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Warum lachen?

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DER eingangs beschriebenen These zufolge ist es gewiss kein Zufall, dass es sich bei dem frühesten uns literarisch überlieferten Gelächter des europäischen Altertums um ein Lachen aus Spott handelt; nämlich um das sprichwörtliche »homerische Gelächter«, das ein schier unaufhörliches1, jedenfalls schallendes Gelächter ist, in das die Götter der Griechen sowohl in der »Ilias« (ca. 700 v. Chr.) als auch in der »Odyssee« (ca. 650 v. Chr.) verfielen, und zwar jeweils aus Hohn über Dritte. Diese Dritten sind jedoch keine Menschen, die den Göttern von Natur aus unterlegen wären, sondern es sind Mitglieder ihrer eigenen Gesellschaft; denn nur dann erfüllt der Spott seinen Zweck und kann überhaupt erst funktionieren, wenn er sich gegen Angehörige der gleichen Art richtet. Deshalb verspotten Menschen ebenfalls nur Menschen und nicht etwa Tiere. In der »Ilias« (I, 599) lachen die Götter über die linkischen Bewegungen des hinkenden, hässlichen Hephaistos, weil der Gott des Feuers und des Schmiedehandwerks so gar nicht dem hellenischen Ideal flinker, wendiger Schönheit entspricht. In der »Odyssee« (VIII, 326) verlachen und verspotten sie Aphrodite und Ares, die in eine peinliche Situation geraten waren, nachdem Hephaistos sich eine List ausgedacht hatte, um seine untreue Gattin Aphrodite zusammen mit ihrem Liebhaber Ares zu bestrafen: Er brachte über dem Bett ein Netz aus feinen Blitzen an, das sich zusammenzog und die beiden aneinanderfesselte, sobald sie sich ins Bett begeben hatten. Als die übrigen Götter das sahen, sollen sie erneut in jenes schallende, »homerische« Gelächter ausgebrochen sein.

Also erheiterten sich selbst die Götter vor allem am Schaden anderer. Wieso aber denken sich Menschen so etwas aus? Wieso dichten sie ihren Göttern ein solches Verhalten an, das diese nicht besser erscheinen lässt, als sie selber es sind? Eben weil alle Religionen eine Projektion des Eigenen auf jenseitige Autoritäten darstellen – entweder mit der Absicht, in jenen höchsten Wesen Gestalten sich auszumalen, die so sind, wie man selber gerne wäre, nämlich perfekt und allmächtig, und die sich deshalb eignen, als ordnungsstiftende »Schöpfer« und »Herren« angebetet zu werden (mosaische Variante); oder aber um die Fehlbarkeit der Welt durch die Fehlbarkeit der Götter zu erklären, denen man allzu menschliche Verhaltensweisen unterstellt, womit zugleich das eigene Fehlverhalten relativiert wird (polytheistische Variante). Weil also die Griechen wussten, dass der Spott eine Waffe ist, die unter Menschen schon sehr früh zur Anwendung gekommen sein musste, legten sie auch ihren Göttern diese Waffe in die Hand, die damit nicht weniger geschickt und häufig umgingen.

