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Der Seelenstein

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"Gespenstisch", murmelte Pollus. "Als wäre das ganze Land verbrannt."

Maziroc nickte zustimmend. Über eine schier endlose Fläche schien das Land tatsächlich schwarz wie nach einem Feuer geworden zu sein. Stärker aber noch erinnerte ihn der Anblick an einen Zug von Wanderameisen, wie er ihn vor einigen Jahren bei einer seiner umfangreichen Reisen in den schwach besiedelten und deshalb noch weitgehend unerforschten Ostländern gesehen hatte. Obwohl die Ameisen einen völlig toten Landstrich ohne einen einzigen Grashalm oder irgendein lebendes Wesen zurückgelassen hatten, handelte es sich bei dem gigantischen Heer der Damonen, die tief unter ihnen in nordwestlicher Richtung dahinzogen, um noch weitaus schrecklichere und gefährlichere Kreaturen.

Wie schon bei dem Kampf bei dem Gehöft war er auch diesmal geradezu froh, dass es dunkel war und sie außerdem noch so hoch flogen, sodass er sie nur als eine riesige schwarze Fläche sah, statt als einzelne Wesen. Es mussten Millionen von ihnen sein. Die ungeheuerliche Zahl der Bestien überstieg seine schlimmsten Befürchtungen noch bei weitem. Er hatte gewusst, dass es viele von ihnen gab, aber mit so vielen hatte auch er nicht gerechnet.

Allmählich konnte er sich sogar das an sich Unbegreifliche vorstellen, wie Ai'Lith gefallen war. Dem Ansturm einer solchen Übermacht, bei der auf jeden einzelnen Verteidiger mehrere tausend Angreifer kamen, konnte selbst eine noch so stark befestige Burg mit noch so ausgeklügelten Verteidigungsanlangen nicht standhalten. Aber da der Kampf um die Hohe Feste den Damonen trotz ihrer Übermacht mit Sicherheit hohe Verluste abgefordert hatte, musste ihre ursprüngliche Anzahl sogar noch bedeutend höher gewesen sein. Gegen einen Gegner, den man nicht schwächen konnte, weil für jeden Gefallenen eine nahezu unbegrenzte Zahl neuer Krieger bereitstand, hatten selbst die Elben innerhalb ihrer Festung keine Chance gehabt, obwohl auch das nicht die Schnelligkeit erklärte, mit der die Damonen Ai'Lith überrannt hatten.

Aus Furcht, dass man sie erneut angreifen könnte, ließ Marrin den Drachen sehr hoch und sehr schnell fliegen, doch es gab keinen Angriff. Entweder entdeckten die Damonen sie hoch am Nachthimmel nicht, oder bei dem Heer befanden sich keine Flugungeheuer, oder aber sie kümmerten sich aus irgendwelchen anderen Gründen gar nicht weiter um den Drachen. Was auch immer davon zutraf, Maziroc war es nur recht. Er konnte auf eine weitere Auseinandersetzung in der Luft gut verzichten.

Das Damonenheer war so gewaltig, dass es dem Magier wie eine Ewigkeit vorkam, bis es endlich hinter ihnen zurückblieb. Marrin ließ den Drachen tiefer sinken, als keine unmittelbare Gefahr einer Entdeckung und eines Angriffs mehr bestand.

Sie flogen noch weitere knapp zwei Stunden, bis sie schließlich Lichter unter sich entdeckten. Es handelte sich um die zahllosen Lagerfeuer des Nachtlagers eines Heeres. Mit Schrecken wurde Maziroc bewusst, welch geringen Vorsprung die Elben nur vor ihren Verfolgern hatten. Seit sie aus der Hohen Festung geflohen waren, mussten sie permanent gejagt worden sein.

Marrin ließ den Drachen einige hundert Meter von den Feuern entfernt niedergehen, um keine Panik oder irgendwelche Abwehrreaktionen hervorzurufen, wie sie angesichts der gefährlichen Situation und der sicherlich angespannten Nerven der Elbenkrieger durchaus möglich waren.

"Ich werde direkt wieder losfliegen und unseren Königen vom Fall der Hohen Festung berichten", erklärte er, als Maziroc und Pollus aus dem Korb gestiegen waren.

"Ich kann Euren Wunsch, so schnell wie möglich nach Ravenhorst zurückzukehren, gut verstehen", antwortete Maziroc. "Trotzdem solltet Ihr erst noch mit uns ins Lager kommen. Wenn Ai'Lith erobert wurde, dann droht auch Ravenhorst Gefahr. Ihr solltet Euch anhören, was genau in der Hohen Feste geschehen ist, das dürften für Borrus unschätzbar wichtige Informationen sein."

Der Zwerg zögerte einen Moment, dann kletterte auch er von dem Drachen herunter. "Ihr habt recht", sagte er mit einem Gesicht, als hätte er gerade sein eigenes Todesurteil verkündet. "Ich würde mir lieber eine Hand abhacken, als mich freiwillig in ein Heerlager der Elben zu begeben, aber diese Informationen könnten für mein ganzes Volk lebenswichtig sein."

