Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 479 - Frank Moorfield - Страница 7

2.

Оглавление

„Bewegt euch!“ brüllte Diego Machado den Männern zu, die damit begonnen hatten, Trümmerstücke von der einzigen Jolle zu räumen, die sich noch an Bord der Handelsgaleone befand. Er hoffte, daß das Boot noch zu gebrauchen war. Die beiden anderen großen Jollen befanden sich an Land. Mit ihnen waren jene Kerle zum Strand gepullt, die den Transport der Schatzgüter fortsetzen sollten, doch sie waren dabei in das Massaker geraten, das die Deserteure sorgfältig vorbereitet hatten.

An Bord der „Trinidad“ herrschte hektische Eile. Den Männern glänzte der Schweiß auf den sonnengebräunten Gesichtern. Und in all die emsige Betriebsamkeit mischte sich die Frage, ob Don Gaspar de Mello den Beschuß fortsetzen würde.

„Die werden uns versenken, ohne daß wir was dagegen tun können!“ rief ein junger, schmalbrüstiger Bursche mit ängstlichem Gesicht.

„Das werden sie nicht tun“, fauchte Machado und schleuderte ein Holzstück, über das er beinahe gestolpert wäre, über Bord.

„Wir sollten die Hundesöhne nicht mehr unterschätzen, Capitán“, fuhr der junge Decksmann fort. „Wir haben es schon einmal getan und gesehen, wohin es führte. Die können uns jederzeit einige Löcher in den Rumpf pusten, wenn wir …“

„Willst du wohl das Maul halten und mit zupacken?“ schrie ihn Machado an. Sein Gesicht war rot vor Wut. Er sprang auf den Mann zu und holte zu einem gewaltigen Tritt aus.

Es gelang dem schmalbrüstigen Kerl nicht mehr, voll auszuweichen. Die Stiefelspitze Diego Machados erwischte ihn noch am Achtersteven. Eine Sekunde später fand er sich mit ausgebreiteten Armen inmitten der zertrümmerten Holzteile wieder.

„Für dummes Geschwätz ist keine Zeit!“ rief Machado. „Wer nicht zupackt, kriegt Ärger.“ Er hob drohend eine Faust. „Manuel, sorge dafür, daß alle verfügbaren Schußwaffen sowie genug Pulver an Bord geschafft und in der Jolle verstaut werden.“

Mit einem Aufatmen hatte er festgestellt, daß das Boot so gut wie unbeschädigt war. Er würde also seinen riskanten Plan weiterverfolgen können.

Manuel, ein stiernackiger Kerl mit nacktem, muskulösem Oberkörper, wirbelte herum.

„Jawohl, Capitán!“ rief er. Dann winkte er einige Männer herbei und verschwand mit ihnen unter Deck. In fieberhafter Eile wurden die Musketen, Tromblons und Pistolen nach oben geschafft. Auch Hieb- und Stichwaffen wurden nicht vergessen.

Nachdem man die Jolle an der Steuerbordseite zu Wasser gelassen hatte, bemannte Diego Machado sie mit sechzehn ausgesuchten Kerlen. Die langen Gesichter, die es auf der Seite jener gab, die nicht mehr in das Boot paßten, hatte er einkalkuliert. Entsprechende Fragen sowie die Bitten der Verletzten, um die sich nach wie vor niemand kümmerte, beantwortete er mit einem Schulterzucken.

„Haut ab, wenn ihr Lust habt“, sagte er höhnisch. „Ihr werdet nicht mehr gebraucht.“

Einen Augenblick sahen sich die Kerle betroffen an, dann kapierten sie.

„Das ist eine elende Schweinerei!“ brüllte ein älterer Mann wütend. „Ihr könnt doch nicht einfach abhauen und uns auf diesem Wrack zurücklassen. Der Gouverneur wird uns hängen lassen.“

„Sollen wir vielleicht ans Ufer schwimmen und riskieren, daß uns die Haie fressen?“ fragte ein anderer erregt.

„Macht, was ihr wollt“, erwiderte Machado unwirsch. „Ihr seht selber, daß auf der Jolle kein Platz mehr ist.“

Die Männer begannen zu fluchen und zu drohen, auch einige der Verletzten stießen üble Verwünschungen aus.