Welche Motivation aber verbirgt sich hinter dem Lachen als Waffe oder Zuchtmittel? Was empfindet der Mensch, wenn er andere verhöhnt und auslacht? Auch hier geht ein Eigennutz zu Werke, wenn der Mensch sich spottend über andere erhebt; er empfindet eine Freude dabei, sich selber von den Unglücklichen, Ungeschickten, Schwachen oder Genarrten ausnehmen zu können. Denn Verlachen oder Auslachen geschieht aus Hochmut des Glücklichen, von Missgeschicken, Pech und Unzulänglichkeiten – wenigstens für diesen Moment – verschont geblieben zu sein. Der Lachende hat jene Unaufmerksamkeit oder Dummheit nicht begangen, und deshalb flieht er vorschnell in die Behauptung, dass ihm das nicht passiert sei, weil ihm das gar nicht passieren könne. Also reagiert er mit (heimlicher) Freude über die Dummheit eines anderen und stößt ein Lachen aus zum Beweis seiner glücklichen Lage, und damit gewissermaßen aus Dankbarkeit vor dem Schicksal. Das Lachen aus Schadenfreude, also das Ur-Lachen als Reaktion auf ein fremdes Missgeschick, ist Ausdruck der Selbstvergewisserung, der Selbstbehauptung gegenüber denjenigen, denen ein Missgeschick oder Schaden widerfuhr. Man wähnt sich im Vorteil, glaubt sich besser gestellt, weil man in diesem Augenblick eben nicht selber Opfer allgemeinmenschlicher Unzulänglichkeiten geworden ist und deshalb von der heimlichen Scham, die man in sich trägt, ablenken kann, indem man auf den Schaden anderer zeigt. Aber eben weil jeder Spott nur ein Von-sich-Weg-weisen und somit ein Ablenken von sich selber ist, und das Wissen darüber im Spott stets mitschwingt, hält sich das eigene Überlegenheitsgefühl – denn dieses hätte den Spott gar nicht nötig – in Grenzen. Deshalb kann das Überlegenheitsgefühl selber niemals Auslöser oder Ursache des Lachens sein, wie Hobbes und Baudelaire behaupteten. Vielmehr wird das Gefühl eigener Überlegenheit erst durch das Lachen ausgelöst, ist also Folge des Lachens und nicht dessen Ursache.

Lachen gilt bis heute als Alternative zum Sichärgern. Über fast alles, was verärgert, ließe sich bei entsprechend leichtsinniger oder frohgemuter Anlage auch lachen. Deshalb kam in rationalen, hochgebildeten Gesellschaften die Forderung auf, lachen zu lernen. Denn der erwachsene, abgeklärte Mensch läuft Gefahr, den Sinn für Komisches zu verlieren, weil er sich über Dummheiten – seien es seine eigenen, seien es die anderer – übermäßig ärgert. Je klüger, rationaler, ernsthafter und gebildeter ein Mensch ist, desto weniger neigt er dazu, über das Lächerliche in der Welt zu lachen. Auch begreift er schnell, dass das meiste, worüber Menschen lachen, gar nicht komisch ist, sondern bloß albern, weshalb Dumme über Dummes lachen, ohne sich darüber zu ärgern, während wirklich Witziges oder Komisches dem klugen Menschen nur sehr selten begegnet, so dass es für ihn, den distinguierten, reifen, bedächtigen, weisen Menschen entsprechend selten etwas zu lachen gibt. Daher wird diesem klugen Menschen von noch klügeren Menschen geraten, das Lachen wieder, also gewissermaßen neu zu lernen – und sich so in Gelassenheit zu üben. Derlei Aufforderungen finden sich bei Hermann Hesse (etwa im »Steppenwolf«) oder bei Nietzsche (im »Zarathustra«: »lernt mir lachen, meine Brüder«), worin sich jedoch auch immer eine kleine Resignation, wenn nicht eine kleine Verzweiflung verrät, die Ultima ratio, bevor man am Tragischen des Lebens zu zerbrechen droht, wie, um im Beispiel zu bleiben, Harry Haller oder Zarathustra.

