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IV

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»Ha-ha-ha! Dann werden Sie ja auch an Zahnschmerzen Genuß finden!« werden Sie lachend ausrufen.

Warum nicht, auch im Zahnschmerz liegt ein Genuß, antworte ich. Einmal habe ich einen ganzen Monat Zahnschmerzen gehabt; ich weiß, daß es das gibt. Hierbei leidet man natürlich nicht stumm – man stöhnt; aber dieses Gestöhn ist kein aufrichtiges, es ist ein hinterhältiges Gestöhn, und um diese Hinterhältigkeit geht es ja. Gerade in diesem Gestöhn drückt sich der Genuß des Leidenden aus; empfände er keinen Genuß – so würde er auch nicht stöhnen. Das ist ein gutes Beispiel, meine Herrschaften, ich will bei ihm länger verweilen. In diesem Stöhnen drückt sich erstens die ganze für unser Bewußtsein erniedrigende Zwecklosigkeit dieses Schmerzes aus; die ganze Naturgesetzmäßigkeit; die man zwar zutiefst verachtet, durch die man aber trotzdem leiden muß, die Natur aber nicht. Man kommt zu der Einsicht, daß man zwar keinen Feind, aber einen zugefügten Schmerz hat; zu der Einsicht, daß man samt allen diversen Wagenheim s restlos Sklave seiner Zähne ist; daß, falls es ein Jemand wünscht, die Zähne nicht mehr schmerzen, wünscht er es aber nicht, so werden sie noch weitere drei Monate schmerzen; und schließlich, wenn man sich noch immer nicht abfinden und noch immer auflehnen will, bleibt einem zu seiner Beruhigung höchstens noch übrig, sich selbst durchzuprügeln oder mit der Faust möglichst schmerzhaft auf seine Mauer einzuschlagen, sonst aber absolut nichts. Nun, gerade mit diesen Kränkungen bis aufs Blut, mit diesem Hohn, unbekannt von wem, beginnt schließlich der Genuß, der sich zuweilen bis zu höchster Wollust steigern kann. Ich bitte Sie, meine Herrschaften, hören Sie sich doch irgendwann einmal in das Gestöhn eines gebildeten Menschen des neunzehnten Jahrhunderts hinein, wenn er an Zahnschmerzen leidet, etwa am zweiten oder dritten Tag seiner Krankheit, wenn er nicht mehr so stöhnt wie am ersten Tag, das heißt, nicht nur einfach, weil seine Zähne schmerzen; nicht wie irgendein gewöhnlicher Bauer, sondern wie ein Mensch, der der Bildung und der europäischen Zivilisation teilhaft geworden ist, wie ein Mensch, der sich ›von Heimatscholle und Volksgeist getrennt hat‹, wie man sich jetzt auszudrücken pflegt. Sein Gestöhn wird übel, boshaft, gemein und hält Tag und Nacht an. Dabei weiß er ja selbst, daß dieses Stöhnen ihm nicht den geringsten Vorteil bringen kann; er weiß am allerbesten, daß er damit ganz umsonst sich selbst und andere peinigt und reizt; er sieht sogar ein, daß das Publikum, vor dem er sich solche Mühe gibt, seine ganze Familie, bereits Widerwillen empfindet, ihm nicht für eine Kopeke glaubt und bei sich denkt, daß er auch anders, schlichter, stöhnen könnte, ohne Rouladen und Triller, daß er nur aus Bosheit und Hinterhältigkeit Mutwillen treibt. Aber in diesen Einsichten und in dieser Schmach liegt ja gerade die Wollust. »Zugegeben, ich falle euch zur Last, ich zerreiße euch das Herz, gönne keinem im Hause Schlaf. So wacht denn auch, fühlt jeden Augenblick mit, daß ich Zahnschmerzen habe. Jetzt bin ich für euch nicht mehr der Held, der ich früher scheinen wollte, sondern einfach ein Ekel, ein Hanswurst. Um so besser. Freut mich, daß ihr mich durchschaut. Mein niederträchtiges Gestöhn widert euch an? Um so besser; gleich werde ich euch eine noch widerlichere Roulade vorstöhnen …« Können Sie es immer noch nicht begreifen, meine Herrschaften? Nein, es scheint doch, daß man recht weit in seiner Entwicklung und in seinem Bewußtsein fortgeschritten sein muß, um alle Feinheiten dieser Wollust empfinden zu können. Sie lachen? Freut mich. Meine Witze sind selbstverständlich abgeschmackt, niveaulos, verworren, voll von tiefstem Selbstmißtrauen. Dies aber rührt daher, daß ich mich selbst nicht achte. Kann denn ein bewußter Mensch sich überhaupt noch irgendwie achten?

Aufzeichnungen aus dem Kellerloch

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