„Ihr Hunde wollt euch alles alleine unter den Nagel reißen!“ schrie Rodrigo, ein kleiner, dicklicher Kerl mit einem dünnen Oberlippenbart.

Machados Gesicht war immer noch zu einem höhnischen Grinsen verzogen.

„Irrtum“, erwiderte er, „ich lasse euch als reiche Leute zurück. Ihr könnt das ganze Zeug, das sich an Bord befindet, haben, ich nehme es nicht mit. Ich begnüge mich mit dem, was noch drüben an Land ist.“ Er lachte gemein.

Für Rodrigo war das zuviel, der kleine, dickliche Kerl drehte durch. Er bückte sich blitzschnell und griff nach einer Holzlatte. Aber Diego Machado hatte mit einer solchen Reaktion gerechnet. Er kannte die Kerle nur zu gut. Er sprang mit einer Gewandtheit, die man ihm bei seiner Körperfülle nicht zugetraut hätte, vor und hieb Rodrigo die Faust unters Kinn, noch bevor dieser mit der Latte zum Schlag ausholen konnte.

Aus dem Mund Rodrigos drang ein dumpfes Röcheln, während sein Körper durch die Wucht des Hiebes zurückgeschleudert wurde und gegen das Backbordschanzkleid der Kuhl krachte.

Mit einer raschen Bewegung zog Machado eine Pistole aus dem Gürtel. Das hämische Lachen in seinem Gesicht war verschwunden, seine Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen.

„Der Nächste empfängt eine Kugel in den Bauch“, sagte er mit schneidender Stimme. „Auch wenn ihr das nicht kapieren wollt – ich bin fair zu euch. Ich überlasse euch das Schiff und die wertvolle Ladung. Auch einige Blankwaffen werdet ihr noch vorfinden. Daß nur noch eine Jolle zur Verfügung steht, kann ich nicht ändern.“

„Dann kommt zurück und holt uns!“ forderte einer der Verletzten, der die blutverschmierten Hände auf seinen linken Oberschenkel preßte.

Jetzt begann Machado wieder zu grinsen.

„Wer weiß, vielleicht tue ich das sogar“, erwiderte er. „Das wird ganz von der Lage der Dinge abhängen.“ Natürlich dachte er nicht im entferntesten daran, sich auf ein solches Risiko einzulassen, denn er konnte bereits von Glück sagen, wenn es ihm überhaupt gelang, unbehelligt den Strand zu erreichen.

Diego Machado verlor keine weitere Zeit. Nachdem die Männer in der Jolle vorsichtshalber ihre Musketen in Richtung Steuerbordschanzkleid in Anschlag gebracht hatten, verließ er sein Schiff. Augenblicke später legte die Jolle ab.

Die unflätigen Flüche und Drohungen, die den Schnapphähnen von ihren zurückgebliebenen Kameraden und von den Verletzten nachgebrüllt wurden, quittierten sie mit einem schadenfrohen Lachen.

Machado ging eiskalt aufs Ganze. Er dachte nicht daran, auf der „Trinidad“ zu bleiben und auf seine Gefangennahme durch die Seesoldaten der „San Sebastian“ zu warten. O nein, ein Mann wie er gab nicht so schnell auf. Wenn er schon auf die Schatzgüter in den Laderäumen seines Schiffes – notgedrungen – verzichtete, dann wollte er sich zumindest an dem, was noch an Land vorhanden war, gütlich tun. Die Höhlen waren ja noch immer voll von den Reichtümern, die Don Antonio de Quintanilla zusammengerafft hatte. Er würde es schon schaffen, sich mit den Deserteuren an Land zu verbünden, wenn er bereit war, deren Schlagkraft zu verstärken.

Diego Machado wußte, daß die Höhlen kaum zu stürmen waren. Wenn es Don Gaspar de Mello trotzdem versuchte, dann mußte er sich zwangsläufig die Zähne ausbeißen, denn insgesamt würden dann vierzig bewaffnete Kerle zur Verfügung stehen, die die Höhlen verteidigten. Wenn er es so betrachtete, standen seine Chancen gar nicht schlecht, noch ein besonders großes Stück von dem heißbegehrten „Kuchen“ zu ergattern.

