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Der Stellenwert des kommunalen Straßenbegleitgrüns im Grünflächenmanagement

Wenn von Stadtgrün die Rede ist, denkt man in erster Linie an prächtige Parkanlagen, Friedhöfe und Freizeiteinrichtungen. Das verkehrsbegleitende Grün mit Alleen, Einzelbäumen, Rasen-, Strauch-, Stauden- und Wiesenflächen spielt jedoch klimatisch ökologisch und gestalterisch eine immer größere Rolle. Das ist für Kommunen und kommunale Unternehmen eine große Herausforderung. Um den Erwartungen gerecht zu werden, müssen nämlich Neugestaltungen und Sanierungen nach differenzierten Qualitäts- und Entwicklungszielen umgesetzt und die Pflege und Unterhaltung darauf abgestimmt werden. Rasen mähen und kilometerlanger Randschnitt an Gehölzen ist zukünftig nur ein Teil der Arbeiten, den ein Mix aus gut geschulten und angelernten Mitarbeitern im Rahmen der auf die Gestaltungs- und Entwicklungsziele abgestimmten Jahrespflegepläne zu erledigen hat. Effiziente Bewirtschaftung in einer attraktiven Umgebung, das ist die Zukunft und das nachhaltige Ziel für lebenswerte Städte.

Funktionen des Straßenbegleitgrüns

Bäume und Bepflanzungen am Straßenrand auf Mittelstreifen oder Fahrbahnteilern übernehmen verkehrstechnische, gestalterische, bauliche und landschaftsökologische Aufgaben.

Verkehrstechnische Funktion

Das Straßenbegleitgrün leistet neben seiner optischen Wirkung einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrssicherheit. Durch die pflanzliche Gestaltung und Markierung des Straßenraums werden die Verkehrsteilnehmer über den Verlauf, Kreuzungen und Einmündungen aufmerksam gemacht. Die vertikale Wirkung und Kenntlichmachung des Straßenraums durch Bäume beeinflussen das Fahrverhalten und motivieren, vor Gefahrenpunkten das Tempo zu drosseln.


Bild 1: Bäume erfüllen im Straßenraum sowohl gestalterische als auch verkehrstechnische Funktionen. (Quelle: Monika Böhm)

Gehölzpflanzungen auf dem Mittelstreifen und durch Pflanzungen abgeschirmte Verkehrswege schützen vor schräg einfallendem Sonnenlicht (Blendwirkung). Wind- und Schneeverwehungen sollen durch breite, tief gestaffelte und dichte Strauchpflanzungen abgefangen werden. Außerdem bilden sie einen Puffer für von der Fahrbahn abgekommene Verkehrsteilnehmer.

Gestalterische, architektonische und bauliche Funktion

Entlang von Straßen gibt es große Potenziale für die Anlage von Grünstrukturen. Wenn die Einhaltung der Verkehrssicherung, wie das Lichtraumprofil von Bäumen und die Mindesthöhen der Bepflanzung an Kreuzungen, Einmündungen, Geh- und Radwegen, gewährleistet wird, sind der Kreativität der Grüngestaltung keine Grenzen gesetzt. Die Entwicklung innovativer Mobilitätsformen und damit geänderter Anforderungen an den Verkehrsraum werden sogar langfristig dazu führen, dass zukünftig weniger versiegelte und mehr begrünte Flächen gebaut werden.

Bei der Gestaltung des Straßenraums spielen Bäume aufgrund ihrer starken raumbildenden Wirkung eine zentrale Rolle. Alleen übernehmen genauso wie Baumreihen und wechselseitige Reihenbepflanzungen eine optische Leitfunktion und begrenzen den Straßenraum. Baumtore können darüber hinaus Ortsein- und -ausgänge markieren oder Abschnittswechsel hervorheben.

In den letzten 20 Jahren hat sich das verkehrsbegleitende Grün aufgrund notwendiger Einsparmaßnahmen, Klimawandel und der Forderung nach mehr Biodiversität stark verändert. Während in den 1980er-Jahren Cotoneaster-, Lonicera-, Symphoricarpos- und Rosen-Unterpflanzungen das Stadtbild beherrschten, wurden seit der Jahrtausendwende die ersten Staudenmischpflanzungen angelegt und getestet.


