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1. KURZOS

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Wenn ich gewusst hätte, auf was ich mich da eingelassen hatte ...

Aber was hätten wir in unserer Situation sonst tun sollen? Letztlich war auch dieser Schritt keine freie Entscheidung, sondern von den Umständen diktiert.

Zugegeben, wir wussten überhaupt nicht, was uns erwartete. Niemand vor uns (soweit mir bekannt war) war je in eine ähnliche Lage geraten. Ich dachte erst, es wäre vielleicht so ein Gefühl für mich wie damals, als wir alle vor dem Ebenenwechsler standen.

Aber es war ganz anders. Der Beobachter war für mich wie ein Freund gewesen. Ich hatte ihm gefühlsmäßig vertraut, mehr vielleicht sogar als langjährigen Bekannten. Und alles war von einem Moment auf den anderen geschehen. Praktisch ohne unser Zutun.

Und hier? Hier waren die Kurzos, Lebewesen, die wohl nur sehr entfernt menschenähnlich zu nennen waren und die bereit waren, uns in eine »Gegend« mitzunehmen, die möglicherweise von noch viel »menschenunähnlicheren« Wesen bevölkert war. Eine Handbewegung von uns konnte für sie etwas bedeuten, das uns gar nicht in den Sinn kam. Im Extremfall genau das Gegenteil von dem, was wir meinten. Außerdem fehlte mir das Zusammengehörigkeitsgefühl, wie es damals mit Vics Leuten und den Camp-Bewohnern trotz aller Unterschiede gegeben war.

Hier waren Lucky und ich aufeinander angewiesen, wo wir doch gerade in so einer völlig fremden Umgebung Worte und Taten von viel mehr Freunden gebrauchen konnten.

Ich sah Lucky an. Er wirkte ernst und gedankenverloren. Wahrscheinlich dachte er an ähnliche Schwierigkeiten wie ich.

Ich drückte seine Hand. Er blickte kurz in meine Augen, lächelte und versank dann wieder in seine Grübeleien.

Ich glaube, ich wäre an seiner Stelle schon total fertig gewesen. Was er mitgemacht hatte, konnte man kaum mit irgendwelchen anderen schlechten Erfahrungen vergleichen. Hatte ich eine andere Wirklichkeit erlebt, so beruhten seine Erfahrungen auf mehreren Dutzend. Ich konnte nur hoffen, dass er irgendwie mit seinem Knastaufenthalt in Bergotos fertig wurde. Es war schon fast ein Wunder, dass ihm das nicht den Rest gegeben und ihn jeglicher Realität entzogen hatte.

Ich ging unschlüssig einige Schritte auf und ab und beobachtete die Kurzos. Kein Zweifel, sie waren beim Abbau ihrer »Spielgeräte«, was immer das auch war. Obechan-Kol hatte sich wieder von uns zurückgezogen, nachdem wir uns entschieden hatten, als ob wir nur eine kleine Randerscheinung für ihn waren.

Meine Augen hatten sich inzwischen an das Halbdunkel gewöhnt und ich bemühte mich, irgendwelche Unterschiede zwischen den baumstammähnlichen Gestalten festzustellen. Es gelang mir nicht. Selbst Obechan-Kol konnte ich nur dann identifizieren, wenn er direkt vor mir stand. Die Kurzos verständigten sich untereinander in einer kehligen, dumpfen Sprache, die häufig unterbrochen wurde durch das verschiedenfarbige Aufblitzen ihrer »Körperlichter.« Ich kam deshalb auf den Gedanken, dass ihre Heimatwelt vielleicht ein ziemlich dunkler Planet sein musste, auf dem Licht und Farben eine bedeutende Rolle spielten.

Schließlich schienen die Aktivitäten der Kurzos einem Ende näherzukommen. Sie hatten fast alles, was hier rumgestanden hatte, demontiert und zusammengepackt. Aber ich fragte mich, wie sie dieses ganze Gerümpel wegschaffen wollten.

Etwas später bekam ich die Antwort. Eine Serie gelber Blitze erleuchtete den Raum und einer (oder war es eine?) der Kurzos bediente ein vor ihm schwebendes Schaltpult. Nacheinander verschwanden wie von Geisterhand die ganzen Sachen.

»Nettes Spielchen, nicht wahr?«, stand auf dem Zettel, den Lucky mir reichte.

Das löste mich aus meiner Verblüffung.

»Allerdings«, gab ich zu.

Wahrscheinlich war er genauso überrascht wie ich. Er ließ bloß nicht viel von seinen Gefühlen erkennen. Oder er hatte schon so viele haarsträubende Sachen erlebt, dass dies wirklich nur ein »Spielchen« für ihn war.

Obechan-Kol stapfte auf uns zu. Die letzten fünf Meter überwand er in einem Sprung.

»Kommt bitte in unseren Kreis«, sprach er in das vor uns stehende Übersetzungsgerät. »Wir beenden jetzt die Rückführung.«

»Na, denn ...«, murmelte ich.

Schließlich standen wir dicht gedrängt zwischen den Kurzos.

Ein etwas stechender Geruch stieg mir in die Nase. Wahrscheinlich ihr Körpergeruch. Immer noch konnte ich nicht erkennen, ob die Kurzos eine Art Bekleidung anhatten oder ob sie nackt um uns rumstanden.

Wieder bediente der/die Kurzo die Schaltung und von einem Augenblick zum anderen wechselte die Umgebung. Diesmal war es wirklich wie bei dem Ebenenwechsler, allerdings ohne Komplikationen.

Ich blinzelte und sah mich um. Ich vermutete, dass es sich diesmal mehr um einen Orts- statt einen Ebenenwechsler gehandelt hatte und dass wir uns im Raumschiff (oder wie sie ihr Gefährt nennen mochten) der Kurzos befanden.

Wir standen in einem annähernd kreisrunden Raum, der fast ebenso düster war wie der, aus dem wir gekommen waren. Alle paar Meter ragte irgendein merkwürdiges Gerät aus dem Boden.Viele der Teile leuchteten aus sich heraus und erhellten auf diese Weise die unwirkliche Szenerie.

Ein verwirrendes Farbenspiel begann, als sich die Kurzos in verschiedene Ecken des Raumes absetzten und sich weiter untereinander verständigten. Diesmal aber nur visuell, so dass es sein konnte, dass es für sprachliche oder optische Kommunikation irgendwelche Regeln gab. Ich musste meine Augen eine Weile auf den dunklen Boden richten, damit ich nicht zu sehr geblendet wurde. Lucky folgte meinem Beispiel.

Türen zischten auf und schlossen sich wieder, Kurzos kamen und gingen. Auch dies schien nach irgendwelchen Bestimmungen abzulaufen, denn es gab keinen Schritt zu viel, geschweige denn ein Durcheinander. Wir rührten uns nicht von der Stelle, bis Obechan-Kol wieder vor uns stand. Er übergab jedem von uns ein etwa fünf Zentimeter langes, quadratisches Gerät, das er uns um die Handgelenke legte. Sie sahen fast aus wie Armbanduhren.

