Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 395 - Frank Moorfield - Страница 6

2.

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Im Kontor des Handelshauses war es ebenfalls brütend heiß. Trotzdem waren die hohen Temperaturen hier leichter zu ertragen als draußen in der prallen Mittagssonne.

Die drei Männer, die um einen wuchtigen Tisch saßen, hatten jedoch ganz andere Sorgen.

Das Gesicht Arne von Manteuffels, das demjenigen des Seewolfs so sehr ähnelte, wirkte ernst, während Jussuf seine Beobachtungen schilderte. Der ehemalige Kaufmann aus Kolberg an der deutschen Ostseeküste hatte bis jetzt nur zugehört und den Türken kaum unterbrochen. Nun aber trank er einen Schluck aus dem irdenen Becher, den er seit einigen Minuten langsam zwischen den Fingern drehte.

„Alle unsere Vermutungen haben sich demnach bestätigt“, sagte er. „Die Black Queen hat eine Gelegenheit gefunden, den Schritt zu tun, den wir seit langem zu verhindern suchten. Sie hat die Position der Schlangen-Insel an den Gouverneur verraten und wartet darauf, daß die Spanier einen Kampfverband zusammenstellen, um jene schmutzige Arbeit zu tun, für die sie zur Zeit selber zu schwach ist.“

„Diese Queen ist ein wahres Teufelsweib“, sagte Jörgen. „Der kann wohl niemand was anhaben. Kaum liegt sie mit der Nase im Dreck, da erholt sie sich wieder und beginnt von vorn.“

Er goß sich aus einem schweren Steinkrug, der auf dem Tisch stand, von dem erfrischenden Getränk in den Becher, das Jussuf mit wenigen Handgriffen zubereitet hatte. Es handelte sich um frischen Limonen- und Zitronensaft, etwas Grenadinesirup, einen Schuß Wasser und Rum. Obenauf schwamm eine Scheibe Ananas, und ein Hauch von geriebener Muskatnuß gab dem Getränk die feine Würze.

„Dieses Weib ist wie eine Katze“, sagte Jussuf. „Sie kann das Mausen nicht lassen. Dabei ist sie zäh wie Leder, und stutzt ihr jemand die scharfen Krallen, dann wachsen sie sofort wieder nach.“

Arne nickte zustimmend.

„Trotzdem kann man ihr ein gewisses Maß an Mut und Intelligenz nicht absprechen“, meinte er. „Sie spinnt die Fäden ihres Netzes so fein wie eine Spinne, um ihr Ziel zu erreichen. Das gleiche kann man von Caligula sagen, denn kaum jemand anders würde sich in seiner Situation auf Kuba blicken lassen. Wenn er dem dicken Don Antonio ein zweites Mal in die Hände fällt, kommt er gewiß nicht mehr lebend davon.“

Er spielte damit auf die spektakuläre Flucht an, die Caligula vor einiger Zeit gelungen war. Trotz Folter und schärfster Bewachung war er aus dem Kerker des Gouverneurs ausgebrochen und hatte dabei eine blutige Spur hinterlassen. Selbst die Bluthunde und Reitersoldaten, von denen er verfolgt worden war, hatten ihn nicht aufhalten können. Er hatte sich zu den Islas de Mangles durchgeschlagen, wo die Black Queen von den Meuterern der „Caribian Queen“ an Land gesetzt worden war.

Hinter den Stirnen der drei Männer arbeitete es. Sie waren sich der Gefahr, in der sie und ihre Freunde schwebten, durchaus bewußt. Es ging um den Fortbestand des wichtigsten Stützpunktes des Bundes der Korsaren – um die Schlangen-Insel. Sie war ihnen allen zur zweiten Heimat geworden. Außerdem hatte sie bisher hervorragenden Schutz gegen Überraschungsangriffe geboten, weil kaum jemand die genaue Position jener bei der Caicos-Gruppe liegenden Insel kannte.

Arne, Jörgen und Jussuf dachten in dieser Stunde mehr denn je an Philip Hasard Killigrew und seine Männer, an Siri-Tong, den Wikinger, die Kameraden von der „Wappen von Kolberg“ sowie an den Schiffsbaumeister Hesekiel Ramsgate und die Araukaner. Und sie waren fest entschlossen, alles zu tun, um die Zerstörung ihrer karibischen Heimat zu verhindern. Nur über die Art und Weise ihres Vorgehens waren sie sich noch nicht im klaren.

Jörgen hieb mit der flachen Hand auf die Tischplatte.

