf meine Frage, ob er auch schon alleine stehen kann, nickte er. Wir ließen seine Hände los und er versuchte mit einem schmerzlichen Gesicht ein paar Schritte zu gehen, denn die blauen Flecke auf seinem Rücken waren bestimmt nicht von schlechten Eltern. Nachdem ich seine doch ein bisschen wankenden Schritte gelobt habe, fragte ich ihn, ob er sich auch traue auf den Rücken eines Pferdes zu setzen, denn, wenn das zutrifft, was ich befürchte, sollten wir uns eiligst auf den Weg machen und deine Familie suchen. Mit unsrer beiderseitigen Hilfe gelang es ihn auf den Rücken eines Banditenpferdes zu heben. Er machte auf dem Rücken des Pferdes gar keine so schlechte Figur. Er vertrug es so gar, dass wir in einem leichten Trab in nordwestlicher Richtung, dabei immer einen Sichtpunkt im Auge behalten, dahinritten. Auch flüsterte ich immer wieder Thor in sein rechtes Ohr auch wachsam zu sein, denn wir wissen nicht was wir finden werden, was uns vielleicht noch überraschen kann. Es musste doch schon recht spät sein, denn die Sonne stand dicht überm Wald, da prustete Thor so halblaut vor sich hin, was so viel heißen sollte: „Da vorne, Vorsicht, da ist etwas!“ Ich fragte den heute gefundenen, unsern neuen Gast, wie seine Frau oder seine Kinder denn heißen? Und er sagte mir, sie heiße Kunigunde. Worauf ich ihm sagte: „Dann rufe sie laut bei ihrem Namen, denn wenn sie deine Stimme hört, wird sie eher sich melden als bei meiner ihr unbekannten Stimme!“ Er rief mit einer mir verdächtig vorkommenden Stimme dreimal ihren Namen. Aber nichts passierte, keine Antwort, keine Reaktion. Ich schaute ihn sehr ernst an und fragte ihn mit einer noch ernsthafteren Stimme: „Warum belügst du uns? Du hast gar keine Frau und gar keine Kinder! Was mein Pferd da erwittert hat, ist deine Lagerstatt! Raus mit der Sprache! Wenn du weiter mit uns ziehen willst, dann will ich die ganze Wahrheit von und über dich wissen! Ansonsten sind unsere Wege ab sofort getrennt, denn so wie du dich bis jetzt benommen hast, das ist eines Goten, wie wir es sind, höchst unwürdig!“ Er versuchte mich wieder mit Unwahrheiten oder Halbwahrheiten hin zu halten. Ich fuhr ihn ziemlich barsch an, endlich mit der Wahrheit herauszurücken, oder unsere Wege sind ab sofort getrennt. Auch das hat bei ihm nichts gebracht. Also sagte ich ihm, er möge bitte schön von seinem Pferd absteigen und zusehen, wie er weiter kommt. Er stieg, ohne Widerrede und ohne einen Verdacht zu wecken von seinem Banditenpferd, direkt neben Didilind. Aber kaum, dass er mit beiden Füßen auf der Erde stand, riss er Didilind vom Pferd, legte seinen linken Arm um ihren Hals und rückt fest zu und rief mir laut zu, dass ich möglichst schnell ohne meine Waffen verschwinden soll. Aber da hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn ich dachte nicht im Geringsten, ihn mit Didilind und meinen Waffen hier allein zu lassen und ging mit meinem Ger auf ihn zu. Er versuchte es immer wieder Didilind so zu halten, dass ich ihn mit meinem Ger nicht treffen konnte. Dabei drückte er immer fester ihren Hals zusammen. Ich sah wie ihr Kopf mehr und mehr blau anlief. Ich versuchte ihn zu täuschen, indem ich so tat, als wollte ich ihm links den Oberschenkel treffen, aber dann blitzschnell mit meinem Ger in den rechten Oberschenkel stach, etwa sieben Zentimeter tief. Und damit es ihm auch richtig weh tun sollte, habe ich die Gerspitze blitzschnell einmal nach links und einmal nach rechts gedreht. Es musste ihm wirklich sehr weh getan haben, denn schneller als ich denken konnte hat er Didilind losgelassen und viel rücklings auf den Boden. Didilind torkelte so einige Schritte von ihm weg und setzte sich recht unsanft auf ihren Hinterteil. Als ich mich von diesem kleinen Schrecken halbwegs erholt hatte, zog ich ihn an seiner Haarmähne ein ganzes Stück über den Erdboden von uns weg, drehte ihn auf seinen Bauch und hieb ihm mit der Breitseite meines Kurzschwertes zwei drei kräftige Schläge auf seinen Hinterteil, dass er die nächsten Tage darauf nicht sitzen werde können. Als ich zu Didilind zurückkam, lag sie immer noch, nach Luft japsen, auf ihrem Rücken. Ich versuchte, hinter ihr kniend, beide ihre Arme seitwärts auseinander zu breiten, um sie dann senkrecht anzuheben und dann waagerecht auseinander zu breiten. Beim Anheben sollte sie fest ausatmen, beim Herablassen der Arme sollte sie wieder, so fest sie konnte wieder einatmen. Das haben wir vielleicht über zwanzig Mal gemacht und dabei habe ich diesen niederträchtigen Landsmann immer im Auge behalten, der vermutlich schon heute Vormittag jemanden ausnehmen wollte und dabei an den oder die Falschen geraten ist, der ihn wie auch immer, niedergeschlagen hat! Didilind meinte plötzlich, dass es ihr schon viel besser gehe und sie wieder aufstehen kann. Während dieser hier nicht so geplanten Pause haben unsere Pferde doch ziemlich viel Gras gefuttert, banden das vierte Banditenpferd zu den andern Banditenpferde, bestiegen die Reitpferde und setzten unsern Weg fort, ohne unsern verkommenen Landsmann eines Blickes zu würdigen. An einen kleinen Abendimbiss hat keiner von uns gedacht; er hat uns nicht nur viel Zeit geraubt, sondern auch noch unsern Appetit verdorben. Wir mussten schon sehr weit in diese Nacht geritten sein, ohne auch nur ein Wort miteinander gewechselt zu haben. Da erinnerten uns die Pferde, dass sie heute Abend schon was gefuttert aber noch nichts getrunken haben, anders konnte ich ihr Murmeln nicht deuten. Wir stiegen von den Pferden und ließen sie ihr Wasser schon mal selber suchen. Ich weiß nicht wer von den Pferden gewiehert hat, als wollte er den andern sagen, hier ist Wasser. Bald standen sie friedlich neben einander und tankten was sie tanken konnten. Als alle Köpfe wieder oben waren, soviel konnte ich noch in der Dunkelheit erkennen, ließ ich den Uhu einmal halblaut schreien. Tor hat diesen Ruf verstanden und kam mit den anderen Pferden langsam zu uns zurück und ließen sich in ummittelbarer Nähe bei uns nieder. Es war ein bisschen frisch in dieser Nacht. Ich stand auf, gab Didilind meine Hand und führte sie an Thor seinen Rücken. Sie setzte sich so, dass sie mit ihrem Rücken an Thors Rücken zum Sitzen kam. Ich holte noch die Zeltplane, setzte auch mich mit meinem Rücken an Thors Rücken neben sie und deckte unsere Vorderpartie mit der Plane ab. Die Plane war aus einem Gemisch gewebt, das wiederum aus einer Mischung von Schafwolle und einer Wolle bestand, die angeblich irgendwo in wärmeren Ländern auf Sträuchern wächst. Soviel wusste ich von den Kaufleuten, die zu uns nach Odense kamen. Offensichtlich hat dieser mein einmalige Uhu Ruf andere Uhus auf den Plan gerufen, die ihren Nebenbuhlern sagen wollten, dass sie auch noch da sind und hier ihr Wohnrecht haben; die aber doch um einiges schauriger erklangen als meiner. Thor hob jedes Mal, wenn irgendwo ein Uhu gerufen hat seinen Kopf, als wollte er sich vergewissern, dass ich noch da bin. Didilind war immer noch sehr nachdenklich und mit ihren Gedanken beschäftigt. Es sah so aus, als wollte sie heute nicht mehr mit mir reden. Und auch mir war immer noch nicht nach schlafen zu mute. Und wenn mich ihr Atmen nicht täuscht, schläft sie auch noch nicht und hängt ihren heute gemachten Erfahrungen nach. Und so fragte ich halblaut, was sie so betrübt, dass sie mit mir nicht mehr reden will und alles in sich hineinschluckte? Und ich sagte weiter: „Willst du mir nicht sagen, was dich so bedrückt, denn wenn du mich an deinen Sorgen teilnehmen lässt, teilst du sie mit mir und geteilte Sorgen sind nur noch halbe Sorgen. Und so ist es auch mit den Freuden, die du mit andern teilst, das sind dann doppelte Freuden.