Bild 2: Klassische Straßenbepflanzung mit Bäumen, Hecken und Bodendeckern. (Quelle: Monika Böhm)

Mit Erfolg! Nachdem in vielen Kommunen die Attraktivität und Akzeptanz durch die Bevölkerung anstieg und die Pflegekosten im Verhältnis zu klassischen Bepflanzungen gleichblieben oder sogar sanken, traten Stauden und naturnahe Rasen- und Wiesenansaaten ihren Siegeszug an den Straßenrändern und Mittelstreifen an.


Bild 3: Immer häufiger ersetzen attraktive Staudenpflanzungen das sterile Bodendeckergrün. (Quelle: Monika Böhm)

Niedrige Bepflanzungen und Ansaaten schützen unbefestigte Seitenstreifen am Straßenrand. Tief wurzelnde Gehölze und Maßnahmen des Lebendverbaus verhindern Erosion durch Wind und Wasser an steilen Böschungen. Das Grün in den Straßen mindert das subjektive Lärmempfinden und dient als Rückzugs- und Teillebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten.


Bild 4: Lärmschutzwände filtern den Staub und bieten Lebensraum für allerlei Getier. (Quelle: Monika Böhm)

Straßenbäume verdunsten Wasser und kühlen gerade in Hitzeperioden die nähere Umgebung. Ist der Wasservorrat in der Baumgrube allerdings begrenzt, kommen die Bäume selbst in Hitzestress und können weniger verdunsten. Deshalb müssen für Bäume möglichst große Pflanzgruben und Baumscheiben geschaffen werden, die bei der Aufstellung von Bebauungsplänen berücksichtigt werden. Die langsame Versickerung des Niederschlagswassers bei Starkregenereignissen und die Verfügbarkeit für die Vegetation, ganz besonders für Straßenbäume, beschäftigt die Stadtplaner seit den trockenen Sommern der Jahrtausendwende. Im Rahmen von Klimaanpassungsstrategien spielt das individuelle Regenwassermanagement eine wesentliche Rolle, um bestehende Mischwasserkanalisationen zu entlasten und Kühlungseffekte durch einen erhöhten Verdunstungsanteil für das Stadtklima zu nutzen. Durch grüne Freiflächen und Dachbegrünungen kann der Abfluss verringert und das Kanalisationssystem entlastet werden.


Bild 5: Im Vergleich zu Kreuzungen bieten Kreisverkehre weniger Unfallrisiken und vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. (Quelle: Monika Böhm)

Klimatische und ökologische Funktion

Stadtgrün beeinflusst das Stadtklima durch Absenkung der Temperatur, Verringerung der Luftbewegung und Steigerung der relativen Luftfeuchte. Deutlich spürbare Effekte erzielen hier v. a. der Stadtwald und Parkanlagen. Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass kleinere Grünflächen im Verhältnis zur jeweiligen Gesamtfläche eine stärkere Auswirkung auf die Klimabegünstigung haben als größere, da der Wirkungsbereich nicht proportional zur Flächengröße wächst. Einzelbäume haben beispielsweise auf asphaltierten Flächen eine größere Kühlwirkung als großflächige Wiesen. Des Weiteren leisten Bäume und Sträucher einen wichtigen Beitrag zur Luftreinhaltung und Staubbindung, allerdings können zu dicht gepflanzte Alleen die Luftzirkulation behindern. Bei Neuplanungen wird deshalb empfohlen, die Abstände zu erhöhen, ausreichend dimensionierte sowie artenreich bepflanzte Baumstandorte vorzusehen. Um zu verhindern, dass Schädlinge ganze Alleen und Baumreihen zerstören, werden mittlerweile zur Vermeidung eines Totalausfalls verschiedene Straßenbaumarten zusammen gepflanzt. Zur Erhöhung der Biodiversität ist es sinnvoll, möglichst unterschiedliche einheimische und an das Klima angepasste Bäume zu verwenden. Mit artenreichen Wiesen und insektenfreundlichen Staudenbeeten wird die ökologische Vielfalt im Straßenraum deutlich erhöht und für hiesige Insekten eine maximale Futterverwertbarkeit erreicht, sobald die Blühperiode begonnen hat.

