Читать книгу Er und Sie - Florentino A. - Страница 2
Einleitung
Оглавление„Hallo meine Liebe, möchtest Du mit mir runter an den Strand , die Schuhe ausziehen und barfuß bis zum Leuchtturm gehen.“ Sie schaute ihn an. Dieser Blick... . Sie liebte seine Augen. Niemals waren sie gleich. Es gibt wohl Augen, die kess blicken, verführerisch oder gar böse. Manche scheinen endlos tief schauen zu lassen, andere wieder verschließen jeden Blick ins Innere. Sein Blick war ständig eine Überraschung. Es war unmöglich, sich ihm gegenüber vorzubereiten. Egal, in welcher Situation man sich befand und selbst bei den einfachsten Dingen, waren es diese Augen, die alles anders machten. Sie funkelten, sie leuchteten, sie strahlten und es schien immer ein Zauber in ihnen zu wohnen. Sein Blick alleine schon reichte aus, um alles mitmachen zu wollen, was er vorschlug. Dieser Ausdruck in den Augen war wie eine Prophezeiung, unmöglich zu widersprechen oder zu widerstehen. Die Wirkung seines Blickes war Ihm wohl bekannt, doch benutzte Er sie ja nicht absichtlich. Er mochte sich eben nicht verstellen und war der Überzeugung, dass alle Menschen eigentlich mit den Augen redeten. Er war weit weg davon, Regeln für das Gucken aufzustellen oder auch nur aktiv darüber weiterzudenken. Das ist eben eine Frage der Empathie. Besitzt ein Mensch genügend davon, braucht er auch weniger gesprochene Worte. Zu seinem Blick war Er auch ein optisch sehr interessanter Mann, sportlich gebaut, an Gesicht und Körper sehr ansprechend proportioniert, jeder Muskel saß, wie er sitzen musste, ohne dass es übertrieben wirkte und vor allem ohne dass er gezielt darauf hingearbeitet hätte. Seine Haut war nicht zu trocken und nicht zu feucht. Man berührte ihn gerne. Auch sein Geruch war unaufdringlich und rundete das Gesamtbild angenehm ab. Alles in allem war Er sehr authentisch, was im Zusammenspiel mit seiner Empathie, seiner Intelligenz, seiner Sensibilität und seiner Fähigkeit, Euphorie zu verströmen, dazu führte, dass man ihn sehr lieben konnte, ja musste, wenn man sich auf ihn einließ. Er hatte eine Stimme, die alles konnte. Man schien sie selbst im Schweigen noch zu hören. Sie vermochte auf jede Art in seinen Gegenüber einzudringen und zugleich einen meist warmen wohlklingenden Mantel um Zuhörende zu legen. Er war kein Kraftsportler und kein Fotomodell, Er war kein Professor und kein Showmaster. Er war nichts von dem, doch so viel mehr. -Zum Strand hinunter, mit ihm...?- Natürlich wollte Sie das. Ihre Augen waren weit geöffnet, ihr Mund zeigte ihr schönstes Lächeln, mit den ebensten weißesten Zähnen, die man in ihrer Schönheit wohl sonst nur von großen Kinoleinwänden blitzen sehen konnte und Sie nickte voller Freude in einem Tempo, dass jeder Specht beim Nestbau über Wucht und Geschwindigkeit neidisch hätte werden können. Natürlich war Sie in der Lage, zu reden, doch der Magier hatte Sie mit Blick und Stimme so sehr in den Bann gezogen, dass körperliche Reaktionen einfach Vorrang hatten. Er kam näher auf sie zu, nahm ihren Kopf zwischen seine Hände, gab ihr einen kleinen zarten, fast angehauchten Kuss, schaute ihr kurz tief in die Augen und sie fand ihre Stimme wieder. „Ja, ich will“, sagte Sie mit einer Stimme, die deutlich ihr Herzbeben erkennen ließ. - Oh Gott, was habe ich denn da jetzt gesagt? Ach, das ist in Ordnung, denn ich würde ihm wohl auf jede Frage so antworten.- Er lächelte, denn auch ihm war ja klar, was ihr gerade durch den Kopf ging. „Na, dann darf ich wohl um ihre Hand bitten?