Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 416 - Frank Moorfield - Страница 7

2.

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Das fahle Mondlicht verlieh dem Wasser der Bucht einen silbrigen Glanz. Die vier Männer, die das Ufer erreicht hatten, atmeten erleichtert auf.

Nachdem der Schimpanse Arwenack und Sir John, der karmesinrote Aracanga-Papagei, wesentlich zu ihrer Befreiung beigetragen hatten, waren Jean Ribault, Don Juan de Alcazar, Dan O’Flynn und Edwin Carberry in Richtung Westen aufgebrochen – mit bösen Ahnungen, denn sie wußten, daß die schwarze Piratin mit der erbeuteten Jolle und Hasard als Geisel zur Bucht von Mariel gesegelt war.

Der lange Weg durch das Mangrovendickicht und das unwirtliche Küstengelände war äußerst beschwerlich gewesen. Äste und dornige Zweige hatten ihnen in der Dunkelheit die Gesichter zerkratzt, und ihre Füße hatten sich häufig im Geflecht von Wurzeln und Schlingpflanzen verfangen. Doch ein Sturz auf den morastigen Boden oder ins hohe Farnkraut hatte die Männer nicht zurückgehalten. Sie hatten ihr Ziel, die Bucht von Mariel, unbedingt noch vor Tagesanbruch erreichen wollen, und das war nun geschafft.

„Ein reizender Spaziergang war das.“ Dan O’Flynn bog einen Ast zur Seite. „Schade, daß er schon zu Ende ist. Mit einem hübschen Mädchen im Arm wäre es direkt romantisch gewesen.“

„Willst du jetzt zu jammern anfangen, was, wie?“ fragte Edwin Carberry, der sein gewaltiges Rammkinn vorgeschoben hatte. „Sei froh, daß dir die Ameisen nicht den Hintern angeknabbert haben.“

„Die Black Queen hätte sich bestimmt darüber gefreut“, sagte Dan grinsend. „Sie hat den fleißigen Tierchen zum Abschied noch einen guten Appetit gewünscht.“

Edwin Carberry winkte verächtlich ab.

„Mit den niedlichen Krabbeldingern hätte ich mich womöglich noch angefreundet. Aber wenn ich morgen, so langsam vor mich hindurstend, in der Sonne gebraten hätte und irgend so ein heimtückisches Teufelchen hätte mir ständig eine Rumbuddel vor die Augen gehalten – das hätte ich dem mordlüsternen Frauenzimmer nie verziehen, niemals! Dafür hätte ich ihr wahrhaftig die Haut in Streifen von ihrem schwarzen Affen … äh – von ihrem runden Hintern abgezogen.“

Jean Ribault, der drahtige Franzose, warf Dan und Ed einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Jetzt hört aber mal auf, in Rachegelüsten zu schwelgen. Wir können heilfroh sein, daß die Wünsche dieser Furie nicht in Erfüllung gegangen sind und wir uns bis hierher durchschlagen konnten, auch wenn es nicht das reinste Vergnügen war. Laßt uns lieber überlegen, was jetzt zu tun ist.“

„Das tun wir doch schon die ganze Zeit, Mann“, sagte Carberry. „Oder meinst du vielleicht, wir sind zu dieser idyllischen Bucht marschiert, um wieder umzukehren, was, wie? Daß wir zur ‚Isabella‘ hinüberschwimmen, ist doch völlig klar, oder?“

Jetzt mischte sich Don Juan ein. „Auf den Schiffen scheint sich bereits einiges getan zu haben. Nun ja, das war ja auch zu erwarten.“

In Ufernähe verhielten die Männer ihre Schritte. In banger Erwartung blickten sie zu den beiden vor Anker liegenden Schiffen hinüber.

„Merkwürdig“, sagte Jean Ribault. „Auf der ‚Isabella‘ ist alles dunkel, und nichts rührt sich. Der Zweidecker aber ist hell beleuchtet, und zwei Figuren bewegen sich an Deck hin und her. Das kann doch nur …“

„Du hast recht“, unterbrach ihn Dan, der die schärfsten Augen hatte. „Das ist die Black Queen mit ihrem Handlanger. Verdammt, die scheinen die Schiffe tatsächlich in der Hand zu haben. Was mag mit unseren Leuten geschehen sein?“

Diese Frage beschäftigte sie alle am meisten.

„Der Blitz soll die schwärze Giftviper treffen, wenn sie einem unserer Kerls auch nur ein einziges Haar gekrümmt hat!“ knurrte Carberry, und sein narbiges Gesicht verhieß nichts Gutes.