Gestaltungs- und Bewirtschaftungskonzepte in der Praxis

Der Weg ist das Ziel! Es gibt unterschiedliche Methoden und Ansätze, die Verkehrsräume attraktiv aufzuwerten und nachhaltig zu bewirtschaften. Die Stadt Konstanz hat ein Grünpflegekonzept für das Stadtgrün und individuelle Staudenpflanzungen für das straßenbegleitende Grün entwickelt. Die Stadt Bad Saulgau hat für ihr ökologisches Modell bundes- und europaweite Auszeichnungen erhalten.

Die Begrünung in der Stadt Konstanz basiert auf einem Qualitätsmanagement-System

In Konstanz ist der kommunale Eigenbetrieb, die Technischen Betriebe Konstanz (TBK), für die Pflege und Instandhaltung der städtischen Verkehrsflächen, Grünanlagen und Friedhöfe verantwortlich. Sicherheit, Sauberkeit und ein guter Pflegezustand sind Basis der Grünqualität in der Stadt, die wesentlich zur Freizeit- und Aufenthaltsqualität beitragen. Um den hohen Anforderungen gerecht zu werden, hat die TBK seit 2008 ein Grünpflegekonzept erarbeitet, in dem Zielsetzungen für ein Qualitätsmanagement für den öffentlichen Freiraum festgehalten wurden. Zu den wesentlichen Aufgabenschwerpunkten des kommunalen Grünflächenpflegemanagements zählen:

die differenzierte Pflege von Grünanlagen in Siedlungen entsprechend ihrer Bedeutung innerhalb des Grünsystems

der wirtschaftliche Einsatz von finanziellen Mitteln für die Pflege

die systematische Beobachtung und Bewertung der mit der aktuellen Grünflächenpflege zusammenhängenden Kosten

die Optimierung der Flächenstruktur im System des Siedlungsgrüns

das Herstellen der vollen Funktionalität einzelner Vegetationselemente

Um die geforderte differenzierte Pflege sowie die größtmögliche wirtschaftliche Transparenz zu schaffen, spiegeln fünf Pflegekategorien in Text und Bild den zu erstrebenden Qualitätszustand wider. Als Beurteilungskriterien gelten hierfür die Lage, die Bedeutung und Akzeptanz für Touristen und Bürger der Stadt, die gestalterische Struktur, die Pflegeintensität sowie der vegetations- und bautechnische Zustand. Anhand von eigens entwickelten Bewertungsbroschüren führen Mitarbeiter der TBK zuverlässige und nachvollziehbare Beurteilungen durch, wonach entschieden wird, welche Pflegestandards auf den einzelnen Flächen angewandt werden, und wo Anpassungsmaßnahmen wie Wiederherstellungspflege oder gar Sanierungen durchgeführt werden müssen. Auch heute noch konzentrieren sich die Kontrolleure, bewusst keine Gärtner, sondern fachlich neutralere Straßenbau- und Baumfachleute, auf Wohlfühlfaktoren, wie Sauberkeit und Sicherheit. Nachweislich fühlen sich die Nutzer wohl, wenn sie feststellen, dass Anlagen betreut werden. Die fachliche Qualität muss dabei nicht auf höchste Anforderungen in der Grünpflege ausgerichtet sein.


Bild 6: Differenzierung der Grünflächenpflege anhand von Pflegekategorien im Stadtgebiet Konstanz. (Quelle: Stadt Konstanz, Technische Betriebe)

Mit der Einführung der Pflegekategorien (PK) ist ein wichtiges Steuerungsinstrument des Grünflächenunterhalts sowie der Kostenkontrolle entstanden. Das Straßenbegleitgrün der Innenstadt sowie die Verkehrskreisel sind der Kategorie III, das übrige Verkehrsbegleitgrün und die Baumscheiben in Wohngebieten sind samt Unterpflanzungen der Kategorie IV zugeordnet.

Neben der Einführung des Qualitätsmanagements für die städtischen Freiräume ist die TBK permanent auf der Suche nach Methoden zur kontinuierlichen Verbesserung des Grünflächenunterhalts. So wurden im Straßenbegleitgrün mit Erfolg alternativ zu herkömmlichen Bepflanzungen mit Bodendeckern und Rosen pflegeleichte Bepflanzungskonzepte entwickelt, die den extremen standörtlichen und klimatischen Bedingungen, wie Wanneneffekt, Hitze, Streusalzbelastung und Trockenheit, standhalten. Die Pflanzenzusammenstellungen wurden im Laufe der Jahre auf ihre optische Wirkung und Standorttauglichkeit evaluiert und bei Bedarf angepasst. Neben den wirtschaftlichen Gründen soll auch, gerade bei Neubauvorhaben, forciert werden, dass die Mitteltrenn- und Seitentrennstreifen nicht der „Einfachheit“ wegen gepflastert, sondern weiterhin begrünt werden.