»Dies sind zwei Übersetzer«, klärte er uns auf. »Das große Gerät ist auf die Dauer zu unhandlich. Tragt sie immer bei euch. Sie sind auf die meisten intergalaktischen Sprachen programmiert und lernen auch neue hinzu.«

Ungläubig starrte ich das kleine Ding an. Lucky kritzelte wieder auf seinen Block. Ich nahm mir vor, sofort mit ihm sprechen zu üben, wenn wir etwas Ruhe hatten. Hoffentlieh war diese Auswirkung von Bergotos wenigstens rückgängig zu machen.

»Reiß dich zusammen, Speedy! Du bist doch der Fachmann für Sci-Fi-Geschichten, oder? Du hattest doch mal ne ganze Sammlung von diesen Stories.«

»Es besteht wohl ein kleiner Unterschied zwischen Geschichten und Wirklichkeit«, widersprach ich ärgerlich.

»Erstmal der, dass wir selbst mitspielen.«

»Ach, hör doch auf!« winkte ich ab.

Diese Wortklaubereien waren doch früher nicht seine Stärke gewesen. Und was sollte das, mich jetzt mit einem meiner früheren, für einige Leute vielleicht seltsamen »Hobbys« aufzuziehen? Ich hatte zwar immer Leute gesucht, aber selten gefunden, mit denen ich mich über solche Fragen unterhalten konnte, aber jetzt war bestimmt nicht die richtige Situation dafür.

Lucky reichte mir einen weiteren Zettel.

»Ich glaube, wir müssen mehr fragen. Die Kurzos geben anscheinend nur die wirklich notwendigsten Informationen! Man muss diesem Obechan-Kol ja alles aus der Nase ziehen. Wir müssen uns auf diese Eigenart von ihnen einstellen. Ich glaube nicht, dass sie sauer sind, wenn wir ihnen Löcher in die Bäuche fragen. Zumindest sollten wir es ausprobieren.«

Damit war ich natürlich einverstanden, denn der Gedanke war mir auch schon gekommen.

»Also, suchen wir ihn!«

Diese Suche gestaltete sich allerdings ziemlich schwierig. Unsicher spazierten wir durch den Raum und konnten vor ständig wechselnden Farben kaum etwas erkennen. Ab und zu traf uns ein Farbstrahl und jedes Mal prallten wir erschrocken zurück. Die Kurzos schienen sehr beschäftigt an den ganzen Gerätschaften und nahmen kaum Notiz von uns.

Schließlich fanden wir Obechan-Kol an einer Art Konsole.

»Hast du einen Moment Zeit für uns?« sprach ich ihn an.

Mein Übersetzer am Handgelenk schaltete sich automatisch ein. Er funktionierte einwandfrei,

Obechan-Kol ging mit uns zu einer Nische, die das Farbgeflimmer weitgehend von uns abschirmte. Lucky und ich ließen uns auf einer Art Bank nieder, die allerdings reichlich unbequem für uns war. Anscheinend brauchten die Kurzos überhaupt keine Sitzgelegenheiten und die »Bank« erfüllte normalerweise einen ganz anderen Zweck.

»Wo sind wir eigentlich hier?« begann ich die aktuelle Fragestunde.

»Dies ist ein Raumschiff unserer Föderation. Wir verlassen in Kürze euren Planeten und fliegen nach Stormaband, einer Sterneninsel ziemlich im Zentrum der Galaxis, wo wir uns einen Auftrag suchen wollen.«

»Und wenn wir hier aussteigen würden?«

Ich hatte noch ein wenig Hoffnung, vielleicht doch auf der Erde bleiben zu können, nur nicht gerade auf den Südlichen Inseln.

»Hier?« Der Übersetzer gab ein quäkendes Geräusch von sich. Vielleicht ein Kurzo-Lachen. »Wir befinden uns etwa zwanzig Meter unter dem südpolaren Eismeer. Und außerdem ist der ganze Südpol radioaktiv verseucht.«

Das war also nichts. Umkehr unmöglich.

Eine Serie von Farben blitzte in unsere Richtung.

»Entschuldigt mich für eine Weile«, sagte Obechan-Kol. »Ich muss mich um den Start kümmern.«

»Einen Moment noch!« hielt ich ihn zurück. »Gibt es an Bord so etwas wie eine Bibliothek?«

Der Kurzo stutzte, der Übersetzer streikte. Lucky schob mir einen Zettel zu.

»Aufzeichnungen oder ähnliches«, las ich laut vor. Obechan-Kol verstand endlich.

»Der Archivraum befindet sich ein Deck tiefer. Folgt nur den grün-gelben Markierungen.«

Dann verschwand er mit ein paar mächtigen Sprüngen.

»Vielleicht finden wir dort eher etwas raus«, erläuterte ich Lucky meine Idee. »Sonst können wir warten, bis wir schwarz werden.«

Als wir den Raum verließen, fing es im Schiff an zu dröhnen und zu vibrieren. Startvorbereitungen, vermutete ich. Sie würden schon irgendeine Methode haben, um durch das Eis zu kommen und unentdeckt den Weltraum zu erreichen.

»Ein höflicher Bursche, dieser Kurzo«, bemerkte Lucky schriftlich.

Ich nickte. Dann blieb ich stehen. Auf einmal stürmte alles auf mich ein. Wie hatte ich gedacht, hier zurechtkommen zu können? Das alles war eine total fremde Welt. Erstaunlich, dass sie überhaupt Raumschiffe zur Fortbewegung von Stern zu Stern benutzten. Oder dass ihre Luft atembar für uns war. Ich wusste ja noch nicht einmal, wie hier eine Treppe aussah. Und dann - unsere Aussichten: Vielleicht für immer abgeschnitten von der Erde. Keine Freunde, keine gewohnte Umgebung mehr. Wenn wir uns in Zukunft nur noch mit Wesen wie den Kurzos auseinandersetzen mussten, wurden wir bestimmt wahnsinnig. Niemand könnte das verkraften. Und außerdem war es sinnlos. Was sollten wir tun zwischen den Sternen? Nach meiner Reise durch die andere Realität hatte ich eigentlich vorgehabt, mich so gut es ging in meiner Realität durchzuschlagen und mit anderen zusammen dafür zu kämpfen, dass wir irgendwann besser leben konnten.

Das alles war mit einem Schlag zunichte gemacht. Wir waren praktisch besiegt, ohne Hoffnung, den Kampf erneut aufnehmen zu können. Schreckliche Aussichten. Schließlich war ich kein Sci-Fi-Abenteurer auf der Suche nach einem legendären galaktischen Schatz.

Meine Beine knickten unter mir weg, und wenn Lucky mich nicht reaktionsschnell gehalten hätte, wäre ich auf den harten Boden gestürzt. Die Tränen flossen nur so aus mir heraus. Ich setzte mich auf den Boden und ließ ihnen freien Lauf. Lucky setzte sich neben mich und umarmte mich.

»Ich würde jetzt auch gerne heulen, aber ich kann nicht«, stand auf seinem Block. Und weiter: »Vielleicht haben wir ja Aussichten, die wir jetzt noch gar nicht einschätzen können. Das Unbekannte muss ja nicht schrecklich sein.«

Ein seltsamer Laut kam aus seiner Kehle, als unsere Blicke sich trafen. Ich verstand sowas wie »Scheiße«.

»He, versuchs nochmal, Lucky!«

Ich wischte im Nu die Tränen ab. Er hatte gesprochen! Lucky bemühte sich, aber es blieb bei einem unverständlichen Krächzen.