Mit raschen Schritten gingen sie auf das Lager zu, doch kamen sie nur wenige Dutzend Schritte weit. "Stehen bleiben!", ertönte ein barscher Befehl aus der Dunkelheit vor ihnen. "Keinen Schritt weiter oder wir schießen. Wer seid ihr?"

Da die Damonen vermutlich keine der bekannten Sprachen beherrschten, zeigte die Aufforderung nur, dass die Wachen bereits erkannt hatten, dass sie es nicht mit den Ungeheuern zu tun hatten. Dennoch verharrte Maziroc ebenso wie seine Begleiter augenblicklich.

"Ich bin Maziroc von Cavillon", antwortete er und fügte in der Ursprache der Elben einen Gruß hinzu.

Eine Gestalt trat vor ihnen aus den Schatten der Nacht. Als der Elb erkannte, dass Maziroc nicht gelogen hatte, leuchteten seine Augen erfreut auf.

"Maziroc, Ihr seid es wirklich! Mein Name ist Karon. Wie seid Ihr hergekommen? Wir sahen einen Schatten am Himmel und glaubten schon, diese verdammten geflügelten Ungeheuer würden wieder angreifen. Fast hätten ..." Er brach ab, als er neben Pollus auch den Zwerg in der Begleitung des Magiers entdeckte.

"Das sind Pollus aus der Garde von Cavillon und Marrin vom Volk der Zwerge", stellte Maziroc vor. Weitere Elben näherten sich mittlerweile. "Das kleine Volk hat mich auf einem seiner Drachen herbringen lassen, sonst wäre ich erst in Wochen eingetroffen. Das war der Schatten, den Ihr gesehen habt."

Misstrauisch beäugten sich der Elb und der Zwerg ein paar Sekunden lang, dann wandten sie demonstrativ den Blick voneinander ab.

"Kommt, ich bringe Euch zu Charalon und Eibon", sagte Karon.

"Charalon ist hier?", hakte Maziroc überrascht nach.

"Ja, er war in Ai'Lith, als ... Aber das sollen er und Eibon Euch besser berichten. Es gibt schreckliche Nachrichten."

"Ich weiß es bereits", antwortete Maziroc niedergeschlagen, während sie auf das Lager zu gingen. "Ich hatte Marrin gebeten, uns zur Hohen Festung zu bringen. Wir waren dort und haben gesehen, was geschehen ist."

"Diese Bestien haben uns einfach überrannt!", stieß Karon gleichermaßen hass- wie leiderfüllt hervor. "Der Kampf dauerte gerade mal nur zwei Tage. Wir hatten keine Chance. Niemand hat es je für möglich gehalten, dass Ai'Lith unter dem Ansturm eines Feindes fallen könnte, aber diese Ungeheuer ..."

Er brach ab, und als Maziroc den Blick zu ihm wandte, sah er, dass Tränen über das Gesicht des Elben rannen. Ai'Lith war nicht nur eine Festung gewesen, und auch nicht nur die Heimat der Elben seit ungezählten Jahrtausenden. Die Hohe Festung war ein Mythos in sich, ein Hort des Friedens, der Ordnung und auch der Stärke inmitten der oft unbeständigen politischen und militärischen Situation Arcanas. Nach dem Untergang dieses Mythos' gab es keinerlei Beständigkeit mehr. Nichts war mehr so, wie es gewesen war; buchstäblich alles schien plötzlich möglich.

Selbst der Untergang dieser gesamten Welt.

Wer sollte einer Macht wie den Damonen noch Einhalt gebieten können, wenn dies nicht einmal den Elben gelungen war, wenn selbst die Hohe Festung in nur zwei Tagen erobert worden war?

Tiefe Niedergeschlagenheit ergriff von Maziroc Besitz, obwohl er dies alles bereits gewusst hatte, seit er das verwüstete und verlassene Ai'Lith gesehen hatte. Dennoch hatte er in den vergangenen Stunden dagegen angekämpft, sich von der Mutlosigkeit überwältigen zu lassen. Jetzt jedoch, wo Karon ihm vor Augen führte, wie die verlorene Schlacht selbst den einst unerschütterlichen Durchhaltewillen der Elben gebrochen und ihnen die Hoffnung geraubt hatte, konnte auch er die Augen nicht länger vor der Realität verschließen. Was sollten noch irgendwelche Bündnisse nutzen? Selbst wenn sämtliche Länder, Städte und Völker sich zusammenschließen würden, hätten sie kaum noch eine Chance. Wahrscheinlich wären nicht einmal alle Krieger und Soldaten Arcanas gemeinsam in der Lage, es mit einen Feind wie den Damonen aufzunehmen.

Als sie die Feuer erreichten, erkannte Maziroc, dass die Elben nicht einmal ein richtiges Lager aufgeschlagen hatten. Die meisten waren offenbar so erschöpft gewesen, dass sie sich einfach irgendwo zum Schlafen hingelegt hatten, viele von ihnen sogar ohne sich mit irgendetwas zuzudecken. Es handelte sich ausnahmslos um Männer, soweit er erkennen konnte, und es waren nicht nur Elben, sondern auch viele menschliche Krieger."