“ Während ich so zu ihr sprach bin ich ganz dicht an sie herangerutscht. Als ich mit meinem Prolog fertig war holte sie tief Luft und sagte: „Erinnerst du dich noch an den Frommen Mann von dem ich dir schon so vieles erzählt habe, der damals bei uns übernachtet hat?“ Ich nickte und sagte, das ich mich immer wieder an diese Gespräche erinnere. Und sie sagte weiter: „Tut Gutes denen, die euch böse sind. Wenn ich mich an die Begebenheiten von heute mit dem Fremden erinnere, weiß ich nicht ob ich und du, ob wir beide richtig gehandelt haben. Du hättest ihn fast mit deinem Ger getötet. Sollten wir ihn nicht mit einem Pferd seine Wege ziehen lassen?“ Und ich habe ihr erwidert: „Haben wir ihm nicht Gutes getan, als er fast leblos da lag, obwohl wir nicht wussten mit wem wir es zu tun haben. Sollte ich ihn gewähren lassen und weg gehen, als er dich erwürgen, oder dich dann als seine Sklavin benutzen wollte? Ich habe ihn nicht töten wollen, sondern nur kampunfähig machen. Und das er immer an den heutigen Tag denken solle, bevor er wieder seine brutale Tour erneut fahren will, hat er mit der Querseite meines Schwertes seine Belohnung auf seinen Allerwertesten bekommen, dass ihm das Sitzen immer an etwas erinnern möge und er keine Lust auf irgendwelche schmutzigen Abenteuer bekommt, bei dem unschuldige Menschen vielleicht ihr Leben lassen müssen! Und normalerweise steht bei uns Goten auf so einen Ausrutscher immer die Todesstrafe. Ich habe ihn mit einem Denkzettel weiter leben lassen. Und etwas ganz Wichtiges darfst du nicht vergessen: Ich will dich auf keinen Fall an so einen schmutzigen Typen verlieren!“ Ich glaube, dass ich sie mit meinem letzten Satz ein kleines bisschen aus ihrem Gleichgewicht gebracht habe. So viel wusste ich schon, dass sie so alt ist, wie auch ich bin; wir sind ein Jahrgang, also fast achtzehn Jahre. Nach einer kleinen Pause sagte sie nicht allzu laut: „Du großer unbekannter Gott, der du alles erschaffen hast, die guten aber auch die bösen Menschen. Ist es auch dein Wille, dass ich mich von diesem Mann hätte erwürgen lassen sollen? So viel weiß ich noch vom frommen Mann, den du vermutlich zu uns in unser Haus geschickt hast, um hier bei uns ein Samenkorn des Glaubens zu legen. Er hat uns auch gesagt, dass niemand das Recht hat andere zu töten. Nur du, du großer unbekannter Gott, nur du, der das Leben gibt, hat auch das Recht es wieder zu nehmen und das auf deine Art.“ Und weiter sagte sie nach einer kleinen Pause: „War es etwa dein Wille, dass ich heute durch den Arm dieses Fremden hätte sterben müssen?“ Und was war das, hat da nicht jemand „nein“ gerufen, das so überzeugend klang. Das wir beide deutlich hören konnten und allem Anschein von weit herkam. Und dann war diese Stimme noch einmal zu hören, die da sagte: „Aber eines von euren Pferden hättet ihr ihm lassen sollen! Es ist mein Wille, dass er wieder vernünftig wird!“ Wem gehört diese alles durchdringende und doch so vertraulich sanfte Stimme, die von so weit her und doch so nahe erklang?, und sie hat sich so gebieterisch und doch so warm und lieblich angehört. Wenn das eine menschliche Stimme war, die sich in unserer Nähe aufhielt, hätten sich doch unsere Pferde bemerkbar gemacht. Sicherlich galt diese Stimme nur für uns beide, denn die Pferde reagierten überhaupt nicht. Darüber mussten wir beide eingeschlafen sein. Wir mussten so fest geschlafen haben, dass wir es gar nicht mitbekamen, dass Odin und die vier Verbrecherpferde um uns herum aufstanden und schon beim Fressen waren und nur Thor da war und uns mit seinem Rücken unsern Rücken warm hielt. Als wir aufgestanden waren, ist auch Thor aufgestanden, schüttelte sich paar Mal, als wollte er sagen, wo bleibt meine Belohnung? Didilind und ich, jeder von einer Seite verabreichten ihm recht lieb die gewohnten Kraul- und Tätscheleinheiten an Hals und Mähne. Als Thor sich dann zu den anderen Pferden gesellte, um auf seine Art zu frühstücken, schauten wir nach unsern Essensvorräten und stellten fest, dass der Rehbraten, der schon vor vier Tagen überm offenem Feuer gebraten wurde, noch immer essbar war, was fast an ein Wunder grenzte. Nachdem wir unser Frühstück gegessen haben, dass heute sehr reichlich war, denn gestern Abend hat es nichts gegeben und das heute wieder aus Rehbraten mit Rehbraten bestand, machten wir unsere Morgentoilette, packten alles zusammen, banden es an den Pferden fest und sie, wie immer, zwei Packpferde an unsere Pferde, stiegen auf die Pferde, schauten uns an und sicher hatten wir beide den gleichen Gedanken: „Nicht zurückreiten, sondern unsern Weg nach Westen fortsetzen.“ Wir nickten uns zu, und ich visierte einen Punkt in westlicher Richtung an und ab ging es, immer auf diesen Punkt zu. Zu Mittag machten wir rast an einem Bach mit glasklarem Wasser, in dem so gepunktete und recht große Fische schwammen. Mit meinem Ger habe ich einige dieser Prachtkerle herausgeholt, die Didilind, nachdem ich sie geschlachtet habe, ausgenommen und geputzt hat, während ich in der Zeit ein Feuerchen machte, an dem sie die Fische auf der Spitze meines Gers und der Schwertspitze essbar gemacht wurden. Die Pferde haben wie immer ihr Mittagessen im Gras gefunden. Nach dem Mittagessen haben nicht nur die Pferde, sondern auch wir unsern Durst mit dem glasklaren Wasser im Bach gestillt. Der Bach erinnerte mich mit seinem klaren Wasser und den Fischen an ein Wasser, das oberhalb unseres Ortes von den Bergen herabkam, unten aber nicht mehr die Fische im Wasser waren wie oben. Unwillkürlich kam der Gedanke: „Eberhard, bewegst du dich etwa schon in Richtung Gebirgskamm? Wenn ja, dann musst du gut aufpassen, denn das weiß ich noch von meinem Vater, der immer sagte: Junge, je höher du in die Berge kommst, um so mehr musst du auf die Bären aufpassen, ihre Schinken schmecken zwar köstlich gut, mit denen ist es aber nicht gut Kirschen essen, denn sie verstehen keinen Spaß; absolut keinen Spaß, besonders mit uns Menschen. Aber sie verraten sich immer wieder durch ihre Spuren, die sie hinterlassen und durch ihr fortwährendes Brummen.“

Dem Gebirgskamm entgegen