Vielleicht hat man wegen dieser Nähe des Ärgerlichen zum Heiteren den Ursprung des Lachens mit der Drohgebärde in Zusammenhang gebracht. Tatsächlich gibt es Theorien, die besagen, das Lachen sei aus der archaischen Geste des Zähnezeigens entstanden, also aus einer Geste der Abschreckung heraus: Bei Bedrohung fletschte der Frühmensch, gleich dem Tier, die Zähne, um dem Gegner sein gesundes Gebiss zu zeigen und ihn dadurch einzuschüchtern, während in der eigenen Gruppe das Zähnezeigen, als Ausdruck von Gesundheit und Kraft, für Vertrauen, Sicherheit und Beruhigung, also für eine gewisse Heiterkeit, gesorgt habe, so dass diese Geste als Lachen interpretiert werden konnte. Freilich ist von solchen Theorien nicht allzuviel zu halten, denn es scheint nur wenig plausibel, warum ein und dasselbe Gebaren zwei völlig gegensätzliche Gemütszustände beschreiben oder zu erkennen geben sollte. Dennoch ist das Lachen eine im Grunde ernste Angelegenheit, da es seinen Ursprung mit Sicherheit nicht im Komischen hat, sondern, wie gesagt, lange vor der Sprache entstanden sein dürfte – und zwar als Zeichen der Deeskalation, als Ausdruck guter Absichten und der Friedfertigkeit. Es diente als Entspannungsgeste und ergab sich folglich nicht aus dem Verlangen heraus, auf Lustiges zu reagieren, sondern wurde zunächst aus der Not geboren. Das war das Lachen, das Ur-Lachen, das als kommunikativer Schutzmechanismus entstand, bevor sich unter Menschen ein Sinn für Komisches entwickelte. Später hat diese bereits vorhandene Fähigkeit oder dieser eingeübte Reflex dann auch den Ausdruck für die Freude am Komischen angenommen. Deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass Lachen aus der Bedrohungsgeste heraus entstand, denn dann wäre es für die gegenteilige Funktion kaum noch in Frage gekommen, ohne eine Anzahl heilloser Missverständnisse auszulösen.

Rein physiologisch erklärt sich das Lachen etwa wie folgt: »Lachen ist ein Muskelphänomen, das aus krampfartiger Kontraktion und Entspannung der Gesichtsmuskeln mit entsprechenden Bewegungen im Zwerchfell besteht. Die assoziierten Zusammenziehungen des Kehlkopfs und des Kehldeckels unterbrechen das Atemschema und stoßen einen Ton aus.«2 – Aber das beschreibt freilich nur die Mechanik des Körpers oder von dessen Organen und Muskeln, die durch etwas Mentales ausgelöst wird, das dem Phänomen des Humors zugrunde liegt. Es reicht aber nicht aus, die Sache als Ganzes zu erfassen. Denn das Lachen ist eben nicht nur Ausdruck eines physischen Reizes, wie etwa das Husten, ist also keine bloße Körperreaktion, sondern eine Form der Artikulation von Geisteszuständen, Empfindungen und Stimmungen.

Lachen kann verunsichern, ja sogar vernichten, wenn es als Waffe benutzt wird, aber in den meisten Fällen will und soll es die Lachenden beruhigen und sie miteinander in Freude vereinen; deshalb wirkt Lachen ansteckend, indem es allgemeine Entwarnung signalisiert. Lachen befreit somit vielmehr von einer sozialen Anspannung, als dass sich eine gespannte Erwartungshaltung in Nichts auflöst, wie die klassischen Witz-Theorien besagen. Überhaupt ist das Witzige viel seltener Ursache des Lachens, als allgemein angenommen wird, sondern zumeist bloß Medium, Träger oder Brücke eines Bedürfnisses, das gar nicht in der losgelösten Heiterkeit, sondern tief im Gruppenanbindungsverhalten verankert ist. Denn so sehr das Lachen als geistig-körperliche Bewegung, als orgiastische »Explosion« der eigenen Gesundheit zuträglich ist, so wenig geht dieses Verlangen doch vom »Körper« aus, der ohne weiteres nach Befriedigung verlangt, was dazu führt, dass sich das Verlangen, nachdem es gestillt wurde, auflöst; ganz ähnlich dem Verlangen nach körperlicher Anstrengung (Sport) oder dem nach Sex. Die Handlung des Lachens aber reicht weiter, denn mit ihr sind viel höhere, das heißt folgenreichere Anforderungen und Erwartungen verknüpft. Wer in Anwesenheit anderer lacht, will damit etwas ausdrücken, das die anderen betrifft, er interagiert mit ihnen, um die soziale Situation, in der er sich befindet, zu sondieren, vielleicht sogar zu beherrschen. Wohlwollendes Lachen dient als Zeichen von Übereinstimmung. So wie Lächeln als Ausdruck von Gewogenheit und Friedfertigkeit gewertet wird, so zeigt Lachen Kommunikationsbereitschaft an: Jemand macht einen Scherz – es muss kein guter sein –, und wir lachen, weil der Scherzende lacht, um damit zu signalisieren, dass wir ihm wohlgesonnen sind, uns die Situation angenehm ist, wir uns auf ihn einlassen und ein Gemeinschaftsgefühl herstellen wollen, eine Stimmung der Übereinkunft, die uns in das bestehende Sozialgefüge aufnimmt und einbindet. Deshalb wird in Gruppen, beim heiteren Beisammensein so viel gelacht. Nicht, weil wirklich Komisches oder gar Witziges passierte, sondern als Signal der Übereinstimmung und Zugehörigkeit, derer man sich gegenseitig versichern will.