“, fragte Er schelmisch auffordernd. Sie reichte ihm die Ihre, damenhaft, um das Spiel am Laufen zu halten. Er griff ihre Hand und so machten sie sich auf, die Uferpromenade entlang, mit den sich umfassenden Händen, die nicht klammerten, sich aber auch nicht verlieren konnten. Ab und zu hielten sie ihren Nasen gen Himmel, mit geschlossenen Augen dem Sonnenlicht entgegen, dann hin und wieder schauten sie sich glücklich und sehr verliebt an. Sie bogen von der Promenade ab, den schmalen Weg durch die Dünen bis zum Strand. Als ginge es um olympisches Gold, trennten sich beide von Schuhen und Socken und rannten hinunter ans Wasser. Was sie ausgezogen hatten, ließen Sie zurück. So wollten die beiden ja auch leben. Natürlich würden sie, wenn sie ihr Weg später an die gleiche Stelle führte und sich niemand ihrer zurückgelassenen Fußbekleidungen bemächtigte, diese wieder an sich nehmen, alles andere, was hinter ihnen lag, wollten sie allerdings zurücklassen. Selbstverständlich hätte er als erster am Wasser sein können, doch ließ er sie knapp gewinnen, um sich an ihrer Freude über diese Kleinigkeit erfreuen zu können. Ganz leicht nach Luft schnappend, fielen sie sich in die Arme, während das Wasser ihre Füße bis zu den Knöcheln umspielte. Wie glücklich kann man sein? Sie waren beide schon lange keine Teenies mehr und doch schlugen ihre Herzen auf diese unvergleichbare Art, die man sonst nur bei der ersten großen Liebe erlebt, mit dem Gefühl, dass jeder voneinander getrennte Moment einer Todesqual gleichkäme und jeder gemeinsame Augenblick einem berauschenden Gleiten durch Wattewolken ähneln musste. Es war kein zweiter Frühling, kein Glück des Alters. Nein, es war alles, was die Liebe konnte. Alles, was sie zu bieten in der Lage war und mehr als man sich vorstellen oder in Worte zu fassen in der Lage wäre. Wenn es aber überhaupt jemandem gegeben gewesen wäre, das annähernd beschreiben zu können, dann wäre Er es wohl gewesen, doch, obwohl Er wohl der schönstwortfindendste romantischste Gefühleinwortekleiderer war, dem das Leben je das Recht gegönnt hatte, solche Liebe zu erfahren, war Er so voller Überwältigung, dass Er sich beugen musste, aus eigener Verzweiflung, dass kein Satz, kein Wort, nicht eine Silbe schön genug gewesen wäre, um zu beschreiben, was sie empfanden. Eigentlich brauchten die beiden ja keine Worte, um ihre Gefühle füreinander zu beschreiben, denn sie empfanden diese ja so stark und spürten ja auch die Gefühle des anderen als wären es die eigenen, doch nagte es schon an ihm, diese nicht empfindungsgerecht verworten zu können. Darin bestand einer seiner für Außenstehende weder erkennbaren, noch nachvollziehbaren Makel. Er grämte sich, Emotionen nicht angemessen verbal ausdrücken zu können. Er verbrachte viel Zeit damit, Worte zu kreieren und sich an ihnen zu erfreuen. Doch meist gewöhnte er sich rasch an das neugewonnene Vokabular, sodass es ihm nach kurzer Zeit als gewöhnlich erschien, während andere, sollten sie jemals eines dieser Worte gehört haben, kaum hinterherkamen, dessen wahre Bedeutung zu begreifen. Oberflächlich, wie die Vielzahl derer, die Worte nur konsumieren und nicht wirklich gewillt oder mächtig sind, ihre Schönheit, ihre Kraft und ihre vielen alles unterstützenden Möglichkeiten zu erkennen, befassten diese sich kaum mit seinen Novitäten, nahmen sie beiläufig wahr und taten sie gerne als Spinnerei ab. Die allerdings, die ihn intellektuell schätzten und auch Zugang zu seiner Feingeistigkeit zu haben schienen, genossen seine Art des Artikulierens, diesen unerschöpflichen Quell, erlesenster Ausdrucksformen. Man musste ihm aber wirklich folgen wollen, denn nicht nur seine Worte, nein auch das, was er mit ihnen beschreiben wollte, waren vielen Menschen fremd und schwer begreifbar und obwohl ihn diese Besonderheit leicht zu einem sehr unterhaltsamen Menschen machte, mied er die Gesellschaft anderer Menschen, so oft er konnte, es sei denn, er konnte dem eine Notwendigkeit oder einem Nutzen abgewinnen. Wenn es sich allerdings ergab, sprach er mit jedem eben auf seine eigene Art, die so manchen Verkäufer oder harmlosen Aufderstraßebegegner oftmals äußerst irritiert zurückließ. Es bleibt wohl unbekannt, ob und wie sich diese Menschen, nach einer solchen Erfahrung, damit auseinandersetzten, aber die Möglichkeit, manchen zum eigenen Satzbauverschönern, zum nachhaltigen Schmunzeln oder zum erheiterten Berichten zuhause oder im Freundeskreis bewegt zu haben, machte es ja dann doch wertvoller, als nur die eigene Freude darüber zu erfahren, diese wunderschöne Form des menschlichen Miteinanders auf so interessante Art genießen zu können.