„Wir müssen sofort etwas unternehmen“, sagte Don Juan, „denn mit Mutmaßungen ist niemandem geholfen. Ich schlage vor, daß wir uns näher an jene Uferstelle heranarbeiten, die der ‚Isabella‘ am nächsten liegt. Dann schwimmen wir hinüber, aber unbemerkt, denn wir wissen nicht, was uns an Bord erwartet.“

„Offenbar befindet sich niemand mehr an Bord“, sagte Ribault. „Aber wir müssen natürlich trotzdem auf der Hut sein. Zumindest droht uns zunächst von der Queen und dem Kreolen keine direkte Gefahr, weil sie sich auf dem Zweidecker aufhalten.“

„Auf was warten wir noch?“ fragte Dan. „Ab ins Wasser und hinüber mit uns.“

„Nur langsam“, mahnte Jean Ribault. „Wie habt ihr euch das mit den Tieren vorgestellt? Sir John könnte ja notfalls hinüberfliegen, aber wer garantiert uns, daß er dabei den Schnabel hält?“

Der Profos streichelte mit einem geradezu verliebten Blick das bunte Gefieder des Vogels, der auf seiner linken Schulter saß.

„Den Schnabel wird er schon halten“, sagte er. „Wenn er es nicht tut, werde ich dafür sorgen, daß er nasse Füße kriegt. Sir John wird nämlich beim Schwimmen auf meinen Schultern oder meinetwegen auch auf meinem Kopf sitzen.“

„Und Arwenack wird mir im Nacken sitzen“, fügte Dan O’Flynn hinzu. „Sehr weit ist es ja nicht, wenn wir die günstigste Stelle wählen.“

„Na, meinetwegen kann’s losgehen“, sagte Jean Ribault und setzte sich in Bewegung.

„Backen und Banken!“ ließ sich Sir John vernehmen, dann brabbelte er leise etwas in sein Gefieder. Nach wie vor hockte er auf der Schulter seines Herrn und Gebieters und verkrallte sich in dessen Kleidung.

Da die vier Männer keinerlei Waffen hatten, nahmen sie die strammen Knüppel mit, die sie unterwegs aufgelesen hatten – für alle Fälle.

Schon kurze Zeit später tauchten sie in das Wasser der Bucht und schwammen auf die „Isabella“ zu.

Die Galeone der Seewölfe schaukelte gemächlich in der Dünung. Außer den Geräuschen des Dschungels war oft nur das Wasser zu hören, das gegen die Bordwand plätscherte. Von Zeit zu Zeit zerriß die schrille Stimme der Black Queen die Stille, wenn sie ihren Geiseln irgendeine Gehässigkeit zurief oder aber Pablo, dem dicklichen Kreolen, einen Befehl gab.

Die sechs Arwenacks, die sich auf der „Isabella“ verschanzt hatten, setzten ihre Beratung unverdrossen fort, denn sie waren sich darüber im klaren, daß dies die Nacht der Entscheidung war. Wenn es ihnen nicht gelang, Hasard, Siri-Tong und die Kameraden aus den Krallen der schwarzen Piratin zu befreien, würde das üble Folgen für sie alle haben. Ebenso für Arne von Manteuffel und dessen Faktorei in Havanna und für die Freunde auf der Schlangen-Insel. Die Black Queen kannte keine Skrupel, sie würde vor nichts zurückschrecken.

Vorsichtshalber hatten sich die sechs Seewölfe aus den Geheimkammern mit Waffen eingedeckt. Sie hatten nicht nur Messer, Degen und Pistolen mit an Deck gebracht, sondern auch Musketen und einige trichterförmige Tromblons, die eine verheerende Streuwirkung hatten.

Batuti kraulte noch immer das Fell Plymmies, aber seine Augen funkelten wütend. Der Mann aus dem stolzen Stamm der Mandingos, der einst vom Seewolf von einem spanischen Sklavenschiff befreit worden war, hatte doppelten Zorn auf die Black Queen – offenbar deshalb, weil sie von schwarzer Hautfarbe war und sich wie ein Teufel gebärdete.

„Diese Frau bringt Schande über alle schwarzen Leute“, stieß er hervor.

Stenmark beruhigte ihn. „So darfst du das nicht sehen, Batuti. Wir begegnen auch Schnapphähnen und Galgenvögeln, die der weißen Rasse angehören, und glaube bloß nicht, daß die auch nur um einen Deut besser sind. Tagediebe gibt es da wie dort, deshalb müssen wir auch gemeinsam sehen, wie wir mit ihnen fertig werden.“

Batuti rollte mit den Augen. „Soll ich meinen Bogen holen? Pfeile sind lautlos, und Batuti ist ein guter Schütze.“

Big Old Shane winkte ab.