"Was ist mit den Frauen und Kindern?", wandte er sich an Karon.

"Eibon hat sie bereits aus Ai'Lith fortgeschickt, bevor der Angriff begann", erklärte der Elb. "Keiner von uns hat es für möglich gehalten, dass die Hohe Festung fallen könnte, er jedoch scheint es bereits geahnt zu haben. Ich hoffe, sie haben Cavillon heil erreicht."

Er führte Maziroc und Pollus zu einem Zelt ziemlich im Zentrum des Lagers. Zelt war eigentlich eine geschmeichelte Bezeichnung, für die Decken und Planen, die zwischen einigen Bäumen gespannt waren. Mehrere Personen saßen in dem freien Raum dazwischen an einem Feuer, neben einigen weiteren Elben auch Charalon und Eibon. Als er Maziroc erblickte, sprang Charalon auf, eilte ihm entgegen und umarmte ihn voller Freude.

"Maziroc!", stieß er hervor. "Ich habe kaum zu hoffen gewagt, dich noch einmal lebend zu sehen. Doch wie ich sehe, hast du es sogar geschafft, bis zu den Zwergen zu gelangen", ergänzte er mit einem Blick zu Marrin. "Mit Ihrer Unterstützung können wir das Blatt vielleicht doch noch einmal wenden."

"Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen. Es wird keine Hilfe geben", entgegnete Maziroc und verbeugte sich vor Eibon. "Es ist wohl besser, wenn ich es gleich so offen sage. Ravenhorst befindet sich selbst in zu großer Gefahr durch die Damonen, als dass die Zwerge Krieger entbehren könnten."

"Aber ..." Charalon schüttelte den Kopf. "Wieso Ravenhorst? Die Damonen sind hier. Sie haben die Hohe Festung erobert. Ich war dabei und habe mit meiner Magie bei der Verteidigung geholfen, doch es hat nichts genutzt. Sie haben Ai'Lith einfach überrannt, und wenn wir keine Hilfe erhalten, wird auch Cavillon fallen!"

"Du irrst dich", sagte Maziroc leise. "Trotz allem haben wir die zahlenmäßige Überlegenheit der Damonen noch unterschätzt. Sie sind nicht nur hier. Ein weiteres Heer von ihnen ist noch Nordosten gezogen und dürfte schon in den nächsten Tagen die Todessümpfe erreichen."

"Dann sind wir verloren", murmelte Eibon. Er war ebenfalls aufgestanden, ließ sich nun aber wieder auf den Baumstamm zurücksinken, auf dem er gesessen hatte. Seine Bewegung wirkte matt und kraftlos. Die Erschöpfung hatte tiefe Falten in sein Gesicht gegraben, aber schlimmer noch war eine andere Schwäche, die von ihm Besitz ergriffen hatte. Der Untergang Ai'Liths musste ihn noch schlimmer als alle anderen getroffen haben. Als Maziroc ihm das letzte Mal gegenübergestanden hatte, hatte der Elbenkönig Autorität und innere Macht ausgestrahlt, wie sie nur ein ungebrochenes Selbstbewusstsein erzeugte. Nun war davon nichts mehr zu spüren. Er war ein geschlagener alter Mann, der mit Ai'Lith auch seine Hoffnung verloren hatte, alles, woran er geglaubt hatte. Mit der Eroberung der Hohen Festung hatten die Damonen einen Sieg errungen, der weit über die rein militärische Bedeutung hinausreichte.

Man brachte Maziroc und seinen Begleitern zu Essen und zu Trinken, und Charalon und Eibon berichteten abwechselnd vom Verlauf der Schlacht. Nachdem es am ersten Tag gelungen war, alle Angriffe zurückzuschlagen, hatten die Verteidiger trotz ihrer immensen zahlenmäßigen Unterlegenheit frischen Mut geschöpft. Obwohl sie immer wieder dagegen anstürmten, war es den Damonen nicht gelungen, auch nur den Zugang zum Tal zu erobern. Mit furchtbaren Verlusten hatten sie sich immer wieder zurückziehen müssen. Die daraufhin bei den Elben aufgekommene Hoffnung war jedoch verfrüht gewesen. Schon in der folgenden Nacht hatte sich das Kriegsglück entscheidend gewendet. Zu Hunderten und Tausenden hatten plötzlich die geflügelten Damonen angegriffen. Die Dunkelheit hatte ihnen Deckung geboten, sodass sie stets erst im letzten Moment zu entdecken gewesen waren, wenn es für einen sicheren Pfeilschuss fast schon zu spät gewesen war. Dennoch waren auch von ihnen unzählige gefallen, doch sie hatten furchtbar unter den Elbenkriegern gewütet und ihre Verteidigung entscheidend geschwächt.

