Читать книгу Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 21 - Frank Hille - Страница 4
Martin Haberkorn, 15. Dezember 1944, Hamburg
ОглавлениеDie Tage in der Werft waren lang und anstrengend. Martin Haberkorn war nicht in der Marineschule in Mürwik stationiert worden, denn diese lag viel zu weit weg von Hamburg. Vielmehr hatte man eine Art Außenstelle für die neuen U-Boot-Besatzungen am Stadtrand geschaffen, die nichts weiter als ein umzäuntes und bewachtes Barackenlager war, in welchem sich im Schnitt so um die 150 Männer aufhielten. Die Bedingungen dort waren durchaus erträglich, denn es gab eine bestens funktionierende Küche, und fußläufig entfernt befanden sich ein paar Kneipen. Haberkorn, zwei Obermaschinisten, vier Maschinisten sowie vier Matrosen der Zentralemannschaft und die Nummer Eins wurden jeden Morgen mit einem LKW zur Werft gefahren. Als Offizier war Haberkorns Platz im Fahrerhaus, und so war er nicht den schon tiefen Temperaturen ausgesetzt. Die Fahrt dauerte nicht allzu lange, nach 20 Minuten konnten die Männer absteigen. Auf den Hellingen lagen Boote vom Typ XXI in verschiedenen Bauzuständen. Einige waren schon als äußerlich fertige Unterwasserfahrzeuge zu erkennen, bei anderen hatte man schon ein paar Schüsse miteinander verschweißt, aber es fehlten noch Sektionen. Das war es vor allem, was die Fertigung dieses neuen Typs so besonders machte. Die Idee dahinter war keineswegs revolutionär oder noch nie angewendet worden, aber für den deutschen U-Boot-Bau absolut neu. Wenn sich das System des örtlich getrennten Sektionsbaus und des abschließenden Zusammenbaus in den Werften bewähren sollte, mussten aber eine Vielzahl von anderen Bedingungen geschaffen werden und reibungslos ineinandergreifen. Man musste hier natürlich auch noch zusätzlich in Betracht ziehen, dass ein U-Boot eine sehr komplexe Kriegsmaschine ist, deren Kompliziertheitsgrad durch die neue Konstruktion nochmals erhöht worden war. Den veränderten, und nunmehr vom Gegner diktierten Bedingungen des Seekrieges geschuldet, waren die Boote schon längere Zeit durch die feindlichen Kriegsschiffe und Flugzeuge zunehmend unter Wasser gedrückt worden, und die anfangs so wirksamen Überwasserangriffe nicht mehr möglich gewesen. Zwangsläufig musste die Unterwassergeschwindigkeit der Boote erheblich erhöht werden, um überhaupt noch eine Chance zum Angriff zu haben. Gerade dieser Forderung hatten die Ingenieure vom Projektierungsbüro „Glückauf“ im Harz insbesondere in der Konstruktion entsprochen. Die riesige Batterieanlage würde die Boote noch mehr von der Außenluft unabhängig machen und durch die deutlich höhere Unterwassergeschwindigkeit ein Entkommen nach einem Angriff besser ermöglichen. Neben dieser enorm wichtigen Neuerung hatte es eine Vielzahl von weiteren Verbesserungen in diesem Bootstyp gegeben, die von einer weiteren Mechanisierung des Torpedonachladens, sehr viel leistungsstärkeren Ortungsmitteln bis hin zu deutlich komfortableren Lebensbedingungen der Mannschaft reichten. Das traditionelle Tauchboot war damit erstmalig zu einem echten Unterseeboot geworden.
