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Viertes Kapitel. I.

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Schatow benahm sich nicht eigensinnig und erschien infolge meines Zettels um zwölf Uhr bei Lisaweta Nikolajewna. Wir traten fast gleichzeitig ein; ich war ebenfalls gekommen, um meinen ersten Besuch zu machen. Sie saßen alle, das heißt Lisa, die Mama und Mawriki Nikolajewitsch, in dem großen Salon und stritten sich miteinander. Die Mama hatte verlangt, Lisa solle ihr einen bestimmten Walzer auf dem Klavier vorspielen; als diese aber den verlangten Walzer angefangen hatte, hatte die Mama behauptet, das sei nicht der richtige. Mawriki Nikolajewitsch war in seiner schlichten Aufrichtigkeit für Lisa eingetreten und hatte versichert, daß es wirklich eben jener Walzer sei; die Alte aber hatte vor Ärger angefangen zu weinen. Sie war krank und konnte nur mit Mühe gehen. Die Füße waren ihr geschwollen, und so hatte sie denn seit einigen Tagen nichts anderes getan als die übrigen durch ihre Launen gequält und mit ihnen Händel gesucht, trotzdem sie vor Lisa immer etwas Furcht hatte. Über unser Kommen freuten sie sich. Lisa wurde ganz rot vor Freude und sagte zu mir mercinatürlich mit Bezug darauf, daß ich Schatow zum Kommen veranlaßt hatte; dann trat sie zu ihm hin und betrachtete ihn neugierig.

Schatow war linkisch an der Tür stehen geblieben. Nachdem sie ihm für sein Kommen gedankt hatte, führte sie ihn zur Mama.

»Dies ist Herr Schatow, über den ich schon mit Ihnen gesprochen habe, und dies ist Herr G***w, ein guter Freund von mir und von Stepan Trofimowitsch. Mawriki Nikolajewitsch ist gestern auch schon mit ihm bekannt geworden.«

»Und welcher von beiden ist der Professor?«

»Ein Professor ist überhaupt nicht da, Mama.«

»Aber du hast doch selbst gesagt, es werde ein Professor herkommen; gewiß ist es der,« sagte sie, indem sie nachlässig auf Schatow zeigte.

»Ich habe nie zu Ihnen gesagt, daß ein Professor zu uns kommen werde. Herr G***w ist Beamter, und Herr Schatow ist früher Student gewesen.«

»Student, Professor, das kommt doch auf eins heraus; die sind beide von der Universität. Du willst immer nur streiten. Der in der Schweiz trug einen Vollbart.«

»Mama nennt den Sohn von Stepan Trofimowitsch immer Professor,« sagte Lisa und führte Schatow nach dem andern Ende des Salons zu einem Sofa. »Wenn ihr die Füße geschwollen sind, ist sie immer so; Sie verstehen wohl: sie ist krank,« flüsterte sie Schatow zu und fuhr dabei fort, ihn und besonders den aufrechtstehenden Haarbüschel auf seinem Kopfe mit größtem Interesse zu betrachten.

»Sind Sie beim Militär?« fragte mich die Alte, der mich Lisa erbarmungslos überlassen hatte.

»Nein, ich bin Beamter ...«

»Herr G***w ist ein guter Freund von Stepan Trofimowitsch,« rief Lisa sogleich.

»Sind Sie bei Stepan Trofimowitsch angestellt? Der ist ja auch Professor?«

»Ach Mama, Sie träumen gewiß auch in der Nacht von Professoren!« rief Lisa ärgerlich.

»Ich habe auch schon bei Tage genug davon! Aber du mußt doch auch immer deiner Mutter widersprechen. Waren Sie hier, als Nikolai Wsewolodowitsch vor vier Jahren herkam?«

Ich antwortete bejahend.

»War da ein Engländer mit Ihnen zusammen hier?«

»Nein, es war keiner hier.«

Lisa lachte.

»Siehst du wohl, es ist gar kein Engländer dagewesen; also ist das Schwindel. Warwara Petrowna und Stepan Trofimowitsch schwindeln alle beide. Alle Menschen schwindeln.«

»Nämlich die Tante und Stepan Trofimowitsch«, sagte Lisa erklärend zu uns, »fanden gestern eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Nikolai Wsewolodowitsch und dem Prinzen Harry in Shakespeares Heinrich dem Vierten, und daher fragt Mama, ob kein Engländer dagewesen sei.«

»Wenn kein Harry da war, dann war auch kein Engländer da. Nikolai Wsewolodowitsch hat seine Tollheiten allein begangen.«

»Ich versichere Ihnen, daß Mama absichtlich so redet,« fand Lisa für nötig zu Schatow zur Erklärung zu sagen. »Sie weiß sehr gut mit Shakespeare Bescheid. Ich habe ihr selbst den ersten Akt des Othello vorgelesen; aber sie ist jetzt sehr leidend. Mama, hören Sie? Es schlägt zwölf; es ist Zeit, daß Sie Ihre Medizin einnehmen.«

»Der Doktor ist gekommen,« meldete das Stubenmädchen, das in der Tür erschien.

Die alte Dame stand auf und rief ihr Hündchen:

»Semirka, Semirka, komm mit mir mit!«

Das kleine, alte, häßliche Hündchen Semirka gehorchte indessen nicht, sondern kroch unter das Sofa, auf dem Lisa saß.

»Du willst nicht? Dann will ich dich auch gar nicht haben. Leben Sie wohl, mein Lieber; ich kenne Ihren Vor- und Vatersnamen nicht,« wandte sie sich an mich.

»Anton Lawrentjewitsch ...«

»Nun, es ist ganz gleich, ob ich es höre oder nicht; so etwas geht bei mir zum einen Ohre herein und aus dem andern hinaus. Sie brauchen mich nicht zu begleiten, Mawriki Nikolajewitsch; ich hatte nur Semirka gerufen. Ich kann ja, Gott sei Dank, noch allein gehen, und morgen will ich spazieren fahren.«

Ärgerlich verließ sie den Salon.

»Anton Lawrentjewitsch, unterhalten Sie sich solange mit Mawriki Nikolajewitsch; ich versichere Ihnen, daß Sie beide Gewinn davon haben werden, wenn Sie einander näher kennen lernen,« sagte Lisa und lächelte dem Offizier freundlich zu, dessen Gesicht unter ihrem Blick freudig aufleuchtete.

Es war weiter nichts zu machen; es blieb mir nichts übrig, als mich mit Mawriki Nikolajewitsch zu unterhalten.

Dostojewski: Die Dämonen

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