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II

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Das Symposion gipfelt in Sokrates' Rede, welche für die philosophische Würdigung des Dialoges fast allein in Betracht kommt; nicht zwar, als ob die Reden der übrigen Teilnehmer philosophisch gänzlich bedeutungslos wären, vielmehr enthält jede einen Gedanken, den Sokrates in seiner Rede verwertet oder doch, wenn auch nur polemisch, berücksichtigt: so berührt bereits Phaidros (p. 178 d ff.) den hohen sittlichen Wert des Eros und stellt (p. 180 b) die später von Sokrates begründete Behauptung auf, um Tugend und Glückseligkeit zu erwerben, sei des Eros Hilfe besser als die jedes anderen Gottes. Pausanias unterscheidet zwei Arten des Eros, eine gute und eine schlechte: die schlechte gelte bloß den Reizen des Körpers, die gute der Tugend und Vollkommenheit (p. 180 d ff.). Diesen Gegensatz, den dann Eryximachos in seiner Rede auf die ganze organische und anorganische Natur ausdehnt (p. 186 a] ff.), akzeptiert Sokrates mit seiner Unterscheidung zwischen körperlichem und geistigem Eros. Die Reden des Eryximachos und Aristophanes enthalten die damals gangbaren Theorien über das Wesen der Liebe, die des ersteren empedokleische und heraklitische Ansichten, die des letzteren jene bereits im ‚Lysis‘ behandelte Definition der Liebe als des Strebens nach dem Eigenen, dem οἰκεῖον.[3]Auch mit diesen Theorien setzt sich Sokrates in seiner Rede auseinander; er legt dar, wie weit sie berechtigt sind. Des Gorgias Schüler Agathon endlich betont zu Sokrates' lebhafter Befriedigung, erst müsse das Wesen des zu preisenden Gottes festgestellt sein, bevor man über sein Wirken sprechen könne (p. 195 a beziehungsweise 199 c).[4]

6Eben darum aber, weil Sokrates den Reden seiner Vorgänger alles Brauchbare entnimmt, kommt diesen Reden kein besonderes philosophisches Interesse zu: sie dienen künstlerischen, wohl auch didaktischen Zwecken. So genügt es für unser Vorhaben, die Rede des Sokrates zu analysieren.

In seinem Vorgespräch mit Agathon (p. 199 c–201 d) stellt Sokrates fest, daß der Eros ein Objekt haben müsse; da man aber nur begehre, was man nicht hat, der Eros aber auf das Schöne und das davon unzertrennliche Gute ausgehe, so könne Eros selbst weder schön noch gut sein. Weit gefehlt aber wäre es, ihn darum für häßlich und schlecht zu halten. An dieser Stelle entwickelt Sokrates den Begriff des Mittleren (μεταξύ). An dem Beispiel des ὀρθὰ δοξάζειν wird dies deutlich gemacht. Als bloßes δοξάζειν kann es nicht σοφία sein, als ὀρθὰ δοξάζειν aber auch nicht ἀμαθία. Ein solches μεταξύ ist auch der Eros, der kein Gott sein kann als τῶν καλῶν καὶ ἀγαθῶν ἄμοιρος (p. 202 d), sondern nur ein Mittelding zwischen θνητός und ἀθάνατος.

Anknüpfend hieran erzählt nun Sokrates den bekannten Mythus von der Entstehung des Eros. Am Geburtstagsfeste der Aphrodite wurde er gezeugt von einem göttlichen Vater, Poros, dem Reichtum, und einer nicht göttlichen Mutter, Penia, der Armut.

Seine Natur zeigt seine Herkunft: nach der Mutter ist er πένης, σκληρός, αὐχμηρός, ἐνδείᾳ ξύνοικος (p. 203 d), nach dem Vater τοῖς καλοῖς καὶ τοῖς ἀγαθοῖς ἐπίβουλος, φρονήσεως ἐπιθυμητής, φιλοσοφῶν διὰ παντὸς τοῦ βίου.

Diese Schilderung des Eros ist selbstverständlich Allegorie. Was ist Eros in Wirklichkeit? Ein Streben des Menschen. Es wohnt diesem also ein Streben inne, das weder schön und gut noch schlecht und häßlich ist, ein Streben, das zwischen göttlich und sterblich in der Mitte steht. Demgemäß ist unter Eros' Elternpaar die menschliche Natur zu verstehen, aus der jenes Streben hervorgeht. Zwei Prinzipe enthält diese Natur: ein göttliches, das ist Poros, der Sohn der Metis; ein irdisches, das ist Penia, die Armut und der Mangel. Das Streben, welches aus der Verbindung dieser Prinzipe entspringt, ist der Eros, dessen Begriff sonach gewöhnlich zu eng gefaßt ist. Er ist eigentlich das jedem Menschen infolge der Zusammensetzung seines Wesens beständig innewohnende Streben nach dem Guten, genauer nach dem immerwährenden Besitz des Guten. Das Objekt des Eros ist somit im Grunde die Athanasie, ohne welche ja ein immerwährender Besitz nicht möglich ist.

Wenn dies die wahre Natur des Eros ist, so muß ein Ewigkeitsstreben auch jener Gattung desselben zugrunde liegen, die – ohne eigentlich erkennbaren Grund – gewöhnlich allein den Namen ‚Eros‘ führt. Dies ist auch tatsächlich der Fall. Der Zeugungstrieb, der jenen Eros charakterisiert, ist in Wahrheit Unsterblichkeitstrieb: er geht nicht 7eigentlich auf das Schöne, sondern auf Erzeugung im Schönen aus. Erzeugung und Geburt aber sind das Göttliche und Ewige im menschlichen Dasein, was auch dadurch bestätigt wird, daß das Schöne zur Zeugung lockt, das Häßliche davon abstößt. Auch der Zeugungstrieb ist also Ewigkeitstrieb (p. 206 b–207 a).

Wie Sokrates weiter ausführt, ist dieser Zeugungstrieb ein zwiefacher: ein niederer, den auch die Tiere kennen, der Drang nach körperlicher Fortpflanzung, und ein höherer, geistiger, zu dem nur der Mensch sich erheben kann. Dies gibt einen deutlichen Wink, wie jener Mythus von Poros und Penia und der Entstehung des Eros zu verstehen ist. Seele und Leib sind die beiden Prinzipe der menschlichen Natur, die Seele das göttliche, der Leib das irdische. In dem Mythus steckt so die orphische Lehre vom Sündenfall der Seele – Poros betrinkt sich und ahnt in seiner Trunkenheit nicht, wen er zur Mutter seines Sohnes macht –, desgleichen die orphisch-pythagoreische Anschauung von dem Gegensatz zwischen der Natur des Leibes und der der Seele. Man wird an Philolaos' Wortspiel ‚σῶμα–σῆμα‘,[5] an die Auffassung des Leibes als des Grabes der Seele erinnert, wenn diese als das göttliche Prinzip im Menschen geschildert ist, das befleckt wird durch die Vermengung mit dem irdischen, dem Leib.

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