Die nächsten drei Tage verliefen fast zu eintönig. Früh gab es die Reste des Rehs, Mittag und Abend diese punktierten Fische aus den Bergbächen, die mit etwas Salz sicher besser geschmeckt hätten! Wir merkten auch schon, dass es immer mehr berghoch ging, denn die zurückgelegte Tagesstrecke wurde im kürzer. Ihr werdet sicher fragen, wie das nur möglich war, dass der Rehbraten so ganz ungekühlt, so ohne Kühltasche, nur in die Plane gewickelt, so lange gehalten hat? Bestimmt hat die Art wie es zubereitet wurde, das offene Feuer und der Rauch, beides zusammen hat das Fleisch ein bisschen länger halten lassen, als das nur im Topf gekochte oder gebratene. Heute sind wir schon den vierten Tag unterwegs. Die Felskante oben, oder der Bergrücken oder wie man das da oben immer nennen mag, kam immer näher und das hieß, aufpassen, wir bewegen uns im Bärenrevier! Ich habe unseren beiden Reitpferden eingeschärft mit aufzupassen, denn wir bewegen uns in Feindesland und unser jetzige Feind, der uns bald gegenüber stehen wird oder kann, ist kein geringerer, als ein ausgewachsener, schon etwas älterer, und sehr erfahrener, über zwei Meter aufrechtgehender Braunbär, der keinen von uns zu seinem Mittagessen verachten würde. Didilind ritt rechts neben mir. Im Schlepptau hatte sie zwei Banditenpferde wie auch ich. Ich schärfte ihr immer wieder ein: „Nach vorne guckt Odin und Thor, du musst den Wald zu deiner Rechten im Auge und in den Ohren behalten. Ich tu das gleiche zu meiner Linken.“ Der Sonne nach musste es schon Mittag sein. Für unser Mittagessen hatten wir noch einige der gepunkteten Fische von gestern, die überm Feuer hergerichtet wurden. Die Pferde banden wir an den Köpfen zusammen, dass sie nicht zerstreut in der Gegend herumliefen und so eine leichte Beute für den einen oder anderen hungrigen Bär werden konnten. Didilind hat die Fische von gestern ausgepackt und da, kaum hatten wir die ersten Bisse im Bauch, da brummte es schon und die Pferde rückten näher zu uns heran. Ich nahm sofort den Ger, steckte ihn in die Halterung an meinem Gewand, das über meiner Lederhose herabhing und an der rechten Seite meines Gewandes angebracht war, zog einen frischgeschliffenen Pfeil aus meinem Köcher, spannte ihn in meinem Bogen und wartete der Dinge, die jetzt auf mich zukamen. Und da brummte er wieder. Diesmal schon bedeutend näher. Ich stellte mich neben unsere Pferde, um sie zu beruhigen, die auch in die Richtung schauten aus der das Gebrumme kam. Didilind beobachtete das Gebiet hinter meinem Rücken. Man kann ja nicht wissen, wie viele der Brummbären es hier oben gibt. Auf alle Fälle, sicher ist sicher. Und da kam er, nicht mehr auf allen Vieren, sondern schon aufrecht, etwas tapsig, dafür riesengroß und sehr furchterregend, furchterregender als der letzte, dessen Fell, Zähne und Krallen ich immer noch in meinem Reisegepäck mitführe, die ich gerne mal gegen Sachen, die wir für den Alltag so dringend bedürfen eintauschen möchten. Aber darüber nachzudenken, war jetzt keine Zeit mehr, denn er stand schon etwa so vier oder knapp dreieinhalb Meter vor mir. „Vielleicht hält er mich für den gefährlicheren Gegner, den er zuerst ausschalten muss, bevor er sich an den anderen meiner Begleiter vergreift.“ Und da, ich, ich spürte fast seinen Atem in meinem Gesicht und ließ den gespannten Pfeil in seine Herzgegend fliegen. Doch, als ich den gespannten Pfeil losließ, musste er mit seiner linken Hinterpfote in eine kleine Vertiefung getapst sein, denn der Pfeil traf nicht tödlich sein Herz, sondern die darüber liegende Brustrippe. Der Pfeil war, wie schon gesagt, nicht tödlich, sondern verletzte ihn nur und wozu verletzte Tiere von dieser Größe fähig sind, wenn es um Leben oder Tod geht, muss mir keiner erzählen! Zum Nachspannen eines Pfeils war keine Zeit mehr. Im aller, aller letzten Moment konnte ich meinen Ger aus der Halterung reißen, musste zu meiner rechten Seite springen, denn er schlug mit seiner linken Tatze nach mir, und ich rief sehr laut und schnell: „Du großer unbekannter Gott, hilf, wenn es dich wirklich gibt!“ Es war ein Aufschrei, der wirklich aus dem Herzen kam. Ich konnte kurz die Wunde über seinem Herzen sehen, die etwa eine Handbreit über dem tatsächlichen Ziel lag, die mein Pfeil verursachte, denn der Bär hat seine linke Vorderpranke erneut zum Schlag nach mir ausgeholt, womit er mir wieder zeigte, wo sein Herz schlägt. In diesem Moment warf ich mit meiner ganzen Kraft, die ich glaubte aufbringen zu können und zu müssen, meinen Ger nach ihm in seine Herzgegend. Mein Gedanke war dabei: „Wenn du ihn jetzt nicht tödlich triffst, dann ist es aus mit unserm jungen Leben, denn um dein Schwert noch ziehen zu können, hast du keine Zeit mehr!“ Ich hörte es richtig in mir plumpsen, so als wäre ein riesengroßer Stein von meinem Herzen gefallen, denn der Stich mit meinem Ger war tödlich. Er drehte sich so um die 90° nach links und fiel in voller Länge vor meine Füße, als wollte er noch sagen: „Du warst doch größer als ich!“ Wen er, der Bär, mit größer als ich gemeint hat, weiß ich nicht; kann es aber mir denken! Ich war es sicher nicht, der mich im letzten Moment über so viel Kraft hat verfügen lassen, sondern er, der große, mir noch teilweise unbekannte Gott! Nicht ich, das kleine Menschenkind, habe dich besiegt, sondern er war es, der ...!“ Weiter kam ich nicht mit meinem Denken, denn meine innere Stimme in mir sagte recht verständlich zu mir: „Du hast wohl den Pfeil nach dem Bären abgeschossen! Du hast wohl deinen Ger mit einer noch nie da gewesenen Kraft nach ihm geworfen! Aber ich, dein noch unbekannter, aber euch so nahe stehender große Gott habe dich im richtigen Moment das richtige tun lassen und dir die Kraft gegeben deinen Ger zielsicher werfen lassen. Ich, dein großer unbekannter Gott, ich habe durch dich, deinen vierbeinigen Gegner besiegt, der jetzt vor dir liegt. Ich will keine Opfer, wie ihr sie daheim euern Göttern zum Dank dargebracht habt haben, denn diese eure Götter, die es nur in eurer Phantasie gibt, haben sie euch schon mal im letzten Moment die Kraft gegeben, über euch hinauszuwachsen, so wie ich es eben bei dir habe geschehen lassen. Wenn du mir zum Dank etwas opfern willst, dann opfere mir etwas von deiner Zeit. Sprich mit mir, wenn du Dein Tageswerk vollendet hast. Erzähl mir was du oder ihr heute, du und Didilind so alles gemacht habt, und am Morgen, was ihr heute so vor habt. Ich werde euch immer zuhören! Und ich werde immer da sein, wenn ihr mich braucht und ihr mich nicht enttäuscht.“ Didilind, die dicht neben mir stand, ist es aufgefallen, dass ich mich in den letzten Sekunden ganz verändert haben muss, gerade so, als ob ich mit meinen Gedanken weit, weit weg, in einer ganz anderen Welt wäre. Sie schubste mich leicht in die Seite und rief: „Aufwachen, vor dir liegt ein großer Bär, der noch was von dir möchte!