Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 290 - Frank Moorfield - Страница 5

2.

Оглавление

In der versteckten Bucht an der Südseite der Insel Mordelles herrschte Totenstille. Die Piratenschiffe, einschließlich der beiden gekaperten englischen Galeonen, lagen wie schlafende Ungeheuer im kabbeligen Wasser. Die Nacht war sternenklar, das Licht des Mondes verlieh der Wasseroberfläche einen silbrigen Glanz.

Ben Brighton und den Männern seiner Einsatzgruppe war es nach der Flucht aus den Felsengrotten gelungen, sich bis zur Ankerbucht durchzuschlagen und sich dort ein Boot zu schnappen, das auf dem schmalen Sandstreifen des Strandes gelegen hatte.

Auch das Entern der Schaluppe hatte bestens und reibungslos geklappt. Fünf Kerle waren von ihnen überwältigt, gefesselt und geknebelt und in eine der beiden achteren Kammern eingesperrt worden.

Als alles um sie herum ruhig blieb, gab Ben Brighton den Befehl, vorsichtig den Anker zu lichten. Das war auch geschehen.

Dann aber veränderte sich die Lage für die acht Seewölfe von einer Sekunde auf die andere. Noch bevor sie das Segel setzen konnten, trat das ein, was sie insgeheim befürchtet hatten.

Auf der „Louise“ und der „Coquille“, die ganz in der Nähe der Schaluppe vor Anker gegangen waren, mußten die Ankerwachen etwas bemerkt haben.

„He, was ist denn da drüben los?“ dröhnte plötzlich eine rauhe Stimme zu den Seewölfen herüber. Niemand konnte auf Anhieb unterscheiden, ob der Ruf von der „Coquille“ oder von der „Louise“, dem Flaggschiff Yves Grammonts, stammte. Aber das war im Moment auch unwichtig. Was jetzt zählte, war einzig und allein die Tatsache, daß man – wußte der Teufel, womit! – die Aufmerksamkeit der Ankerwachen erregt hatte.

Ferris Tucker versuchte zu retten, was noch zu retten war. Froh darüber, daß der Rufer sich der französischen und nicht der bretonischen Sprache bedient hatte, verstellte er seine Stimme und antwortete.

„Nichts ist los!“ rief er. „Wir haben gerade einige Ratten totgeschlagen und über Bord geworfen, das ist alles!“

„Ratten?“ war plötzlich eine andere Stimme zu vernehmen. „Seit wann veranstaltet man solchen Lärm, wenn man Ratten totschlägt?“

„Ach, plustert euch nicht so auf!“ rief Ferris Tucker, der einen Piraten mimte, zurück. „Ich hab dabei einen Weinkrug umgestoßen. Schade um das herrliche Gesöff!“

Offenbar waren die Kerle mit dieser Auskunft, die sich der rothaarige Schiffszimmermann aus den Fingern gesaugt hatte, nicht ganz zufrieden. Zumindest ließ das plötzliche Stimmengewirr auf den Piratenschiffen darauf schließen.

„Verdammt, die Burschen sind argwöhnisch geworden“, sagte Ben Brighton. „Wahrscheinlich haben sie die Geräusche gehört, die die Ankertrosse von sich gegeben hat. Leider hat dieser Mistkahn kein Spill, sonst wär’s weniger laut gegangen.“

„Das nutzt jetzt alles nichts“, sagte Big Old Shane verbissen. „Wenn die Franzmänner Ferris’ Story nicht schlucken, werden wir gleich eine Menge Ärger kriegen.“

„Du hast recht, Shane“, sagte Ben Brighton in seiner ruhigen, bedächtigen Art. „Wenn es Stunk gibt, müssen wir so schnell wie möglich das Segel setzen, damit wir Abstand gewinnen. Dan, Batuti, Paddy und Jack – das ist eure Aufgabe. Die anderen werden, falls nötig, Feuerschutz geben. Gut, daß wir zumindest die Waffen griffbereit haben.“

„Vielleicht ist außer den Ankerwachen niemand weiter da drüben“, meinte Dan O’Flynn.

Aber Ben war skeptisch.

„Mag sein, daß nur ein kleiner Teil der Besatzungen an Bord ist, aber mehrere Männer sind es auf jeden Fall, das merkt man schon an den Stimmen.“

„Und wenn schon“, sagte Jack Finnegan. „Wenn sich die Schnapphähne die Finger verbrennen wollen, dann sollen sie es nur versuchen.“ Der hagere und sehnige Mann war zuversichtlich.

„Sollen wir nicht gleich das Segel setzen, Sir?“ fragte Paddy Rogers.