»Besser als gar nichts«, schrieb er auf. »Noch ein paar solcher Gefühlsregungen und ich sag wieder das Alphabet von hinten auf.«

Ich klopfte ihm auf die Schulter und lachte. Komisch, wie schnell sich da Tränen in Freude verwandeln konnten. Aber wenn Lucky schon Grund zum Optimismus hatte ...

Wir wollten gerade aufstehen, als uns eine Erschütterung wieder zu Boden warf.

»Von Anschnallen hat er nichts gesagt,« beschwerte ich mich. Ein Kurzo kam vorbei und half uns auf. Seine »Hände« fühlten sich borkig an.

»Ist eure Gesundheit nicht beeinträchtigt«, gaben unsere Übersetzer simultan seine Besorgnis wieder.

Lucky schüttelte den Kopf, aber das verstand der Kurzo nicht.

»Alles okay«, meinte ich.

Er verstand immer noch nicht. Ob sich die Übersetzer erst einspielen mussten?

»Uns ist nichts passiert«, wiederholte ich und diesmal klappte es wohl. Auf jeden Fall wollte er befriedigt abziehen.

»Warte mal!« rief ich ihm hinterher. »Wie kommen wir zum Archiv?«

Er drehte um und führte uns zu einer Tür ein paar Meter weiter. Dort ließ er uns dann wieder stehen.

»Kurz angebunden, aber höflich«, bemerkte Lucky.

Ich grinste und öffnete die Tür. »Huch!« entfuhr es mir.

Vor uns führte eine Art Rutsche in die Tiefe.

»Scheint nicht sehr stabil zu sein«, prüfte Lucky die ungewöhnliche Treppe. »Vielleicht rutschen sie gerne.«

»Und wie kommen sie wieder rauf?«

»Wahrscheinlich springen sie.«

Ich nickte. So konnte es gut sein. Aber dieses Beispiel zeigte, wie schwer es uns fiel, uns ganz normale Verhaltensweisen der Kurzos vorzustellen.

Lucky ließ sich als erster hinab gleiten und klopfte unten gegen das Metall. Aha, alles klar, folgerte ich und vertraute mich ebenfalls der Rutschbahn an. Ich glitt langsamer als erwartet hinab und wurde unten von Lucky aufgefangen.

»Es hätte ruhig noch ein wenig länger dauern können«, bedauerte ich.

Langsam rückten meine Probleme angesichts der Neugier auf das Neue etwas in den Hintergrund. Wir sahen uns nach den grün-gelben Markierungen um. Sie waren alle unter der Decke angebracht, als ob die Kurzos auch oben Augen hätten. Es dauerte nur ein paar Minuten, dann standen wir vor einer ebenfalls grün-gelb angepinselten Tür. Sie öffnete sich automatisch vor uns und wir betraten einen Raum, der noch ein wenig dunkler war als die Umgebung ohnehin schon.

»Wir hätten Kerzen mitnehmen sollen«, scherzte Lucky.

»Auf jeden Fall ist es leer hier«, sagte ich, indem ich mich prüfend umsah. Außer einem mannshohen Metallkasten in der Nähe der Tür entdeckte ich keinerlei Einrichtungsgegenstände. Lucky gab mir einen neuen Zettel:

»Kommt es dir eigentlich nicht komisch vor, dass wir hier rumstöbern, währen dieses Raumschiff durchs All fliegt?«

»Stimmt«, bestätigte ich. »Den Anblick der kleiner werdenden Erde haben wir wohl verpasst. Wir sind wahrscheinlich nicht so romantisch wie die Gestalten in den Weltraumgeschichten. Dies interessiert mich jedenfalls im Augenblick mehr als irgendwelche vorbei rasenden Sterne.«

»So geht's mir auch. Aber frag mal nen Kurzo, wie wir hier weiterkommen.«

Ich postierte mich im Gang vor dem Raum, bis eines der Baumwesen vorbei sprang .

»Kannst du mir sagen, wie man dieses Archiv hier bedient?«

Der Kurzo drehte sich im Sprung um.

Gute Leistung, dachte ich ironisch.

»Die Beantwortung aller diesbezüglichen Fragen liegt bei der diensthabenden Positronik«, schallte es aus unseren Übersetzern.

»Hoffentlich hat der Computer dann nicht gerade dienstfrei«, wandte ich mich an Lucky, nachdem sich der Kurzo wieder entfernt hatte. Ich zeigte auf den Metallkasten. «Ich nehme an, dies ist die Positronik.«

»Versuchs doch mal mit gutem Zureden.«

Wir witzeln hier rum wie zu Hause am Frühstückstisch, schoss es mir durch den Kopf. Aber vielleicht war das ein Weg, die Situation in den Griff zu kriegen.

So blöd Luckys Vorschlag klang, was anderes fiel mir auch nicht ein. So baute ich mich vor dem Kasten auf und sprach ihn direkt an:

»Wir hätten gern Material über die Kurzos.«

Sofort öffnete sich an der Vorderseite der Konstruktion ein Schlitz, und ein Streifen buntes Papier schoss daraus hervor. Lucky lachte aus vollem Hals.

»Sehr witzig«, knurrte ich. Dann stockte ich: »Moment mal, Lucky, wenn du lachen kannst ...«

Er brachte ein paar Laute hervor, dann reichte er mir seinen Block.

»Ich sag ja, mit etwas Übung dauert es nicht mehr lange. Aber was fangen wir jetzt damit an?«

Er zeigte auf den Computerausdruck.

»Achtung! Übersetzung!« schnarrte es plötzlich von meinem Handgelenk.

»He, der kann wohl auch lesen!« rief ich aus.

Und tatsächlich las uns mein Übersetzer die Daten der Positronik von dem Papierstreifen ab:

»Möchtet ihr alles per Monitor oder lieber Akten/Papier/Unterlagen?«

Wieder kriegte ich den Block von Lucky: »Die Computersprache ist mir näher als das Kurzo-Kauderwelsch.«

»Tja, merkwürdig«, murmelte ich. »Aber vielleicht ist das eine freie Übersetzung. Und ich denke, wir nehmen den Monitor. Und, wenn's geht, bitte eine Kurzfassung.«

Der Computer spuckte einen neuen Streifen aus.

»Okay«, übersetzte mein Übersetzer.

»Ob da wirklich ›Okay‹ draufsteht?« fragte Lucky.

Ich wusste es ebenso wenig und gab ihm den Block zurück. »Diese Übersetzer werden mir direkt unheimlich.«

Im nächsten Moment sprang ich erschrocken zurück. Es klickte und knackte um uns herum und in der Mitte des Raumes schob sich ein Pult aus dem Boden, auf dem eine Art Fernsehschirm montiert war.

»Puh!« stöhnte ich. »Vor Überraschungen kann man hier nie sicher sein. Aber ich glaube, jetzt geht es los mit den Informationen.«

»Und wieder keine Sitzgelegenheit«, ergänzte Lucky.

Dann flimmerte der Bildschirm und die ersten Schrift- und Farbzeichen erschienen. Diesmal übernahm Luckys Übersetzer die Verständigung.

»Kurzos: Heimatplanet Syn-Kuro im Sternsystem Syn-Al-Tysk.

