Читать книгу Das Herz der Natur - Francis Edward Younghusband - Страница 9
VORREDE
ОглавлениеDer Wert von Wissen und Charakter ist uns hinlänglich eingeprägt worden. Über die Freiheit haben wir so viel gehört, dass wir sie als eigentliches Ziel betrachten und nicht als Mittel zum Zweck oder notwendige Voraussetzung. Schönheit hingegen betrachten wir fast als etwas typisch Feminines. Poesie, Musik und Literatur erscheinen dem gewöhnlichen englischen Schüler äußerst verdächtig, und er möchte sein Männlichkeitsideal mit nichts anderem teilen. Dennoch behauptet sich die Schönheitsliebe trotz aller Entmutigungen, und sie wird sich nicht unterdrücken lassen. Besonders die Schönheit der Natur besteht auf einem festen Platz in unserer Zuneigung, die sich ursprünglich aus der Liebe herleitet; wesentlich und untrennbar mit ihr verknüpft, gesteht die Schönheit der Natur lediglich der Liebe eine Vorrangstellung zu. Und sie verdient unsere großzügige Anerkennung, ist sie doch Wohltat und Erfrischung für unsere Seele.
Die genaue Beobachtung und anschauliche Beschreibung von Naturschönheiten ist zumindest ebenso notwendig für die Lebensfreude wie die Beschäftigung mit der Wissenschaft, der so viel Beachtung gezollt wird. Erstere beschäftigt sich nämlich mit dem Charakter, Letztere nur mit den Ursachen von natürlichen Phänomenen; und von diesen beiden ist der Charakter wichtiger. Es ist in der Tat an der Zeit, dass wir Engländer uns des Wertes von Naturschönheiten bewusster werden. Denn wir werden als Naturliebhaber geboren, und es gibt wohl keine poetischere Rasse als die unsere. Sobald unser Land sich von seiner besten Seite zeigt, etwa an einem Frühsommertag, ist es der wohl lieblichste Ort der Welt. Und wir ziehen von dieser unserer Inselheimat hinaus in jedes andere Land. Wir haben daher unvergleichliche Möglichkeiten, unzählige Arten von Naturgegenständen zu sehen. Indem wir die Natur in so vielen verschiedenen Aspekten betrachten und unsere Eindrücke miteinander vergleichen, sollten wir in der Lage sein, die Natur besser zu verstehen als irgendeine andere lebende Art. Und indem wir bereitwillig mit ihr in eine Gemeinschaft eintreten, sollten wir besser als andere erkennen, welche Schönheit in ihr wohnt.
Ich bin mir bewusst, dass ich selbst nur unangemessenen Gebrauch von den hervorragenden Möglichkeiten gemacht habe, auf all meinen Reisen die Schönheit der Natur zu sehen. Daher liegt mir um so mehr daran, dass alle, die mir nachfolgen, nicht durch ähnliche Unterlassung die gleiche Sünde gegen sich selbst und gegen unser Land begehen. Wir schulden es uns selbst und der ganzen Menschheit, unserer instinktiven Liebe zur Schönheit der Natur freien Lauf zu lassen und jede Neigung und Fähigkeit zu ihrer Wertschätzung einzuüben und zu vervollkommnen, bis wir schließlich ihre Pracht in allen Feinheiten erkennen können, von denen wir jetzt nur das erste schwache Glimmen erfassen.
Und sollte irgendein anderes Land uns an Wertschätzung voraus sein, dann steht es uns gut an, jenem Land nachzueifern und es womöglich zu übertreffen und zu lernen, die Natur besser zu verstehen und mehr Schönheit zu entdecken. Denn in der Liebe zur Schönheit der Natur und der Fähigkeit, mit ihr verbunden zu sein, müsste England eine herausragende Stellung einnehmen. Vor allen anderen Ländern sollte es dem Herzen der Natur am nächsten kommen.
Juni 1921 | F.E.Y. |