Читать книгу Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg - Frank Hille - Страница 6
ОглавлениеGünther Weber, Frühsommer 1939
Er zählte zu den Besten seiner Klasse, insbesondere in Mathematik und Physik spielte er sein Talent aus und stellte den Lehrer ab und ab vor Schwierigkeiten, wenn er einen unorthodoxen Lösungsweg eines Problems vorschlug, welcher auch zur Lösung führte. Im Gegensatz dazu waren seine Erfolge in Latein eher kläglich, er hasste dieses sture Lernen, kein Hauch von Kreativität war für ihn zu spüren. Den anderen Fächern widmete er sich lustlos, die Einberufung stand in Aussicht und er sagte sich, ob er mit einer Eins oder einer Fünf in den Fächern zur Truppe ging sollte unerheblich sein. Dagegen verwandte er viel Energie und Zeit darauf sich sportlich zu ertüchtigen, das könnte lebensnotwendig werden. Für sein Alter war er sehr rational und die Vorhaltungen seiner Eltern über die schlechten Zensuren tat er einfach ab, es interessierte ihn nicht.
Als Werber der SS-Verfügungstruppe ihre Einheit heute in der Schule vorstellten überlegte er nicht lange und unterschrieb die Verpflichtung, die Bedingungen erfüllte er, so oder so würde er eingezogen werden und dann wollte er schon in einer Truppe dienen, die den Ruf einer Elite hatte. Nach der Schule traf er sich mit Inge, seiner Freundin. Sie lagen nackt und eng umschlungen in einer Scheune auf Heuballen. Er hatte eine Erektion und wollte sie bumsen, als er nach ihr griff schob sie ihn zurück.
„Warum hast du dich zur SS gemeldet“ fragte sie ihn ärgerlich.
„Weil diese Soldaten mit den besten Waffen ausgestattet werden und einen guten Ruf als Elitetruppe haben. Außerdem finde ich die Uniform schick“ entgegnete er.
„Aber werden doch immer an den gefährlichsten Abschnitten kämpfen müssen“ warf sie ein.
„Inge, das ist egal wo man ist, erwischen kann es einen überall, lass uns noch die verbleibende Zeit genießen, in zwei Monaten rücke ich ein. Ob ich in der Wehrmacht oder der SS diene macht für mich schon einen großen Unterschied. Es wird Krieg geben, verlass dich drauf.“
Günther Weber hatte trotz seiner Jugend nicht den geringsten Zweifel daran, dass die Welt in naher Zukunft erschüttert werden würde. Alle Zeichen standen auf Sturm und er war intelligent genug diese zu deuten. Der Führer hatte das Sudetenland heim ins Reich geholt, im März 1938 war Österreich zum Deutschen Reich dazukommen. Weber wusste, dass die Ausbildung in der Hitlerjugend nicht nur ein Spaß gewesen war, sondern die heranwachsenden Männer auf den Einsatz im Feld vorbereiten sollte. Hitler und Goebbels sprachen seit langem vom fehlenden Lebensraum und der Überlegenheit der germanischen Rasse und so lag es nahe, nein, würde es zwangsläufig darauf hinauslaufen, diesen zu erobern. Dass der Zug nach Osten gehen würde war ihm klar, nicht umsonst war immer wieder die Rede von den slawischen Untermenschen. Günther Weber war nicht bewusst, dass er durch die fortlaufenden und jahrelangen Indoktrinationen diese Parolen immer mehr verinnerlicht hatte und ohne jeglichen Zweifel fest an sie glaubte. Wenn er sich im Spiegel betrachtete sah er einen hochgewachsenen jungen Mann, der mit seinen blonden Haaren und den blauen Augen das Ebenbild eines Ariers zu sein schien. Bilder aus dem rückständigen Polen oder aus Russland bestätigten ihn in der Auffassung, dass diese Menschen dort tatsächlich unter Bedingungen lebten, die für ihn unvorstellbar waren. Einerseits fühlte er sich ihnen gegenüber überlegen, zum anderen wäre ein Feldzug in den Osten auch die Möglichkeit, dem von allen Seiten umschlossenen Deutschland mehr Raum zu verschaffen und die Lebensverhältnisse dort zu ändern.
Inge liefen Tränen über das Gesicht und er begann sie sacht zu streicheln, erst an den Oberarmen, dann an den Innenseiten ihrer Schenkel. Zärtlich knabberte er an ihrem Ohr und stieß seine Zunge in die Muschel, sie erschauderte. Er war ungeduldig und erregt, drang in sie ein und kam schnell. Erschöpft ließ er sich neben sie fallen, beide lagen atemlos da. Nach einiger Zeit beugte sie sich zu ihm herüber und küsste ihn zärtlich.
„Das war schön“ flüsterte sie ihm ins Ohr.
Er schaute sie lächelnd an und erstmals wurde ihm richtig bewusst, dass sich sein Leben bald grundlegend ändern sollte. Er würde alles aufgeben müssen, seinen mehr oder weniger geregelten Tagesablauf, sein festes Quartier, die regelmäßigen Mahlzeiten und vor allem: seine Sicherheit. Dass er in diesem Krieg auf der Strecke bleiben könnte war ihm klar. Die Entscheidung hatte aber etwas Unvermeidliches, wie er es auch drehte, so oder so würde er bald in Uniform an irgendeinem Ort der vom deutschen Reich beherrscht werden würde, sein Leben riskieren. Er war jetzt achtzehn und plötzlich ging ihm der Gedanke durch den Kopf, dass er möglicherweise seinen nächsten Geburtstag nicht mehr erleben würde. Inge hatte sich eng an ihn geschmiegt und ihre weichen Brüste drückten sich an seine Rippen. Sein Blick richtete sich gegen die Scheunendecke und er sah Bilder der Wochenschau vor sich, deutsche Panzer paradierten vor dem Führer vorbei, Flugzeuge zogen am Himmel ihre Bahn. Warum sorgst du dich sprach er sich selbst Mut zu, wenn es das Schicksal will sterbe ich für Deutschland und seine Zukunft. Genug der trüben Gedanken, genieße die Zeit.
Er küsste Inge, und sie schliefen noch ein zweites Mal miteinander.