Gehört zu den Dunkelwelten der Galaxis. Grobeinteilung der Spezies: humanoid, Arbeiter. Das Volk gehört der Interstellaren Handelsvereinigung und den entsprechenden Sicherheitsorganen an. Sonst keine Zugehörigkeit zu intergalaktischen Organisationen. Die Kurzos leben sehr zurückgezogen und beteiligen sich, soweit bekannt, nie an Konflikten unter verschiedenen Völkern. Kaum Militär oder Schutztruppen. Wenig Kontakt zu anderen humanoiden Sternenvölkern. Unbestätigte Vermutungen für Beziehungen zu Völkern oder Wesen der C-Rubrik (nicht einzuordnende Spezies). Einzeln leben die Kurzos extrem individuell. Sie schließen sich nur zu »Aufträgen« zusammen. Weitere Besonderheiten: unklare Regierungs- und Hierarchieformen, ungeklärte Leidenschaft für eine Art »Spiel« (zusammen mit dem Volk der Renen), differierende Geschlechterzugehörigkeit im Zusammenhang mit einem religiösen Kodex.

Quelle dieser Kurzinformation: Handbuch der intergalaktischen Völker, ihrer Formen, Organisationen und Einrichtungen mit einem Zusatzabschnitt über Kuriositäten.

Damit endete die Information.

»Viel schlauer als vorher sind wir nun auch nicht«, sagte ich langsam. »Da muss man wohl erst die größeren Zusammenhänge wissen, bevor einem das etwas nützt. Auf jeden Fall ist es ganz schön kompliziert, sich da zurecht zu finden.«

»Aber dies ist doch erst unser erster Tag hier«, beschwichtigte Lucky. »Was erwartest du? Nicht nur eine völlig fremde Zivilisation kennenzulernen, sondern gleich galaxisweite Zusammenhänge?«

»Ich weiß, ich weiß, aber das hilft mir auch nicht weiter.« Ich wandte mich nochmal dem Computer zu. »Kann man hier ein Bild von außerhalb des Raumschiffs kriegen?« fragte ich aus einer Laune heraus.

Die Art der Antwort verblüffte mich erneut: Die rückwärtige Wand des Raumes wurde völlig schwarz und verwandelte sich in eine riesige Projektionsfläche. Es erschienen zunächst ein paar Lichtpunkte, dann ein silbriges Band, das sich aus Millionen Sternen zusammensetzte: die Milchstraße. Das Bild wechselte.

»D.. die Sonne!« stammelte Lucky.

Tatsächliches wurde es hell im Archiv. Rechts im Bild der Feuerball unserer Heimatsonne. Die Erde war nicht zu sehen, aber ein paar andere Planeten. Saturn konnte ich auf jeden Fall erkennen und in den anderen vermutete ich Jupiter und Neptun.

In der Aufregung war es mir fast entgangen, dass Lucky gesprochen hatte. Ich klopfte ihm auf die Schulter.

»Du machst ja Fortschritte.«

Wir starrten weiterhin gebannt auf den Bildschirm - so ganz abgebrüht waren wir also doch nicht, dass uns das nicht mehr beeindrucken konnte - und erlebten so mit, wie die Sonne und die Planeten langsam kleiner wurden. Ein dumpfes Gefühl machte sich in meinem Magen breit und wieder stand ich kurz vorm Heulen, als das Bild total grau wurde. Dann erlosch die Projektion ganz und aus der Positronik ratterte ein neuer Lochstreifen.

»Lichtsprung in die Grauzone,« erläuterte mein Übersetzer.

»Tja, nun wird's wirklich Sci-Fi-mäßig«, murmelte ich. »Ich nehme an, wir haben jetzt Überlichtgeschwindigkeit oder sowas.«

Nachdenklich standen wir eine Zeit in dem dunklen Raum herum. Jetzt war die Verbindung zur Erde endgültig abgerissen. Eine Umkehr war unmöglich. Mitten in unsere düsteren Überlegungen hinein erscholl plötzlich eine Lautsprecherstimme:

»Obechan-Kol bittet die Erdbewohner, sich in Sektion blau/hellgelb/orange einzufinden. Ich möchte meinen Gästen ihre Quartiere zeigen.«

»Das kommt gerade richtig«, seufzte ich. «Ich bin total geschafft. Hoffentlich gibt es keine Probleme mit der Unterbringung. Aber sie hätten uns wohl kaum mitgenommen, wenn sie das nicht arrangieren könnten. Und was zu essen könnte ich auch gut gebrauchen. Also, wie war das? Blau/hellgelb/orange. Mal sehen, ob wir das mit unseren beschränkten Sinnen auseinanderhalten können. Aber eins ist sicher: hier im Archiv war ich nicht das letzte Mal. Hier lagert wahrscheinlich alles, was wir wissen wollen. Man muss nur die richtigen Fragen stellen.«

»... auch rech ...«, brachte Lucky hervor.

Unglaublich, dass er noch die Energie aufbrachte, seine Stimme wiederzubekommen! Nacheinander traten wir wieder auf den Gang. Wieder wirkte auf mich alles kahl und fremd. Ich zweifelte daran, dass wir uns hier irgendwann heimisch fühlen konnten. Na, abwarten ...

Die Farbunterscheidungen machten uns zwar zu schaffen, aber nach mehrmaligem Fragen erreichten wir einen Sektor, der tatsächlich ganz in blau/hellgelb/orange gehalten war. Auf dem Weg hierher hatte ich den Eindruck bekommen, dass es mindestens zwanzig verschiedene Nuancen jeder Farbe gab. Sie waren für unsere Augen kaum mehr wahrnehmbar.

Obechan-Kol erwartete uns in einer Nische.

»Ich hoffe, euer Besuch im Archiv war von Erfolg gekrönt«, empfing er uns.

Manchmal hegte ich die Vermutung, dass etwas mit unseren Übersetzern nicht stimmte. Wie konnte man nur so einen Satz formulieren? Aber da Luckys Gerät immer synchron übersetzte, war auch das unwahrscheinlich. Es lag wohl einfach an der Schwierigkeit der Kommunikation zwischen zwei völlig verschiedenen Kulturen. Wer weiß, wie unsere Sätze für die Kurzos klangen. Vielleicht waren wir bereits als ungehobelte Burschen eingestuft.

Obechan-Kol führte uns zu einem Raum - oder musste man hier von Kabine sprechen? -, der entfernte Ähnlichkeit mit einem beliebigen, wahllos eingerichteten Zimmer auf der Erde aufwies: zwei gepolsterte Stühle(!), zwei schmale Betten, ein Schrank, ein Tisch und sogar ein kleiner Teppich. Außerdem gab es einen Anschluss ans Bordkommunikations- und Versorgungssystem, wie der Kurzo uns erklärte. Sie hatten sich bestimmt ganz schön Mühe gegeben, denn ich war überzeugt, dass sie diese Möbelstücke extra für uns irgendwie aufgetrieben oder hergestellt hatten. Wahrscheinlich sahen ihre Räume nicht im entferntesten diesem ähnlich.

»Nun fehlt nur noch das Bad«, teilte Lucky mir mit und ich übermittelte es Obechan-Kol.

Wieder fiel die Verständigung schwer. So etwas wie Waschen kannten die Kurzos offenbar nicht. Schließlich gelang es uns, dafür zu sorgen, dass wir jede »Wachperiode« (auch ein Kurzo-Ausdruck) mehrere Behälter warmes und kaltes Wasser bereitgestellt kriegten. Zum Glück besaßen sie eine ähnliche Einrichtung wie ein Klo. Es wäre uns sicher schwer gefallen, auch noch diese Notwendigkeit korrekt zu beschreiben.

