Читать книгу Das goldene Vließ - Franz Grillparzer - Страница 5
Die Argonauten
ОглавлениеFranz Grillparzer
Trauerspiel in vier Aufzügen
Personen:
Aietes, König von Kolchis
Medea und Absyrtus, seine Kinder
Gora, Medeens Amme
Peritta, eine ihrer Gespielen
Jason
Milo, sein Freund
Medeens Jungfrauen
Argonauten
Kolcher
Erster Aufzug
(Kolchis.—Wilde Gegend mit Felsen und Bäumen. Im Hintergrunde ein
halbverfallener Turm, aus dessen obersten Stockwerke ein schwaches
Licht flimmert. Weiter zurück die Aussicht aufs Meer. Finstere
Nacht.)
Absyrtus (hinter der Szene).
Dorther schimmert das Licht!—Komm hierher Vater!—
Ich bahne dir den Weg!—Noch diesen Stein!—
So!—
(Auftretend und mit dem Schwert nach allen Seiten ins Gebüsch hauend.)
Aus dem Wege unnützes Pack!
Vater, mein Schwert macht klare Bahn!
Aietes (tritt auf, den Helm auf dem Kopfe, ganz in einen dunkeln
Mantel gehüllt.)
Absyrtus.
Wir sind an Ort und Stelle, Vater.
Dort der Turm, wo die Schwester haust.
Siehst das Licht aus ihrer Zelle?
Da weilt sie und sinnt Zaubersprüche
Und braut Tränke den langen Tag,
Des Nachts aber geht sie gespenstisch hervor
Und wandelt umher und klagt und weint.
(Aietes macht eine unwillige Bewegung.)
Absyrtus.
Ja Vater und weint, so erzählt der Hirt
Vom Tal da unten, und ringt die Hände
Daß es, spricht er, kläglich sei anzusehn!
Was mag sie wohl treiben und sinnen, Vater?
(Aietes geht gedankenvoll auf und nieder.)
Absyrtus.
Du antwortest nicht?—Was hast du Vater?
Trüb und düster ist dein Gemüt.
Du hast doch nicht Furcht vor den Fremden, Vater?
Aietes.
Furcht Bube?
Absyrtus.
Nu, (Sorge) denn, Vater!
Aber habe nicht Furcht noch Sorge!
Sind uns nicht Waffen und Kraft und Arme?
Ist nicht ein Häuflein nur der Fremden?
Wären ihrer doch zehnmal mehr!
Laß sie nur kommen, wir wollen sie jagen
Eilends heim in ihr dunkles Land
Wo keine Wälder sind und keine Berge,
Wo kein Mond strahlt, keine (Sonne) leuchtet
Die täglich, hat sie sich müde gewandelt,
Zur Ruhe geht in unserem Meer.
Laß sie nur kommen, ich will sie empfangen,
Du hast nicht umsonst mich wehrhaft gemacht,
Nicht umsonst mir gegeben dies blitzende Schwert,
Und den Speer und den Helm mit dem wogenden Busch,
Waffen d u , und Mut die (Götter)!
Laß die Schwester mit ihren Künsten,
Schwert gegen Schwert, so binden wir an!
Aietes.
Armer Wurm!
Absyrtus.
Ich bin dein Sohn!
Damals als du den Phryxus schlugst—
Aietes.
Schweig!
Absyrtus.
Das ist ja eben warum sie kommen
Her nach Kolchis, die fremden Männer
Zu rächen, wähnen sie, seinen Tod
Und zu stehlen unser Gut, das strahlende Vließ.
Aietes.
Schweig Bube!
Absyrtus.
Was bangst du Vater?
Fest verwahrt in der Höhle Hut
Liegt es das köstliche, goldene Gut.
Aietes
(den Mantel vom Gesicht reißend und ans Schwert greifend). Soll ich dich töten, schwatzender Tor?
Absyrtus.
Was ist dir?
Aietes.
Schweig!—Dort sieh zum Busch!
Absyrtus.
Warum?
Aietes.