Innerhalb solcher Gruppen entstehen dann absichtsvoll Einheiten, deren Mitglieder geeignet sind, sich noch näher aneinander zu binden, »echte Freunde« zu werden. Menschen, die gemeinsam über die gleichen Dinge lachen können, empfinden einander in der Regel als sympathisch, da sie den gleichen Sinn für Humor teilen, geistig harmonieren. Darin liegt vielleicht die Grundlage aller zwischenmenschlichen Beziehungen. Denn hier beginnt der Humor seine selektierende Funktion auszuüben: Er führt Menschen zusammen durch den Gleichklang ihrer Heiterkeit. Dagegen gelangen Menschen, die nicht über den gleichen Sinn für Humor verfügen, kaum je zu einem tieferen Verständnis füreinander, denn über den Humor teilt der Mensch sein Wesen mit, indem er zeigt, wie es um seine Sicht auf die Welt und damit um ihn selber bestellt ist.

Und das kann oft eine ganz einfache Sicht sein, die einem zutiefst schlichten Gemüt entspringt. Lachen führt dann zur Erholung des Geistes von den Anstrengungen des Denkens und davon, ein zur Vernunft begabtes Wesen zu sein, weshalb die seichtesten Komödien und die albernsten Shows das breiteste Publikum anziehen. Je platter die Witze, desto schallender das Gelächter, worin der Mensch etwas Befreiendes, Reinigendes erlebt; wie zum Beispiel während des Karnevals, wenn sich diverse Anspannungen in Gelassenheit entladen.

Der subtile Witz vermag dagegen eine solche Wirkung nicht zu erzielen. Er belässt den Geist in seiner »natürlichen« Anspannung, während die Albernheit die Menschen vereint und »erlöst«, worin ein tiefes Bedürfnis zu bestehen scheint, was die schiere Anzahl und der Erfolg diverser Blödel-Shows belegt, die ganz bewusst auf Niveaulosigkeit setzen und diese zu ihrem Markenzeichen erheben. Man will beim Lachen nicht auch noch denken müssen, und man will über Menschen lachen, die dümmer scheinen als man selber. Deshalb verschwindet in Massen- und Mediengesellschaften der raffinierte Witz und das, was im 18. Jahrhundert »Esprit« hieß, immer mehr aus der Öffentlichkeit. Denn alle Komiker buhlen und konkurrieren um das gleiche Publikum – ähnlich den Parteien, die dem Wähler ebenfalls durch Gewöhnlichkeit und durch Vermeidung von Scharfsinn, Bildung, Esprit und herausragender Persönlichkeit täglich suggerieren, auf keinen Fall klüger, honoriger, gesitteter, untadeliger zu sein als ihre Wähler. Man darf nicht nur, man soll über den Politiker lachen, sowie der Politiker auch über den Wähler lacht; darin besteht die stille Übereinkunft zwischen Wähler und Gewähltem, ihre Gleichstellung. Deshalb gibt es in der nivellierten Gesellschaft auch keine echte gesellschaftliche Ironie mehr oder gar den intelligenten politischen Witz, weil Regierende und Regierte geistig, sittlich, moralisch auf der gleichen Stufe stehen, jegliche Standes- oder Klassenunterschiede restlos aufgehoben sind, sich niemand mehr vom anderen durch Erziehung, Bildung oder Geschmack auffällig unterscheidet. Das war in vormodernen Gesellschaften freilich noch anders.