„Nein, wartet noch“, entschied Ben Brighton. „Wir wissen noch nicht genau, ob sie sich mit Ferris’ Antwort zufriedengeben. Außerdem haben sie unseren Kahn bestimmt noch im Auge.“

Darin sollte er sich nicht getäuscht haben.

„He, ihr da drüben!“ meldete sich wieder die rauhe Stimme, die von der „Louise“ zu ertönen schien. „Wie heißt ihr? Nennt eure Namen!“

„Zum Teufel!“ entfuhr es Ferris Tucker leise. „Jetzt haben sie uns am Wikkel.“ Hinter seiner Stirn jagten sich die Gedanken. Woher sollte er plötzlich die Namen der niedergeschlagenen Piraten wissen? Blitzschnell fragen konnte man sie nicht. Erstens waren sie in der Piek, und zweitens weilten sie mit allergrößter Wahrscheinlichkeit noch im Reich der Träume. Wenn er auf gut Glück irgendwelche Vornamen nannte, konnte das sehr leicht in die Binsen gehen. Doch dann fiel ihm der Kerl mit dem dicken Bauch und den hervorquellenden Augen ein, der ihnen in der Burgruine in der Nähe von Concarneau in die Hände gefallen war.

„Ich bin Arzot“, rief er, „und mein Nebenmann heißt Norman! Er ist einer von den Engländern, die mit Terry zu uns übergelaufen sind.“ Er fühlte sich plötzlich erleichtert, weil ihm wenigstens diese fadenscheinige Ausrede eingefallen war.

Dennoch trennten sich jetzt die Geister.

„Der Kerl lügt!“ brüllte ein anderer Pirat. „Arzot ist an Land, das weiß ich genau!“

„Dreckskerl!“ zischte Ferris. „Dabei habe ich mir solche Mühe gegeben.“

Weiter gelangte er nicht, denn seine Legende war nun endgültig geplatzt. Die Piraten schlugen Alarm.

„Nichts wie weg!“ sagte Ben Brighton, und jeder an Bord der Schaluppe wußte augenblicklich, was er zu tun hatte.

Dan, Batuti, Paddy und Jack rasten blitzschnell über das Deck, um das Segel zu setzen. Ben, Ferris, Shane und Blacky griffen nach den Musketen und Tromblons, die sie mit an Bord gebracht hatten.

Erst jetzt begriff man, warum Blacky für einige Minuten verschwunden war. Ohne ein Wort zu sagen, hatte er weitere Schußwaffen herbeigeschleppt, die er unter Deck gefunden hatte.

Von den Piratenschiffen drang bereits lautes Geschrei herüber. Augenblicke später begann der Feuerzauber.

Zunächst dröhnten Musketenschüsse durch die Nacht, dann mischte sich das Wummern der Tromblons dazwischen – jener gefürchteten Flinten, deren trichterförmig erweiterte Mündungen Blei und Eisen ausstreuten. Grelle Blitze zuckten durch die Nacht, rasch verbreitete sich der beißende Geruch des Pulverqualms über der Wasserfläche.

Auch die Seewölfe blieben nicht untätig.

„Feuer!“ befahl Ben Brighton.

Und im selben Augenblick begannen auch auf der Schaluppe die Schußwaffen zu dröhnen. Ben, Ferris, Shane und Blacky hatten zuerst die Tromblons abgefeuert, weil deren fürchterliche Streuwirkung die Gegner am ersten in Deckung zwang. Gerade das war zunächst ihr Hauptanliegen – zumindest so lange, bis das Segel gesetzt war.

Mehrfach versuchte Ben Brighton die vier Männer, die in den Wanten aufgeentert waren, angesichts des unerwartet massiven Angriffs zurückzupfeifen. Aber sie konnten ihn durch das Donnern und Fauchen der Waffen nicht hören. Außerdem dachten sie auch nicht daran, die Köpfe einzuziehen, denn sie waren sich darüber im klaren, daß sehr viel auf dem Spiel stand. Wenn sie sich nicht möglichst rasch von den Piratenschiffen trennten, würde man sie in Stücke schießen. Deshalb brachten sie ihre Arbeit trotz des hohen Risikos, von gehacktem Blei und Eisen getroffen zu werden, zu Ende.

Ben, der mit den restlichen Männern hinter dem Steuerbordschanzkleid in Deckung gegangen war, stellte mit Erleichterung fest, daß die Schaluppe, deren Anker man bereits hochgehievt hatte, langsam abgetrieben wurde. In wenigen Augenblicken würde sie der „Louise“ und der „Coquille“ nur noch das Heck zuwenden und den Piraten damit zwangsläufig weniger Angriffsfläche bieten. Die Männer verzogen sich deshalb eiligst auf das Achterdeck. Von dort aus nahmen sie die Karavelle und das Flaggschiff weiter unter Beschuß.