Auf der „San Sebastian“, deren Steuerbordgeschütze inzwischen nachgeladen worden waren, wurde die Flucht Machados erst bemerkt, als die Jolle bereits am Strand landete. Die nahezu abgetakelte „Trinidad“ lag so in der Bucht, daß sie die Sicht nach Südosten versperrte.

Während Don Gaspar de Mello die Meldung des Ausgucks zunächst schweigend zur Kenntnis nahm, begann der hagere Alonzo de Escobedo zu fluchen wie ein Fuhrknecht. Ja, Seine Exzellenz, der Gouverneur von Kuba, der von seinem Vorgänger, dem beleibten Don Antonio de Quintanilla, ins Amt berufen worden war, benahm sich wie das, was er früher einmal gewesen war: ein kleiner devoter Hafenkapitän, der nur durch die Gunst seines Vorgängers zunächst Hafen-, dann Stadtkommandant und schließlich Gouverneur geworden war.

Aber an Qualitäten für dieses hohe Amt mangelte es de Escobedo ganz offensichtlich, denn das, was über die erlauchten Lippen sprudelte, paßte ganz und gar nicht zu dem blütenweißen Rüschenhemd, der eleganten Kürbishose und den kostbaren Schuhen mit Silberschnallen. Von dem mit Brokat besetzten Wams und dem Federhut gar nicht zu reden.

„Verdammte Höllenbrut!“ keifte de Escobedo. „Scheißkerle! Lumpenpack! Räudige Hunde!“ Der Erlauchte war außer sich vor Wut und ballte sogar die mit kostbaren Ringen besetzten Finger zur Faust, um damit angriffslustig in die Luft zu schlagen.

„Machado, dieser elende Hurensohn, erdreistet sich, mich übers Ohr zu hauen!“ brüllte der Gouverneur. „Dafür wird das Schwein hängen und wenn ich ihn eigenhändig hochziehen muß. Der Kerl gibt sich nicht einmal mit den Schätzen zufrieden, die bereits an Bord sind, er will noch mehr holen. Verdammt, das soll er büßen.“

Don Gaspar de Mello kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nicht nur, daß er sich über die wenig vornehme Ausdrucksweise de Escobedos wunderte – es war vielmehr das, was der Gouverneur ausdrückte, was ihn aufmerksam werden ließ und das Mißtrauen, das er schon seit geraumer Zeit gegenüber diesem Mann hegte, wieder wachrief.

„Ich glaube nicht, daß er noch mehr von den Schatzgütern auf die ‚Trinidad‘ holen will“, sagte Don Gaspar ruhig.

„Natürlich will er das!“ keifte Alonzo de Escobedo und stampfte dabei wie ein trotziger Junge mit dem Bein auf die Planken. „Der Mistkerl will alles haben. Alles – verstehen Sie?“

„Offen gesagt – nein“, erwiderte de Mello ungerührt. „Was hätte er denn davon, wenn er noch weitere Schätze auf sein Schiff bringen würde? Die Galeone ist ein halbes Wrack und uns völlig ausgeliefert. Er könnte unmöglich mit seiner Beute davonsegeln, wie er das ursprünglich vorgehabt hat.“

„Was wollen Sie damit sagen, Don Gaspar?“ Auf der Stirn des Erlauchten standen dicke Schweißperlen.

„Ich will damit sagen, daß gerade die derzeitige Nutzlosigkeit der ‚Trinidad‘ der Grund für seine Flucht ist. Er ließ alles im Stich, suchte sich so viele Leute aus, wie er brauchte, und wird sich höchstwahrscheinlich an Land mit den Deserteuren verbünden. Offenbar hat er sich große Chancen ausgerechnet, auf diese Weise doch noch an das große Geld zu gelangen.“

Das schien auch dem aufgebrachten Gouverneur einzuleuchten, aber es verhinderte nicht, daß er einen neuen Tobsuchtsanfall erlitt. Und wieder sprach er davon, daß ihn das „Schwein Machado übers Ohr hauen“ wollte.

Der Kommandant der Kriegsgaleone begriff mehr und mehr, was die Glocke geschlagen hatte. Was meinte der Erlauchte ständig mit „übers Ohr hauen“? Warum war er es, der übers Ohr gehauen wurde? Gehörten die Schatzgüter nicht Seiner Majestät, dem König von Spanien?