Allerdings musste man aber auch konstatieren, dass die Anforderungen an die Fertigungsbetriebe erheblich angestiegen waren. Der Sektionsbau setzte vor allem eine gute Passgenauigkeit der Schüsse voraus, und dies hatte sich bei den ersten Booten als erhebliches Problem herausgestellt. Natürlich hatte man im Oberkommando der Marine sehr genau gewusst, dass diese vollkommen neue Fertigungsart Anlaufprobleme hervorrufen würde, aber dass sie so gravierend sein sollten, hatte man nicht vermutet. Dennoch hatte kein Weg daran vorbeigeführt neue Boote zu entwickeln, denn die im Einsatz befindlichen Typen waren in all ihren Parametern veraltet und weder in der Lage erfolgreiche Angriffe zu fahren, als sich auch einer Verfolgung zu entziehen. Wie auf anderen Gebieten der Entwicklung von Rüstungsgütern in Deutschland hatte sich auch bei der U-Boot-Waffe gezeigt, dass im Glauben an einen schnellen und siegreichen Verlauf des Krieges fortschrittliche Ansätze und neue Wirkprinzipe zwar theoretisch klar waren, aber deren technische Umsetzung durch Erprobungen unterblieben war. Spätestens seit dem Abbruch der Luftschlacht um England und der Aufgabe des Planes einer Seeinvasion der Insel hätte klar sein müssen, dass mit dem noch unbezwungenen Gegner hinter dem Kanal eine latente Gefahr existierte, denn die Amerikaner würden Großbritannien als unsinkbaren Flugzeugträger ansehen, und die Versorgung des Verbündeten über den Seeweg mit allen Mitteln sicherstellen. In der Blütezeit des U-Boot-Krieges waren die VII C und IX C-Typen noch ausreichend und auf der Höhe der Zeit gewesen, aber jetzt eigentlich vollkommen unbrauchbar und chancenlos geworden. Für den Abbruch des Unternehmens „Seelöwe“ hatte es einige Gründe gegeben, die vor allem in der Konzentration der deutschen Truppen im Osten für den „Fall Barbarossa“, dem geplanten Angriff auf die Sowjetunion, zu finden gewesen waren. Eigentlich hatte Hitler zusammen mit dem willigen Oberkommando der Wehrmacht ein hochgefährliches Va banque-Spiel betrieben, denn die Nordflanke Deutschlands hinter dem Kanal blieb somit weitestgehend ungesichert. Fatalerweise lagen die großen deutschen Werften für den U-Boot-Bau vor allem in diesem Bereich bah an der vor dem Krieg stark befahrenen Wasserstraße. Außerdem war mit einer Eskalation des Luftkrieges von Großbritannien aus nach Deutschland hinein zu rechnen. Wie stark negativ dies dann relativ schnell die Rüstungsproduktion beeinflussen sollte zeigte sich auch in der hilflos anmutenden Forderung, Fertigungsstätten unter die Erde zu verlagern. Nach den krachenden Niederlagen an der Ostfront, der Landung der Alliierten in Frankreich und dem Zusammenbruch des U-Boot-Krieges war Zeit zu einem der wichtigsten Überlebensfaktoren des Reiches geworden. Albert Speer als Verantwortlicher für die Rüstungsproduktion trieb die Zulieferer, die Montagefirmen und die Werften zu Höchstleistungen an, um die neuen Boote schnell in die Erprobung bringen zu können. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, ging diese Schnelligkeit zu Lasten der Qualität. Mit dem Blick des Technikers hatte Haberkorn an etlichen Stellen noch gravierende Mängel in der Bauausführung erkennen können. Er wusste selbst nicht was mehr zählte, neue und überlegene Boote in unbefriedigenden technischen Zuständen in den Einsatz zu bringen, oder lieber Sorgfalt walten zu lassen, und das Funktionieren zu gewährleisten. Eigentlich brauchte er darüber nicht länger nachdenken, denn die Sache war klar. Es würde überhaupt nichts nützen jetzt noch auf penible Qualität zu setzen, wenn keine neuen Boote rechtzeitig fertig wurden. Ganz konkret hieß das also Mängel in Kauf zu nehmen und mit unsicheren Fahrzeugen in die Erprobung, und dann in die ersten richtigen Einsätze zu gehen. Die Zeit rannte davon, die Fläche des Reiches schrumpfte jeden Tag mehr.
