Читать книгу Reitschuster und die Herbstsonne - Frank Röllig - Страница 4

Erstes Kapitel

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Der Herbst zeigte sich an diesem Oktobermorgen von seiner schönsten Seite. Das Sonnenlicht durchflutete die Kronen der Bäume und die Blätter leuchteten in den verschiedensten Farben.

Es wurde Zeit, dass er seinen Ball endlich fand. Reitschuster hatte sich für diesen Samstagmorgen mit seinen Freunden Paul Neuhaus und Hector Malizia zu einer Platzrunde auf dem hiesigen Golfplatz verabredet.

Bei seinem Abschlag vom Tee der 2. Spielbahn verzog er nach rechts und der Ball landete unter einem dichten Laubteppich. Alle suchten eifrig und Paul meinte.

„He Bär, die fünf Minuten sind gleich vorbei, dann musst du wieder nach oben. Hättest gleich einen provisorischen Ball spielen sollen.“ Da die drei immer streng nach den Golfregeln spielten, muss ein zweiter Abschlag erfolgen, wenn der erste Ball als verloren deklariert wurde oder die fünf Minuten Suchzeit überschritten wurde.

Im Prinzip war Reitschuster ein ruhiger Zeitgenosse, nur wenn es im direkten Vergleich gegen seine Freunde ging, konnte er schon mal biestig werden. Jetzt kochte er vor Wut über den misslungenen Abschlag!

Alles Suchen half nichts und er konnte sich wohl einen Strafschlag auf seiner Scorekarte eintragen.

Plötzlich vibrierte das Telefon in seiner Hosentasche. „Reitschuster.“

„Bär du musst kommen! Hier brennt der Baum.“ Am anderen Ende war Polizeiobermeister Christian Schaller.

Seit vielen Jahren spielte er nun Golf. Sein Trainer gab sich sehr viel Mühe, ihm das richtige Handling zu vermitteln. Jedoch mit mäßigem Erfolg, wie er nun wieder zu seinem Ärger feststellen musste. Deshalb kam der Anruf von Polizeiobermeister Schaller nicht ungelegen, auch wenn Reitschuster sich auf sein freies Wochenende gefreut hatte.

„Ich melde mich gleich bei dir“, sagte er kurz zu seinem Kollegen.

„Jungs ich muss mich leider verabschieden. Die Pflicht ruft.“

„Soso! Du glaubst wohl, wir lassen dich einfach so ziehen. Da werden wir im Klubhaus eine Flasche Barolo köpfen und auf dein Wohl trinken.“

Beide grinsten Reitschuster an. Dieser war dennoch erleichtert und sein Zorn über seinen schlechten Abschlag war verflogen. Es wäre für ihn sowieso kein schönes Spiel geworden. Am Ende wäre die Rechnung viel teurer für ihn gekommen, weil der Verlierer alles zahlte.

„Ja ist schon okay. Tut mir wirklich sehr leid.“ Er gab ihnen zum Abschied die Hand, wünschte ihnen ein schönes Spiel und ging zurück zum Klubhaus.

Auf dem Weg dorthin konnte er ungestört telefonieren.

„Hallo Schaller“, meldete er sich. „Was ist passiert?“

„Ein Toter im Thannhausener Forst“, sagte Schaller aufgeregt.

„Weiß man schon mehr?“, fragte Reitschuster sachlich. Er hoffte, Polizeiobermeister Schaller zu beruhigen, indem er ihn auf die reine Information lenkte.

Für Reitschuster war es nicht neu, Todesmeldungen zu hören. Für ihn gehören Mord und Totschlag zum Berufsalltag. Die langjährige Erfahrung machte ihn zu einem routinierten und abgeklärten Kriminalisten. Seit 27 Jahren war er nun bei der Landespolizei Bayern. Seit acht Jahren war er 1. Kriminalhauptkommissar und Leiter der Kriminalpolizei Krumbach.

„Bist du im Büro?“, fragte Reitschuster.

„Nein! Ich befinde mich auf dem Weg zum Tatort.“

„Von wem kam die Information über den Toten?“

„Von einem Jogger. Die Spurensicherung ist bereits vor Ort.“

„Gut! Ich mache mich auf den Weg.“ Er drückte auf die rote Taste und steckte das Handy in die Hosentasche.

Dann duschte er, machte sich zurecht und stieg in sein Auto. Rasch fuhr er zum Tatort.