“ Und da durchfuhr es mich förmlich, als mir der Hilfeschrei von vorhin wieder in den Kopf kam: „Was hast du da, du großer zukünftiger und angehender Wodanpriester voller Verzweiflung geschrieen, als dir der Bär mehr als gefährlich nahe gegenüber stand. Nach wem hast du da gerufen, doch nicht nach Wodan! War es nicht ein Hilfeschrei, an einen dir noch sehr unbekannten Gott, der aus deiner tiefsten Seele kam, von dem du nicht mehr weißt als das, was dir Didilind bisher erzählt hat und was du eben glaubtest geträumt zu haben? Ich erzählte ihr alle meine Gedanken von vorhin, als ich glaubte die Stimme von gestern wieder gehört zu haben, nur dass sie heute einerseits viel bestimmender, aber andrerseits auch sehr viel väterlicher, sanfter und vertraulicher klang, als gestern. Auch erzählte ich ihr, dass dieser unbekannte große Gott keine Opfer wie unsere Götter daheim wolle, sondern, dass wir ihm ein bisschen von unserer Zeit opfern, indem wir ihm das erzählen, was wir heute so gemacht haben. Während wir uns über das vorhin Geschehene unterhielten, haben wir den Bär fast das Fell abgezogen. Für die Jahreszeit sah er schon recht wohl genährt aus. Unsere Pferde mussten auch gemerkt haben, als der Bär so leblos neben uns lag, dass die Gefahr erst einmal vorbei war und sie wieder futtern konnten. Als er jetzt so ganz entkleidet vor uns lag, habe ich ihm erst mal seine Zähne aus den Kiefern und die Krallen aus seinen Tatzen herausgeschnitten. Bärenzähne und Bärenkrallen waren bis zu unserer Flucht aus Odens etwas sehr Wertvolles. Für so ein unbeschädigtes Bärenfell, wenn es außer der Einstichstelle unbeschädigt war, konnte man schon einen guten Ger, einen Köcher mit acht Pfeilen und den Bogen dazu eintauschen. Und das heutige Fell ist bestimmt ein ganzes Stück größer als das Fell des ersten Bären. Zunächst spannten wir das Fell zum Abtrocknen wieder zwischen den Bäumen fest. Nur, was machen wir jetzt mit dem dar liegenden Bären? So wie er da liegt, können wir ihn keineswegs transportieren, da ist er einfach zu schwer. Auch wenn wir ihn zerlegen, hält sich das Fleisch höchstens drei Tage; da ist es bei der Tageswärme hinüber. Und einen kühlen tiefen Keller wie daheim haben wir hier nicht. Also müssten heute noch die größeren und verwertbaren Stücke geräuchert werden. Didilind war mit meinem Räuchervorschlag einverstanden. Während ich das nötige Material zum Feuer machen suchte, zerlegte sie mit meinem Dolch kunstgerecht den Bären in entsprechende Stücke, die an der Eisenstange mit der Kurbel befestigt wurden. Dann machte ich das Feuer, stieß die mitgeführten dicken Astgabeln links und rechts vom Feuer in die Erde, legten die mit den dicken Fleischstücken gespickte Eisenstange in die Astgabeln und drehten die Eisenstange immer langsam, eine Runde nach der andern. Wir hatten gar nicht gemerkt, dass es mittlerweile Abend geworden war und der Mond stand schon weit am Himmel als Didilind meinte: „Wir können das Feuer langsam ausgehen lassen, das Fleisch müsste durch sein!“ Aber ich hatte ganz bestimmt keine Lust mehr noch heute das heiße Fleisch zu verpacken und meinte: „Unter dem Fleisch lassen wir das Feuer ausgehen, machen aber daneben ein neues Feuer, denn vor Feuer haben die wilden Tiere angst und kommen ganz bestimmt nicht, um sich etwas vom gegrillten Fleisch zu holen und auch uns Schläfer dann nichts tun. Ich zündete am Grillfeuer paar dicke Äste an und machte so einige Meter weiter vom ausgehenden Grillfeuer ein neues Feuer, das ich tüchtig mit Holz versah, dass es heute Nacht noch recht lange brennen möge. Didilind aß noch ein bisschen von dem frischen Bärenfleisch und ich den verbliebenen Rest der für das Mittagessen geplanten bepunk-teten und gegrillten Fische. Dann gingen wir reihum zu unseren Pferden, tätschelten und kraulten sie ein bisschen an ihrem Hals und in ihren Mähnen, setzten uns wie gestern an Thors Rücken, denn da war es schon mal warm von hinten und deckten unsere Vorderpartie mit der Plane zu. Zuerst war es Didilind, die zum Himmel schaute und zu mir sagte: „Möchtest du jetzt, bevor wir uns hilflos der finsteren Nacht überlassen, dem unbekannten und großen Gott, der dir doch heute so nahe stand noch etwas sagen, was dich gerade jetzt bewegt?“ Ich überlegte kurz und sagte: „Du großer unbekannter Gott, wir haben dich zwar gestern Abend kurz reden gehört. Wenn du es warst, der zu uns gesprochen hat, dann bitte ich dich, lass uns auch heute Nacht hier sicher ruhen und lass Didilind, unsere Pferde und auch mich morgen früh wieder heil aufwachen. Und ich möchte nicht vergessen dir Danke zu sagen, dass wir den heutigen Nachmittag so heil überleben durften, und der uns zugleich eine so riesengroße Fleischportion bescherte, was sicher nur mit deiner Hilfe geschehen konnte. Und für den großen Fleischvorrat über dem ausgehenden Feuer nochmals ein extra Danke!“ Wir mussten doch recht laut gesprochen haben und das Knistern des Feuers tat vermutlich sein übriges, denn weder die Pferde noch wir haben etwas bemerkt dass ein Reiter uns plötzlich von der Seite ansprach und fragte: „Von was redet ihr da?“ Jetzt erst merkten wir, dass der Reiter auf keinem Pferd, sondern auf einem Esel angeritten kam, was uns zunächst recht stutzig machte, auf einem Esel hier in unseren Breiten, nein, so etwas gibt es doch gar nicht bei uns? Sollte ich schon wieder Gespenster sehen? Und dann, wie saß er denn auf dem Esel, nicht so breitbeinig wie wir auf dem Pferderücken, sondern seine beiden Beine baumelten auf der linken Seite herab. Und bekleidet war er auch so gar nicht wie wir hier, die Goten, Römer oder gar die Slawen. Man konnte fast meinen, der fremde Eselreiter hatte keine für uns sichtbare lange Lederhosen an, sondern nur ein langes, helles warmes Gewand, dass vom Hals abwärts bis zum Boden auf seinen Schultern hing, überm Kopf trug er ein Tuch, ähnlich wie unsere Frauen daheim bei der Feldarbeit und wenn er im Gesicht keinen Bart gehabt hätte, könnte man in der vom Feuer schwach erleuchteten Nacht meinen, es wäre eine Frau und kein Mann, die/der da auf dem Esel saß. Auf alle Fälle sah der Mann in seinem langen Gewand sehr vertrauensvoll aus, vor dem man sich nicht gleich fürchten, oder Vorsicht walten lassen muss, mit dem man über alles reden kann, was einem bedrückt. Anstandshalber standen wir beide wieder auf und der fremde Eselsreiter stieg von seinem Gefährt, denn stehend konnte man schon besser miteinander sprechen. Und dann erzählte ihm Didilind, worüber wir uns gerade unterhalten haben was heute Abend passiert ist und wie Eberhard, ein angehender Wodandiener im letzten Moment den großen, so weit von uns wohnenden und unbekannten Gott um Hilfe bat, und der ihm bestimmt geholfen hat, im letzten Augenblick den Bären, der hier zerstückelt und gegrillt an der Drehstange steckt, zu töten. Während Didilind ihm das erzählte, schaute er uns mit einer fast väterlich gütigen Miene an und nickte paar Mal mit dem Kopf als das Wort: „Wodandiener“ fiel. Als Didilind geendet hat, fragte der fremde Mann im hellen Gewand zu mir gewandt: „Wodandiener, was ist das?“ Ich versuchte ihm, so gut ich konnte zu erklären, wer und was Wodan für uns Germanen und Goten ist, und der sicher auch da drüben in der alten, knorrigen Eiche wohnt und uns zuhört und sicher sehr böse sein wird, wenn wir uns über ihn lustig machen und ihn nicht mehr dankend beachten. Auch versuchte ich ihm zu erklären, denn offensichtlich kannte er sich hier in unser germanischen Gegend nicht aus, was so ein Wodandiener auch noch für Aufgaben hat, dass er, der Wodandiener, die Verbindung zwischen ihm und den Menschen immer wieder herstellen muss, besonders, wenn die Menschen ihn wieder einmal geärgert haben und er uns dann schwere Unwetter mit Blitz, Donner und Hagel geschickt hat. Und der fremde Mann fragte weiter: „Wie erkennst du dann, wenn Wodan auf euch böse ist?