Mir deucht es raschelt dort
Und regt sich.—Man behorcht uns.
Absyrtus
(zum Gebüsch hingehend und an die Bäume schlagend). He da!—Steht Rede!—Es regt sich Niemand!
(Aietes wirft sich auf ein Felsenstück im Vorgrunde.)
Absyrtus (zurückkommend).
Es ist nichts, Vater! Niemand lauscht.
Aietes
(aufspringend und ihn hart anfassend). Ich sage dir, wenn du dein Leben liebst Sprich nicht davon!
Absyrtus.
Wovon?
Aietes.
Ich sage dir, begrab's in deiner Brust
Es ist kein Knabenspielzeug, Knab'! Doch alles still hier!
Niemand empfängt mich;
Recht wie es ziemt der Widerspenst'gen Sitz.
Absyrtus.
Hoch oben am Turme flackert ein Licht.
Dort sitzt sie wohl und sinnt und tichtet.
Aietes.
Ruf ihr! Sie soll heraus!
Absyrtus.
Gut Vater!
(Er geht dem Turme zu).
Komm herab du Wandlerin der Nacht
Du Spät-Wachende bei der einsamen Lampe!
Absyrtus ruft, deines Vaters Sohn!
(Pause.)
Sie kommt nicht, Vater!
Aietes.
Sie soll! Ruf lauter!
Absyrtus
(ans Tor schlagend). Holla ho! Hier der König! Heraus ihr!
Medeas Stimme (im Turm).
Weh!
Absyrtus.
Vater!
Aietes.
Was?
Absyrtus (zurückkommend).
Hast du gehört?
Weh rief's im Turm! War's die Schwester die rief?
Aietes.
Wer sonst! Geh, deine Torheit steckt an.
Ich will rufen und sie soll gehorchen!
(Zum Turme gehend.)
Medea!
Medea (im Turm).
Wer ruft?
Aietes.
Dein Vater ruft und dein König!
Komm herab!
Medea.
Was soll ich?
Aietes.
Komm herab, sag' ich!
Medea.
O laß mich!
Aietes.
Zögre nicht! Du reizest meinen Zorn!
Im Augenblicke komm!
Medea.
Ich komme!
(Aietes verhüllt sich und wirft sich wieder auf den Felsensitz.)
Absyrtus.
Wie kläglich, Vater, ist der Schwester Stimme.
Was mag ihr fehlen? Sie dauert mich!—
Dich wohl auch, weil du so schmerzlich schweigst,
Das arme Mädchen!—
(Ihn anfassend.)
Schläfst du, Vater?
Aietes (aufspringend).
Törichte Kinder sind der Väter Fluch!
Du und sie, i h r tötet mich,
Nicht meine Feinde!
Absyrtus. Still! Horch!—Der Riegel klirrt!—Sie kommt!—Hier ist sie! Medea (in dunkelroter Kleidung, am Saume mit goldenen Zeichen gestickt, einen schwarzen, nachschleppenden Schleier der an einem, gleichfalls mit Zeichen gestickten Stirnbande befestigt ist, auf dem Kopfe, tritt, eine Fackel in der Hand, aus dem Turme.)
Medea.
Was willst du, Herr?
Absyrtus.
Ist das die Schwester, Vater?
Wie anders doch als sonst, und ach, wie bleich!
Aietes (zu Absyrtus).
Schweig jetzt!
(Zu Medeen.)
Tritt näher!—näher!—
Doch erst Lösch' deine Fackel, sie blendet mir das Aug!
Medea
(die Fackel am Boden ausdrückend). Das Licht ist verlöscht, es ist Nacht, o Herr!
Aietes.
Jetzt komm!—Doch erst sag' an wer dir erlaubt,
Zu fliehn, des väterlichen Hauses Hut
Und hier, in der Gesellschaft nur der Wildnis
Und deines wilden Sinns, Gehorsam weigernd,
Zu trotzen meinem Worte, meinem Wink?
Medea.
Du fragst?
Aietes.
Ich frage!
Medea.