Am Rande des Thannhausener Forstes wurde er mit Blaulicht empfangen. Bei den übrigen Einsatzwagen stellte er sein Auto ab und ging durch eine Traube von Menschen. Als er das Absperrband erreichte, wurde er von einem uniformierten Kollegen gebeten, sich auszuweisen. Er tat, wie ihm geheißen, dann sah er den Toten in einer seltsam gekrümmten Haltung auf der Wiese liegen. Dr. Wallenstein, Leiter der Spurensicherung Schwaben, untersuchte den Toten.

„Hallo Wallenstein, was haben wir hier?“, fragte er seinen Kollegen ein wenig spöttisch. Dieser hieß wirklich Wallenstein, war aber der Meinung, sein Name wäre uncool und wollte aus diesem Grund von allen nur Stone genannt werden.

„Hallo Bär! Genießt du dein freies Wochenende?“, fragte er grinsend.

„Und wie! Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen, als an diesem schönen Herbsttag durch die Gegend zu eiern, um mit dir Händchen zu halten.“

Beide lachten und Stone gab bereitwillig Auskunft. „Das Opfer ist circa 30 bis 35 Jahre alt, 185 Zentimeter groß und“, Stone drehte den Kopf des Mannes zur Seite, „hat ein ziemliches Loch im Hinterkopf. Circa acht Zentimeter lang. Der Täter muss mit einer solchen Wucht zugeschlagen haben, dass der Schädelknochen zersplittert wurde. Der Mann war sofort tot. Wir haben jetzt dreiviertel eins. Wenn man die Körperwärme zur jetzigen Temperatur des Leichnams gegenrechnet, war die Tatzeit heute Morgen so gegen neune, plus minus 30 Minuten. Weiteres nach der Obduktion.“ Stone richtete sich wieder auf, um sich des Overalls und der Gummihandschuhe zu entledigen. „Fällt dir etwas auf?“, fragte Stone.

Reitschuster sah sich die Leiche genau an,„der liegt ein wenig gekrümmt da, sonst aber nichts Auffälliges.“

„Das Opfer ist noch mal bewegt worden.“

Reitschuster sah ihn an. „Woran erkennst du so etwas?“, fragte er erstaunt.

„An den Grashalmen. Die Halme unter der Leiche sind richtig platt gedrückt, wobei diese“, er zeigte auf die linke Seite des Opfers, „sich wieder etwas aufgerichtet haben, weil der Druck nachgelassen hat. Das Gras in der Umgebung steht beinahe senkrecht.“

„Das ist mir auch aufgefallen, nur habe ich es nicht erwähnt“, schmunzelte er.

In Reitschusters Kopf begann es zu schaffen. „Dann haben wir es wahrscheinlich mit zwei Tätern zu tun“, sagte Reitschuster mehr zu sich selbst. Er fuhr sich durch sein Haar. Eine Angewohnheit, welche er schon seit der Schulzeit hatte. Immer wenn er sich konzentrieren musste, fuhr er sich durch die Haare. Er war froh darüber, mit 48 Jahren noch so volles Haar zu haben. Stone hatte nicht so viel Glück, da er- obwohl zwei Jahre jünger- eine mächtige Tonsur als Haupthaar trug.

„Das musst du selbst herausfinden, mein lieber Bär. Ich kann nur Fakten sammeln!“, sagte Stone und klopfte seinem Kollegen aufmunternd auf die rechte Schulter.

Reitschuster sah sich um. Wo war der Jogger? An der Polizeiabsperrung sah er Polizeiobermeister Schaller, der gerade die Schaulustigen befragte. „Guten Morgen, Schaller“, rief er hinüber. „Wo ist denn dein Jogger?“ Schaller grüßte seinen Chef aus der Ferne. Er übergab seine Dienstgeschäfte an einen Kollegen, um dann schnellen Schrittes zu Reitschuster zu eilen.

Etwas außer Atem sagte Schaller: „Den habe ich nach Hause geschickt, nachdem ich seine Personalien überprüft hatte. Er arbeitet in Ichenhausen bei der Stadt. Soll ich dir die Daten vorlesen?“

„Nein! Gib sie mir später!“ Reitschuster ging zu Stone zurück. „Was habt ihr noch? Hatte der Tote etwas dabei?“ Er sah das Spurensicherungsteam aufmerksam an. „Kein Handy, keinen Hausschlüssel oder Autoschlüssel, keine Geldbörse, nichts Persönliches“, meinte Pfeiffer, ein Mitarbeiter von Dr. Wallenstein.

„Dann könnte es Raubmord gewesen sein.“ Er dachte kurz nach. „Auffällige Tätowierungen oder Narben?“

„Nein, nichts dergleichen“, sagte Stone. Seine Klamotten, alles vom Feinsten, überlegte Reitschuster. Neueste Markenkleidung und Laufschuhe.