Für jeden Standort der passende Vegetationstyp

Für das Verkehrsgrün haben sich in Konstanz drei neue Vegetationstypen bewährt.

Trockenstaudenstandorte

Staudengesellschaften

Wiesen- und Kräuterflure

Tabelle 1: Die Einteilung des öffentlichen Freiraums in Pflegekategorien I bis V, Quelle: Stadt Konstanz, Technische Betriebe


Trockenstaudenstandorte


Bild 7: Auf diesem Trockenstandort konkurrieren Fenchel und Nachtkerze um die Gunst der Betrachter. (Quelle: Monika Böhm)

Das trockenheitsliebende Staudensortiment wird je nach Standort in unterschiedlichen Kombinationen in ein 40 bis 50 cm starkes Substrat aus ungewaschenem Kies der Körnung, 0/120 mm, gepflanzt und bekommt eine organische Startdüngung. Die Herstellkosten liegen bei circa 20,00 Euro pro Quadratmeter. Folgende Arten und Sorten haben sich beispielsweise bewährt und kommen, je nach Standort, in unterschiedlicher Zusammensetzung zum Einsatz.

Tabelle 2: Beispiel einer Pflanzliste für Trockenstauden, Quelle: Stadt Konstanz, Technische Betriebe


Mittlerweile werden sechs unterschiedliche, im Laufe der Jahre von den Technischen Betrieben für tauglich befundene Trockenstaudenmischungen, verwendet. Lang andauernde trockene Wetterlagen begünstigen diesen Vegetationstyp, konkurrierende Arten vertrocknen automatisch und reduzieren somit den Pflegeaufwand.

Staudengesellschaften

Auf anderen straßenbegleitenden Standorten wurde nach vollständigem Bodenaustausch ein 30 cm starkes, rindenfreies, wasserdurchlässiges Staudensubstrat mit einer Abdeckung aus gebrochenem Moräne-Splitt, Körnung 11/16 cm, als Basis für einen weiteren Bepflanzungstyp, die Staudengesellschaften, geschaffen. Die abhängig vom Standort unterschiedlich arrangierten, blütenreichen Bepflanzungen mit Prachtkerze, Ehrenpreis, Aster, Duftnessel, Spornblume und Gräsern haben sich von Anfang an gut entwickelt, insbesondere die Bestände an Bergminze werden von Bienen ausgezeichnet angenommen.


Bild 8: Attraktive pflegeleichte Staudenbepflanzung mit vollständiger Bodenbedeckung in der Innenstadt. (Quelle: Monika Böhm)

Tabelle 3: Eine der zwei bewährten Staudengesellschaften, Quelle: Stadt Konstanz, Technische Betriebe


Wiesen- und Kräuterflure

Kräuteransaaten sowie Magerwiesenmischungen kommen in Konstanz bei neu hergestellten Baumquartieren und Straßenbanketten zum Einsatz.


Bild 9: In den Ein- und Ausfallstraßen ist die Bepflanzung extensiver angelegt. (Quelle: Monika Böhm)

Die Erfahrung dort zeigt, dass die Entwicklung im ersten Jahr je nach Witterung zögerlich sein kann, zumal auf Bewässerung und Düngung auf diesen Standorten verzichtet wird. Haben die Magerwiesen jedoch erst einmal Fuß gefasst, zählen sie zu den pflegeleichtesten Vegetationstypen im Straßenraum.

Die ersten Trockenstauden wurden im Jahr 2009 gepflanzt. Nach und nach kamen weitere Standorte sowie entsprechende Weiterentwicklungen und Modifizierungen hinsichtlich der Artenauswahl hinzu. Bei der Bevölkerung kommt die attraktive Begrünung gut an. Gleichermaßen bei den Mitarbeitern der TBK, die mit der Pflege und Reinigung des Straßenbegleitgrüns beschäftigt sind. Im Gegensatz zu den pflegeaufwendigen Rosen- und oft lückenhaften Bodendeckerbepflanzungen konnte der Aufwand deutlich reduziert werden.