“ Ich sagte ihm, wie ich eben schon erwähnt habe, dass er dann uns ganz böse Gewitter schickt, die großen Schaden anrichten, die seine Blitze und Donner verursachen, um uns Menschen wieder zur Vernunft bringen. Der Fremde schaute mich fast traurig an, als er fragte, ob ich eine Axt oder eine Säge habe? Ich verneinte seine Frage und fragte ihn, wozu ich denn eine Axt oder Säge jetzt haben solle? Und er erwiderte: „Um dort die große Eiche zu fällen, in der angeblich euer Wodan, oder wenigstens ein kleines Stückchen von ihm eurer Meinung nach wohnt, denn so viele Wodans kann es doch gar nicht geben, dass in jeder alten knorrigen Eiche ein Wodan wohnt. „Weißt du auch, du junger Wodandiener, welcher von den vielen Wodans euch dann diese bösen Unwetter geschickt hat, ob es der in der alten knorrigen Eiche dir gegenüber war? Oder der da in der andern alten knorrigen Eiche, dort hinten auf dem Hügel! Oder, oder, oder?, oder der Ururururgroßvater vom jetzigen Wodan oder schon sein Enkel oder Urenkel?“ Mir ist aufgefallen, dass bei seiner letzten Frage ein leichtes Lächeln über sein Gesicht gehuscht ist. Ich wusste im Moment keine Antwort auf seine vielen Fragen, ob es so viele Wodans gibt, oder ob es nur einen großen Wodan gibt, der kurzfristig in einer Eiche sein Quartier nimmt und laufend die Eichen wechselt, wenn es ihm da oder da nicht mehr gefällt? Oder, oder, oder! Er musste es auch bemerkt haben, wie ich bei diesem seinem Ansinnen sichtlich erblasst sein musste bei dem Gedanken, die Wodaneiche da drüben umzuhauen, denn ich sagte ihm fast bestürmend, ob er lebensmüde sei, Wodans Heiligtum zu zerstören? „So was hat noch kein Mensch bei uns gewagt eine Eiche umzuhauen und mag sie noch so gut gewachsen sein, um sie als Bauholz zu verwenden und wenn, dann hat es noch keiner der Übeltäter, so erzählten unsere alten Vorfahren immer, diesen Frevel ungestraft überstanden! Und du Fremder, du, der mir so sympathisch bist, du tu es bitte auch nicht, denn es würde mir sehr leid tun, wenn er dich dafür mit dem Tode durch einen Blitz strafen würde! Denn, so glaube ich, du könntest mir noch sehr viel über den großen unbekannten Gott erzählen, der so weit von uns weg lebt und wenn er zu mir spricht, er sich doch so nah anhört. Wenn du so redest, da könnte man meinen, dass du ihn persönlich kennen würdest. Darum bitte ich dich noch einmal, tue auch du Wodans Heiligtum nichts, denn ich will dich nicht so schnell verlieren, nicht, bevor ich alles über diesen großen Gott von dir erfahren habe, was du von ihm weißt!“ Da schaute mich der Fremde sehr ernst an und sagte nur: „Schau!“, und deutete mit seinem Zeigefinger in die Richtung des Eichenbaumes und wiederholte nur das eine Wort. „Schau!“ Mit großem Schrecken sah ich wie aus seinem Zeigefinger ein greller, kräftiger Blitz in Richtung der alten Eiche raste, dem ein alles erschütternder, lauter Donner folgte. Ich merkte richtig, wie die Erde unter meinen Füßen bebte. Danach war von dem Fremden, seinem Reitesel und der Eiche nichts mehr zu sehen. Da wo die urige stolze Eiche stand, war von jetzt auf gleich nur noch ein Häufchen qualmende Asche übrig. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich wieder zu mir kam, und Dank Didilinds Hilfe alles begriffen habe, was hier eben passiert ist. Mein erster Gedanke war, dass es Wodan persönlich war, der noch eben zu uns gesprochen hat und uns beweisen wollte, dass er nicht auf die einzelne alte Eiche angewiesen ist, dass er der größte aller Götter ist, dem keiner an Größe, Stärke, Weisheit und Macht gleichkommt, den keiner ungestraft verhöhnen darf. Auch der Fremde mit seiner so sanften Stimme nicht und seinem noch so gütigen Blick. Denn wie konnte er so ganz von alleine mit seinem Reitesel von jetzt auf gleich da und wieder weg sein? War es Wodan, der ihn für seinen Frevel strafte und verschwinden ließ? Meine letzten Gedanken mussten wieder sehr laut gedacht worden sein, denn Didilind sagte zu mir: „Hast du nicht gesehen, als der fremde Mann mit dem gütigen Gesicht mit dem Zeigefinger auf die Eiche zeigte? Hast du das Bild noch vor deinen Augen, wenn ja, dann hast du auch gesehen, dass der Blitz nicht aus der Eiche zu ihm kam, sondern umgekehrt war es. Der Blitz trat aus seinem Zeigefinger heraus und traf vernichtend deine heilige Eiche und vernichtete sie samt all deinen Göttern!“ Während Didilind mir das alles erzählte merkte ich doch, dass ich nach all dem Erlebten heute doch schon recht müde war und das sagte ich ihr auch: „Denn morgen ist sicher auch noch ein Tag an dem wir über unser heutiges Erlebte weiter sprechen werden können. Auch sie war mit meinem Vorschlag ein verstanden. Sie setzte sich schon mal an Thors warmen Rücken, während ich noch paar Holzscheite ins Nachtfeuer legte und mich dann auch neben sie an Thors warmen Rücken setzte und mit der Plandecke unsere Vorderpartien zudeckten. Wir haben dann noch in einpaar Sätzen dem großen unbekannten Gott gedankt und ihm noch einmal alles vom heutigen Tag erzählt, auch das Erlebnis mit dem Mann, der auf einem Esel kam, mit einem Blitz, der aus seiner Fingerspitze kam die alte, knorrige Eiche vernichtet hat und dann wie gekommen so auch bald plötzlich verschwunden war. Darüber mussten bald eingeschlafen sein. In der Nacht heute, die sehr kurz war, ist weiter nichts mehr passiert. Die Sonne stand heute Morgen eigentlich schon sehr hoch als wir aufwachten. Bis auf Thor, der uns sicherlich nicht wecken wollte, grasten schon alle fünf Pferde. Als wir aufgestanden waren, stand auch Thor auf, bekam zum Dank seine üblichen Tätschel- und Krauleinheiten und dann gesellte er sich zu den andern Pferden, um auch seine Portion Gras zu bekommen. Didilind und ich machten unsere Morgentoiletten und kamen halbwegs erholt zum Bären, der jetzt gegrillt, völlig ungefährlich und hilflos auf der Grillstange steckte, um erstmals zum Frühstück jeder seine Portion zu vertilgen. Dann haben wir das Fleisch wie üblich von den restlichen Knochen befreit, in Portionen zerlegt und für unsere weitere Reise verpackt, so gut es eben ging. Verpackten alles auf unsere satten Pferde, banden wieder je zwei der beladenen Banditenpferde an unsere Reitpferde, stiegen auf und Didilind sprach ein paar Worte zu dem großen und noch immer unbekannten Gott droben über den Wolken, die heute den Himmel leicht bedeckten. Wahrscheinlich dankte sie ihm, dass er uns heute Nacht so gut beschützt hat und bittet ihn, dass er heute immer uns mit seinem Wohlwollen begleiten möchte! Dann schaute sie kurz auf mich und fragte: „Eberhard, können wir?