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Normalerweise war Bill McNeil die Ruhe in Person, und an der Kimm mußten schon ziemlich dunkle Wolken heraufziehen, wenn er nervös werden sollte.

Die rothaarige Jenny-Rose schaffte es jedoch spielend, ihm auf den Geist zu gehen. Ja, sie ging regelrecht auf seinem Gemüt spazieren – exakt dreißig Schritte hin und dreißig Schritte zurück. Und das seit geraumer Zeit.

Bereits zum dritten Mal blieb sie vor McNeil stehen und versuchte ihr Glück mit einem verführerischen Augenzwinkern.

„Nun, mein Süßer, bist du wirklich so müde, oder tust du nur so?“ Sie beugte sich ein Stück zu ihm hinunter und fügte wispernd hinzu: „Dein Mittagsschläfchen wirst du hinterher doppelt genießen, das verspreche ich dir.“

Offenbar hatte die nicht mehr ganz taufrische Lady gewaltigen Durst auf Dünnbier und Brandy, aber in der mittäglichen „Saure-Gurken-Zeit“ noch keinen spendablen Freier gefunden.

Auch McNeil ließ sich nicht locken.

„Laß mich in Ruhe!“ zischte er mit gedämpfter Stimme. „Mit mir kannst du nicht ins Geschäft kommen. Zumindest nicht heute. Verschwinde endlich.“

Solche unfreundlichen Worte schüchterten Jenny-Rose jedoch keineswegs ein. Sie baute sich mit wogendem Busen vor McNeil auf und stemmte die Hände auf die breiten Hüften. Ihre Augen signalisierten Verteidigungsbereitschaft, während das handgearbeitete blaue Veilchen über der linken Augenbraue erkennen ließ, daß sie Schwierigkeiten nicht aus dem Weg ging.

„Hast du was dagegen, wenn eine Lady in der ersten Frühlingssonne am Themseufer spazierengeht, du Schlafmütze?“ Ihre Stimme klang jetzt herausfordernd.

McNeil vollführte eine unwirsche Geste.

„Du gehst nicht spazieren, sondern suchst einen Freier“, sagte er sachlich. „Und was die ‚Lady‘ betrifft – darüber kann ich nur lachen. Versuche doch mal woanders und hör endlich auf, mir ständig vor der Nase herumzutanzen.“

Jenny-Rose bedachte den schmächtigen Mann mit einem giftigen Blick.

„Was kann ich dafür, daß du das Zipperlein hast, Opa?“ erwiderte sie. „Wenn du den Anblick einer Lady nicht ertragen kannst, solltest du in dein Wasserfaß kriechen und die Holzwürmer zählen. Ich kann dann wenigstens in Ruhe auf den Landgang der Jungs dort drüben warten. Wie man hört, sind die Burschen gut betucht, außerdem sehen sie verdammt gut aus. Das sind nicht so duftende Knoblauchfresser, wie du einer bist …“

Jetzt reichte es McNeil. Er schoß in die Höhe, schniefte laut und ballte die Hände zu Fäusten. Schließlich hatte man ihm für seine Beobachtungen eine gute Bezahlung in Aussicht gestellt. Er dachte nicht daran, sich das Geschäft von einer Hafenhure wie Jenny-Rose verderben zu lassen.

„Zum letztenmal“, drohte er. „Verschwinde jetzt, oder ich halte dich kopfüber in die Themse, damit du mal den Unterschied zwischen Wasser und Brandy kennenlernst.“

Jenny-Rose atmete tief ein, und selbst dem erbosten McNeil entging nicht, daß ihr mächtiger Busen dadurch an Umfang zunahm.

„Solltest du Läuseknacker wagen, mit deinen Spinnenfingern auch nur den Saum meines Kleides zu berühren“, versprach sie, „schreie ich wie eine tugendhafte Jungfrau um Hilfe. Ich bin sicher, daß es die Männer auf dem Schiff als eine Ehre betrachten, eine Lady vor einem üblen Sittenstrolch zu beschützen. Wollen wir das mal ausprobieren, Kleiner?“

McNeil kochte vor Wut. Seine geröteten Schweinsäuglein glänzten tückisch.

„So was wie dich sollte man als Hexe verbrennen“, schnaubte er. „Und wenn es sein muß, finde ich jederzeit ein paar Freunde, die bezeugen werden, daß du auf einem Besen über den Tower geritten bist. Dir wird’s ganz schön warm werden, wenn erst das Feuerchen unter deinem drallen Hintern knistert.“

Das wiederum war zuviel für Jenny-Rose.

„Was sagst du da? Ich – eine Hexe? Das wirst du bereuen, Freundchen. Kerlen wie dir muß man immer gleich was auf die Nase geben, das sagte schon meine selige Großmutter.“

Die füllige Jenny-Rose setzte ihre ererbte Lebensphilosophie sofort in die Tat um. Ihre rechte Hand ballte sich zu einer beachtlichen Faust, schnellte vor und fegte McNeil neben sein Wasserfaß.