Bild 10: Der Zeitaufwand für die Pflege von lückenhaften Vegetationsflächen ist fünf Mal höher als bei geschlossenen Bepflanzungen. (Quelle: Monika Böhm)

Tabelle 4: Pflegekalender für das Straßenbegleitgrün in Konstanz, Quelle: Stadt Konstanz, Technische Betriebe


Trotz der eher knapp kalkulierten Pflegeeinsätze entwickeln sich die Trockenstauden und Staudengesellschaften gut und bedecken die komplette Pflanzflächen, um den Pflegeaufwand so gering wie möglich zu halten. Dennoch kalkulieren die Technischen Betriebe im Rahmen der Lebenszyklusplanung eine Erneuerung der Standorte nach 10 bis 15 Jahren. Typische ruderale Samenunkräuter kommen in einer mineralischen Mulchabdeckung anfänglich praktisch nicht zum Zuge. Insofern ist der Jäteaufwand bei trockener Witterung gering. Dennoch muss im Rahmen der regelmäßigen Kontrollgänge auf Arten wie Gänsedistel, kleines Weidenröschen und Löwenzahn besonders geachtet werden. Auch ausdauernde Wildkräuter, wie Winde und Quecke, fühlen sich, genauso wie die Stauden, unter der Mulchdecke besonders wohl. Die penible Sauberhaltung der Mulchschicht verhindert die Ausbreitung der unliebsamen Vegetation nachhaltig. Da es der Winde gelungen ist, sich auf älteren Standorten auszubreiten, wird in Konstanz eines der ersten Beete voraussichtlich nach zwölf Jahren ausgetauscht. Nicht nur die Grünpfleger, sondern auch die Fahrer der Winterdienstfahrzeuge achten auf die möglichst lange Erhaltung der Bepflanzungen. Nach eingehender Schulung wird die Streubreite an den Fahrzeugen so eingestellt, dass die Grünstreifen weitgehend vom Streugut verschont bleiben.

Während die überwiegenden Flächen des Straßenbegleitgrüns von eigenen Mitarbeitern unterhalten werden, sind die Verkehrskreisel im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP: Public Private Partnership) an lokale Garten- und Landschaftsbauunternehmen vergeben. Die Firmen planen und pflegen die Vegetationsflächen auf ihre Kosten und dürfen dafür im abgestimmten Rahmen Werbung machen. Der Kreativität sind dabei fast keine Grenzen gesetzt.


Bild 11: Im Rahmen einer öffentlich-privaten Zusammenarbeit gestaltete ein Unternehmen die Gestaltung des Verkehrskreisels im Industriegebiet. (Quelle: Monika Böhm)

Bad Saulgau setzt auf Artenvielfalt

Vor 25 Jahren fing die Kur- und Bäderstadt im Zentrum Oberschwabens an, herkömmliche Grünstreifen in artenreiche Bepflanzungen und insektenfreundliche Magerwiesen umzuwandeln. Der damals frisch eingestellte Umweltbeauftragte sollte die Stadt ökologisch weiterbringen und setzte das mit Nachdruck mit seinem fachlichen Mitstreiter, dem Leiter der Stadtgärtnerei, um. Zum Erfolgsmodell wurde das Konzept v. a. durch die intensive Öffentlichkeitsarbeit. Von Anfang an wurden die Bevölkerung, Vereine und Bildungsträger eingebunden und über die Ziele sowie die natürlichen Prozesse aufgeklärt. Beispielsweise war es besonders wichtig, im Rahmen von Ortsterminen und Vorträgen darzulegen, warum eine Wiese, wenn sie am schönsten blüht, gemäht werden muss, und weshalb sie im Herbst manchmal erst geschnitten wird, wenn vieles schon braun und unansehnlich ist. Der erste Schnitt wird deshalb ab Mitte Juni durchgeführt, damit sich eine zweite Blütenpracht entwickelt. Wenn die teils überreifen Blüten und Gräser bis Ende September stehen bleiben, können sich die Arten versamen und im Folgejahr wieder reichhaltig blühen. Einige Vogelarten, wie der farbenfrohe und stetig singende Stieglitz, bevorzugen als ganzjährige Futterquelle artenreichen Wildblumenwiesen, weshalb zuweilen als Nahrungsquelle auch Altgrasstreifen stehen bleiben sollten.