„An den Intrigen der Black Queen können wir nichts mehr ändern“, sagte er. „Ich möchte jetzt nur gerne wissen, wie Don Antonio darauf reagiert. Wie ich den Gouverneur einschätze, wird er auf jeden Fall aus seinem Wissen Kapital schlagen wollen. Jeder weiß, daß der feiste Kerl gierig nach Reichtum und Macht ist. Meiner Meinung nach wird er einen Kampfverband gegen die Schlangen-Insel zusammenstellen. Es wird kein Problem für uns sein, das zu beobachten.“

Jussuf zuckte mit den Schultern. „Ich halte das ebenfalls für möglich, obwohl sich bis jetzt noch nichts in dieser Richtung getan hat. Dennoch scheint auch das schwarze Teufelsweib von der entsprechenden Reaktion des Gouverneurs überzeugt zu sein. Wie ich selbst mitgekriegt habe, wartet sie sogar voller Ungeduld darauf.“ Einem plötzlichen Einfall folgend, fügte er hinzu: „Es juckt einem wirklich in den Fingern, den Spieß einfach umzudrehen und Don Antonio einen Hinweis auf den derzeitigen Aufenthaltsort Caligulas und der Piratenschaluppe zu geben. Vielleicht würden sich alle Probleme dadurch lösen, und wir wären das Gesindel für alle Zeiten los.“

Arne erhob sich und trat ans Fenster. Dabei verschränkte er die Hände hinter dem Rücken.

„Dieser Gedanke bietet sich zwar an“, entgegnete er nach einem Augenblick des Nachdenkens, „aber ich halte ihn zur Zeit nicht für praktizierbar. Die Black Queen ist auf jeden Fall schlauer und raffinierter als Don Antonio samt seiner Clique. Außerdem läßt sie das Geschehen im Hafen ständig beobachten. Sobald sie eine Gefahr wittert, verschwindet sie und verholt sich in eins ihrer Verstecke, noch bevor es Don Antonio gelingt, einen Finger zu rühren. Zudem könnten wir nicht mit offenen Karten spielen und müßten ebenfalls auf anonyme Weise intrigieren. Anderenfalls würde man sich fragen, woher unser Wissen stammt.“

„Da hast du völlig recht“, sagte Jörgen und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. „Wir sollten jetzt nichts überstürzen, denn wir dürfen auf Kuba genausowenig auffallen wie Caligula. Zwischen seinem Schicksal und dem unsrigen dürfte es wohl kaum einen Unterschied geben, wenn der Gouverneur jemals von unserer tatsächlichen Identität erfahren sollte.“

„Mir geht Don Juan nicht aus dem Kopf“, fuhr Arne jetzt fort. „Von seinem Eingreifen würde ich mir noch die größten Chancen versprechen, und zwar im Hinblick auf die Queen und den Gouverneur. Mir scheint besonders wichtig, daß in erster Linie gegen Don Antonio Front gemacht wird, denn selbst wenn es uns gelänge, die Queen und Caligula ans Messer zu liefern, würde das am Wissen Don Antonios nichts ändern und ihn wahrscheinlich auch nicht davon abhalten, die Freunde auf der Schlangen-Insel anzugreifen. Die schwarze Piratin hingegen bildet mit ihren wenigen Schnapphähnen gegenwärtig keine unmittelbare Gefahr – zumindest, was einen direkten Angriff betrifft.“

Was Arne da sagte, leuchtete seinen Gesprächspartnern voll und ganz ein.

„Genauso ist es“, meinte Jussuf. „Wir dürfen jetzt wirklich nicht den Fehler begehen, die Black Queen als Hauptgefahrenquelle zu sehen. Die größte Bedrohung geht tatsächlich von unserem wohlgenährten Freund, dem Gouverneur, aus. Man müßte Don Juan gegen Don Antonio und seine Schergen mobilisieren.“

Der Türke meinte damit – so paradox sich das auch anhören mochte – Don Juan de Alcazar. Der Spanier war von der spanischen Krone mit hohen Vollmachten ausgestattet worden, die ihn im Rang höher einstuften als den Gouverneur. Genaugenommen war er eine Art Menschenjäger, den Seine Allerkatholischste Majestät damit beauftragt hatte, Philip Hasard Killigrew zur Strecke zu bringen.