Nichts, was man so einfach in der Kaufhalle oder bei Woolworth kaufen kann. Da kamen hier auf dem Lande vielleicht vier oder fünf Geschäfte infrage.

Reitschuster sinnierte, während Schaller das Absperrband öffnete, um das Fahrzeug eines beauftragten Bestattungsunternehmens durchzulassen.

„Brauchst du uns noch?“, fragte Stone. Reitschuster schaute nachdenklich in die Richtung des Fahrzeugs. „Checkt ihn durch und versucht, etwas über seine Klamotten herauszufinden. Scheint, dass das unsere einzige Spur ist.“

„Machen wir Bär, du kannst dich auf uns verlassen!“, sagte Wallenstein. Die Spurensicherung rückte ab. Der Tote wurde eingesargt und in die Gerichtsmedizin Memmingen überstellt.

Reitschuster dachte nach. Seit Wochen wartete er nun auf einen neuen Partner. Seine Kollegin Kriminalkommissarin Samantha Berger war nach der Geburt ihrer Tochter in Elternzeit. Sie machte ihre Arbeit sehr gut und sie kamen prima miteinander aus. Sie war eine schillernde Persönlichkeit, die immer für einen Scherz zu haben war. Samantha war die perfekte Ergänzung zu Reitschuster. Oft war sie etwas spontan, da musste er sie bremsen, damit sie nicht über das Ziel hinaus schoss. Als sie vor vier Jahren aus dem fernen Rosenheim in seine Abteilung versetzt worden war, waren die beiden nicht sofort ein Team gewesen. Aber das hatte sich schnell geändert, denn sie brachte die richtige Würze in das Team der Kripo Krumbach. Sie hinterfragte vieles und war oft auf Konfrontation aus. Samantha war 33 Jahre alt, sehr sexy und wenn jemand auf rothaarige Frauen stand, war sie ein echter Hingucker. Auch sie durchlief annähernd die gleiche Ausbildung wie Reitschuster bis auf die Führungslehrgänge. Er spürte schon länger, dass ihr etwas fehlte. Sie ließ sich nach Krumbach versetzen, weil ihr Mann eine lukrative Stelle im Management einer Flugzeugbaufirma in Mindelheim bekam.

Dies war vor sechs Jahren gewesen. Beide hatten keine Lust mehr auf eine Wochenendbeziehung und so kam es zur Versetzung nach Krumbach.

Der Polizeipräsident der Polizeiinspektion Kempten hatte Reitschuster nun schon vor Wochen einen neuen Partner zugesichert. Er wusste gar nicht mehr, wann er das letzte Mal so richtig ausgeschlafen hatte. Die Arbeit wuchs ihm allmählich über den Kopf. Seine Abteilung fiel mehr und mehr auseinander. Krankheit, Urlaub, Lehrgänge und Elternzeit trugen dazu bei, dass der Leiter ständig auf die Piste geschickt wurde. Polizeiobermeister Schaller machte schon seit Jahren hervorragende Arbeit. Schaller war vor fünfzehn Jahren Polizist geworden. Nach der Polizeischule war er eine Zeit lang bei der Bereitschaftspolizei München. Danach ging es nach Aichach, bis er vor sechs Jahren zu Reitschuster aufs Kommissariat gekommen war. Vor kurzem hatte er sich als Seiteneinsteiger für den gehobenen Dienst beworben. Er war ledig und wohnte in Krumbach. Wenn er nicht als Polizist unterwegs war, spielte er gerne Schafkopf. Dann traf man sich im Kupferdächle, aß und trank dazu. Ein weiteres Hobby war das Angeln, da konnte Christian Schaller so richtig runterkommen von seinem teilweise stressigen Beruf.

Reitschuster ging zu seinem Auto, als er bei Schaller vorbei kam. „Schaller, du sorgst dafür, dass hier alles korrekt abgewickelt wird. Danach meldest du dich bei mir im Büro.“

„Alles klar. Mache ich bis später“, sagte Schaller. Reitschuster stieg in sein Auto und fuhr ins Präsidium nach Krumbach. Er dachte an den Fall und wie man am besten vorging. Ein Mord hier im verträumten Schwabenländle kam nicht alle Tage vor. Er legte einen kurzen Stopp beim Kaiserbäck ein und besorgte ein paar süße Stückle. Am Präsidium stellte er sein Auto ab und ging in seine Abteilung. Es war nun vier Uhr und das Gebäude war menschenleer. Im Vorzimmer setzte er Kaffee auf und ging in sein Büro. Dort nahm er an seinem Schreibtisch Platz und schrieb seinen Einsatzbericht. Nachdem er den Bericht verfasst hatte, wartete er auf Kollegen Schaller.