Schließlich hatten sie den Zugang aufgeben und sich in die eigentliche Festung zurückziehen müssen. Die Damonen hatten das Tal regelrecht überflutet und auch die für menschliche oder menschenähnliche Angreifer unbezwingbar hohen Festungsmauern hatten keinen dauerhaften Schutz vor ihnen geboten. Sie hatten keine Leitern oder Seile gebraucht, um sie zu erklimmen. Viele der Damonenrassen waren insektoider Abstammung, und spinnenartig waren sie einfach an den Wällen und Mauern heraufgeklettert. Es war unmöglich gewesen, Pech oder auch nur Wasser immer wieder schnell genug zu erhitzen, um es über sie zu schütten und sie so zurückzutreiben, und auch die Felsbrocken, die man auf sie geschleudert hatten, waren bald zur Neige gegangen.

Dennoch hatten die Elben nicht aufgegeben. Obwohl sie selbst furchtbare Verluste erlitten, hatten sie Charalons Bericht zufolge die Ungeheuer zu Tausenden und Abertausenden getötet, doch für jeden toten Damonen waren gleich darauf mehrere neue aufgetaucht. Bis tief in die folgende Nacht hinein hatten die Elben die Ungeheuer am Übersteigen der Zinnen hindern können. Zu Zehntausenden hatten sich die Leichen der erschlagenen Damonen entlang der Mauern aufgetürmt, und angesichts ihrer schier unerschöpflich erscheinenden Reserven hatten gerade das schließlich den Untergang Ai'Liths eingeläutet.

Trotz ihrer spinnenhaften Geschicklichkeit hatte es die Bestien Zeit gekostet, an den Mauern emporzuklettern. Die aufgetürmten Kadaver der erschlagenden Ungeheuer jedoch hatten regelrechte Rampen gebildet, die schließlich bis an die Mauernkronen reichten.

An diesem Teil des Berichts schauderte es Maziroc bei der bloßen Vorstellung, wie die Damonen über die Berge von Kadavern herangestürmt waren und sich wie eine Flutwelle über die Festungsmauern ergossen hatten.

Nachdem sie diese erst einmal erobert hatten, gab es nichts, was sie noch aufhalten konnte. Ai'Lith war gefallen, und Eibon hatte den Befehl zum Rückzug geben müssen, wollte er nicht alle seine Männer dem sicheren Tod ausliefern. Da die Damonen bereits das gesamte Tal beherrschten, hatte er den Rest seiner Armee durch einen geheimen unterirdischen Fluchtweg unter dem Hauptturm aus dem Gebirge herausgeführt. Hundert Freiwillige waren zurückgeblieben und hatten ihr Leben geopfert, um die Flucht der anderen zu verbergen und ihnen einen Vorsprung zu verschaffen, indem sie die Damonen noch eine Zeit lang aufhielten.

"Seither werden wir wie die Tiere gejagt", schloss Charalon mit resigniert klingender Stimme. "Wir haben unseren Vorsprung halten und sogar etwas ausbauen können, aber dafür sind wir wie die Teufel geritten und haben uns nie mehr als vier oder fünf Stunden Rast gönnen dürfen."

"Diese Ungeheuer scheinen keine Erschöpfung zu kennen", ergänzte Eibon. "Das ist das Geheimnis ihrer Schnelligkeit. Sie sind langsamer als wir, doch sie legen keine Pause ein, folgen uns unerbittlich."

"Aber wovon leben sie? Selbst wenn sie keinen Schlaf brauchen, müssen doch auch sie irgendwann mal Nahrung zu sich nehmen. Für ein so gewaltiges Heer immer wieder Nachschub heranzuschaffen, erfordert Zeit."

"Ahnst du es nicht?", antwortete Charalon in einem Tonfall der Maziroc eine weitere schreckliche Enthüllung ahnen ließ. "Wir haben es am ersten Tag des Kampfes entdeckt. Ich bin sicher, du hast kaum irgendwelche Kadaver von ihnen bei den Ruinen von Ai'Lith gesehen. Sie fressen ihre eigenen toten Artgenossen, und vermutlich nicht nur die toten. Wenn einer von ihnen verwundet oder geschwächt ist, werden sie ihn wahrscheinlich ebenfalls wie bei einem Rudel bestimmter Raubtiere verzehren. Du kannst dir vorstellen, welch für ein Festmahl sie gerade erst hinter sich haben."

Erneut schauderte Maziroc vor Grauen, dabei war es in der Tat eine so naheliegende Erklärung, dass er sie sich selbst hätte zusammenreimen können. Bei Ungeheuern wie den Damonen war kaum zu erwarten, dass sie irgendwelche Gräber aushoben, um ihre Toten zu bestatten. Schließlich waren sie intelligenzmäßig nicht viel mehr als Tiere.

"Jeden Vorsprung, den wir am Tage herausschinden, verlieren wir nachts fast vollständig wieder, wenn wir rasten müssen", erklärte Eibon. "Zwei Drittel meiner Krieger sind bereits tot, und ich weiß nicht einmal, ob die übrigen diese Flucht noch lange genug durchhalten, um Cavillon lebend zu erreichen."

"Was ist mit Maramon?", wandte Maziroc ein. "Die Stadt liegt nur zwei Tagesritte von hier entfernt und ist stark befestigt."

