Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 316 - Frank Moorfield - Страница 5

2.

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Zusammen mit zwei schwerbewaffneten Soldaten eilte Alvar Renquist auf den weit ins Wasser der Nordbucht von Kotka hinausragenden Steg zu, an dem die „Isabella IX.“, die neue, 550 Tonnen große Galeone der Seewölfe, vertäut war.

Alvar Renquist war der Landeshauptmann des Läns Wiborg, zu dessen Verwaltungsbezirk die Insel Kotka gehörte, und somit auch Kommandant des schwedischen Landungskorps. Der blonde, hochgewachsene Mann bebte vor Zorn und Empörung.

Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, der ihn vom Achterdeck aus nahen sah, konnte sich denken, was den Landeshauptmann so in Rage versetzt hatte. Auch ihm und seinen Männern war der von Süden heraufrollende Donner von Kanonen und Drehbassen nicht entgangen.

Renquist, den die Seewölfe wegen seiner Ehrlichkeit und Geradheit sehr schätzten, war durch das trübe Licht der Laternen, die seine Begleiter bei sich trugen, deutlich zu erkennen.

„Alvar Renquist bittet die Ankerwachen, an Bord kommen zu dürfen!“ rief er. „Ich muß Sir Hasard dringend sprechen!“

Der Seewolf, ein mehr als sechs Fuß großer Mann mit schwarzen Haaren und eisblauen Augen, trat ans Schanzkleid. Schon als die Schießerei begonnen hatte, war er, nichts Gutes ahnend, auf dem Achterdeck erschienen, um einen Blick durch sein Spektiv zu werfen. Das Krachen der Geschütze hatte jedoch ebenso schnell wieder aufgehört, wie es begonnen hatte. Es lag schon mehr als zwei Stunden zurück. Dennoch hatte Hasard, dem sein untrüglicher Instinkt sagte, daß der Ärger mit den Russen noch nicht ausgestanden war, darauf verzichtet, sich wieder in seine Kammer zurückzuziehen.

„Willkommen an Bord!“ rief er und winkte Renquist zu.

Die Ankerwachen, zu denen Roger Brighton, Jack Finnegan, Gary Andrews und Bill gehörten, nahmen dienstbeflissen die Leinen wahr und fierten die Jakobsleiter ab.

„Es tut mir leid“, sagte Renquist, als er die Kuhl der „Isabella“ betrat, „daß ich Sie zu dieser nächtlichen Stunde um den wohlverdienten Schlaf bringen muß, aber es ist ungeheuerlich, was an unserem Landungsplatz an der Südwestküste geschehen ist.“

Hasard lächelte.

„Sie wissen, daß Sie hier niemals stören, Renquist“, sagte er. „Und wir können es durchaus verkraften, auch mal zu später Stunde hochgepurrt zu werden. Sicherlich hat es neuen Ärger gegeben. Hat unser gemeinsamer Freund Marinesko versucht, seine Rachegelüste zu befriedigen?“

„Mit dieser Vermutung haben Sie genau ins Schwarze getroffen, Sir Hasard.“

Die beiden Männer waren von der Kuhl zum Quarterdeck aufgeentert und betraten nun die Kapitänskammer des Seewolfs. Zuvor hatte dieser Gary Andrews damit beauftragt, die Männer der Schiffsführung sowie Stenmark als Dolmetscher aus den Kojen zu holen. Durch Stenmark, der selber Schwede war, ließen sich alle Verständigungsschwierigkeiten aus dem Weg räumen.

Kaum hatte Hasard für jeden einen kräftigen Schluck von dem dänischen Akvavit in die Mucks gefüllt, da waren sie auch schon zur Stelle: Allen voran Edwin Carberry, der bullige Profos mit dem gewaltigen Rammkinn und dem Narbengesicht, dann erschienen Big Old Shane, Ferris Tucker, Ben Brighton und der alte O’Flynn. Dessen Sohn, Dan O’Flynn, der als Navigator ebenfalls zur Schiffsführung gehörte, war noch immer mit Batuti auf der Insel unterwegs.

„Was gibt es, Sir?“ fragte Carberry. „Sollen wir den Russen mal wieder was auf die Eierköpfe geben?“

„Mister Renquist wird uns berichten, was geschehen ist“, antwortete Hasard. „Dann können wir beraten, was zu tun ist.“

Alvar Renquist nickte und nahm einen kräftigen Schluck von dem Akvavit. Das scharfe Zeug tat gut in dieser eisigen Märznacht.