“ Ich nickte und weiter ging unsere Reise, immer weiter bergauf, immer näher zum Gipfel. Ich glaube, dass wir beide in Gedanken mit dem gestern Erlebten beschäftigt waren. Doch was sagte sie vorhin, bevor wir weiter reiten wollten? „Sagte sie vorhin nicht Eberhard, sprach sie mich nicht das erste Mal mit meinen Vornamen an, während ich sie doch immer wieder bei ihrem Vornamen nannte, wenn ich sie etwas fragen oder ihr sagen wollte?“ Doch dann war ich wieder bei den gestern erlebten Gegebenheiten, bei dem Bär, den ich im allerletzten Moment besiegen konnte, bei den Stimmen, bei dem Eselreiter mit dem gütigen Blick, der aus dem Nichts kam, aus seinem Finger den Blitz gegen Wodans Heiligtum schickte, der sein Heiligtum im Nu vernichtet hat, so, als hätte nur ein einziger Fingerhinweis genügt, um ihn, bis dahin unsern Wodan aus der Welt zu schaffen! Aber auch immer wieder musste ich an Didilind denken, dass ausgerechnet ich sie im Wald schwer angeschlagen habe finden dürfen! Und da kam auch schon die eine Frage, die mich in der letzten Zeit immer wieder bedrängte, die ich unbedingt an den großen Gott, von dem ich es zu wagen glaubte, dass er mir gar nicht mehr so unbekannt vorkam, richten wollte, ob es auch sein Wille war, dass ich sie, Didilind, hab finden dürfen. Sicherlich war diese Frage, die ich an ihn richtete, keine Frage im Flüsterton, denn als ich die Frage stellte hat Didilind zweimal kurz mich angeschaut, die da hieß: „Und war es auch dein Wille, du großer bekannter, oder doch noch so unbekannter Gott, dass wir beide, Didilind und ich, nachdem wir uns gefunden haben, auch wenn wir noch sehr jung sind, einmal eine neue Familie gründen sollen und in unsern Kindern all das Althergebrachte“; bevor ich weiter dachte, ob auch keiner von Wodans sichtbaren Gefährten uns drohend verfolgte, wegen der Frage an den großen Gott? Nachdem ich mir sicher war, dass Wodan uns keine ungebetene Gäste, in welcher Gestalt auch immer, uns irgendwie immer nachschickte, um uns zu warnen, nicht zu weit mit unsern abwegigen Gedanken zu gehen, versuchte ich meinen vorhin gedachten Gedankengang fortzusetzen: „..... all das Althergebrachte unserer Vorväter, außer den vielen Göttern und Götzen an unsere Kinder weiterzugeben, besonders Achtung vor dem Mitmenschen, ihnen immer zu helfen, und gegen jedermann und jedefrau ehrlich und treu und besonders hilfreich zu sein. Niemanden zu belästigen, ihnen weh zu tun und gegen niemanden Gewalt anzuwenden, höchstens um einem Bedrängten hilfreich beizustehen und aus seiner Zwangslage zu befreien!“ Der gestrige Abend war in jeder Hinsicht sehr aufregend und anderseits, doch sehr beruhigend interessant. Besonders die Begegnung mit dem Mann, der auf dem Esel angeritten kam. Der Mann verfolgt mich auf Schritt und Tritt. Was er für eine Ruhe ausstrahlte! Wie gerne würde ich diesen Mann wieder begegnen! Woher er nur so plötzlich kam und wieder verschwand. Wie er uns gestern Abend nur gefunden hat? Wir waren heute so mit unsern Gedanken beschäftigt, dass wir ganz und gar an die Mittagspause vergessen haben. Auch die Pferde haben uns nicht daran erinnert, dass es auch eine Mittagspause geben sollte, in der etwas Grünes und Wasser nachgetankt werden muss. Die Sonne stand schon kurz vor ihrem Haiabettchen und wollte bald darin verschwinden. Das hieß, absteigen, die Pferde wieder ihr Futter suchen lassen, etwas zu Abend essen, die Abendtoilette machen, die Pferde zur Tränke führen. Odin und die vier Verbrecherpferde haben wir ganz in unser Nähe an einen Baum an nicht allzu langer Leine angebunden, Thor nahmen wir wieder mit uns, ein paar Meter weiter, lehnten uns wieder an seinen Rücken, mahnte noch alle Pferde vielleicht doch, auch während ihres Schlafens, ein bisschen wachsam zu sein, denn ich habe heute Nachmittag wiederholt Wölfe heulen hören. Und was da passieren kann, wenn uns so ein hungriges Rudel im Schlafe überraschen würde, daran wagte ich nicht zu denken. Bevor wir mit der Plandecke unsere Vorderpartie zudeckten, denn wir saßen wieder mit unserm Rücken an Thors warmen Rücken, nahm ich einige Pfeile aus meinem Köcher und den Bogen, legte beides griffbereit auf meine zugedeckten Knie. Da sagte Didilind ganz leise: „Was wollen wir heute, bevor wir einschlafen, unserm großen, nicht mehr ganz so unbekannten Gott, der aber immer noch so weit weg von uns ist sagen? Vielleicht sollten wir ihm sagen, dass wir heute keine Bekanntschaft, weder mit einem vierbeinigen oder zweibeinigen Wesen gemacht haben, das wir wieder ein ganzes Stück näher an den Gipfel herangekommen sind, aber auch, dass wir uns heute kaum noch mit Wodan und seinen Konsorten beschäftigt haben, dass wir heute sehr viel an dich gedacht haben und uns immer wieder mit dem fremden Manne von gestern Abend, bei dem wir immer wieder mit unsern Gedanken waren und der uns sehr viel von dir erzählt hat und es sogar gewagt hat Wodans Heiligtum mit einem Blitz aus seinem linken Zeigefinger und dem anschließenden Donner in ein Häufchen Asche zu verwandelte. Nur du großer Gott, nur du weißt es woher er kam und wohin er nach dem Trick mit dem Blitz aus seinem Zeigefinger und dem anschließendem lautem Donner spurlos verschwunden ist, so wie er plötzlich da war. Und dabei hätte ich noch so viele Fragen an ihn gehabt, wie zum Beispiel er den Trick mit dem Blitz und dem Donner gemacht hat. Ich hätte gerne diesen Trick von ihm gelernt oder gegen ein Bärenfell eingetauscht, wenn´s sein muss, hätte ich ihm auch noch für diesen Trick die Bärenzähne und die Bärenkrallen gegeben! „Vielleicht du großer Gott, vielleicht treffe ich diesen gütigen Mann mit deiner Hilfe noch einmal! Oder du organisierst ohne mein Zutun so ein Treffen noch einmal und, wenn wir uns, was den Tausch des Tricks mit dem Blitz und Donner gegen das Bärenfell mit allem was das Drum und Dran anbelangt einigen können, so erzähle ich es dir bei einem nächsten Mal wieder weiter. Für heute wünschen wir dir eine friedliche gute Nacht, was wir uns hier auf Erden auch gegenseitig wünschen.“ In dieser Nacht passierte nichts, was von Interesse wäre, dass man es hier aufschreiben sollte. Die Morgensonne blickte schon über den oberen Waldrand, als Thor so leise vor sich hinplusterte, als wollte er sagen: „He ihr zwei da an meinem Rücken, heute Nacht hat uns keiner gestört wie in den letzten! Eigentlich müsstet ihr schon ausgeschlafen sein! Und nicht vergessen, heute wollen wir über den Gipfel auf die andere Seite und dann hinab ins Tal.“ Nachdem wir aufgestanden waren, stand auch Thor auf, schüttelte sich paar Mal ganz kräftig und guckte uns fragend an als wollte er sagen: „Wo bleiben meine Koseeinheiten; fallen sie heute aus?