Das brüllende Gelächter, das vom Deck der ranken Dreimast-Schebecke herüberdröhnte, ließ erkennen, daß man dort längst auf das sich anbahnende Schauspiel aufmerksam geworden war. Gleichzeitig aktivierte es die Kampfeslust an beiden Fronten.

Während Jenny-Rose den Seewölfen mit siegerhaftem Lächeln zuwinkte, schnellte McNeil flink auf die Beine. Jetzt wurde sehr deutlich, daß er einen ganzen Kopf kleiner war als Jenny-Rose. Diese Feststellung konnte seine unbändige Wut jedoch nicht bremsen – im Gegenteil.

„Jetzt fliegst du in die Themse, du rothaarige Hexe“, zischte er, „aber ohne Besen und Zauberspruch.“

Er schnellte vor, um die stämmige Lady zu packen. Das brachte jedoch ungeahnte Schwierigkeiten mit sich. Zu spät fiel ihm ein, daß so ein Frauenzimmer in bezug auf Männerhände zahlreiche Tabu-Zonen hatte und dadurch weit weniger Angriffsfläche bot als ein Männerkörper.

McNeil zögerte einen Augenblick, und das war ein Fehler, denn Jenny-Rose teilte seine Berührungsängste in keiner Weise.

„Das ist für die Hexe“, verkündete sie und verpaßte dem schmächtigen Burschen eine schallende Ohrfeige, die ihn beinahe von den Beinen fegte. „Schade, daß ich keinen Besen zur Hand habe, du Strolch“, fügte sie keifend hinzu, „sonst hätte ich dir gezeigt, wie man damit umgeht.“

„Verdammtes Luder!“ schrie McNeil, während er mühsam danach trachtete, das Gleichgewicht zu bewahren.

Eine Sekunde später klatschte die zweite Ohrfeige in sein Gesicht und brannte wie Feuer.

Von Bord der Schebecke ertönte erneut Gelächter. Ein bulliger Kerl mit einem gewaltigen Rammkinn war an das Schanzkleid getreten und hatte die muskelbepackten Arme über der Brust verschränkt.

„Nur zu, Lady!“ rief er. „Bring dem Rübenschwein ruhig einige christliche Tugenden bei. Wenn du Hilfe brauchst, laß es mich wissen.“

Die Hilfe wurde nicht nötig, denn als sich McNeil der Aufmerksamkeit der Schebeckenbesatzung bewußt wurde, hatte er es plötzlich sehr eilig, vom Schauplatz zu verschwinden.

„Wir sprechen uns noch, du Miststück!“ rief er drohend, dann wandte er sich um und eilte mit langen Schritten davon – begleitet von einigen deftigen Abschiedsworten der strahlenden Siegerin.

„Vielen Dank für die angebotene Hilfe, Mister!“ rief sie zu der Schebecke hinüber. „Aber wie du siehst, ist der Strolch bereits versorgt.“

„Alle Achtung, Lady“, sagte der gewaltige Edwin Carberry. „Du erinnerst mich an meine Großmutter, die war auch so eine wehrhafte Jungfrau …“

„Aber Ed“, unterbrach ihn der Seewolf, „man vergleicht eine junge Lady doch nicht mit seiner Großmutter!“

Carberry zuckte zusammen.

„Oh, verdammt, Sir“, sagte er mit gedämpfter Stimme. „Da habe ich mal wieder zu schnell die Wahrheit gesagt. Aber schau sie dir genau an, und dann sag mir, ob ich nicht doch recht hatte.“

Hasard grinste sich eins. Jetzt sollte Ed nur sehen, wie er die holde Blume wieder los wurde.

Jenny-Rose hingegen näherte sich der Schebecke mit betont langsamen Schritten und bemühte sich dabei um ein aufreizendes Wiegen ihrer runden Hüften.

„Ich heiße Jenny-Rose!“ rief sie. „Und ich sage nicht nein, wenn mich echte Gentlemen zu einem Umtrunk einladen!“

Während einer der Arwenacks im Hintergrund leise „Ogottogott“, murmelte, kratzte sich der Profos verlegen am Hinterkopf.

„Gegen einen Umtrunk haben wir ebenfalls nichts einzuwenden, Lady“, erwiderte er. „Nur haben wir leider noch keinen Landgang. So leid es uns tut – wir müssen das auf später verschieben.“

Das sah Jenny-Rose – wenn auch mit großem Bedauern – ein und wies graziös darauf hin, daß ihr Angebot auch am Abend noch seine Gültigkeit habe. Außerdem, so betonte sie, sei es ihr ein besonderes Vergnügen, mit solch „kernigen Mannsleuten“ den einen oder anderen Humpen Brandy oder Dünnbier zu leeren. Danach warf sie einige Handküsse zu den Seewölfen hinüber, und entschwebte hüftwippend stadteinwärts.

„Nun, Ed, hoffentlich hast du nicht zu große Erwartungen in dieser zarten Jungfrau geweckt“, sagte der Seewolf grinsend. „Ich wette, daß sie irgendwo dort drüben auf Station geht und sehnsüchtig auf deinen Landgang wartet.“

Der Profos erschrak.

„Jage mir bloß keine Angst ein, Sir.“

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 596

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