Als Jack, Paddy und Batuti damit begannen, die nötigen Segelmanöver auszuführen – Dan hatte die Ruderpinne übernommen –, atmete Ben Brighton fast hörbar auf. In erster Linie deshalb, weil keiner von dem waghalsigen Quartett einen Treffer abgekriegt hatte.

Geschickt brachten die vier Männer die Schaluppe vor den rauhen Wind, der jetzt das Tuch füllte. Jedem an Bord fiel ein tonnenschwerer Stein vom Herzen, als der Einmaster raumschots auf den Ausgang der Bucht zusegelte – begleitet von einem Inferno aus Feuer und Musketendonner.

Aber es sollte noch viel dicker kommen.

Auf der „Louise“ und auf der „Coquille“ hatte man inzwischen die Stückpforten geöffnet und einige der schweren Culverinen ausgerannt. Schon kurze Zeit später rasten die ersten Geschosse fauchend und brüllend durch die mondhelle Nacht und klatschten in unmittelbarer Nähe der Schaluppe ins Wasser. Dabei rissen sie gischtende Fontänen auf.

„Jetzt wollen sie’s wissen“, sagte Ferris Tucker mit Galgenhumor. „Und der Lärm wird das ganze Gesindel, das sich an Land herumtreibt, anlocken. Hoffentlich fällt unseren Leuten was Passendes ein, sonst haben wir in kurzer Zeit die ganze Meute am Hals.“

„Ja, das kann lustig werden – sehr lustig“, meinte Big Old Shane. „Im Moment verholen wir uns zwar, aber wenn Grammonts Galgenvögel erst die Anker gelichtet haben, müssen wir echt die Köpfe einziehen, sonst gibt’s harte Beulen.“

Batuti, der schwarze Mann aus Gambia, winkte geringschätzig ab, nachdem er sein Tromblon abgefeuert hatte.

„Soll Batuti Eisenkugeln auffangen und Piraten an die Affenärsche donnern, Sir?“ fragte er zu Ben Brighton gewandt.

Dieser fand trotz der brenzligen Situation Zeit für ein kurzes Lächeln.

„Wenn uns gar nichts anderes mehr einfällt, Batuti, kannst du uns in dieser Kunst unterweisen. Zunächst aber schlage ich vor, daß wir die vier Minions, die wir an Bord haben, auf Vordermann bringen. Vielleicht gelingt es uns, den Kerlen ein wenig einzuheizen, bevor wir außer Schußweite sind.“

Kaum hatte Ben ausgesprochen, da schlug eine Kanonenkugel in die Back. Die Schaluppe wurde durchgeschüttelt, als habe eine Gigantenfaust sie gepackt, dann flogen die Fetzen über das Deck. Noch einige Atemzüge später ging ein Splitterregen über den Seewölfen nieder.

„Noch so ein paar eiserne Grüße“, meinte Dan O’Flynn, „und wir können selber ans Ufer schwimmen.“

Nur wenig später wurde mit den Minions geantwortet. Die leichten Geschütze trugen Tod und Verderben zu den Piratenschiffen hinüber, zumindest ließen die Aufschreie, die dem Krachen und Bersten folgten, darauf schließen.

Rasch luden die Seewölfe ihre Waffen nach, dann leckten erneut gierige Feuerzungen über das Schanzkleid der Schaluppe. Der rollende Donner der Geschütze pflanzte sich weit über die nachtschwarze Wasserfläche fort. Manchmal erinnerte er die Seewölfe an die heftigen Tropengewitter, die sie, vorwiegend im Gebiet der Amazonasmündung, weit weg am südamerikanischen Kontinent, kennengelernt hatten.

„Feuer vorerst einstellen!“ befahl nun Ben Brighton. „Sie können uns kaum noch sehen. Deshalb sollten wir unseren Standort nicht weiter durch das Mündungsfeuer verraten.“

Allen war aufgefallen, daß die Kanonenkugeln, die man ihnen nachschickte, immer weiter von dem kleinen Einmaster entfernt das Wasser aufspritzen ließen.

Bis zur Ausfahrt aus der versteckten Bucht war es nicht mehr weit. Trotzdem waren sich Ben Brighton und die wenigen Männer seiner Einsatzgruppe darüber im klaren, daß die Sache noch lange nicht ausgestanden war.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 290

Подняться наверх