„Das Boot ist zu ungefähr 75 Prozent fertiggestellt“ hatte einer der Werftingenieure Haberkorn erklärt, als alle im Heckraum standen „die Schüsse sind miteinander verschweißt worden. Wir haben alle Nähte geprüft, die Qualität ist gut. Die Schüsse in eine Linie zu bringen ist der schwierigste Augenblick in diesem Fertigungskonzept, nämlich die Passgenauigkeit der einzelnen Sektionen richtig hinzukriegen. Wir reden hier über ein Boot von fast 80 Metern Länge, welches aus neun Sektionen besteht. Wir müssen zwei Hauptachsen beachten, die durch die Zentrale und den Turm entsteht, und diejenige, die durch die Sektion 2, den E-Motorenraum gebildet wird. In die Schotten bohren wir kleine Löcher, durch die man vom Bug und vom Heck aus ein Licht in der Zentrale sehen muss. Ist dies der Fall, können die Sektionen miteinander verschweißt werden. Das dauert so um die acht Stunden, vier Schweißer arbeiten diametral ohne Unterbrechung daran. Sie sind ja vom Fach, Ihnen muss ich also nicht sagen, dass alles gut fluchten muss. Schließlich ist das hier kein Metallbaukasten, wo ich ein paar Teile zusammen schraube und dann klappt alles. Obwohl vieles noch nicht richtig hinhaut und wir einen Haufen Nacharbeiten haben, ist das schon ein schönes Stück Ingenieurskunst, das die Konstrukteure hier entworfen haben. Na ja, wie es immer so ist, bei neuen Erzeugnissen zahlt man erst mal ne Menge Lehrgeld. Das ist bei uns auch nicht anders. Aber sehen Sie, nur mal als Beispiel, allein die Änderungen im Bugraum sind ja schon revolutionär. Die Nachladeeinrichtungen erleichtern der Besatzung die Arbeit, hier muss jetzt keiner mehr über auf am Boden lagernden Torpedos campieren. Herr Oberleutnant, Sie können meine Begeisterung sicher verstehen, Sie sind ja auch Ingenieur. Um ganz ehrlich zu sein, dieser Bootstyp kann die Wende bringen. Die Unterwassergeschwindigkeit wird der entscheidende Vorteil werden, dann können die Männer endlich wieder erfolgreich Angriffe fahren. Sie können ruhig erst einmal durch das Boot gehen und sich umsehen. Natürlich wird Ihnen fast alles vertraut vorkommen, denn der Typ basiert ja in vielen Belangen auf bewährten und erprobten technischen Lösungen. Sie entschuldigen mich jetzt, es gibt noch ein paar Probleme in der Zentrale, ist ja trotzdem viel Neues für uns beim Bau mit dabei.“
Martin Haberkorn war immer wieder beeindruckt welches technische Wissen und Können mit dem Bau eines U-Bootes umgesetzt wurde. Er würde jetzt mit den ausgewählten Leuten der Besatzung durch das Boot gehen, um einen Eindruck von den Neuerungen bekommen zu können. Prinzipiell hatte sich am Aufbau wenig geändert. In der Sektion 1, dem Heckraum, befand sich die Ruderanlage, die dem Boot die Fahrtrichtung gab. Eine größere Werkstatt würde es ermöglichen, bestimmte Schäden mit Bordmitteln zu beheben. Der E-Maschinenraum bildete die Sektion 2. Die zwei Doppel-E-Motoren erbrachten 5.000 PS Leistung. Bei Probefahrten mit ersten fertiggestellten Booten des Typs hatte sich gezeigt, dass die projektierte Unterwasser-Höchstgeschwindigkeit von 18 Knoten nicht erreicht werden konnte, und daraufhin wurden unter anderem die Flutschlitze verändert. Letztlich konnten durch Änderungen am Boot 17 Knoten Geschwindigkeit erzielt werden. Selbstverständlich war wieder ein Motor für die Schleichfahrt eingebaut worden, der um die 6 Knoten Geschwindigkeit ermöglichte und extrem leise war. Die eigentliche Revolution zum „Elektro-Boot“ hin wurde durch die 372 Batteriezellen mit einem Gesamtgewicht von 236 Tonnen erreicht. Beim Entwurf des Bootes konnten die geplanten Parameter und Werte nur gewährleistet werden, indem man den Rumpfquerschnitt anders gestaltete. Dieser hatte bei diesem Typ die Form einer Acht erhalten. An sich wäre ein kreisrunder Querschnitt für einen geringeren Widerstand des Bootskörpers deutlich günstiger gewesen, aber dann hätte man die gewaltige Kalotte in einen erheblich größeren Durchmesser des Druckkörpers packen müssen, und das hätte auch den Einsatz stärkerer Stähle erfordert. Dieses Material stand ohnehin nicht zur Verfügung. So war ein Kompromiss notwendig gewesen, und der war durch diese Bauform zustande gekommen.