In seinem Film »Ridicule. Von der Lächerlichkeit des Scheins« (1996) zeigt Patrice Leconte, welche Macht der Esprit am französischen Hof und überhaupt in der Gesellschaft des späten 18. Jahrhunderts besaß. Ein witziger Einfall konnte alle Türen öffnen, ein missglücktes, peinliches Wortspiel dagegen zum Verhängnis werden. Unter diesem Druck stehend träumt eines Nachts der Protagonist, Marquis Ponceludon de Malavoy, der sich wegen eines dringenden Anliegens unbedingt Zugang zum König verschaffen will, er befinde sich kurz vor der Hinrichtung – da sagt der Henker: »Ein Bonmot und du bist gerettet.« Glücklicherweise verfügt Ponceludon im wachen Zustand tatsächlich über die nötige Schlagfertigkeit. Als der Landadlige endlich auf den König trifft, verlangt dieser, er möge ihm eine Kostprobe seines Esprits geben und spontan etwas Scharfsinnig-Witziges sagen, zum Beispiel über die Krone, woraufhin Ponceludon meint: »Aber Sire, die Krone ist kein Aufsatz.« Das beeindruckt den König; er versichert sich noch rasch bei seinem Gefolge, ob dies auch wirklich ein Bonmot sei und hoffentlich kein Kalauer, was die Berater ihm bestätigen, womit der Bittsteller die Gunst des Königs erwirkt hat.

Der französische Esprit macht deutlich, wie aus der Lust am intelligenten Humor, am gehobenen, kunstvoll gezierten Witz ein Luxus, ja ein Gesellschaftsspiel des Adels wurde, dessen Beherrschung über Erfolg und Scheitern bei Hof entschied. Folglich überdauerte der Esprit, den sich nicht wenige Höflinge regelrecht anzutrainieren versuchten, das Ancien Régime kaum. Der elitäre Witz war nicht massentauglich, ja er drang nicht einmal bis in die bürgerlichen Schichten vor. Denn das bloße Spiel mit dem klugen, ausgefeilten Einfall, der oft nur spontan schien, während er in Wahrheit das Ergebnis mühevoller Vorbereitung auf die möglichen Wendungen jener inszenierten Gespräche war, diese spielerische Gewitztheit setzt eine Muße und Selbstherrlichkeit voraus, wie sie vielleicht nur dem Adel des 18. Jahrhunderts vorbehalten blieb.

Doch übte der Esprit den aufgeweckten Geist nicht allein in der Ironie und Schlagfertigkeit, sondern auch darin, eine Sache ins Lächerliche zu ziehen, um ihren Grund gleichsam zu verdecken, unzugänglich zu machen. Hier treffen wir auf eine weitere Funktion des Humors: die der Flucht vor der Wahrheit, dem Ausweichen vor der Realität. Denn die Neigung, etwas lächerlich zu machen oder eine Sache »mit Humor zu sehen«, ist oft eine Form von Bequemlichkeit, sich nicht genauer damit auseinandersetzen zu müssen. Man lacht über sie wie aus Verlegenheit, schaut darüber hinweg und nimmt sie nicht ernst. Man beginnt, die Dinge lächelnd zu betrachten, die Welt bloß »komisch« zu finden, heiter auf ihrer Oberfläche herumzuspazieren und das Leben als große Komödie zu sehen.