Der Elbenkönig lächelte nur matt. "Maramon wurde bereits aufgegeben, so wie alle anderen Städte und Siedlungen zwischen hier und Cavillon. Zumindest hoffe ich es, denn ich habe schon vor Tagen Boten hingeschickt. Wie sollte irgendeine von Menschen erbaute Stadt dem Ansturm der Damonen länger als ein oder zwei Stunden standhalten können, wenn selbst die Hohe Festung innerhalb von kaum zwei Tagen gefallen ist?" Er schüttelte den Kopf. Selbst diese kleine Bewegung schien fast über seine Kräfte zu gehen. "Nein, alle Hoffnungen ruhen jetzt allein auf Cavillon, und ohne die Hilfe des Zwergenvolkes und seiner Drachen wird auch die Ordensburg fallen."

"Auch wenn zwischen Eurem Volk und meinem seit langer Zeit Feindseligkeit herrscht, möchte ich Euch meine tief empfundene Trauer über den Untergang Euerer Heimstatt ausdrücken, und ich bin sicher, ich spreche für mein ganzes Volk", meldete sich Marrin erstmals zu Wort. Aufrichtige Betroffenheit klang aus seinen Worten. "Ich wünschte, wir könnten Euch helfen zu vermeiden, dass Cavillon womöglich das gleiche Schicksal ereilt. Aber wie Maziroc schon berichtet hat, befindet sich Ravenhorst in ebenso großer Gefahr, und ich hoffe, Ihr habt Verständnis dafür, dass das Überleben unseres eigenen Volkes für uns Vorrang vor allem anderen hat."

"Daraus können wir Euch keinen Vorwurf machen", entgegnete Charalon. "Wenn die Damonen Ravenhorst angreifen, werdet Ihr mit Sicherheit jeden Eurer Krieger brauchen, um die Bedrohung abzuwenden."

"Aber wenn es uns gelingt, und die unmittelbare Gefahr für Ravenhorst gebannt ist, werden unsere Könige nach meinem Bericht bestimmt ein starkes Heer zur Unterstützung nach Cavillon schicken", fügte Marrin hinzu.

"Ich hoffe nur, dass es bis dahin nicht schon zu spät ist", murmelte Charalon. "Cavillon ist ein gewaltiges Bauwerk, aber im Gegensatz zu Ai'Lith oder Ravenhorst ist es nicht einmal eine richtige Festung. Wir können uns mit Magie wehren und den Damonen sicherlich ebenfalls hohe Verluste zufügen, aber ich bezweifle, dass wir uns sonderlich lange werden halten können. Dennoch ist jede Hilfe natürlich hoch willkommen."

Unbehaglich trat der Zwerg von einem Fuß auf den anderen. Ungeduld und der Aufenthalt in einem Lager der Elben machten ihn sichtlich nervös. "Wenn Ihr mich nun entschuldigt, würde ich gerne nach Ravenhorst zurückkehren, um meinem Volk die schlimmen Nachrichten zu überbringen", sagte er.

"Ich kann Eure Ungeduld gut verstehen", entgegnete Maziroc. "Aber es dürfte wichtiger denn je sein, dass Ihr uns nach Cavillon bringt, zumindest Charalon und mich. Ich weiß, dass ich viel von Euch verlange, aber auch ohne Krieger zu unserer Unterstützung zu schicken, könntet Ihr uns auf diese Art sehr helfen, und es wäre für Euch nur ein Umweg von wenigen Stunden."

Marrin rang kurz mit sich, dann nickte er. "Wenn ich Euch bis Cavillon bringe, dann gibt es allerdings keinen Grund, warum ich nicht auch noch einige weitere Männer mitnehmen sollte", sagte er Er wandte sich an Eibon. "Bitte habt Verständnis dafür, dass ich keine Elben auf den Drache lasse, auch wenn der Streit zwischen unseren Völkern angesichts der Damonen nichts mehr zählt. Aber Ihr könnt vierzig der menschlichen Krieger auswählen lassen, die verwundet oder besonders geschwächt sind. So viele dürfte der Drache tragen können, ohne dadurch nennenswert langsamer zu werden."

*


Cavillon hatte sich grundlegend verändert in den Wochen, die verstrichen waren, seit Maziroc zusammen mit den Elben zu der Expedition aufgebrochen war. Stärker noch als Ai'Lith war die Ordensburg stets ein Ort des Friedens gewesen, der Wissenschaft, der Magie und der Künste. Sie hatte für ihn immer etwas klösterlich Besinnliches gehabt, doch nun hatte Cavillon sich in ein Heerlager verwandelt. Nichts war mehr von der einstigen Ruhe und Beschaulichkeit dieses Ortes geblieben, wurde Maziroc schmerzhaft bewusst, während er raschen Schrittes den Innenhof überquerte und dabei seinen Blick umherwandern ließ.