„Unsere sechs Galeeren wurden zerstört und versenkt“, berichtete er. Sein Gesicht war gerötet vor Zorn, seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt. „Ich könnte mich im nachhinein selber dafür ohrfeigen, daß ich auf jedem Schiff nur zwei Mann als Ankerwache zurückgelassen habe. Aber bei den Kämpfen hier oben in der Nordbucht wurde jeder Mann gebraucht. Außerdem hat niemand damit gerechnet, daß die geflohene russische Galeasse unseren Landungsplatz finden würde.“

„Dieser Generalkapitän ist unberechenbar“, sagte Hasard. „Er weiß genau, daß seine Mission endgültig gescheitert ist, dennoch scheint er vom Racheteufel besessen zu sein.“

„Das kann man wohl sagen“, fuhr Renquist fort. „Als die Schießerei begann, habe ich sofort einen Trupp nach Süden geschickt. Doch die Nachrichten, die man mir überbrachte, waren, wie ich schon erwähnte, niederschmetternd. Wir haben alle Galeeren verloren. Von den zwölf Ankerwachen haben nur fünf Mann überlebt und konnten sich an Land retten. Sie haben das Flaggschiff der Russen sofort wiedererkannt. Hinzu kommt noch, daß die drei gefangenen Russen, die als Posten an der Küste eingesetzt waren, verschwunden sind. Ihre Jolle übrigens ist ebenfalls weg.“

Der Seewolf sah, daß sich die trüben Ahnungen, die ihm bei der Flucht des russischen Flaggschiffs durch den Kopf gegangen waren, sehr schnell erfüllt hatten. Nur – mit diesem heimtückischen Schachzug Marineskos hatte auch er nicht gerechnet. Er hatte vielmehr die Möglichkeit eingeräumt, daß man auf dem Weg nach Wiborg nochmals mit der Galeasse zusammentreffen würde, denn der Generalkapitän wußte, daß dieser Hafen zu den Reisezielen der englischen Galeone gehörte.

Die Seewölfe sahen sich aufgrund des Berichtes, den der Landeshauptmann gegeben hatte, betroffen an. So bedauerlich der Tod der sieben Schweden durch den russischen Überfall war, so sehr ärgerten sie sich andererseits über den Verlust ihrer Jolle. Dabei allerdings ging es ihnen weniger um die Jolle an sich als ums Prinzip. Sie ließen sich nun einmal nicht gern bestehlen, schon gar nicht auf eine so billige Tour.

Außerdem war es nicht das erste Mal, daß man ihnen eine Jolle stahl. Der Ärger mit den finnischen Schnapphähnen, als sie sich mühsam durch die flachen Gewässer zwischen den zahlreichen Inseln vor Abo vorangelotst hatten, war ihnen noch gut in Erinnerung. Sie hatten ihre Jolle zurückgeholt und den beutegierigen Kerlen kräftig auf die Finger geklopft, als diese ihr Glück mit einem Brander-Angriff versuchten.

„Verdammt!“ stieß Old O’Flynn hervor. „Diesmal können wir die Jolle wohl abschreiben. Es sei denn, wir begegnen dieser Galeasse noch einmal.“

Der Seewolf vollführte eine bedauernde Geste.

„Zunächst müssen wir uns einmal damit abfinden“, sagte er. „Mister Renquist wird uns sicherlich bestätigen, daß sich im Moment andere Probleme auftun, die weit schwerwiegender sind als der Verlust einer Jolle. Ich denke zum Beispiel an die rund dreihundert Schweden und die gefangenen russischen Soldaten, die sich hier auf Kotka befinden und nun nicht mehr wissen, wie sie ohne Schiffe die Insel verlassen sollen.“

„Ach du heiliger Strohsack!“ entfuhr es dem rothaarigen Schiffszimmermann Ferris Tucker. „Daran habe ich noch gar nicht gedacht.“

„Ich, ehrlich gesagt, auch nicht“, sagte Ed Carberry und genehmigte sich zur Aufwärmung seines Innenlebens einen kräftigen Schluck Akvavit.

„Die ‚Isabella‘ ist demnach das einzige Fahrzeug, das im Augenblick zur Verfügung steht, um diese Masse von Menschen zurück zum Festland zu schaffen“, fuhr Hasard fort. „Mit den Booten der Inselbewohner können wir nicht rechnen, denn die Russen haben sie bei ihrer Landung zerstört, damit die Fischer nicht fliehen konnten. Bei dieser Sachlage ist zunächst an eine Verfolgung der Galeasse durch die ‚Isabella‘ gar nicht zu denken.“

Das leuchtete allen Männern ein, denn die Hilfeleistung für die auf der Insel festsitzenden Schweden hatte auf jeden Fall Vorrang, auch wenn es ihnen noch so sehr in den Fäusten juckte.