Sektion 3 war der Dieselmotorenraum. Die zwei MAN-Maschinen gaben zusammen 4.000 PS Leistung ab und aufgetaucht waren mit Nutzung der E-Maschinen 18 Knoten Fahrt möglich. In der Sektion 4 befanden sich die Mannschaftswohnräume, und dort gab es gravierende Änderungen der Lebensbedingungen der Besatzung, denn jeder Einzelne hatte nun eine eigene Koje. Haberkorn konnte sich gut an seine erste Zeit an Bord eines U-Bootes und an die miesen Bedingungen damals erinnern. Das Negative hatte einfach alles eingeschlossen: das Schlafen, das Essen, die Hygiene, die Dienste in dem heißen und stickigen Dieselmotorenraum. Das war alles irgendwie zu ertragen gewesen, aber am meisten hatte ihn die Toilettensituation belastet. Die flapsige Frage der Nummer Eins klang ihm noch immer im Ohr, als sich einige Matrosen vorsichtig darüber beschwert hatten, dass die zweite Toilette als Proviantlast gefahren wurde.
„Wollt ihr mehr zum Fressen, oder mehr Platz zum Scheißen haben?“
Das drückte ziemlich genau das Dilemma an Bord aus, nämlich der absolut beengte Platz für die Erfüllung der einzelnen Funktionen des Bootes. Und das führte zwangsläufig dazu, dass ein freies Klo eine Seltenheit war. Das war nunmehr grundlegend verbessert worden, aber das Boot war ja auch erheblich größer als das kleinere VII C. In der Sektion 6, dem vorderen Wohnraum, war eine Nasszelle eingebaut worden. Dort gab es drei Waschbecken, eine Warmwasserdusche und zwei Toiletten. Ein drittes WC stand noch in der Sektion 1 zur Verfügung. Was aber wesentlich anders war ergab sich aus der Lösung für die Abwasserentsorgung. Im Unterdeck befanden sich Fäkalientanks, so dass die Toiletten jetzt auch bei Unterwasserfahrt benutzt werden konnten. Haberkorn schleppte schon eine Art Trauma mit sich herum, denn er legte auch an Land viel Wert darauf, möglichst immer eine Toilette in Reichweite zu haben.
Bei seiner zweiten Feindfahrt hatte der Kommandant eines Tages gegen 22 Uhr einen Überwasserangriff gefahren, und der I. WO alle fünf in den Rohren steckenden Torpedos des Bootes losgemacht. Es war schon ein Hasardspiel des Kapitänleutnants gewesen, denn der Mond beleuchtete die ruhige See gut und es gab zudem gute Sicht. Die Schussentfernung hatte bei gut 1.000 Metern gelegen, und beim Abdrehen war der Torpedo aus Rohr Fünf abgefeuert worden. Der Kommandant hatte den üblichen Trick angewendet, nämlich beim Abtauchen entweder nach Steuerbord oder Backbord zu drehen, und dann schon beim Unterschneiden hart auf Gegenkurs zu gehen. Der Gegner war nicht auf den Kopf gefallen, aber es gab in solchen Momenten keine durch irgendwelche Umstände bedingte logische Handlungen, und so blieb der weitere Verlauf immer eine Art Rätselei.