Zur Verstärkung der zahlenmäßig eher kleinen Garde waren zahlreiche Krieger aus den evakuierten Städten Larquinas, aber auch aus Aslan und dem im Süden gelegenen Caarn herbeigeeilt. Croman, der noch junge larquinische Kaiser, hatte mehrere hundert Bogenschützen und fünf Bataillone schwerer gepanzerter Kavallerie zu ihrer Unterstützung geschickt. Allein diese fünfhundert Reiter würden wie eine unaufhaltsame Woge über jeden anderen Gegner hinwegbrausen und ihn aufreiben, doch Maziroc bezweifelte, dass sie einem zahlenmäßig so überlegenen Feind wie den Damonen ernsthaft gefährlich werden konnten. Aber dass Croman das Herzstück seiner Armee nach Cavillon gesandt hatte, zeigte deutlich, dass er sich der Gefahr deutlich bewusst war. Wenn Cavillon fiel, würden die Damonen bald darauf auch Basla erreichen, seine Residenz.

Die Ordensburg schien vor Menschen aus allen Nähten zu platzen, doch handelte es sich zum allergrößten Teil um Soldaten. Außer ihnen hielten sich nur noch Magier und Vingala in Cavillon auf, da Charalon auch hier die Evakuierung sämtlicher Zivilisten angeordnet hatte, sogar die der aus Ai'Lith geflohenen Elbenfrauen und -kinder. Selbst seine eigene Frau hatte er fortgeschickt. Schier endlose Flüchtlingsströme zogen auch jetzt immer noch nach Norden, an der Ordensburg vorbei, wo sie sich Schutz erhofft hatten, der ihnen nun nicht gewährt wurde. Es war eine harte Entscheidung, aber die einzig sinnvolle. Sollte auch Cavillon fallen, würden sie nirgendwo sicher sein, wie weit sie auch flohen, doch die Ordensburg war zu klein, um auch nur einen nennenswerten Teil von ihnen aufnehmen zu können, und sie würden während des Kampfes die Verteidigung nur behindern. Schon jetzt herrschte Mangel an Quartieren für die zahlreichen Soldaten.

Abgesehen von der Zahl und der Art der Bewohner hatte Cavillon sich aber auch in anderer Hinsicht verändert. Wälle waren vor den Mauern aufgeschüttet und Gräben ausgehoben worden, in die man Petroleum leiten und anzünden konnte. Allerdings bezweifelte Maziroc, dass die Maßnahmen sonderlich viel nützen würden. Wenn die Damonen ebenso selbstmörderisch wie beim Sturm auf die Hohe Festung angriffen, würden sie sich mit Todesverachtung in die Gräben stürzen, bis sie das Feuer mit ihren Körpern erstickt und die Gräben gefüllt hätten, sodass die Nachfolgenden über sie hinweg und die Wälle hinauf stürmen konnten.

Darüber hinaus aber waren auch erfolgversprechendere Lehren aus dem Verlauf der Schlacht um Ai'Lith gezogen worden. So waren die Mauerspitzen durch nach außen überragende Aufbauten aus Holz aufgestockt worden, um ein Überklettern zu erschweren, und die Wehrgänge waren außerdem überdacht worden, um besser gegen Angriffe aus der Luft geschützt zu sein. Ob diese Veränderungen wirklich etwas nutzen würden, würde sich erst beim Angriff zeigen, der nun nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.

Vor knapp zwei Stunden waren die Elbenkrieger unter der Führung Eibon Bel Churios in Cavillon eingetroffen. Auch Pollus hatte sich bei ihnen befunden, da er darauf bestanden hatte, seinen Platz im Transportkorb des Drachen für einen weiteren Verwundeten freizumachen und selbst mit den anderen Männern weitergeritten war. Sie alle waren völlig am Ende ihrer Kräfte angelangt und hatten sich sofort in die für sie vorbereiteten Quartiere zurückgezogen. In den vergangenen Tagen, seit Maziroc sie zuletzt gesehen hatte, mussten sie wie die Teufel geritten sein. Dennoch betrug ihr Vorsprung vor den Damonen nur einen knappen Tag, was bedeutete, dass auch die Ungeheuer die Ordensburg bald erreichen würden.

Trotz seiner Erschöpfung hatte Eibon schon so kurz nach seiner Ankunft nach Charalon und Maziroc geschickt, hatte sich nicht mehr an Erholung gegönnt, als unbedingt nötig war. Das allein zeigte dem Magier, dass der Elbenkönig ihnen etwas äußerst Wichtiges mitzuteilen haben musste.

Als er das Quartier Eibons fast erreicht hatte, verließ gerade eine ältere Vingala den Raum. Ihr Gesicht drückte Trauer aus, und ihre Augenwinkel glänzten sogar feucht.

"Was ist los?", erkundigte sich Maziroc. "Wie geht es Eibon?"

"Nicht gut", presste die Vingala hervor und man sah nun, dass sie wirklich mit den Tränen kämpfen musste. "Ich fürchte, er ... er wird sterben. Diese verfluchten Ungeheuer!"