„Besser nicht“, sagte er. „Es ist dunkel, und die Entfernung ist zu riskant für einen Treffer. Ich weiß, daß du ein hervorragender Schütze bist und höchstwahrscheinlich auch einen der beiden Piraten erwischen würdest, aber wie würde dann der andere reagieren? Am Ende könnte das dazu führen, daß man einer Geisel ein Messer an die Kehle setzt, und wir müßten dann ebenfalls auf die ‚Caribian Queen‘ überwechseln, um dort in die Ladeluke zu steigen. Dann aber hätten wir alle Trümpfe verspielt.“

Das leuchtete dem Gambia-Mann ein. Dennoch murmelte er eine Verwünschung in seiner Muttersprache vor sich hin, die selbst die Black Queen hätte erblassen lassen. Offenbar überdeckte Batuti damit seine Sorge um Hasard und Siri-Tong sowie um die eingesperrten Kameraden.

„Shane hat recht“, sagte Ferris Tucker. „Wir müssen auf Nummer Sicher gehen. Jedes unnötige Risiko kann alles verderben.“

„Mir ist aber noch nichts eingefallen, was risikolos wäre“, ließ sich Sam Roskill vernehmen. „Wollen wir einfach hinüberschwimmen und die beiden überrumpeln?“

Ferris wiegte den Kopf hin und her. Dann rückte er mit einem Vorschlag heraus.

„Wie wär’s“, sagte er, „wenn wir auf der ‚Isabella‘ irgend etwas veranstalten würden, das die Aufmerksamkeit der Queen und des Kreolen erregt?“

„Das kannst du haben“, sagte Sam Roskill sofort. „Wir brauchen nur Plymmie zum Bellen zu bringen. Das dürfte nicht einmal sonderlich schwer sein.“

Ferris lächelte. „Warum eigentlich nicht? Aber es dürfte auch noch andere Möglichkeiten geben. Jedenfalls gehe ich von der Überlegung aus, daß einer der beiden aller Wahrscheinlichkeit nach zur ‚Isabella‘ übersetzen würde, um nachzusehen, was hier los ist. Während das geschieht, müßten bereits drei von uns zum Zweidecker hinübergeschwommen sein, um in der Ablenkungsphase aufzuentern.“

Matt Davies zuckte mit den Schultern.

„Ums Schwimmen werden wir ohnehin nicht herumkommen“, sagte er, „denn beide Jollen befinden sich ja drüben bei der ‚Caribian Queen‘. Doch welche Vorteile versprichst du dir von diesem Vorgehen, Ferris?“

„Der Vorteil wäre“, fuhr der Schiffszimmermann fort, „daß die Negerin und der Kreole voneinander getrennt wären. Einer käme rüber auf die ‚Isabella‘ und könnte von einer Gruppe überwältigt werden, der andere würde währenddessen auf dem Zweidecker von jenen in die Mangel genommen werden, die vorher hinübergeschwommen sind.“

Die Männer dachten kurz über seinen Vorschlag nach.

„Die Idee ist nicht schlecht, Ferris“, sagte Big Old Shane schließlich. „Aber woher willst du wissen, daß die Black Queen so reagieren wird, wie du dir das vorstellst? Der Plan aber kann nur gutgehen, wenn sie das tut. Ich finde, das Risiko ist dabei etwas zu hoch.“

„Wie meinst du das?“ fragte Ferris. „Warum sollte sie anders reagieren?“

„Nun“, erwiderte Shane, „im Grunde genommen kann ihr zur Zeit die ‚Isabella‘ völlig gleichgültig sein. Sie konzentriert sich voll auf die ‚Caribian Queen‘, und damit hat sie zusammen mit dem Kreolen schon genug zu tun. Womöglich würde sie auf Hundegebell oder andere unerklärliche Vorgänge hier an Bord gar nicht eingehen. Oder aber, sie würde ihre Geiseln hemmungslos gegen uns ausspielen, wenn sie Grund zu der Annahme hätte, daß sich hier noch jemand aufhält.“

„Shane hat recht“, sagte Stenmark. „Ich halte dieses Weib ebenfalls für zu gerissen und für zu mißtrauisch, als daß es sofort in eine Falle geht. Gleich, ob die Queen im Sinne von Ferris reagiert oder nicht – auf jeden Fall wird sie, weil ihre Aufmerksamkeit erregt ist, die ‚Isabella‘ scharf im Auge behalten, womit sich unsere Möglichkeiten wiederum verringern.“

Big Old Shane nickte. „Von dieser Überlegung bin ich ebenfalls ausgegangen. Das Überraschungsmoment ist für uns besonders wichtig und für das Leben der Geiseln sogar entscheidend. Wir dürfen es um keinen Preis verspielen. Die Black Queen hält unser Schiff zur Zeit für geräumt und unbemannt, und diesen Glauben müssen wir ihr unbedingt lassen.“

„Das sehe ich ein“, sagte Ferris. „Wer hat weitere Vorschläge? Irgend etwas müssen wir schließlich tun, und zwar bald.“

Der rothaarige Mann, dessen Kreuz so breit wie ein Rahsegel war, hob vorsichtig den Kopf und spähte zu dem Zweidecker hinüber. Doch dort bot sich immer noch das gleiche Bild. Die Queen und der Kreole hielten sich an Deck auf, und wann immer es ihr gefiel, beschimpfte die Piratin die Geiseln oder die Männer im Laderaum mit unflätigen Verwünschungen.