Daß Don Juan bei den Seewölfen und ihren Freunden trotzdem in Ansehen stand, war auf seinen geraden Charakter, auf seine anständige und faire Art zurückzuführen. In gewissem Sinne hatte er sich den Respekt dieser Männer erworben, und zwar nicht etwa wegen seines eleganten Aussehens, sondern aufgrund seiner menschlichen Verhaltensweise. Was er tat, das tat er aus ehrlicher Überzeugung und nicht aus skrupelloser Berechnung wie der feiste Gouverneur, dessen korruptes Verhalten ihn selber mehr und mehr in Schwierigkeiten und Gewissensnöte brachte. Diese Geradlinigkeit Don Juans war es, die den Seewolf und seine Mannen hoffen ließen, ihn eines Tages „umdrehen“ zu können.

Don Juan de Alcazar, der elegante Mann mit den schwarzen Haaren, den schiefergrauen Augen und dem energischen Kinn, spukte jetzt den drei Männern im deutschen Handelshaus von Havanna im Kopf herum.

Jörgen legte die Stirn in Falten und trank von dem rumhaltigen Fruchtsaftgetränk, das sich auch bei den Einheimischen großer Beliebtheit erfreute.

„Wenn es Don Juan gelänge, den Gouverneur seines Amtes zu entheben und vor ein Gericht zu stellen, wäre uns bereits geholfen“, erklärte er. „Kraft seiner weitreichenden königlichen Vollmachten müßte er das eigentlich tun können. Nur schade, daß er hier in Havanna über keinerlei polizeiliche Macht verfügt, denn die liegt ausnahmslos in den Händen Don Antonios und seiner Clique.“

Arne von Manteuffel nickte zustimmend. „Leider ist es so. Don Juans Vollmachten sind hier auf Kuba nur ein Fetzen nutzlosen Papiers. Ich muß deshalb leider gestehen, daß mir aus dem Stegreif auch keine Patentlösung einfällt. Vorerst bin ich mir nur über eines im klaren: Wenn tatsächlich eine Kampfgruppe gegen die Schlangen-Insel ausläuft, müssen wir unsere Freunde rechtzeitig warnen, so daß sie sich dem Gegner bereits im Vorfeld zum Kampf stellen können. Die Verteidigung auf offener See ist einem heimtückischen Überfall unbedingt vorzuziehen.“

„Daran gibt es keinen Zweifel“, sagte Jussuf und zupfte an seinem Schnauzbart herum. „Aber wir können trotzdem die Möglichkeit nicht ausschließen, daß daraus ein Kampf gegen ein vielköpfiges Ungeheuer wird. Wer immer auch erfährt, wo sich der legendäre Unterschlupf der Seewölfe und das Versteck ihrer Schätze befindet, der wird nicht ruhen, sich dieser Beute zu bemächtigen.“

„Das siehst du völlig richtig, Jussuf“, sagte Arne. „Selbst wenn sich die Spanier blutige Köpfe holen würden, wüßte immer noch die Black Queen von der Position der Insel. Dadurch würde sich das Ganze im Kreise drehen, und die Schlangen-Insel wäre in ständiger Gefahr.“

Die drei Männer saßen noch eine weitere halbe Stunde im Kontor zusammen, diskutierten und stellten Überlegungen an. In einem Punkt waren sie sich alle einig: Sie waren fest entschlossen, die Black Queen samt Caligula in die Hölle zu schicken, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergab. In bezug auf diese üble Sorte von Schnapphähnen vornehme Zurückhaltung zu üben, wäre selbstmörderische Dummheit, wie Arne das nannte. Der Mann aus Kolberg beendete schließlich das Gespräch mit einem Vorschlag.

„Da die Sache noch Zeit hat“, sagte er, „sollte jeder von uns einen eigenen Plan entwickeln, auf welche Weise er einen tödlichen Schlag gegen die schwarze Piratin und ihre Kerle führen würde. Danach stimmen wir über den besten Vorschlag ab und einigen uns auf die Strategie, die uns am wirksamsten erscheint. Das verhindert auf alle Fälle, daß wir aufgrund mangelhafter Überlegungen Fehlentscheidungen treffen.“

Dieser Vorschlag wurde von Jörgen und Jussuf begrüßt.

„Sollen wir die Späher der Queen weiter im Auge behalten?“ wollte der Türke noch wissen.

„Ich glaube, wir können zunächst darauf verzichten“, antwortete Arne. „Wir wissen ja jetzt, wo sich die Bande versteckt hält.“

Die Männer tranken einander zu. Sie waren trotz der düsteren Schatten, die drohend am Horizont heraufzogen, zuversichtlich. Es würde ihnen schon etwas einfallen, daran zweifelten sie keinen Augenblick.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 395

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