Bild 12: Seit 2016 sind in Bad Saulgau alle öffentlichen Grünflächen nach ökologischen Standards gestaltet. (Quelle: Monika Böhm)

Im Rahmen des ökologischen Konzepts wurden die Wechselflorbepflanzungen in der Kernstadt und allen 13 Stadtteilen Bad Saulgaus komplett aufgegeben. Stattdessen wurden zahlreiche Verkehrsinseln entsiegelt und mit dauerhaften, insektenfreundlichen Staudenpflanzungen gestaltet.

Ähnlich wie Konstanz verwendet Bad Saulgau zwei unterschiedliche Kombinationen von Staudenmischung mit speziellen Substraten. In Wandkies, direkt von der Wand abgebauter Kies mit Fein- und Grobanteilen der Körnung 0/16 mm, gedeihen Berglauch, Küchenschelle, Natternkopf, Bergminze, Thymian, Salbei und Astern-Arten. 70 % der Arten sind einheimisch. Zu den nicht heimischen Arten zählen Katzenminze, Blauraute, Muskatellersalbei und Prachtkerze. Gefüllt blühende Arten werden überhaupt nicht verwendet, da sie für Insekten wertlos sind.

Auf einem Substrat mit humoser, torffreier Spezialerde und einem geringeren Teil Wandkies fühlen sich weitere Arten, wie die blaue Eselsdistel, die große Fetthenne, Lavendel, Herbstanemone sowie Phlox und Roter Sonnenhut, wohl. Außerdem freuen sich Insekten und Schmetterlinge über diese alternativen Nahrungsangebote.



Bild 13: Insektenfreundliche und mehrjährige Stauden ersetzen einjährige Wechselbepflanzungen. (Quelle: Monika Böhm)

Im Straßenbegleitgrün wurden sämtliche Rasenflächen in artenreiche zweischürige Magerwiesen umgewandelt. Bei Intensivrasenflächen wird häufig die komplette Grasnarbe abgezogen, Wandkies aufgefüllt und 30 bis 40 Arten ausgesät. Verwendet wird ausschließlich gebietsheimisches zertifiziertes Saatgut mit maximal 10 % Grasanteil, damit die Wiesen reichhaltig blühen. Bei manchen Rasenflächen reicht es dagegen, die Düngung einzustellen und den Mährhythmus auf anfangs drei, später zwei Mal pro Jahr zu beschränken. Die Umwandlung von Rasen in artenreiche Wiesenflächen kann jedoch einige Jahre in Anspruch nehmen. Die Stadtgärtnerei lässt sich dabei von dem Halbschmarotzer Klappertopf (Rhinantus) unterstützen. Dieser zapft die Wasserleitbahnen verschiedener Wirtspflanzen, besonders bei Gräsern, mit entsprechenden Saugwurzelfortsätzen an und entnimmt so ihre Lebensgrundlage, Wasser und Nährsalze. Gemäht wird zweimal im Jahr inklusive Abfuhr des Mähguts in einem Fenster von drei bis vier Wochen, um den Insekten und Vögeln nicht auf einmal diese Nahrungsquelle zu entziehen.

Einjährige Begrünungen, wie es andere Kommunen bei Neuanagen und Sanierungen teilweise praktizieren, hat Bad Saulgau nicht im Repertoire. Die Vorteile von mehrjährigen Ansaaten liegen auf der Hand:

Die Anlage ist genauso teuer wie einjährige Aussaaten. Auf Dauer wird die Pflege jedoch durch den Wegfall der permanenten Neuanlage günstiger.

Mehrjährige Wiesen sind bis auf das erste Anwachsjahr aufgrund der zweimaligen Mahd pflegeleicht.

Der ökologische Wert nimmt durch die Verwendung heimischer Arten stetig zu.

Die Wiesen dienen Insekten als Eiablage und Puppenplätze.

Wildblumensäume bieten auch im Winter Nahrung für Vögel.

Artenreiche Blumenwiesen können bei guter Pflege sehr langlebig sein.