Sie eilte an ihm vorbei, und Maziroc betrat das Zimmer. Außer dem Elbenkönig selbst hielten sich noch sein Leibarzt und zwei weitere Hexen dort auf. Auch Charalon war bereits eingetroffen. Schon der erste Blick in das abgezehrte, eingefallene Gesicht Eibons zeigte Maziroc, dass die Vingala recht gehabt hatte. Er hatte einen Mann vor sich, der mit dem Tode rang und bereits unheilbar von ihm gezeichnet war. Fast apathisch lag er in seinem Bett, bekam von seinem Arzt gerade einen Trank aus einer Schale eingeflößt. Nach wenigen Schlucken musste er husten. Ein Teil des Trankes floss aus seinen Mundwinkeln zurück, doch hatte er sich mit Blut vermischt. Der Blick des Elbenkönigs war von hohem Fieber getrübt, klärte sich jedoch ein wenig, als er Maziroc erkannte.

"Geht jetzt", befahl er seinem Arzt und den beiden Vingala. Seine Stimme war kaum mehr als ein Wispern, und das Sprechen fiel ihm sichtlich schwer. "Was ich ... zu sagen habe, ist nur ... für die Ohren von Charalon und Maziroc bestimmt."

"Aber Herr", wandte sein Leibarzt ein, ein ebenfalls schon älterer Elb. "Ihr könnt ..."

"Geht", sagte Eibon noch einmal, ein wenig lauter diesmal. "Das ist ... ein Befehl."

"Wie Ihr befehlt, Herr." Mit sichtlichem Widerwillen stellte der Arzt die Schale auf einem Tischchen ab. Nachdem er den Elbenkönig noch einige Sekunden lang betrachtet hatte, wandte er sich mit einem Ruck ab und verließ zusammen mit den Vingala den Raum.

"Kommt näher", bat Eibon und winkte ihnen schwach mit der Hand.

"Du darfst dich nicht anstrengen", sagte Charalon, als er ebenso wie Maziroc bis direkt an das Bett vorgetreten war. "Es wäre besser, wenn du dich erst etwas erholen würdest und wir später miteinander sprechen."

"Es wird ... kein später mehr für mich geben", entgegnete Eibon krächzend. "Machen wir uns ... nichts vor. Ich werde ... sterben. Die Anstrengung war ... zu viel für mich. Ich habe den Zeitpunkt ... schon seit Tagen nur mehr hinausgezögert. Ich bin ... für meine Männer verantwortlich und musste ... sie sicher hierhergeleiten. Nun ist ... meine Aufgabe erfüllt und meine Kraft ... fast aufgebraucht."

"Aber das stimmt nicht", antwortete Charalon und griff impulsiv nach der Hand des Sterbenden. "Das Volk der Elben ... wir alle brauchen dich auch weiterhin. Dein Tod wäre ein furchtbarer Schlag für deine Leute und würde sie noch vor der Schlacht völlig demoralisieren."

"Du kennst uns Elben ... nicht so gut, wie du denkst", behauptete Eibon. "Mein Tod wird ihnen im Gegenteil ... Kraft geben. Jeder von ihnen ... wird darauf brennen, mich zu rächen. Aber mir bleibt ... nur noch wenig Zeit, und ich muss ... euch dringend etwas sagen. Vielleicht könnte es ... die Rettung für Cavillon sein." Er hob schwach eine Hand und deutet auf eine Kommode. "Die Schatulle dort ... gebt sie mir."

Maziroc trat an die Kommode, auf der ein kleines, schlichtes Metallkästchen stand, dessen Deckel mit mächtigen Runen verziert war. Vorsichtig ergriff er es, trug es zum Bett hinüber und reichte es Eibon. Andächtig strich der Elbenkönig mit den Fingerspitzen über die Symbole.

"Ihr wisst, dass Cavillon nicht von Menschen erbaut wurde", sagte er. Seine Stimme klang plötzlich klarer und das Sprechen fiel ihm etwas leichter, als würde er Kraft aus der Schatulle beziehen. "Aber auch nicht von uns Elben, wie allgemein angenommen wird, so wenig wie Ai'Lith. Wir haben beide Bauwerke selbst nur von einem der früheren Völker übernommen. Cavillon war stets ein Ort starker Magie, und da es bei meinem Volk niemals Magier gegeben hat, haben wir euch Cavillon vor langer Zeit geschenkt, als das Menschenvolk die ersten Magier und Hexen hervorbrachte."

Diese Eröffnung stellte für Maziroc keine allzu große Überraschung dar. Er hatte bereits vermutet, dass weder Ai'Lith noch Cavillon von den Elben erbaut worden waren, doch hatte es nie einen Beweis dafür gegeben.

"Den eigentlichen Quell von Cavillons Macht jedoch haben wir euch damals nicht gegeben", fuhr Eibon fort. "Wir wussten nicht, wie sich das Volk der Menschen und auch der Magierorden entwickeln würde. Ihr wart noch ein junges und sehr kriegerisches Volk damals, und wir wollten euch keine zu große Macht in die Hände geben." Er rang sich mühsam ein Lächeln ab. "Kriegerisch seid ihr auch heute noch, aber ihr habt auch beträchtliche Weisheit erworben." Wieder strich er mit den Fingerspitzen über das Kästchen in seinen Händen. "Diese Schatulle enthält den größten Schatz meines Volkes. Er stellt zugleich unser größtes Heiligtum dar, was ein weiterer Grund dafür war, weshalb wir ihn bislang selbst gehütet haben."