"Ist doch vollkommen Wurscht" hatte ein besoffener Kommandant einmal in der Messe erklärt "tauche ich nach Backbord denken die, dass ich dann nach Steuerbord abdrehe. Aber vielleicht behalte ich auch meinen Kurs bei. Ist doch alles nur ein Glücksspiel. Nein, nicht ganz. Seitdem der Gegner Asdic hat sind wir doch ziemlich im Arsch, oder etwa nicht?"
Auf den Angriff war vollkommen absehbar eine mehrstündige Verfolgungsjagd durch zwei Korvetten gefolgt. Immerhin hatten drei Torpedos des U-Bootes getroffen. Zwei Frachter mit 4.850 und 6.200 Tonnen, und ein Tanker mit 18.900 Tonnen waren, sicher gehorcht, gesunken. Der Kommandant hatte bereits 47.700 Tonnen auf seiner Versenkungsliste stehen. Mit den letzten Erfolgen zusammen hatte er also bereits 77.650 Schiffsraum versenkt. Als Taxe für das Ritterkreuz waren 100.000 Tonnen aufgerufen. Jedem der Männer an Bord war klar, dass der "Alte" alles daran setzen würde, um den Halsorden zu erringen. Es blieben also nur noch etwas mehr als 22.000 Tonnen übrig. Haberkorn fragte sich manchmal, woher der Drang herrührte, mehr als andere darstellen oder sein zu wollen, sich über diese mit besonderen Taten zu erheben. Er hielt das im Blick auf die Wissenschaften, gleich welchem Zweig auch immer folgend, ausgenommen die Theologie, für gerechtfertigt. Die Theologie hatte er schon als Heranwachsender als "Humbug" abgelehnt, da sie nicht mit seinem materialistischen Weltbild in Einklang zu bringen war. Er war aber klug genug später zu erkennen, dass Menschen in einer Religion auch Halt, Zuversicht und Stärke finden konnten, und anderen mit Hilfe zur Seite standen. Das half ihnen an Bord aber auch nicht, wenn ringsum die schweren Kanister hochgingen und er jedes Mal das Gefühl hatte, dass das Boot gleich auseinanderbrechen würde. Die Geräuschentwicklung war enorm, aber auch die Druckwellen, die das Boot ächzen ließen. Dann flog alles in den Räumen umher, alles Glas ging zu Bruch.
"Welcher Idiot hat denn hier so viel Glas eingeplant" hatte Haberkorn einmal gehört "der muss doch den Arsch offen gehabt haben."
Es war ein Maat aus der Zentralebesatzung gewesen, und diese Leute waren nicht die Dümmsten. Es war tatsächlich viel Glas in einem Boot verbaut. Am Papenberg, bei verschiedenen Füllstandsgläsern, aber obwohl das Material eben sehr anfällig für Stöße und Druckwellen war, hatte sein Einsatz schon Sinn: wie hätte man sonst etwas ablesen können, was mit einer Wasserstandshöhe dargestellt werden konnte. Die Katze biss sich bei der Konstruktion eines Bootes buchstäblich in den Schwanz. Das Boot sollte viel Innenraum für die Waffen, die Technik und die Männer, genau in dieser Reihenfolge, bieten, und zudem noch eine hohe Manövrierfähigkeit, hohe Geschwindigkeit und eine strömungsgünstige Form sowie eine starke Waffenanlage und beste Ortungstechnik bieten. Unter anderen Umständen, etwa eine ohne extremen Zeitdruck zur Verfügung stehende mögliche Konstruktionszeit und die sinnvolle Durchkonstruktion der vielen Komponenten, wäre tatsächlich aus dem Grundentwurf eine Art "Wunderboot" entstanden.