Es verging eine halbe Stunde, bis sich Polizeiobermeister Schaller bei ihm meldete. Als er Schaller sah, ging er ihm entgegen.

„Na Schaller! Alles erledigt?“, fragte Reitschuster und schenkte seinem Kollegen einen Kaffee ein. Nun gab er ihm die Tasse und bot ihm ein süßes Stückle an.

„Der ist zwar nicht so gut, wie der Kaffee von Kollegin Wimmer, erfüllt aber seinen Zweck. Ich kann dann besser denken. Geht es dir da auch so?“, lächelte er Schaller an. Dieser nahm sich ein süßes Stückle und antwortete.

„Den Tatort haben wir wieder freigegeben. Danke dir für Kaffee und Kuchen, ja auch ich kann nicht gut mit leerem Magen denken“, grinste Schaller und biss herzhaft zu.

Sie gingen in Reitschusters Büro. Beide setzten sich und Reitschuster begann: „Schaller, wie du weißt, ist Samantha Berger in Elternzeit. Deshalb brauche ich schnellstens Ersatz. Die versprochene Unterstützung der Personalstelle ist zwar im Zulauf, doch wann sie hier eintrifft, ist mehr als fraglich. Deshalb möchte ich, dass du mein Assistent bist. Was hältst du davon?“

Schaller strahlte über das ganze Gesicht. Etwas verlegen sagte er: „Ja, vielen Dank! Das wirst du sicher nicht bereuen. Aber was wird der Polizeipräsident davon halten?“

Reitschuster gab ihm ein Handzeichen: „Den lass mal getrost meine Sorge sein. Schließlich hast du dich für den gehobenen Dienst beworben.“

Beide erhoben sich wieder und Reitschuster gab Schaller die Hand: „Willkommen im Team der Kripo Krumbach.“ Schaller bedankte sich nochmals: „Danke dir für dein Vertrauen. Wäre das dann alles? Ich möchte nämlich nicht unhöflich sein, aber ich wollte noch zum Angeln.“ Reitschuster lachte: „Na da möchte ich dich nicht aufhalten vielleicht beißen sie bei Dunkelheit nicht mehr. Petri Heil, wir sehen uns dann Montag.“

„Petri Dank!“, rief Schaller, der sich bereits zum Gehen anschickte. Reitschuster schaute in den Monitor seines Rechners tippte etwas in die Maske einer Suchmaschine. Einige Minuten vergingen, bis er eingrenzen konnte, welche Sportgeschäfte und Firmen in Frage kamen, die Sportbekleidung im Sortiment hatten. Er ließ die Liste aus dem Drucker, schaltete den Computer und das Licht aus, dann legte er den Ausdruck auf den Schreibtisch von Frau Wimmer, schloss die Büros ab und verließ ebenfalls das Kommissariat. Reitschuster stieg in sein »Schätzle«. Es war ein Opel Admiral Baujahr 1968 in Königsblau mit viel Chrom. Als sein Vater vor zehn Jahren an Krebs verstorben war, hatte er seine irdischen Güter, samt »Schätzle« an ihn vererbt. Dieses Auto erweckte in ihm immer wieder Kindheitserinnerungen. Wenn die ganze Familie über die alte Brenner Passstraße nach Süd Tirol gefahren war oder sich über das Timmelsjoch gequält hatte, das Auto ließ sie niemals im Stich. Seine Frau, er, und seine Mutter kümmerten sich sehr lange um den erkrankten Vater. Seine Schwester Claudia hielt sich aus allem raus. Sie ist dreizehn Jahre jünger als Reitschuster und lebt seit Beginn ihres Studiums in Frankreich. Er hatte durchaus Verständnis für ihre Lage. Gut für ihn war bei all dem Leid, dass sie komplett auf ihr Erbe verzichtete. Als seine Mutter dann dement wurde, konnte er sich nicht mehr um sie kümmern und gab sie schweren Herzens in ein Pflegeheim nach Thannhausen ab.

Reitschuster fuhr nach Neuburg an der Kammel, wo er, seit er denken konnte, lebte. Es war ein typisches kleines Dorf mit 3200 Einwohnern, wo jeder jeden kannte. Es war seit jeher so, dass sich Anwohner bei ihm meldeten, um sich Rat zu holen, wenn es Streitigkeiten mit Nachbarn gab. Diese gingen ihn jedoch nichts an, dann musste er hinsichtlich dieser Meldungen ein wenig Aufklärungsarbeit leisten. Er gehörte nun einmal nicht der Schutzpolizei an.