Bild 14: Der ökologische Wert von mehrjährigen Wiesen steigt von Jahr zu Jahr. (Quelle: Monika Böhm)


Bild 15: Einjähriger Augenschmaus, jedoch zeitlich begrenzter ökologischer Wert. (Quelle: Monika Böhm)

Wo genügend Platz zur Verfügung steht, wird das Angebot im Verkehrsgrün durch Gehölzstreifen mit einheimischen Bäumen, Bodendeckern und Strauchrosen ergänzt. Mittlerweile können 20 Wildrosenarten im Straßenraum bewundert werden. Bei Baumpflanzungen werden prinzipiell verschiedene einheimische Bäume in einem Gebiet verwendet. Sollten Einzelbäume von individuellen Schädlingen oder Pilzen befallen werden, kann auf diese Weise einem Totalausfall in einer Allee oder Baumreihe entgegengesteuert werden. Artenvielfalt bietet insofern ein großes Potenzial für die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und Schädlinge. Außerdem ziehen unterschiedliche heimische Baumarten ein breites Spektrum an Insekten und Vögeln an, sodass der Tisch für viele Nahrungssuchende gedeckt und Lebensräume gesichert sind.


Bild 16: Einheimische Strauchrosen und Bäume ergänzen das Angebot im Verkehrsgrün. (Quelle: Monika Böhm)

Die Grünflächen haben sich verdoppelt, die Pflanzkosten halbiert

Mit der Umstellung auf ökologisch hochwertigere Flächen wurden mineralische Dünger und Pflanzenschutzmittel nicht mehr verwendet und die Mähhäufigkeit deutlich reduziert. Obwohl sich die Grünflächen in den letzten 25 Jahren verdoppelt haben, ist der Personalstand in der Stadtgärtnerei gleichgeblieben. Durch die intensive Einbindung der Bevölkerung sind zudem viele Grünpatenschaften entstanden. So wird die Gemeinschaft für das große Ziel der Biodiversität auf natürliche Art zusammengeschweißt.

Die Umwandlung in artenreiches Grün hat Bad Saulgau im Jahr 2017 für die Gesamtstadt außer für die pflegeintensiven Sportplätze abgeschlossen. Dafür hat die Stadt als Pionier im Stadtnaturschutz mit vielen Einzelmaßnahmen, nicht nur im Straßenbegleitgrün, sondern auch mit unterschiedlichen Naturlehrpfaden und weiteren Angeboten bundes- und europaweit Preise gewonnen. Für die Kurstadt ist das besondere Grün- und Lehrangebot mittlerweile zum bedeutenden Marketingfaktor geworden. Und nicht nur die Kurgäste, sondern andere Kommunen fahren scharenweise in die Stadt, um das attraktive naturhafte Modell möglichst bald umzusetzen.

Gute Pflege beginnt bei der Planung

In der Bauleit- und Objektplanung werden die Weichen für die nachhaltige Weiterentwicklung des Stadtgrüns und damit auch des Straßenbegleitgrüns gelegt. Der Lebenszyklus fängt bei der Planung an und setzt sich über den Bau, die Fertigstellungs- und Entwicklungs- sowie die Unterhaltungspflege und den späteren Rückbau fort. Würde dieser gesamte Komplex von einer Hand gesteuert, um sämtliche Anlagen funktional, klima- und nutzerfreundlich sowie möglichst pflegeleicht zu planen und weiterzuentwickeln, wäre das sowohl für das Gemeinwohl als auch für die städtischen Finanzen von hohem Nutzen. Bedauerlicherweise sind gerade beim Straßenbau und der dazugehörigen Begrünung unterschiedliche, voneinander unabhängige Akteure aktiv, sodass diejenigen am Ende des Gliedes, die Unterhaltungskolonnen oder kommunalen Auftragnehmer, nach der Fertigstellungs- und Entwicklungspflege häufig unzureichend gebaute und bepflanzte Anlagen mit hohem Aufwand unterhalten und kostenintensiv instand halten müssen.


Bild 17: Zu kleine Baumgruben sowie kleinteilige und lückenhafte Bepflanzungen erhöhen die Pflegekosten und verkürzen die Lebensdauer. (Quelle: Monika Böhm)

In meinem praktischen Alltag begegnen mir bundesweit immer wieder folgende Situationen:

Die Baumgruben sind zu klein. Die Bäume wachsen rückwärts.