Nach Don Gaspars Meinung ließ diese Redewendung erkennen, daß zwischen beiden Señores eine Art Kumpanei bestand. Richtigerweise hätte die Formulierung zum Ausdruck bringen müssen, daß Machado den König übers Ohr gehauen hatte, aber nicht ihn, de Escobedo. Oder hatten am Ende Machado und der Gouverneur ein „Geschäft“ miteinander vorgehabt, und der eine fühlte sich nun vom anderen übers Ohr gehauen?

Don Gaspar überlegte scharf. Die Wangenmuskeln in seinem Gesicht zuckten. Seine Augen musterten de Escobedo sehr genau. Das Mißtrauen in ihm wuchs ganz gewaltig. In sein Gedächtnis kehrten Situationen zurück, die ihn schon vor einiger Zeit argwöhnisch gestimmt hatten.

Er erinnerte sich daran, wie er den Gouverneur noch in Havanna nach der Art der Schiffsladung befragt hatte, die er in seiner Eigenschaft als Kommandant eines Kriegsschiffes schützen sollte. Nach einer Reihe von ausweichenden Erklärungen war ihm klipp und klar gesagt worden, das gehe ihn nichts an.

Wäre er nicht ein Mann gewesen, der es wagte, sich auch gegen den Gouverneur zu behaupten, hätte er wohl heute noch nicht gewußt, um welche Art „Ware“ es sich handelte, die er gemäß den Worten de Escobedos „bis zum letzten Blutstropfen“ verteidigen sollte. Schon da hatte ihn das seltsame Gebaren beider Männer – sowohl de Escobedos als auch Machados – stutzig werden lassen. Aber erstmals zufällig eine Kiste aufbrach, hatte er erfahren, was für eine Ladung übernommen worden war.

Aber das war noch nicht alles. Es gab noch eine Reihe weiterer Punkte, die ihn nachdenklich stimmten. Warum, zum Beispiel, hatte man den Seeweg zu jener westlich von Batabanó gelegenen Bucht gewählt, wenn doch der Landweg sehr viel kürzer war? Und seit wann versteckte man solche Mengen von königlichen Schatzgütern unbewacht in irgendwelchen einsam gelegenen Höhlen?

Ob er wollte oder nicht – Don Gaspar de Mello sah in Alonzo de Escobedo immer weniger den Gouverneur und immer mehr eine zumindest zwielichtige Person.

Es wird Zeit, daß ich diesem Mann einmal auf den Zahn fühle, dachte er.

Don Gaspar wurde in seinen Gedankengängen unterbrochen, denn Alonzo de Escobedo ließ eine neue Schimpfkanonade vom Stapel und malte mit hochrotem Gesicht aus, was er alles mit dem „Lumpenpack“ anfangen würde, wenn er erst einmal die Gelegenheit hätte, die Kerle am Schlafittchen zu packen.

Don Gaspar unterbrach ihn mit ruhiger, aber fester Stimme.

„Wir hätten die Flucht Señor Machados wahrscheinlich verhindern können“, sagte er sachlich, „wenn wir sofort nach unserem Beschuß mit einem Teil der Soldaten die ‚Trinidad‘ geentert hätten.“

Der Gouverneur sah ihn unwirsch an.

„Fangen Sie nicht schon wieder damit an!“ fauchte er. „Wir müssen die Höhlen stürmen, das ist viel wichtiger. Lernen Sie endlich einmal, Prioritäten zu setzen!“

„Genau das versuche ich ja schon die ganze Zeit“, sagte de Mello ungerührt. „Es wären genug Seesoldaten auf der ‚San Sebastian‘ zurückgeblieben, um während dieser Zeit die Felswände zu beobachten und mit unseren Drehbassen in Schach zu halten.“

De Escobedo schluckte und wollte mit seinem wütenden Gezeter fortfahren, doch bevor er zu weiteren Reden ansetzen konnte, dröhnte plötzlich die Stimme des Mannes im Großmars über die Decks.

„Auf der ‚Trinidad‘ scheint sich etwas anzubahnen!“ lautete die zunächst recht spärliche Meldung, die sowohl de Mello als auch den Gouverneur veranlaßte, das Spektiv ans Auge zu führen.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 479

Подняться наверх