Nachdem uns der Kurzo verlassen hatte, ließen wir uns erschöpft auf die Stühle fallen.

»Mann, bin ich müde,« stöhnte ich.

Lucky nickte bestätigend. Wir nahmen noch ein paar Happen eines undefinierbaren Essens - schmeckte etwas nach Kohlrabi - zu uns, hofften, dass es uns nicht vergiftete, dann legten wir uns schlafen.

Unserer Neugier waren halt auch Grenzen gesetzt. Trotzdem schlief ich schlecht, denn es war dermaßen viel Neues auf uns eingestürmt, dass mein überfordertes Gehirn mir ein Dutzend Alpträume bescherte.

In den nächsten Tagen beschränkten wir uns hauptsächlich darauf, den näheren Bereich um unsere Kabine zu erforschen. Wir lernten aber nur sehr schwer uns zurechtzufinden. Dabei machten uns nicht nur die Farbmarkierungen zu schaffen - des Öfteren verliefen wir uns, weil wir sie nicht auseinanderhalten konnten -, sondern auch die völlig fremdartige Bauweise und Einrichtung des Raumschiffs. Wir übersahen Abzweigungen von Gängen, die überhaupt nicht gekennzeichnet waren, die Funktion von diversen Tunneln und Plattformen blieb uns fremd, unvermittelt tauchten riesige Maschinen und Aggregate vor uns in den Gängen auf, hinter ganz normalen Türen verbargen sich in allen Farben schillernde Abgründe und dergleichen Merkwürdigkeiten mehr.

Selbst die Erklärungen der Kurzos, die wir danach befragten, verstanden wir selten, und nachdem ich einmal fast in eines dieser Löcher gefallen wäre, gingen wir noch vorsichtiger vor. Am einfachsten erwies es sich immer noch, einer bestimmten Farbkombination zu folgen, um ans Ziel zu gelangen.

Das Raumschiff verfolgte unterdessen weiterhin einen uns unbekannten Kurs. Als wir Obechan-Kol um weitere Informationen über den Zielpunkt der Reise fragten, sprudelte er einen für uns unverständlichen Wust an Sätzen hervor, der uns nicht im Geringsten weiterhalf. Allmählich begann ich mich zu fragen, ob dieser Überlichtflug mit seinen kurzen Orientierungsstops überhaupt einen Sinn für uns haben konnte.

Luckys Bemühungen, seine Sprache zurückzugewinnen, zeigten schon bald durchschlagenden Erfolg. Es drängte ihn danach, mir von seinen Erlebnissen aus der Zeit zu erzählen, wo ich mich in der anderen Realitätsebene aufgehalten hatte. Diese Rekonstruktion seiner Vergangenheit war sicher auch wichtig, damit er die Schreckenszeit von Bergotos verarbeiten konnte. All das wiederzugeben, würde wahrscheinlich ein ganzes Buch füllen.

Unter dem vom Beobachter veränderten Einfluss des Buches hatte er eine Art Realitätsverlust erlitten, d.h. er konnte sich nicht mehr an einer bestimmten Realität orientieren. Als Folge davon driftete er in mehr oder weniger kurzen Zeitabschnitten durch eine Unmenge von Realitätsebenen, was ihn psychisch total fertigmachte, zumal er sich damals diesen Vorgang überhaupt nicht erklären konnte. Kaum hatte er sich auf eine veränderte Umgebung eingestellt, wurde er schon wieder in eine andere Realität gerissen. Alle diese Wechsel geschahen überraschend. Sie ließen sich nicht steuern. So war auch sein Auftauchen in der Realität zu erklären, in der ich mich befunden hatte. Auch er war ja zunächst mit dorthin verschlagen worden, aber plötzlich auf unerklärliche Weise verschwunden. Schließlich war er wieder in unserer Ursprungsrealität gelandet und dort in völlig aufgelöstem Zustand verhaftet und nach Bergotos eingeliefert worden. Die Realitätswechsel endeten dort, ähnlich wie ich wieder in der Ursprungsrealität gelandet war.

So lautete jedenfalls Luckys Erklärung für das Phänomen und ich hatte keinen Grund daran zu zweifeln. Trotzdem blieben eine Menge Fragen offen:

Wurden alle, die den Übergang in die Stammeswelt mitgemacht hatten, irgendwann wieder in die alte Realität zurückversetzt?

Wenn ja, was geschah dann mit den Doppelidentitäten? Ich hatte immerhin Flie und Winnie in zwei Realitäten erlebt.

Oder waren Lucky und ich besondere Fälle, wobei bei mir der starke Wunsch nach einem Handeln in sozialen und politischen Zusammenhängen eine Rolle gespielt hatte?

Diese und andere Fragen hätte uns höchstens ein Beobachter beantworten können und sowohl der erste als auch Adlerauge hatten ihre Mission beendet. Ich bezweifelte allerdings, ob wir selbst mit Hilfe eines Beobachters imstande waren, dieses Zusammenspiel von anscheinend subjektiven und objektiven Realitäten zu erfassen. Aus Gründen unserer eingeengten Sozialisation waren wir bestimmt zu verkorkst, um sowas verstehen zu können.

Mir hatten ja schon Traumschwesters Erklärungen erhebliche Schwierigkeiten bereitet.

Ein weiteres Problem war für mich die Aufarbeitung der Zeit, die ich auf den Südlichen Inseln verbracht hatte.

Dort hatte ich zwar zum ersten Mal das Gefühl gehabt, mich nicht nur für mich sinnvoll politisch und persönlich zu engagieren, aber das unrühmliche Ende dieser Phase steckte mir doch sehr in den Knochen. Wie hatte es nur so schnell zum Abbruch jeglicher verbindlichen Beziehungen kommen können? Die Gruppe war unter dem Repressionsdruck von außen und den starken inneren Spannungen wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Nach Lercs Tod und dem Abbruch der Beziehung zu Jenka hatte ich mich gefühlt wie ein einsames Blatt im Wind und wusste weder aus noch ein. Lucky hatte da ein paar gute Gedanken, die mich auf die Spur meiner Unzufriedenheit brachten.

»Vielleicht haben euch die Anfangserfolge ein ganz falsches Bild von eurer Gruppe geliefert«, meinte er. »Ihr wart nie die militanten Kämpfer, die ihr sein wolltet, auch wenn ihr euch das so lange eingeredet habt. Als dann die ersten Misserfolge eintraten, konntet ihr die Zerstörung dieses Bildes nicht verkraften.«

»Genau«, stimmte ich ihm zu. »Vor allem, weil wir die Misserfolge nicht verarbeiten konnten. Wir hatten kaum jemals über uns persönlich geredet, so dass die miese äußere Situation nur zu einer noch mieseren inneren führte. So kam es dann auch zu den Verzweiflungstaten von Lerc oder Hancos. Das waren ja totale Alleingänge, weil niemand vom anderen wusste, wie er oder sie sich fühlte.«

»Tja, und genau so ein Alleingang war dein Rückzug auch. Wahrscheinlich wärst du hinter deinen Büchern verstaubt, wenn du mit Jungos Hilfe nicht auf Pantar gestoßen wärst.«