“ Didilind und ich schauten uns an und mussten plötzlich beide herzhaft lachen, als Thor uns so fragend anschaute. Didilind übernahm die rechte Seite seines Halses und Kopfes und ich die linke. Heute bekam er aus welchen Gründen auch immer die doppelte Portion an Liebkosungen, Tätscheln und Kraulen von zwei Seiten und zwei verschiedenen Händen. Dann entfernte sich auch Thor zu den andern fünf Pferden und suchte sich die besten und saftigsten Grashappen heraus. Während wir an der nahen Wasserstelle unsere Morgentoilette machten, fiel mir auf, dass eine Stute der Banditenpferde es meinem Thor doch recht angetan hatte. Es sah so aus, als ob die beiden beim Futtern immer näher zusammenrückten und mir wurde klar, dass es die Stute war, die Thor bewog, uns, so sachte wie möglich zu wecken. Didilind habe ich nichts von meinen Beobachtungen und Pferdevermutungen gesagt, denn ich wusste immer noch so richtig, was ich mal mit den vier Verbrecherstuten machen werde. So machten wir uns ans Frühstücken und die Pferde suchten weiter nach ihrem Futter, wobei Thor mit seiner Freundin mehr und mehr heimlich hinter einem Dickicht verschwanden und meine Gedanken waren: „Hoffentlich tauchen da jetzt keine Wölfe auf, denn Liebe macht blind. Und da war es für alle zu hören, zwischen Thor und der Stute hat es gefunkt, denn ihr lautes, fast einstimmiges Wiehern war nicht zu überhören. Ob Didilind etwas von dem eben Geschehenen mit bekommen hat? Sie fragte nur, warum die beiden eben so laut gewiehert haben, es wird doch nichts passiert sein? Und da kamen beide schon wieder aus ihrem Versteck heraus und taten so als ob nichts geschehen ist. Didilind schaute mich wieder so fragend an und ich nickte und sagte ihr: „ Die beiden haben eben geheiratet und in knapp 12 Monaten gibt es, wenn alles klappt Nachwuchs, vielleicht einen kleinen Thor oder eine kleine Didi!“ Didilind wurde, als ich ihr eben das gesagt habe leicht rot und konnte wahrscheinlich meinen schelmisch fragenden Blick nicht ertragen und guckte mit leicht rotem und gesenkten Kopf in die andere Ecke. Ich konnte meine Bemerkung, dass wir beide noch ein bisschen Zeit dafür haben, nicht für mich behalten und sagte sie ihr geradewegs ins Gesicht. Ich glaube dass sie im Moment nicht die richtige Antwort auf meinen Satz hatte und es wahrscheinlich nicht mit mir verderben wollte, stand sie auf und ging zu Odin und zog es vor, ihm die nötigen Streicheleinheiten, die er heute noch nicht von ihr bekommen hat, sie ihm jetzt zu geben. Ich glaube, dass Thor und auch die Verbrecherstute ihr Liebesabenteuer noch nicht ganz verdaut haben und sicher noch eine Stunde brauchen werden, bis sie ihr Abenteuer von vorhin verdaut haben und beide wieder voll einsatzfähig sind. Ich nutzte die Zeit, einen vollen Esstopf von mir Früchte zu sammeln, nach dem Motto: „Die guten ins Töpfchen, die schlechten in mein Kröpfchen,“ die ich in unserer Nachbarschaft so reichlich entdeckt habe. Es mochte so wohl eine Knappe Stunde mit dem Sammeln der Waldfrüchte vergangen sein und mein Esstopf und auch ich waren ziemlich voll. Auch merkte ich, als ich zurückkam, dass beim Futtern der Abstand zwischen Thor und den Stuten wieder immer größer wurde, was so viel heißt, sie sind wieder bei ihrem Normaltief angelangt und wir können die vier Stuten beladen, Thor und Odin aufzäumen und unsere Reise nach Westen in ein unbekanntes Land fortsetzen. Auch zeigte ich Didilind ihr heutiges Mittagessen, das ich vorhin im Wald gesammelt habe. Ohne viel zu sprechen, denn jeder war so mit seinen Gedanken beschäftigt, merkten wir es gar nicht, dass wir schon einige Zeit die Waldzone hinter uns gelassen haben und durch die baumlose Zone hin zum Gipfel uns bewegten. Weit vorne, etwa halb links von uns unterhalb des Gipfels bewegten sich so einige Tiere, die hin und wieder so eigenartige Bocksprünge voll führten. Ich wusste nur, dass es keine Wölfe waren, denn Wölfe habe ich schon daheim aus nächster Nähe beobachten dürfen. Wer diese Tiere waren, die auf ihren Köpfen so etwa dreißig bis vierzig Zentimeter lange Hörner hatten, die nach oben spitz zuliefen und im untersten Drittel begannen sie sich leicht nach hinten, also leicht gebogen waren. Sicherlich haben sie uns auch bemerkt und wussten zunächst auch mit uns nichts anzufangen. Doch da begannen einige besonders große und kräftige Tiere mit ihren Hörnen gegen die Felsen zu schlagen, was ich mir zunächst nicht erklären konnte, was das zu bedeuten hatte. Ich hielt Thor an, um das Schauspiel der Tiere vor uns zu beobachten, das ich mir immer noch nicht erklären konnte. Auch Didilind blieb mit Odin stehen und beobachtete das Schauspiel, das die Tiere da vorn vollbrachten: „Sie sprangen so komisch in die Höhe und stießen beim Niedergang mit voller Wucht an die Felsen vor ihnen, dass es so laut krachte, dass wir es hier unterhalb des Gipfels deutlich hören konnten.“ Ich schaute zu Didilind hinüber und fragte sie, ob sie auf diese Art da oben jeden Reiter so begrüßen, der sich hierher in ihr Revier verirrt hat? Nach einer kleinen Weile sagte Didilind: „Vielleicht ist es nur ihr Imponiergehabe, mit dem sie jeden Fremden, der sich hier verirrt warnen, das hier ist unser Gebiet, verschwinde wieder, aber ganz schnell!“ Didilinds Verdacht leuchtete auch mir ein, aber trotz allen Nachdenkens, ich konnte mit diesen Tieren nichts anfangen, ich habe sie noch nie gesehen. Später, auf der andern Seite des Gebirgskamms, wieder unten im Tal habe ich sie einfach die Felsklopper von oben genannt. Wir wollten die, für uns völlig unbekannten Tiere in ihrem Eldorado nicht weiter stören und machten einen großen Bogen nach links um sie herum, denn da sah es so aus, als ob der Felsgipfel nicht so steil und spitz ist. Der Gipfel da hinten sah so aus, als ob die Felsspitze recht abgerundet und der Übergang auf die andere Seite, die Nordseite leichter war. Der Sonne nach musste es schon Nachmittag sein, als wir den Scheitelpunkt der Karpaten überschritten hatten. Wie wir von oben herab sehen konnten, ging es auf der Nordseite nicht so steil herab wie es auf der Südseite bergauf ging. Aber auch so wie es jetzt aussah, waren wir noch in der gras- und baumlosen Zone, kein Futter für die Pferde und kein Holz, um ein kleines Feuerchen zu machen. Uns blieb nichts anderes übrig als mit den Pferden so tief hinabreiten, bis wir in die beginnende Graszone kommen und die Pferde erstmals wieder futtern können. Wir für uns, wir haben ja noch einige Portionen gegrillten Bärenbraten und das Töpfchen voller frischer Waldfrüchte für heute Mittag. Ich versuchte, während wir so langsam bergab dahin ritten das Töpfchen mit den Waldfrüchten von meinem Zaumzeug zu lösen und reichte ihn Didilind hinüber, die neben mir ritt und bat sie: „Das verspätete Mittagessen vorerst mit den Waldfrüchten nachzuholen, ohne große Pause zu machen, denn für die Pferde gibt es hier zwischen den Steinen noch kein Gras zum Futtern, um eine Pause einzulegen. Didilind nahm den Topf mit den Früchten und begann das Mittagessen nach zu holen und ließ Odins Zügel baumeln, der völlig frei neben Thor und mir herritt. Sehnsüchtig schaute ich nach vorn, um da vorne irgendwo eine Alm zu entdecken, wo es nicht nur Gras für unsere Pferde gab, sondern möglichst auch Wasser für uns alle. Während wir so langsam bergab ritten, habe ich nicht nur den Hang vor uns beobachtet, sondern auch immer wieder mit einem verstohlenen Blick Didilind neben mir beobachtet. Ich hatte immer mehr den Eindruck, dass ihr die Waldfrüchte schon mal besser geschmeckt haben und ich es langsam mit der Angst zu tun bekam und einen lauten Seufzer zum Himmel schickte, der übersetzt heißen könnte: „Du großer Gott, sag mir was ich verkehrt gemacht habe, das Didilind heute Vormittag und auch jetzt noch so ganz anders ist als sonst, so abwesend mit ihren Gedanken!