Die Pflanzenauswahl ist sowohl bei Bäumen als auch bei den Unterpflanzungen falsch und zu kleinteilig differenziert (Blümcheneffekt).

Beim Bau wird ungeeignetes oder Wildkrautbesetztes Substrat verwendet.

Die Standorte sind verdichtet.

Die Pflegekosten sind erheblich höher als bei fach- und normgerecht hergestellten Anlagen.

Die verantwortlichen Planer und Pflegekolonnen zögern zu lange, bis defizitäre Anlagen instand gesetzt werden.

In den folgenden Kapiteln werden vielfältige weiterführende Informationen zu Planung, Bau und Pflege des Verkehrsgrüns übermittelt. Den verantwortlichen Betreibern wird an dieser Stelle ausdrücklich empfohlen, einen auf die spezifischen örtlichen Bedürfnisse abgestimmten verbindlichen Leitfaden für den Bau, die Sanierung und Bepflanzung des Straßenbegleitgrüns für alle in der Planung, dem Bau und der anschließenden Pflege Beteiligten zu erarbeiten und politisch durchzusetzen.

Ein Leitfaden für das Straßenbegleitgrün sichert die nachhaltige Entwicklung

Damit werden folgende Ziele verfolgt:

die Einbindung sämtlicher Beteiligten des verantwortlichen Betreibers, der Planungsbüros sowie der Bürger

die Berücksichtigung sämtlicher Fachnormen und Empfehlungen nach FLL (Forschungsgesellschaft für Landschaftsentwicklung Landschaftsbau)

die Gewährleistung von attraktiven, standortgerechten, pflegeleichten, schadstoff- und klimaresistenten Straßenbegrünungen durch die Vorgabe von gewünschten Vegetationsstrukturen in den jeweiligen Pflegekategorien inklusive bewährter Baum- und Pflanzlisten

die Erhöhung der Biodiversität sowie Hinweise zur nachhaltigen Entwicklung und Pflege (Pflegekonzepte)

die Beteiligung der Ausführenden bei der Planung

die Übergabe an die Verantwortlichen für die Unterhaltungspflege erst nach fachgerecht durchgeführter Entwicklungspflege

Grün als Wohlfühl- und Marketinginstrument

Viele Kommunen nutzen ihre Grünflächen für das Stadtmarketing und positionieren sich als attraktiver Anziehungspunkt für Bürger und Gewerbetreibende. Insofern ist es erfreulich, dass es bereits Ansätze zur attraktiven Gestaltung und pflegeleichten Bewirtschaftung gibt. Um diese Entwicklung aufrechtzuerhalten, muss jedoch zukünftig vermehrt das Augenmerk auf die fachgerechte Neuanlage, den Schutz der Bestände sowie die Pflege und Unterhaltung gelegt werden. Sowohl ausreichend finanzielle als auch personelle und fachliche Ressourcen und die frühzeitige Einbindung und Information von Bürgern erhöht die Akzeptanz bei Innovationen und trägt langfristig zum Wohlfühlfaktor in lebenswerten Städten bei.

Weiterführende Informationen

https://bad-saulgau.de/tourismus/natur/biodiversitaetskonzept-siedlungsbereich/index.php

https://www.konstanz.de/site/Konstanz-Karriere/get/documents_E198217177/konstanz/Dateien/Leben%20in%20Konstanz/TBK/TBK_Betriebsbroschüre_2016.pdf

Mohaupt F. et.al., (2018): Grünflächen Management im Kontext von Klimawandel und Biodiversität. Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Berlin.

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2017): Weißbuch Stadtgrün – Grün in der Stadt für eine lebenswerte Zukunft. Berlin.

A. Heinrich, U.J. Messer (2012): Staudenmischpflanzungen - Praxis, Beispiele, Tendenzen. Ulmer-Verlag, Stuttgart.

RASt 06 (2006): Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt06). Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln.

W. Koch, H.J. Hölzel et al. (2001): Aktualisierte Gehölzwerttabellen: Bäume und Sträucher als Grundstücksbestandteile an Straßen, in Parks und Gärten sowie in freier Landschaft. Einschließlich Obstgehölze. VVW GmbH, Karlsruhe.

Straßenbegleitgrün

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