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Jetzt wird vieles anders

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Nach der unangenehmen Prozedur von Abdrücken abnehmen, einer ersten Anprobe und kleinerer Korrekturen ist es dann endlich soweit.

Wir bekommen unser Dritten, die da kalt, fremd und wie Legobausteine wirken an den Kiefer und Gaumen gepresst. Und das fühlt sich erst einmal, um in der Sprache eines Goethe oder Schiller zu formulieren, beschissen an. Nun tritt, unabwendbar und gnadenlos, der gefürchtete und verschmähte Zahnersatz in unser Leben. Und das in zweierlei Hinsicht. So in seiner wichtigen Funktionalität als oberes Kauwerkzeug, als unteres Kauwerkzeug, oder für beides. Denn irgendwie müssen auch wir unsere Nahrung so zerkleinern können das diese weich, und somit ungehindert durch den Schlund in den Magen gelangen kann. Der Mensch lebt ja nicht vom Brei allein! Und als optische Fassade einer scheinbaren Vollkommenheit. Wir können wieder lachen, reden, gähnen. Beides wäre ohne unsere Zahnprothesen nicht mehr ungestraft möglich. So gesehen ergibt sich die Legitimität des Vorhandenseins von künstlichen Gebissen von selbst.

Doch bis hier her ist vieles noch harmlos, und obwohl wir sie irgendwann und vielleicht sogar liebevoll unsere „Dritten“ nennen, mit der feierlichen Übergabe der Zahnprothese an uns gehen nämlich auch die Probleme los.

Und über die möchte ich hier berichten.

Denn mit den „Dritten“ kommen die echten Herausforderungen des Lebens, und es beginnt ein verschwiegenes Dilemma sondergleichen. Und das zumindest für die, die es unmittelbar oder mittelbar betrifft.

Auch deshalb hatten wir vor ein paar Jahren unseren Verein gegründet. Eine, wohl die erste und auch einzige Selbsthilfegruppe in Deutschland, eine SHG der anonymen Gebissträger e.V. Die Gründung war nicht ganz einfach. Aber das nicht etwa wegen möglicher fehlender Mitglieder (in Deutschland gibt es ca. 15 Millionen Zahnprothesenträger!) oder der tiefgreifenden Problematik für dieselben, sondern wegen den Behörden. Denn die fanden unser Ansinnen irgendwie abstrus und lächerlich bis, ja bis die letztendlich entscheidende Instanz auch ein Gebissprothesenträger war.

Unsere Mitglieder die ständig mehr werden sind ausschließlich Normal Zahnprothesenträger. Also einfache Menschen aus dem Volk die mittels Haftcreme, Klammern oder sogenannter Druckknöpfe ihre Halb- oder Vollprothesen in ihrem Mund befestigen, und in der Regel Nachts rausnehmen. Was anderes können wir uns nicht leisten. Denn wir sind normale Kassenpatienten wo uns schon die Zuzahlung zur Herstellung unserer Zahnprothese schwer fällt.

Leidensgefährten mit festsitzenden Prothesen, also künstliche Zähne die auf Implantaten fest verankert sind gehören nicht zu unserer Selbsthilfegruppe. Auch nicht die mit den blendend weißen Jacketkronen.

Und nun sitzen wir in unserer wöchentlichen Runde. Männer und Frauen, Junge und Alte. Angestellte, Künstler, Ingenieure, Handwerker, Leiharbeiter, Hausfrauen, Sportler und viele andere. Wir tauschen uns über die Probleme mit unseren Zahnprothesen aus, und versuchen mit verschiedenen möglichen oder auch unmöglichen Strategien Lösungsansätze zu finden, um weiteren seelischen Schaden abzuwenden oder wenigstens zu minimieren. Denn den haben die meisten von uns bereits erlitten, der eine mehr, der andere weniger, je nach dem. Parallel zu uns gibt es noch eine Angehörigengruppe. In dieser verarbeiten die oftmals traumatisierten Familienangehörigen ihre Erlebnisse und Erfahrungen.

Lesen sie also hier die Erfahrungsberichte der Mitglieder beider Gruppen in protokollarischer, allerdings unvollständiger und loser Zusammenfassung als Abschrift.

Alle hier zu Wort kommende haben ihr Einverständnis zur Veröffentlichung gegeben, solange es der Sache dient. Manches scheint ihnen beim lesen absurd oder skurril, vielleicht sogar unwahr. Aber glauben sie mir, nichts ist schlimmer als der ärger mit den Dritten.

Ärger mit den

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