„Eine völlig risikolose Möglichkeit gibt es nicht“, sagte Big Old Shane nach kurzem Nachdenken. „Aber wie wär’s damit: Wir warten zunächst einmal ab, ob beide wachbleiben oder einer die Wache übernimmt. Tritt der letztere Fall ein – und das nehme ich an, weil sie irgendwann ja beide mal ausruhen müssen –, dann sollten wir hinüberschwimmen, das Schiff entern und den einen Wachgänger überwältigen. Dabei ist natürlich wichtig, daß wir möglichst lautlos vorgehen, um den jeweiligen Schläfer nicht vorzeitig auf den Plan zu rufen. Ist der Wächter überwältigt, kommt der Schlafende dran. Während sich einige von uns darum kümmern, müssen die anderen so rasch wie möglich Hasard und Siri-Tong befreien, um der Queen sämtliche Trümpfe zu nehmen. Wenn sie uns mit keiner Geisel mehr erpressen kann, haben wir sie in der Hand.“

Die Männer nickten zustimmend, und Matt Davies schlug Shane anerkennend auf die Schulter.

„Das ist ein ausgezeichneter Vorschlag“, sagte er. „Genauso sollten wir vorgehen. O Lord, das gibt ein Fest, wenn wir dieses Teufelsweib erst mal am Wickel haben.“

„Wirklich eine hervorragende Idee, Shane“, lobte auch Ferris Tucker. „Ich muß zugeben, daß dieser Vorschlag bessere Erfolgsaussichten hat und vor allem mit weniger Risiken verbunden ist. Bestimmt wird es gut sein, wenn wir uns dabei wiederum in zwei Gruppen aufteilen, dann jedoch Hand in Hand arbeiten.“

„Na schön“, sagte Shane. „Dann werden wir zunächst weiter auf Beobachtungsposten bleiben. Hoffentlich geht unser Wunsch in Erfüllung und es bleibt nur eine Wache zurück.“

„Was tun wir, wenn beide wachbleiben?“ fragte Matt Davies. „So aufgekratzt wie das Weib dort drüben rumhüpft, denkt es vorerst nicht an Schlaf, und ihr Handlanger darf wohl nur pennen, wenn Madam es erlaubt.“

„Zunächst können wir nur abwarten“, erwiderte Big Old Shane. „Vielleicht haben wir ein bißchen Glück, und es entscheidet sich innerhalb der nächsten halben Stunde, was die beiden tun. Sollten sie jedoch wirklich beide wachbleiben, was ich nicht annehme, dann schlagen wir am besten gegen drei Uhr morgens zu, denn das ist die Stunde, in der das Schlafbedürfnis am größten ist und die Aufmerksamkeit am meisten nachläßt.“

Damit waren alle einverstanden.

Sam Roskill allerdings dachte über weitere Möglichkeiten nach.

„Man müßte einen Weg finden, das Piratenweib ordentlich zu ermüden“, sagte er.

„Wie willst du das anstellen?“ fragte Matt Davies, während die anderen grinsten.

Sam rieb sich die Bartstoppeln am Kinn. „Leg’ mal die Stirn in Falten und denke darüber nach.“

Jetzt grinste auch Matt Davies von einem Ohr zum anderen.

„Du bist ein ganz schön durchtriebener Bursche“, sagte er und hob drohend den Zeigefinger. „Aber das schlag dir ruhig aus dem Kopf. Da ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß sich die beiden eine Rumbuddel holen und sich einen hinter die Binde kippen. Das käme unseren Absichten mit Sicherheit sehr entgegen.“

Ferris Tucker nickte zustimmend. „Wie ich den dicken Kreolen einschätze, wird der bald in der Kombüse herumkramen, weil ihm der Magen knurrt. Dabei wird er zwangsläufig auf einige Rumvorräte stoßen. Na, mal sehen.“

Während es sich die Arwenacks hinter dem Schanzkleid der Kuhl einigermaßen bequem machten, um den weiteren Verlauf der Dinge abzuwarten, ließen sie den Zweidecker keine Sekunde aus den Augen.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 416

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