Reden soll ich?
Aietes.
Sprich!
Medea.
So höre wenn du kannst und zürne wenn du darfst.
O könnt' ich schweigen, ewig schweigen!
Verhaßt ist mir dein Haus
Mit Schauder erfüllt mich deine Nähe.
Als du den Fremden erschlugst,
Den Götterbeschützten, den Gastfreund
Und raubtest sein Gut,
Da trugst du einen Funken in dein Haus,
Der glimmt und glimmt und nicht verlöschen wird,
Gössest du auch darüber aus
Was an Wasser die heil'ge Quelle hat,
Der Ströme und Flüsse unnennbare Zahl
Und das ohne Grenzen gewaltige Meer.
Ein törichter Schütze ist der Mord,
Schießt seinen Pfeil ab ins dunkle Dickicht,
Gewinnsüchtig, beutegierig,
Und was er für ein Wild gehalten,
Für frohen Jagdgewinn,
Es war sein Kind, sein eigen Blut,
Was in den Blättern rauschte, Beeren suchend.
Unglücksel'ger was hast du getan?
Feuer geht aus von dir
Und ergreift die Stützen deines Hauses
Das krachend einbricht
Und uns begräbt.—
Aietes.
Unglücksbotin was weißt du?
Medea.
In der Schreckensstunde
Als sie geschehn war die Tat,
Da ward mein Aug geöffnet
Und ich sah sie, sah die Unnennbaren
Geister der Rache.
Spinnenähnlich,
Gräßlich, scheußlich,
Krochen sie her in abscheulicher Unform
Und zogen Fäden, blinkende Fäden,
Einfach, doppelt, tausendfach,
Rings um ihr verfallen Gebiet.
Du wähnst dich frei und du bist gefangen,
Kein Mensch, kein Gott löset die Bande
Mit denen die Untat sich selber umstrickt.
Weh dir, weh uns allen!
Aietes.
Verkaufst du mir Träume für Wirklichkeit?
Deines Gleichen magst du erschrecken,
Törin! Nicht mich!
Hast du die Zeichen, die Sterne gefragt?
Medea.
Glaubst du ich könnt's, ich vermöcht' es?
Hundertmal hab' ich aufgeblickt
Zu den glänzenden Zeichen
Am Firmament der Nacht.
Und alle hundertmale
Sanken meine Blicke
Von Schreck getroffen, unbelehrt.
Es schien der Himmel mir ein aufgerolltes Buch
Und (Mord) darauf geschrieben, tausendfach,
Und (Rache) mit demantnen Lettern
Auf seinen schwarzen Grund.
O frage nicht die Sterne dort am Himmel,
Die Zeichen nicht der schweigenden Natur,
Des Gottes Stimme nicht im Tempel:
Betracht' im Bach die irren Wandelsterne,
Die scheu dir blinken aus den düstern Brau'n
Die Zeichen die die Tat dir selber aufgedrückt,
Des Gottes Stimme in dem eignen Busen,
Sie werden dir Orakel geben,
Viel sicherer als meine arme Kunst,
Aus dem was ist und war, auf das was werden wird.
Absyrtus.
Der Vater schweigt. Du bist so seltsam Schwester
Sonst warst du rasch und heiter, frohen Muts;
Mich dünkt du bist dreifach gealtert
In der Zeit als ich dich nicht gesehn!
Medea.
Es hat der Gram sein Alter, wie die Jahre
Und wer der Zeit (vorauseilt), guter Bruder,
Kommt früh ans Ziel.
Absyrtus.
Du weißt wohl also schon
Von jenen Fremden die—
Medea.
Von Fremden—?
Aietes.
Halt!
Ich gebot dir zu schweigen! Schweig denn, Schwätzer!
Medea, laß uns klug sprechen und besonnen,
Das Gegenwärt'ge aus der Gegenwart
Und nicht aus dem betrachten was Vergangen.
Wiss' es denn. Fremde sind angekommen, Hellenen,
Sie begehren zu rächen Phryxus' Blut,
Verlangen die Schätze des Erschlagnen
Und des Gottes Banner, das goldene Vließ.