Aber ist dies wirklich eine Variante der Weisheit, wie gern behauptet wird, oder nicht doch nur ein als Lebensklugheit verkleidetes Abwenden und Wegschauen? Eine kleine Feigheit, ein Ausweichen und eine frühzeitige Kapitulation vor den Dingen? Die Romantische Ironie, die genau dies intendiert, war deshalb auch keine spaßige Angelegenheit, sondern eher ein Zynismus. Denn sie diente als Mittel, den tragischen Grund der Welt dadurch zu bedecken, dass man ihn ironisierte. Wegen ihrer Verführungskraft setzte sich diese Methode schließlich durch. Seitdem hat das Gleichgültige, ausweichend Belustigende das eigentlich Närrische abgelöst; man schmunzelt lieber darüber, die Welt nicht zu verstehen, oder erklärt sie kurzerhand zur Komödie, anstatt sich die Narrenkappe aufzusetzen, um seine Witze über das Groteske oder Absurde der Welt als jemand machen zu können, der – allen sichtbar – für diese Rolle prädestiniert ist.

Dieser Tatsache zum Trotz rief bereits im 15. Jahrhundert ein so wissbegieriger Mann und Humanist wie Sebastian Brant in seiner Satire »Das Narrenschiff«– die 1494 in Basel auf deutsch, 1497 auf lateinisch und daraufhin in viele Volksprachen übersetzt erschien und weite Verbreitung fand – dazu auf, nicht nach den Sternen zu schauen, die Erde zu vermessen oder die Meere nach fremden Ländern abzusuchen, denn das sei Narretei: »Wer vß misßt hymel, erd vnd mer/​Vnd dar jnn sucht lust, freüd vnd ler/​Der lug, das er dem narren wer.«3

Sogenannte Narrenliteratur hatte um 1500 Konjunktur. Sie war das Ergebnis der geistigen Turbulenzen jener Zeit und wollte Ordnung in die verunsicherten Köpfe bringen, indem sie dem Menschen – am berühmtesten wohl in »Lob der Torheit« des Erasmus von Rotterdam – satirisch den Spiegel vorhielt, aber auch nicht mit moralischen Belehrungen sparte. »Ohne mich«, ließ Erasmus um 1510 die Torheit ausrufen, »ist im Leben kein Bund, keine Gemeinschaft angenehm noch dauernd, und zwar würde das Volk nicht lange seinen Fürsten, der Herr nicht seinen Diener, die Zofe nicht ihre gnädige Frau, der Lehrer nicht seinen Schüler, der Freund nicht seinen Freund, die Gattin nicht den Gatten, der Wirt nicht den Gast, der Gefährte nicht den Gefährten, kurz kein Mensch den anderen dulden, wenn sie sich nicht gegenseitig bald täuschten, bald einander schmeichelten und klug nachgäben, wenn schließlich nicht alles durch eine Beigabe an Torheit gewürzt wäre.«4 Mit dieser Wahrheit im Rücken lässt sich freilich bequem leben – und weiterhin Torheit begehen.

Die meisten klassischen Theorien der Komik unterstellten, dass der Mensch unweigerlich lachen müsse, sobald er mit etwas Witzigem oder Komischem konfrontiert werde. Demnach entstehe Gelächter aufgrund von Witzigem oder Komischem. – Doch ist das, was schallendes Gelächter hervorruft, wirklich komisch oder nicht vielmehr nur grotesk? Ist es denn tatsächlich das Witzige, das uns lachen macht? Müssen wir also ein solches Lachen oder Lachen überhaupt als die körperliche Reaktion auf etwas Witziges ansehen, oder löst der echte Witz nicht vielmehr bloß geistige Freuden aus, die sich in einem vergnüglichen Schmunzeln, also einem weitgehend körperlosen, inneren Lachen äußern, in Erheiterung, während nur das Absurde, Groteske, im Grunde aber eben gerade nicht Witzige jenes durch Reizung des Zwerchfells hervorgerufene laute Gelächter erzeugt?

Denn der Sinn für Komisches ist nicht gleichzusetzen mit der Begabung zum Witz, das heißt mit der geistigen Fähigkeit, Witziges zu denken, von sich zu geben und selber dafür empfänglich zu sein. Der Witz ist genaugenommen zumeist gar nicht komisch im ursprünglichen Sinne, sondern eine Ausdifferenzierung, eine Verfeinerung, eine Kultivierung des Komischen, das sein Vulgäres verliert, indem es durch Raffinesse nicht mehr für jedermann auf Anhieb zugänglich ist.

Humor

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