Der Samstag kam, und weil es draußen gar so trübe war, schaute er sich auf SKY die Fußballbundesliga an. Seine Schlagtechnik trainierte er am Sonntag. Früh fuhr er zum Golfklub Schloss Klingenburg, um zu üben. Dies tat er oft, da seine Physis nicht die beste war, und so konnte er seine Muskulatur kräftigen. Mit seinem Driver, dem dicksten Schläger, gelangen ihm, ab und zu respektable Weiten, was ihm ein leichtes Grinsen ins Gesicht zauberte. Gegen 14:00 Uhr kamen die ersten Klubmitglieder von ihrer Morgenrunde. Unter Ihnen auch Paul, „Hallo Bär“, lachte Paul ihn erstaunt an, „kommt denn Krumbach heute ohne dich aus?“

„Grüß dich Paul! Mal bitte nicht den Teufel an die Wand! Lass uns etwas essen.“ Sie gingen ins Klubhaus, bestellten aus der Menükarte und tranken Wein dazu. Reitschuster freute sich, seinen Freund zu treffen und so eifrig trainiert zu haben. Deshalb ließ er den Sonntag genüsslich enden.

Der Beginn der neuen Woche war verregnet. Reitschusters Laune hingegen war gut, äußerst gut. Die Aussichten einen Interimspartner zu bekommen, beschwingte ihn. Er nahm die vier Eichenstufen der Eingangshalle des Präsidiums in einem Schwung und betrat seine Abteilung.

Der Duft von frischem Kaffee zog ihm in seine Nase. „Guten Morgen Herr Reitschuster“, strahlte Frau Wimmer den Kriminalhauptkommissar an. Frau Friederike Wimmer war 35 Jahre alt und seit fünfzehn Jahren in Reitschusters Abteilung.

„Den Kaffee bringe ich Ihnen gleich ins Büro. War auch schon fleißig, was Ihre Notiz angeht“, sagte sie wie immer gut gelaunt.

„Wünsche Ihnen auch einen schönen Morgen! Vielen Dank einstweilen!“ Er lächelte sie an und sah, dass sie ein wenig errötete.

„Brez´n mit Butter gibt es auch gleich.“ Für Reitschuster konnte der Tag nicht besser anfangen. Daheim hatte er zwar die Zeit, aber nie Lust, sich Frühstück zu machen. Erst recht nicht seit seiner Scheidung vor zwei Jahren.

Seine Frau konnte mit der Unregelmäßigkeit, die nun mal sein Beruf mit sich bringt, nicht länger klar kommen. Es war dann ein schleichender Prozess entstanden, wodurch man sich auseinanderlebte. Sie machte dann den ersten Schritt in Richtung Scheidung, er gab bereitwillig sein Einverständnis. Heute ist er längst darüber hinweg. Dennoch fällt es ihm schwer, soziale Kontakte zu knüpfen.

Umso mehr freute er sich jetzt auf Kaffee und Butterbrezen. Schaller kam ins Büro und wurde herzlich begrüßt. Zum Einstand gab es Weißwürste, die er der Einfachheit gleich in einem Topf perfekt gegart mitbrachte. Nach diesem zünftigen Weißwurstfrühstück telefonierte Reitschuster mit Staatsanwalt Dr. Hieber. Er wollte ihm sagen, dass er nicht länger auf ein Wunder der Personalabteilung warten könne:„Guten Morgen, Herr Dr. Hieber, ich möchte Sie um einen Gefallen bitten“, sagte er freundlich, aber in einem sachlichen Ton. „Ja grüße Sie, Herr Reitschuster. Ähm, was macht Ihr Golfspiel?“, fragte Dr. Hieber freundlich. Reitschuster begann: „Nun, da ist noch sehr viel Luft nach oben. Zur Zeit stagniert mein Handicap bei 40.

Der Grund meines Anrufs ist jedoch nicht mein Golfspiel“, scherzte er. „Wie Sie wissen, ist Kollegin Berger in den Mutterschutz mit anschließender Elternzeit gegangen. Mir wurde seitens der Personalstelle längst ein Ersatz zugesprochen. Dieser Ersatz ist jedoch bisher nicht erschienen, deshalb möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen.“

„Ich bin ganz Ohr.“

Reitschuster und die Herbstsonne

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