»Ein sehr nettes Bild«, knirschte ich missmutig. »Aber es passt wohl ganz gut. Was mir noch wichtig erscheint, ist, dass ich trotz aller Zusammenhänge nie ein so starkes Selbstbewusstsein entwickelt hatte, dass ich mich über Wasser halten konnte. Ich habe mich vielen in der Gruppe nie ebenbürtig gefühlt und meine Beziehung zu Jenka war zum Schluss doch sehr von Eifersucht und Selbstmitleid geprägt gewesen. Wahrscheinlich habe ich mich immer zu sehr an andere Leute rangehängt, in der Stammeswelt waren es Willoc, Adlerauge und Traumschwester und auf den Inseln Lerc und die Gruppe. Klar, es ist wohl gut, solche Freunde zu haben, aber man darf nicht von ihnen abhängig sein, in so Beziehungskisten merkt man das ja besonders.«

»Leicht gesagt«, gab Lucky zu bedenken. »Aber schaff diese Gratwanderung erstmal. Hast du schon mal einen total unabhängigen Menschen erlebt, der nicht eifersüchtig oder deprimiert werden kann? Dazu sind die gesellschaftlichen Zustände doch auch wieder viel zu schlecht. Wahrscheinlich packt man das nur, wenn man erlebt hat, dass man sehr viel Vertrauen zu sich selbst haben kann, und dass einen die Repression von außen nicht fertigmachen kann.«

»Na, das ist ja schon bald eine Idealvorstellung: du kannst doch sehen, wie immer wieder alles auseinandergefallen ist: das Camp, die Wohngemeinschaft, die Gruppe, Change ... Letzten Endes sind die Herrschenden immer nur etwas angekratzt worden und wir mussten aufstecken.«

»Du spinnst doch!« protestierte Lucky. »Du hast doch erst den Anfang einer Revolte miterlebt. Und nur, weil eure Gruppe auseinandergefallen ist, kannst du doch nicht urteilen, dass alles schlecht war. Wie ich das in den letzten Tagen, nachdem ihr mich rausgeholt habt, in den Nachrichten mitgekriegt habe, lief bei weitem nicht alles so, wie die Herrschenden es sich vorstellten. Zumindest war es eine ganz schön explosive Situation.«

»Stimmt ja«, gab ich zu. »Manchmal gehe ich da wohl wirklich etwas zu sehr von mir aus. Ist irgendwie auch so ein blöder Pessimismus. Obwohl ich ja durchaus Anderes erlebt habe. Zum Beispiel in der Geld-Stadt. Da haben es die Leute wirklich geschafft, weil sie eine viel breitere Basis hatten. Da gab's massenhaft Streiks und Sabotage ... In Neu- Ing oder auf den Inseln hatte ich immer den Eindruck, dass die meisten Leute entweder durch die Medien so total verblödet sind oder zu eingeschüchtert. Außerdem war dieser ganze Widerstand immer so zersplittert.«

»Sag mal, was willst du eigentlich mit deiner Rückschau erreichen?«

»Tja, ich denke doch, dass ich mir über einiges klar werden kann. Jetzt hab ich doch Zeit, mal über alles nachzudenken. Vielleicht krieg ich ja was raus, was mich weiterbringt. Sonst macht man ja immer die gleichen Fehler nochmal.«

»Aber grübel nicht zu viel! Ob du etwas gelernt hast, wird sich erst in der Praxis zeigen. Ich glaube, das Denken allein hält einen nicht von Fehlern ab.«

»Du hast gut reden«, warf ich ihm vor. »Wo soll denn hier die Praxis herkommen. Außer dir sind weder Leute da, mit denen ich was auf die Beine stellen könnte, noch ist die Umgebung dazu angetan, mich sonderlich zu aktivieren.«

Lucky sagte nichts weiter dazu.

Unser anfänglicher Elan, was die Kurzos betraf, ließ allmählich immer weiter nach. Wir schafften es einfach nicht, an sie ranzukommen. Auch die wiederholte Nutzung des Archivs führte uns in dieser Hinsicht nicht wesentlich weiter. Sicher gab es einen Weg, aber uns fiel nicht viel mehr ein, als zu versuchen, die Kurzos auf bestimmte Sachen anzusprechen. Das misslang meist kläglich angesichts ihrer Wortkargheit. Alles blieb oberflächlich und unbefriedigend, so dass wir bald ganz aufsteckten. Umso isolierter fühlten wir uns natürlich. Die Hilflosigkeit, unsere merkwürdige, technische Umgebung genügend zu begreifen, kam noch dazu.

Wir verbrachten deshalb viele Stunden zusammen an den Außenbildschirmen, beobachteten fasziniert die Sterne oder das, was die Kurzos Grauzone nannten, wenn sich das Raumschiff mit Überlichtgeschwindigkeit fortbewegte. Aus diesen Situationen entstanden meist unsere tieferen, »philosophischen« Gespräche, bis uns auch diese nicht mehr weiterbrachten, außer dass wir uns gegenseitig mehr kennenlernten. Und das war ja auch schon eine ganze Menge.

Was Lucky betraf, entwickelte er mit der Zeit ein ungewöhnliches Interesse an der technischen Seite unseres Abenteuers.

Es beschäftigte sich mit der Art des Schiffsantriebs und ließ sich hartnäckig alle möglichen Details von den Kurzos erläutern. Ja, er machte sogar regelrechte Schulungskurse mit, um wenigstens theoretisch einige Geheimnisse der Kurzo-Technik und Wissenschaft zu entschleiern. Ich wunderte mich nicht wenig über seine sonderbare Leidenschaft, kannte ich ihn doch mehr als lustigen Bücherwurm aus seiner Bibliothekszeit. Ich nahm an, dass ihn seine vorangegangenen Erlebnisse auf diese Weise verändert hatten.

Ich selbst kümmerte mich eine Zeit lang ausgiebig um das Archiv, um meine Neugier zu befriedigen. Der Computer stellte sich als wesentlich kooperationsbereiter als die Kurzos raus. Ich interessierte mich für alles und nichts und wusste oft nicht, wo ich mit fragen anfangen sollte. Als hauptsächliche Bildschirmlektüre diente mir das schon erwähnte »Handbuch«, das anscheinend auch außerhalb des Kurzo-Sektors sehr bekannt und gebräuchlich war und deshalb viele Informationen nicht nur aus Kurzo-Sicht beinhaltete.

Was gab es alles für Völker in der Milchstraße, unserer Galaxis? Was hatten sie für Gesellschaftssysteme? Konnte man diese überhaupt verstehen oder waren sie so fremdartig, dass es für uns unmöglich war, etwas davon zu begreifen? Was gab es für Kontakte zwischen diesen Völkern? Waren sie bestimmt durch Formen von Macht und Herrschaft oder gab es andere, freie Beziehungen? Wie sah es aus mit Wirtschaft, Kultur, Geld und tausend anderen Sachen?

Meine Verwirrung wurde durch das viele Herumstöbern nicht viel geringer. Klar wurde mir nur, dass es eine solche Vielfalt gab, dass sich unmöglich irgendwelche allgemein gültigen Maßstäbe finden ließen. Angesichts dieser Fülle von Material verließ mich auch der letzte Rest irdischer Borniertheit. Erst ziemlich am Ende meiner Nachforschungen geriet ich auf eine Spur, die sich lohnte weiter zu verfolgen. Aber ich begriff erst ziemlich spät, dass es sich überhaupt um eine Spur handelte und dann verhinderten andere Ereignisse, dass ich mich weiterhin im Archiv aufhielt. Nur so viel war mir bald klar: das Handbuch nahm trotz aller Unterschiede auf bestimmte Art doch eine Einteilung vor, nach der ich hätte Vorgehen können. Doch wie gesagt, als mir das in den Sinn kam, war es schon zu spät.