“ Aber das plötzliche laute Plustern der beiden Reitpferde haben vermutlich uns beide aus unseren Tagträumen geweckt, was sicher so viel heißen sollte: „Da vorne gibt es was für uns zu futtern. Und wo es Gras gibt, da gibt es auch Wasser zu trinken!“ Vielleicht sind wir noch gut zehn Minuten so leicht dahingetrabt und da sahen wir die ersten Bergalmen vor uns im saftigen Grün liegen. Wir stiegen ab, befreiten die Pferde von ihrem Zaumzeug und ließen sie selbst ihr grünes Futter suchen. Ich wusste noch von daheim, dass es in der Nähe solcher Bergalmen auch Hütten gab, von denen aus die Senner ihre Almen bewirtschafteten, das heißt, dass sie aus der Milch ihrer zwanzig bis dreißig Kühe einen besonders harten und lange haltbaren und gut schmeckenden Käse machten, den die Menschen gerne gegen andere Waren aus ihrer eigenen Produktion eintauschten. So konnte es passieren, dass die Senner im Laufe der Zeit hinter ihrer Hütte ein ganzes Warenlager hatten, in dem man nicht nur den eben erwähnten haltbaren Käse und die Vorbeikommenden eine kleine Mahlzeit, die aus einem Topf Milch und einigen Broten bestand, bekommen konnten, sondern auch von festen Lederschuhen bis alle möglichen Sachen zum Anziehen, Alltagsgeräten und bis hin zu den Waffen, die ein Mann damals zur Verteidigung seiner Familie brauchte. Apropos Waffen, da könnte auch ich etwas abgeben, denn neben meinen Waffen, die ich noch von meinem Vater bekam, habe ich auch noch die Waffen der vier Banditen, die meinen Thor verfolgten, um ihn wieder zu den andern Pferden zurückzubringen und noch so einiges, was wir damals den Angreifern der Wagenburg abgenommen haben, als ihr gut durchdachter Angriff auf die Wagenburg fehlschlug. Aber auch die fahrenden Kaufleute hatten schon ihre Senner, bei denen sie das eine oder das andere erwarben, um es dann anderswo wieder an den Mann zu bringen Nachdem Didilind und ich eine kleine Labung aus dem klaren Gebirgsbach verinnerlicht haben, fragte ich sie, ob sie krank sei oder etwas anderes ihr über die Leber gelaufen sei, denn von den Waldfrüchten, die ich heute Früh im Wald gesammelt habe und dir vorhin zum verspäteten Mittagessen gab, hast du ja kaum was gegessen: „Du brauchst keine Angst zu haben, die Beeren sind nicht giftig, so wenig wie die letzten, die vorletzten und die vorvorletzten waren, die dir doch so gut geschmeckt haben. Oder“, jetzt schaute ich ihr ganz fest in die Augen und sagte weiter, „hab ich dich irgendwie verärgert, bin ich dir heute vielleicht zu nahe getreten und habe dir weh getan? Wenn ja, dann bitte, bitte, bitte verzeih mir, denn ich möchte dich nicht verlieren. Ich glaub immer noch, dass der große Gott da oben, von dem du mir als erste erzählt hast, dass es ihn gibt, dass er es so gefügt hat, dass wir uns ohne großes Zutun unsererseits gefunden hat.“ Sie hat nicht versucht meinem Blick auszuweichen und sagte danach, auch mir dabei in die Augen schauend: „ Dass es mir doch schon ein bisschen komisch zu mute war, als ich ihr so bisschen schelmenhaft vom Thor und der Stute erzählt habe, und sie dabei so zweideutig angeschaut habe, wobei ich mich noch nie als Stute gefühlt habe, sondern immer als Mensch und dann, kaum saßen wir auf den Pferden, da wurde es mir recht übel. „Und so wie ich mich kenne, dürfte morgen, am Nachmittag, wieder alles bei mir okay sein. U n d, wenn dich heute noch etwas bewegen sollte, oder etwas am Herzen haben solltest vergiss es nicht, morgen Abend ist auch noch ein Tag, dann reden wir wieder über alles, auch das was uns heute bewegt hat. Heute lass mich mit meinem Kummer alleine, nicht böse sein, den muss ich alleine austragen!“ Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was heute mit Didilind passiert sein sollte, und ließ sie, wie sie wollte, in ihrem eigenen Saft schmoren. Sie hat sich danach lang im Gras hingelegt. Ich holte vom Pferd die Plane und deckte sie zu, nickte ihr mit meinen Augen zwinkernd zu und sagte beim Weggehen: „Und keine Dummheiten machen!“ Ich ging zu den Pferden, wechselte paar Worte mit ihnen, verabreichte jedem seine paar Streicheleinheiten, auch den Banditenpferden, mit denen ich mich auch schon recht gut verstand, aber selbst noch nicht auf ihnen geritten bin und noch immer nicht weiß, wie die Banditen auf ihren Pferden geritten sind, ohne sie über die Zügel, Leine und so weiter gelenkt zu haben. Ob das Lenken der Pferde beim Reiten über die Knie erfolgt ist? Heute will ich es nicht versuchen, den wenn ich mit einer der Stute wegreiten würde, ich fürchte, dass dann alle fünf Pferde mir nachlaufen und allzu weit wollte ich mich von Didilind doch nicht entfernen, denn ich wusste ja nicht was ihr fehlt und wie ernsthaft krank sie wirklich ist. Nach dem ich meine „Pferderunde“ gedreht habe, kehrte ich zu Didilind zurück und merkte, dass sie nicht eingeschlafen ist und setzte mich hinter ihren Kopf auf den Erdboden und schaute ihr recht fragend ins Gesicht und ich musste feststellen, dass sie meinem fragenden Blick nicht ausgewichen ist. Und da drängte es mich einfach ihr zu sagen: „Nachdem ich alle sechs Pferde mit ihren Streicheleinheiten versorgt habe, glaube ich, auch mein edelstes Pferdchen in meiner Umgebung, das heute so tapfer war an meiner Seite, auch ihr die Streicheleinheit nicht verwehren kann.“ Und so begann ich ganz sachte ihre Kopfhaut zu massieren. Viel konnte ich heute dabei von ihrer Frisur nicht kaputt machen, denn ihre Haare waren heute nicht so elegant frisiert wie sonst. Ich mochte so ungefähr zehn Minuten ihre Kopfhaut massiert haben, da sagte sie: „Eberhard, wie spät mag es schon sein?“ Ich schaute zum Himmel und sagte ihr: „Der Sonne nach könnte es bald so um die neunzehn Uhr sein. Wenn mich nicht alles täuscht, so ist es die richtige Zeit für das Abendessen!“ Sie sagte gleich: „Für mich heute Abend bitte nichts! Morgen dann dafür die doppelte Portion.“ Ich aß noch die restlichen Waldfrüchte, wickelte Didilind in ihre Plane, lehnte sie an Thors Rücken. Ich setzte mich neben sie und dankte dem großen Gott für den heutigen Tag und musste bald eingeschlafen sein, immer im Vertrauen, dass der große Gott uns durch die Pferde warnen werde, wenn sich eine zwei- oder vierbeinige Gefahr nähern sollte. Neben mir, immer griffbereit lag mein Ger und auf meinem Schoß lag der Bogen mit einigen Pfeilen, um wenn eine Gefahr drohen sollte, ich immer gleich wehrbereit sein oder das Richtige zur Verteidigung tun konnte, um Didilind und unser kleines Vermögen, sei es sechs Pferde oder auch die drei kleinen Goldklumpen, unser Stammkapital zu verteidigen.

In der Struth Band 1

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