Medea
(aufschreiend). Es ist geschehn! Der Streich gefallen! Weh!
(Will in den Turm zurück.)
Aietes (sie zurückhaltend).
Medea, Halt!—Bleib, Unsinnige!
Medea.
Gekommen die Rächer, die Vergelter!
Aietes.
Willst du mich verlassen, da ich dein bedarf?
Willst du sehen des Vaters Blut?
Medea ich beschwöre dich
Sprich! Rate! Rette! Hilf!
Gib mich nicht Preis meinen Feinden!
Argonauten nennen sie sich
Weil Argo sie trägt, das schnelle Schiff.
Was das Hellenenland an Helden nährt,
An Tapfern vermag, sie haben's versammelt
Zum Todesstreich auf deines Vaters Haupt.
Hilf Medea! Hilf meine Tochter!
Medea.
I ch soll helfen, hilf du selbst!
Gib heraus was du nahmst, Versöhnung bietend!
Aietes.
Verteilt sind die Schätze den Helfern der Tat;
Werden sie wiedergeben das Empfangne?
Besitzen sie's noch? die törichten Schwelger,
Die leicht vertan das leicht erworbne.
Soll ich herausgeben das glänzende Vließ,
Des Gottes Banner, Perontos Gut?
Nimmermehr! Nimmermehr! Und tät' ich's
Würden sie drum schonen mein und eurer?
Um desto sichrer würgten sie uns,
Rächend des Freundes Tod,
Geschützt durch das heilige Pfand des Gottes.
Deine Kunst befrage, gib andern Rat!
Medea.
Rat dir geben, ich selber ratlos!
Aietes.
Nun wohl, so verharre, du Ungeratne!
Opfre dem Tod deines Vaters Haupt.
Komm mein Sohn, wir wollen hinaus,
Den Streichen bieten das nackte Haupt,
Und fallen unter der Fremden Schwertern.
Komm mein Sohn, mein einzig Kind!
Medea.
Halt Vater!
Aietes.
Du willst also?
Medea.
Hör' erst!
Ich will's versuchen, die Götter zu fragen,
Was sie gebieten was sie gestatten.
Und nicken sie zu, so steh' ich dir bei,
Helfe dir bekämpfen den Feind,
Helfe dir schmieden den Todespfeil
Den du abdrücken willst ins dunkle Gebüsch,
Nicht wissend, armer Schütze, wen du triffst.
Es sei! Du gebeutst, ich gehorche!
Aietes.
Medea, mein Kind, mein liebes Kind!
Medea.
Frohlocke nicht zu früh, noch fehlt das Ende.
Ich bin bereit; allein versprich mir erst,
Daß, wenn die Tat gelang, dein Land befreit,
Zu hoffen wag' ich's kaum, allein wenn doch,—
Du mich zurückziehn läßt, in diese Wildnis
Und nimmer mehr mich störst, nicht du, nicht andre.
Aietes.
Warum?
Medea.
Versprich's!
Aietes.
Es sei!
Medea.
Wohlan denn Herr,
Tritt ein bei deiner Magd, ich folge dir!
Aietes.
Ins Haus?
Medea.
Drin wird's vollbracht.
Aietes (zu Absyrtus).
So komm denn Sohn!
(Beide ab in den Turm.)
Medea.
Da gehn sie hin, hin die Verblendeten!—
Ein töricht Wesen dünkt mich der Mensch;
Treibt dahin auf den Wogen der Zeit
Endlos geschleudert auf und nieder,
Und wie er ein Fleckchen Grün erspäht
Gebildet von Schlamm und stockendem Moor
Und der Verwesung grünlichem Moder,
Ruft er: (Land)! und rudert drauf hin
Und besteigt's—und sinkt—und sinkt—
Und wird nicht mehr gesehn!
Armer Vater, armer Mann!
Es steigen auf vor meinen Blicken
Düstrer Ahnungen Schauergestalten,
Aber verhüllt und abgewandt
Ich kann nicht erkennen ihr Antlitz!