Meine Beziehung zu Lucky (oder seine zu mir) entwickelte sich nicht gradlinig. Wir fielen beide in unbestimmten Zeitabschnitten von einem überhöhten Optimismus in tiefen Pessimismus und umgekehrt, je nachdem, an welche Vorstellungen wir uns gerade klammerten. Zu den Kurzos konnten sich aus den erwähnten Gründen keine Freundschaften entwickeln. Selbst zu Obechan-Kol nicht, von dem ich den Eindruck hatte, dass es ihm bald unangenehm war, dass er uns überhaupt eingeladen hatte.

Die Kurzos blieben für uns verschlossene Fremde. Allerdings hatte ich ja schon einige Freundschaften zu »Fremden« hinter mir, auch wenn sie immer wie Menschen ausgesehen hatten: da waren etwa Willoc oder Traumschwester und besonders die beiden Beobachter. Im Lauf der Zeit war mir deshalb der Gedanke gekommen, dass ich manchmal eher mit »Fremden« warm wurde, als mit Menschen, die ich schon lange kannte. Aber vielleicht war das auch nur der einfachere Weg. Mit Leuten, die man neu kennenlernt, gibt es immer etwas zu besprechen, bei alten Bekannten muss man sich sehr bemühen, auch ihre »negativen« Seiten zu akzeptieren, also den ganzen Menschen zu verstehen. Wahrscheinlich hatte ich oft den Fehler gemacht, Freunde fallen zu lassen, wenn sich rausstellte, dass sie doch nicht so waren, wie ich wollte, dass sie sein sollten.

Mit Lucky jedenfalls lief es die ersten Wochen ganz toll.

Wir konnten wunderbar zusammen lachen, aber auch die große Leere fühlen, die unsere völlige Abgeschiedenheit von anderen Menschen mit sich brachte. Unsere Zärtlichkeiten beschränkten sich dabei auf ein Streicheln oder Umarmen, obwohl wir schon bald dazu übergingen, unsere Betten aneinander zu rücken, und so praktisch zusammen in einem schliefen. Das reichte uns fürs erste. Keiner hatte Lust, durch einen Gewaltakt irgendwelche Mauern niederzureißen, so lange es uns so gefiel. Wenn sich unsere Bedürfnisse ändern sollten, würden wir vielleicht einen Weg finden. Gleichzeitig war uns bewusst, dass dieser mehr oder weniger angenehme Zustand nicht allzu lange anhalten würde. Unsere Isoliertheit musste sich irgendwann bemerkbar machen. Wir waren auf Kontakt mit Menschen oder zumindest uns ähnlichen Lebewesen angewiesen. Daher konnte diese abgeschlossene Zweisamkeit nicht gut enden.

Die Situation änderte sich für uns, nachdem wir schätzungsweise fünf Wochen unterwegs waren - allerdings mehr durch äußere Umstände.

Ich war an diesem Morgen ziemlich mürrisch und kam gerade unverrichteter Dinge aus dem Archiv. Ich musste jetzt unbedingt mit Obechan-Kol sprechen, egal wie bockig er sich anstellte.

Ich war an einem Punkt angelangt, an dem ich wirklich nicht mehr wusste, wie ich weiter vorgehen sollte. Er musste mir wenigstens ein paar Hinweise geben, damit ich eine Art Übersicht bekommen konnte.

Ich wusste mittlerweile, welche Kabine er bewohnte, und bewegte mich mit der üblichen Vorsicht in diese Richtung. Es gehörte zwar nicht zum guten Ton, einem Kurzo »unnötige« Fragen zu stellen, aber dies war absolut notwendig. Hoffentlich erwischte ich ihn, wenn er nicht gerade etwas zu tun hatte.

Als ich dann endlich vor seiner Tür stand, stockte ich einen Moment. Nicht dass ich auf einmal den Mut verlor, aber über der Tür brannte ein Licht in einem Farbton zwischen lila und rot, der mir noch nie vorher begegnet war.

Merkwürdig, dachte ich noch, dann drückte ich gegen die Tür, die sich sofort öffnete. Kurzos kannten weder Anklopfen noch Schlösser.

Ich wurde sofort in eine Kaskade verschiedenfarbiges Licht getaucht. Geblendet hielt ich schützend den Arm vor meine Augen. Ich konnte kaum etwas erkennen. Alles, was ich inmitten der Lichterflut sah, waren ein schemenhafter Körper -wahrscheinlich der von Obechan-Kol - und eine Säule aus nicht identifizierbaren Gegenständen. Die Gestalt war seltsam verzerrt, schwankte hin und her und schien sich ständig zu verändern.

Eine Sinnestäuschung! schoss es mir durch den Kopf, dann ertönte ein grässlicher Schrei und das Licht änderte seine Farbe in ein dunkles Lila.

Panikerfüllt rannte ich raus und warf die Tür hinter mir zu. Zitternd stand ich eine Weile davor. Was hatte das alles zu bedeuten?

Dann schlug ich automatisch den Weg zu unserer Kabine ein und hatte sie fast erreicht, als sich die schummrige Gangbeleuchtung in ein milchiges Gelb wandelte. Was das bedeutete, wusste ich: Alarm! Und ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass ich derjenige war, der ihn ausgelöst hatte, auch wenn ich gar nicht wusste, was vorgefallen war.

Lucky stürzte aus der Kabine, bevor ich eintreten konnte.

»Was ist denn los?« rief er mir zu, als er mich so versteinert dastehen sah.

»Ich glaube ...«, stammelte ich, »… sie sind hinter mir her.«

»Was? Warum?«

Ich zuckte hilflos mit den Schultern. »Das weiß ich ja selbst nicht.«

Lucky schaute von einem Ende des Ganges zum anderen.

»Mensch, wir können hier nicht rumstehen, bis die Kurzos auftauchen. Wer weiß, was die vorhaben. Und hier werden sie dich zuerst suchen.«

»Aber ich hab nichts getan. Ich kann doch erklären ....«

Lucky rüttelte mich am Arm.

»Weißt du nicht, was das ist?« Er deutete auf das Licht. «Das ist kein einfacher Alarm. Das bedeutet sowas wie Großfahndung! Wir müssen uns verstecken!«

»Aber wieso?«

»Ist doch egal … Schnell, wir rennen zum nächsten Hangar. Da werden sie uns nicht gleich vermuten.«

Er zog mich mit sich und wir rannten los. Plötzlich dröhnten Lautsprecher los. Eine kurze Durchsage, die unsere Übersetzer folgendermaßen Wiedergaben:

»Die beiden Fremden sind aufzuspüren und in Gewahrsam zu nehmen!«

»Da haben wir den Salat!« rief Lucky mir im Laufen zu.