„Da befinden wir uns also in einer ziemlich verfahrenen Situation“, sagte der Profos grimmig. „Dabei hätte ich diesem Rübenschwein von Generalkapitän gern für jede Seemeile, die er unsere Jolle mit sich geführt hat, eine kräftige Maulschelle verpaßt.“

„Das glaube ich dir aufs Wort, Ed“, sagte Hasard. „Vielleicht erhältst du später noch eine Gelegenheit dazu.“

Die Lagebesprechung in der Kapitänskammer der „Isabella“ dauerte noch eine Weile. Dabei mangelte es nicht an Vorschlägen, wie die Situation am besten zu meistern sei.

Schließlich rückte der Seewolf mit seinem Plan heraus, der die Zustimmung aller fand.

„Zunächst einmal“, sagte er, „sind wir natürlich dazu bereit, die ‚Isabella‘ als Truppentransporter einzusetzen. Aber mir ist da gerade eingefallen, wie wir das vermeiden können, weil dieser Transportweg bei der Menschenmenge eine langwierige und mühselige Sache wäre.“

„Und wie soll das anders klappen?“ fragte Big Old Shane.

„Ich denke an den Einsatz unserer großen Jolle“, erwiderte Hasard.

Die Männer schauten ihn perplex an.

„Aber die muß doch noch öfter fahren als unsere Lady“, sagte Old Donegal Daniel O’Flynn verwundert. „Wo soll da der Vorteil sein?“

Jetzt grinste Hasard.

„Der liegt darin, daß die Jolle nur ein einziges Mal fahren muß“, sagte er. „Sie könnte nämlich nach Karhula und Wekkeraks segeln, um die dort stationierten schwedischen Galeeren für den Rücktransport anzufordern. Auf diese Weise löst sich das Problem wesentlich schneller als durch einen Pendelverkehr mit der ‚Isabella‘.“

Nun klappte dem alten O’Flynn doch der Kiefer nach unten.

„Das ist die Lösung!“ rief er verblüfft. „Jetzt bin ich schon so alt wie eine Seekuh und so erfahren wie hundert von diesen Viechern, aber auf diese Idee wäre ich nicht verfallen!“

Auch die anderen Männer, einschließlich Alvar Renquists, waren von diesem Vorschlag begeistert. Da man keine Zeit mehr verlieren wollte, trank jeder seine Muck aus und erhob sich. Die Vorbereitungen für das Unternehmen sollten sofort anlaufen.

„Ich weiß noch nicht, wie ich Ihnen danken soll, Sir Hasard“, sagte Renquist verlegen. „Ohne Sie und Ihre Männer wären wir jetzt ganz schön aufgeschmissen.“

Der Seewolf winkte ab.

„Sie hätten für uns das gleiche getan, davon bin ich überzeugt.“

Schon dröhnte die Stimme Edwin Carberrys über das Deck. Durch sie wurden alle „faulen Strohsäcke“, „Lahmärsche“ und „Matratzenabhorcher“ aufgefordert, sich gefälligst von ihren müden Hinterteilen zu erheben.

Tatsächlich war in kürzester Zeit die ganze Crew, einschließlich der zwölfjährigen Zwillingssöhne des Seewolfs, auf der Kuhl versammelt. Sogar der Schimpanse Arwenack, Sir John, der Aracanga-Papagei, und Plymmie, die junge Wolfshündin, hatten sich neugierig eingefunden.

Hasard hatte Edwin Carberry damit beauftragt, das Kommando über die achtriemige Jolle zu übernehmen, die sofort ausgesetzt wurde. Zur Bootscrew gehörten Stenmark, der als Dolmetscher und Schlagmann vorgesehen war, sowie Smoky, Blacky, Jack Finnegan, Paddy Rogers, Jan Ranse, Piet Straaten und Matt Davies.

Selbstverständlich befand sich auch der Landeshauptmann Alvar Renquist unter den Männern, die voller Unternehmungslust in die Jolle stiegen.

Al Conroy, der Waffen- und Stückmeister der „Isabella“, versorgte den kleinen Trupp auf das Geheiß des Seewolfs hin reichlich mit Waffen, unter anderem mit Musketen, Tromblons und Pistolen. Dann stieß der Profos die Jolle mit einem Riemen von der Bordwand der „Isabella“ ab und ließ den Pfahlmast mit dem trapezförmigen Gaffelsegel setzen.

Es war etwa drei Uhr morgens. Die ersten grauen Schatten am Horizont kündigten den baldigen Anbruch des neuen Tages an, als sich die Jolle unter günstigem Südwestwind in Richtung Wekkelaks in Bewegung setzte.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 316

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