Die Verfolgung durch die beiden feindlichen Kriegsschiffe war für Haberkorn die bislang schwerste Nervenprobe seines Lebens gewesen. Anfangs war das Boot schnell aus dem Ortungsbereich der Gegner herausgekommen, und auf das erste Aufatmen der Besatzung hin war dann ein brutales Eindreschen auf die Stahlhülle gefolgt. Die Wasserbombenwürfe hatten schnell immer näher gelegen und es schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann die durch das Asdic an das Boot herangeleiteten Fahrzeuge es endgültig treffen würden. Haberkorn hatte als wachegehender Dieselheizer auf einem Holzschemel vor den Fahrstand des Steuerbord Diesels gesessen, und auf das Ende, das Absaufen, gewartet. Als dann ein Reihenwurf ungefähr 30 Meter an Backbord weit weg und gut 20 Meter unter dem Boot hochgegangen war, hatte er seinen Schließmuskel nicht mehr im Griff gehabt, und sich voll in die Hosen geschissen. Das war für ihn auf den ersten Blick eine ganz tiefsitzende Demütigung gewesen, so mit einem Batzen Scheiße in der Hose dazusitzen. Aber irgendwie war das ja auch egal, falls das Boot geknackt werden sollte. Als wäre irgendwo in seinem Gehirn ein Hebel umgelegt worden, war er auf die Beine gekommen und hatte die Hosen heruntergezogen. Im trüben Licht des Maschinenraumes sah ihn ohnehin niemand, und er brachte es fertig, die vollgeschissene Unterhose auszuziehen und erst einmal zwischen die Motorenblöcke zu werfen, er würde sie noch brauchen. In der Tiefe donnerte es in einem fort, aber Haberkorn hatte momentan genug zu tun, um wieder auf den Damm zu kommen. Mit einem Stück Putztwist hatte er sich einigermaßen gesäubert, und um den Gestank musste er sich wirklich keine Sorgen machen, im Boot stank es ganz erbärmlich. Die vollgeschissene Unterhose hatte er später in einer Pütz auswaschen und dann auf den heißen Dieselmaschinen trocknen lassen. Dieses Erlebnis spukte immer wieder einmal in seinen Gedanken herum.
Sektion 4 war der Bereich der Mannschaftswohnräume. 24 Kojen lagen dort über dem Akkuraum I. Der Kommandant, der LI, vier Offizierskojen und 17 Kojen für die Oberfeldwebel und Unteroffiziere waren über dem Akkuraum II in der Sektion 6, als vordere Wohnräume bezeichnet, angeordnet.
In der Sektion 5, welche mittschiffs lag, war die Kombüse eingebaut worden, und nach Haberkorns Empfinden war diese schon erheblich größer als auf den Typ VII C-Booten. Das war vielleicht gar nicht so bedeutsam, viel wichtiger war der Zuwachs an Vorrats-, Kühl- und Tiefkühlräumen im Unterdeck. Dieser Bereich war über einen Niedergang zu erreichen. Die Sektion 7 war der Torpedolagerraum, und Sektion 8 der Bugraum mit 6 Torpedorohren. Das Nachladesystem ermöglichte es, sechs Torpedos aus der Schnellladestellung innerhalb von 5 Minuten in die Rohre zu bringen. 20 Torpedos konnten an Bord genommen werden. Als Sektion 9 wurde der Turmumbau bezeichnet.
Haberkorn und die anderen Männer der Besatzung waren durch das Boot gegangen und man sah ihnen an, dass sie große Vorfreude darauf hatten, mit diesem modernen Fahrzeug auf Fahrt zu gehen. Alle wussten aber auch, dass bis dahin sowohl vor den Werften als auch vor den Mannschaften noch ein gewaltiger Berg von Problemen lag, der nicht innerhalb von ein paar Wochen abgetragen werden konnte. Es würde wohl eher noch Monate dauern, bis die ersten Boote frontreif sein sollten. Ob diese noch zu einer entscheidenden Änderung des Kriegsverlaufs beitragen könnten musste sich dann erst noch zeigen.