Ich verstand immer noch nichts, nur dass es richtig war wegzulaufen, immer weiter die endlosen Gänge entlang, vorbei an bizarren Maschinen und irreführenden Spiegelungen, unzählige Rutschen hinab bis in eine Gegend, in die ich noch nie vorgedrungen war. Aber Lucky kannte sich anscheinend aus, sonst hätte er nicht gewusst, wie man diese ganzen »Fallen« umgehen konnte, und wir wären bestimmt nicht lebend ans Ziel gelangt. In einer Nische blieb er stehen.

»Nur … kurz … ausruhen«, keuchte er.

Ich nickte, dankbar für die Atempause.

»Wahrscheinlich suchen sie dich erst im Archiv, wo du oft gewesen bist«, vermutete Lucky. «Bis jetzt sind wir ja niemandem begegnet. Aber erzähl mal, was passiert ist.«

Ich schilderte ihm kurz mein Erlebnis.

»Merkwürdige Sache«, murmelte er. «Aber mir kommt da etwas bekannt vor. Ich krieg's jetzt aber nicht zusammen. Auf jeden Fall ist es gefährlich für uns.«

»Du sprichst in Rätseln.«

»Lass uns weitergehen«, drängte er. »Wir haben's eh gleich geschafft.«

»Sag mir lieber, was du da im Hangar willst.«

»Zuerst war's nur eine fixe Idee, aber jetzt glaube ich, dass es besser ist, wenn wir uns ein Beiboot schnappen und abhauen.«

Mir blieb der Mund offen stehen. »Sag mal, spinnst du?«

Lucky kam nicht dazu, mir zu antworten, denn wir hörten plötzlich hinter uns das charakteristische Gehopse und Getrappel der Kurzos. Wir rannten wieder los und bogen um die nächste Ecke.

»Schnell, hier rein!«

Lucky schubste mich durch eine Tür in eine kleine Kammer. »Das ist eine Art Waffendepot«, stieß er hervor.

»Aber ich will doch niemanden erschießen«, wehrte ich ab.

»Ich auch nicht. Hier, nimm !«

Er gab mir ein paar kugelförmige Gegenstände und steckte sich auch welche in die Taschen. Langsam kehrte mein bewusstes Denken zurück. Ich spähte nach draußen.

»Die Luft ist rein. Sie sind vorbeigelaufen.«

»Gut. Ein paar Meter müssen wir noch durchhalten.«

Wir stürmten hinaus und weiter ging's. Doch schon bald waren die Kurzos wieder hinter uns. Ich drehte mich kurz um. Sie hatten uns bereits entdeckt und schwenkten drohend ein paar waffenähnliche Geräte. Kurz darauf fauchte ein heißer Strahl über unsere Köpfe. Daraufhin schmiss Lucky zwei von den Kugeln in die Richtung unserer Verfolger. Die Kugeln zerplatzten und die Umgebung wurde sofort in ein grelles Licht getaucht.

»Sie verlieren dadurch die Orientierung«, erklärte Lucky.

»Mann, du kennst dich ja aus.«

»Das ist manchmal wichtiger, als im Archiv rumzuwühlen.«

Ich schluckte das runter. Wir entwischten also den Kurzos ein weiteres Mal und mussten noch zweimal die Kugeln einsetzen, bis wir ein riesiges Schott erreichten.

Lucky bediente fachmännisch die Öffnungsautomatik und vor uns erstreckte sich eine riesige Halle, in der zwei linsenförmige, blaue Gebilde lagerten. Das Schott schloss sich hinter uns.

»Kalt ist es hier«, sagte ich fröstelnd.

Die Halle wirkte total ernüchternd, nur nach technischen Gesichtspunkten ausgestattet.

»Das sind zwei Beiboote«, erklärte Lucky. »Sie werden normalerweise zu Erkundungsflügen benutzt.«

»Und in so einem Ding sollen wir fliehen?«

Ich schauderte bei dieser Aussicht.

»Ich denke, uns bleibt nichts anderes übrig. Oder weißt du etwas Besseres?«

»Leider nicht. Aber für Selbstmordkommandos bin ich nicht in Stimmung heute.«

»Wir müssen's halt versuchen. Ein paar Simulationsflüge habe ich damit schon hinter mir.«

»Also dann rein in die gute Stube, bevor die Kurzos auf die Idee kommen, hier rumzuschnüffeln.«

Wir gingen auf die rechte Linse zu. Das Ding musste ungefähr 15 Meter lang und 8 Meter breit sein. Lucky öffnete ein Einstiegsluke. Er musste sich wirklich ausführlich damit beschäftigt haben.

»Komm schon!« forderte er mich auf. »Oder willst du da Wurzeln schlagen?«

»Nein, danke. Aber es kommt alles einen Tick zu überraschend.«

Lucky führte mich ins Innere des Bootes in einen Raum mit einer eindrucksvollen Zahl an technischen Instrumenten, Knöpfen, Hebeln, Schaltern, Skalen, Bildschirmen usw.

»Aha, der Pilotenstand«, vermutete ich.

»Richtig, und stehen müssen wir hier tatsächlich. Eine blöde Angewohnheit der Kurzos.«

»Tja, aber … ich vermute, es dauert zu lange, bis du mir einen Einführungskurs gegeben hast.«

»Wenn's klappt, geht alles automatisch.«

»Oh, ja dann.«

Ich lehnte mich erschöpft an das Instrumentenpult, während Lucky vorsichtig einige Schaltungen vornahm.

»Was passiert jetzt?« fragte ich heiser.

»Ich hoffe, dass jetzt draußen das Warnlicht aufleuchtet und sich dann das Dach dieser Halle öffnet, nachdem die Luft abgesaugt ist.«

»Das heißt, die Kurzos können dann nicht mehr rein.«

»Genau. Selbst in Raumanzügen ist es zu gefährlich, ein startendes Beiboot aufhalten zu wollen.«

»Können die Startvorbereitungen nicht von irgendeiner Zentralstelle rückgängig gemacht werden?«

»Keine Ahnung. Das werden wir ja sehen.«

Schöne Aussichten, dachte ich. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sich das »Dach« des Hangars zurückgeschoben hatte. Inzwischen manipulierte Lucky weiter am Schaltpult herum, programmierte den Steuercomputer usw. Schließlich blickten wir in die gähnende Leere des Weltraums.

»Zum Glück fliegen wir gerade unter Lichtgeschwindigkeit«, kommentierte Lucky. »Sonst wäre ein Start gar nicht möglich.«

»So, so … und wenn die uns draußen abknallen mit irgendwelchen Raketen oder Laserstrahlen oder was man heute so an Weltraumbewaffnung hat?«

»Ich hab versucht, die Automatik so einzustellen, dass wir gleich voll beschleunigen und in der Grauzone verschwinden.«

Ich wischte mir erneut den Schweiß von der Stirn. »Na, hoffentlich ist das Ding wenigstens aufgetankt.«

»Sei nicht immer so negativ, es wird schon klappen!«

Daraufhin hielt ich den Mund.

Plötzlich donnerte es unter uns los, und ehe ich begriff, dass es nur unser Antrieb war, wurde das Beiboot auch schon aus dem Hangar katapultiert. Was für ein Katastrophenstart, dachte ich noch, als das Raumschiff der Kurzos auch schon »unter« uns lag. Nur einen Moment sah ich die Silhouette im Licht der Außenscheinwerfer, dann hüllte uns ein düsteres Grau ein. Wir hatten es also in die Grauzone geschafft. Mitten hinein.

Sternentage

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