"Ich verstehe nicht, wovon du sprichst", murmelte Charalon.

"Wir Elben glauben, dass unsere Seelen nach dem Tode eine Wanderschaft an einen anderen Ort antreten, einen Ort, wo wir geläutert werden, und von wo aus wir dann, wenn unsere Seele vollkommen rein sind, zu den Göttern emporsteigen, um unseren Platz an ihrer Seite einzunehmen."

Maziroc runzelte die Stirn. Er hatte gehofft, dass Eibon ihnen eine wichtige Enthüllung machen würde, ihnen ein Geheimnis verraten, dass ihnen womöglich eine konkrete Waffe gegen die Damonen in die Hand geben würde. Stattdessen jedoch schien der Geist des Elbenkönigs vom herannahenden Tod bereits so vernebelt zu sein, dass er nur über den religiösen Glauben seines Volkes philosophierte, was das weitere Schicksal einer Seele nach dem Tode betraf. Es mochte für einen Sterbenden wie ihn wichtig sein, doch für die bevorstehende Schlacht, in der über ihr aller Überleben entschieden werden würde, war es ohne Bedeutung. Dennoch schwieg Maziroc aus Ehrfurcht vor dem Elbenkönig.

"Dieser Ort, von dem aus unsere Seelen nach ihrer Läuterung zu den Göttern aufsteigen, heißt Dämmerschmiede", sprach Eibon weiter. "Es ist ein Ort großer Macht und Magie, guter wie verderblicher. Wir Elben können ihn nur nach unserem Tod erreichen, aber es gibt auch einen anderen Weg dorthin. Einen Weg, der nur hier von Cavillon aus beschritten werden kann, und nur von denen, die die gleiche Magie beherrschen wie jenes längst vergangene Volk, das die Ordensburg einst errichtete. Wir Elben waren nie seine Erben, das seid ihr Menschenmagier, doch wie ich schon sagte, haben wir euch einst einen Teil dieses Erbes vorenthalten, weil es für unser Volk heilig war. Ich hoffe, ihr habt Verständnis dafür und urteilt deshalb nicht zu streng über uns."

Erneut wurde er von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt. Ein dünner Blutfaden rann aus seinem Mund. Maziroc wischte ihn mit einem sauberen Tuch fort.

Als Eibon sich wieder einigermaßen erholt hatte, drückte er auf eine bestimmte Rune im Deckel der Schatulle. Das Kästchen sprang auf. Auf einem Bett aus schwarzem Samt lag darin ein runder, kunstvoll geschliffener Kristall, etwa so groß wie eine Kinderfaust, der von innen heraus in einem düsteren Violett gloste.

"Dies ist der Seelenstein", erklärte Eibon. "Wir haben ihn so genannt, weil er das Tor zu dem Ort öffnet, an den unsere Seelen nach unserem Tod gehen. Das Tor zu der regenbogenfarbenen Brücke, die zu der Dämmerschmiede führt."

Wieder musste er husten, und fast wäre die Schatulle seinen Händen entglitten, wenn Charalon nicht rasch zugepackt und sie aufgefangen hätte.

"Nimm sie", sagte Eibon, als der Hustenanfall vorbei war. "Nach dem Fall Ai'Liths wird unser Volk nie wieder das sein, was es einst war. Die Zahl der Elben schrumpft schon seit Jahrhunderten, und unsere Macht ist seit Langem im Schwinden begriffen. Unsere Zeit ist fast abgelaufen, wir sind ein dem Untergang geweihtes Volk, und der Verlust der Hohen Festung wird dies noch beschleunigen. Es wird Zeit, Euch auch diesen Teil ... eures Erbes zu geben. Öffnet das Tor zur Dämmerschmiede und ... nutzt ihre Macht, um die Damonen zu besiegen und Arcana ... zu retten, aber seid vorsichtig. Denkt stets daran, dass ... diese Magie Gutes bewirken, aber auch ... Verderben heraufbeschwören kann ... vor allem, wenn sie ... für kriegerische Zwecke ... eingesetzt wird. Ich überlasse euch ... die Entscheidung, ob ihr ... von dieser Macht ... Gebrauch macht, doch setzt sie stets ... verantwortungsvoll ein. Bei euch beiden ... weiß ich den Seelenstein in ... den besten Händen, die ich mir ... nur wünschen kann ... meine Freunde."

Zuletzt hatte Eibon immer leiser und stockender gesprochen. Es schien Maziroc, als könnte er zusehen, wie das Leben mit jedem Atemzug aus dem Körper des Elbenkönigs wich. Er wünschte, er könnte zupacken und es festhalten, doch im Angesicht des Todes war jede noch so starke Magie machtlos.

Noch ein letztes Mal bäumte Eibon sich von einem Hustenanfall gebeutelt auf, dann sank er zurück und blieb reglos liegen.

Eibon Bel Churio, der König der Elben, war tot.

Die Elfen der Dämmerung: 3 dicke Fantasy Sagas auf 1500 Seiten

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