Zeigt euch mir (ganz), oder verschwindet
Und laßt mir Ruh, träumende Ruh!
Armer Vater! Armer Mann!—
Aber der Wille kann viel—und ich will.
Will ihn erretten, will ihn befrein
Oder untergehn mit ihm!
Dunkle Kunst, die mich die Mutter gelehrt
Die den Stamm du treibst in des Lebens Lüfte
Und die Wurzeln geheimnisvoll
Hinabsenkst zu den Klüften der Unterwelt,
Sei mir gewärtig!—Medea (will)!
Ans Werk denn!
(Zu einigen Jungfrauen die am Eingange des Turmes erscheinen.)
Und ihr des Dienstes Beflißne
Bereitet die Höhle, bereitet den Altar!
Medea will zu den Geistern rufen,
Zu den düstern Geistern der schaurigen Nacht
Um Rat, um Hilfe, um Stärke, um Macht!
(Ab in den Turm.)
(Pause. Dann tritt) Jason (rasch auf.)
Jason.
Hier hört' ich Stimmen!—Hier muß—Niemand hier?
Milo (hinter der Szene).
Holla!
Jason.
Hierher!
Milo (eben so).
Jason!
Jason.
Hier Milo, hier!
Milo (der keuchend auftritt).
Mein Freund, such' dir 'nen anderen Begleiter!
Dein Kopf und deine Beine sind zu rasch,
Sie laufen, statt zu gehn. Ein großer Übelstand!
Von Beinen mag's noch sein, da hilft das Alter,
Allein ein Kopf der läuft!—Glück auf die Reise!
Such' einen andern sag' ich, ich bin's satt!
(Setzt sich.)
Jason.
Wir haben, was wir suchten!—Hier ist Licht!
Milo.
Ja Lichts genug um uns da zu beleuchten
Und zu entdecken und zu schlachten, wenn's beliebt.
Jason.
Ei, Milo Furcht?
Milo
(rasch aufstehend). Furcht?—Lieber Freund, ich bitte Wäg' deine Worte eh du sprichst!
(Jason faßt entschuldigend seine Hand.)
Milo.
Schon gut!
Wir laufen, nu, die Worte laufen mit!
Doch ernst. Was suchst du hier?
Jason.
Kannst du noch fragen?
Die Freunde, sie, die mir hierher gefolgt,
Ihr Heil vertrauend meines Glückes Stern
Und Jasons Sache machend zu der ihren,
Sie schmachten, kaum dem schwarzen Schiff entstiegen,
Hier ohne Nahrung ohne Labetrunk
In dieser Küste unwirtbaren Klippen,
Kein Führer ist, der Wegeskunde gäbe
Kein Landmann bietend seines Speichers Vorrat
Und von der Herde triftgenährter Zucht.
Soll ich die Hände legen da in Schoß
Und müßig zusehn wie die Freunde schmachten?
Beim Himmel! Ihnen soll ein Führer werden
Und Trank und Speise, sollt' ich auf sie wiegen
Mit meinem Blut!
Milo.
Das treue, wackre Herz!
O daß du nicht des Freundes Rat gefolgt
Und weggeblieben bist von dieser Küste!
Jason.
Warum denn auch? Was sollt' ich wohl daheim?
Der Vater tot, mein Oheim auf dem Thron
Scheelsüchtig mich, den künft'gen Feind, betrachtend.
Mich litt es länger nicht, ich mußte fort.
Hätt' er nicht selbst, der Falsche, mir geboten
Hierher zu ziehn in dieses Inselland
Das goldne Götterkleinod abzuholen
Von dem man spricht, so weit die Erde reicht
Und das dem Göttersohne Phryxus einst,
Ihn selber tötend, raubten die Barbaren,
Ich wäre selbst gegangen, freien Willens,
Dem eckelhaften Treiben zu entfliehn.
Ruhmvoller Tod für ruhmentblößtes Leben
Mag's tadeln wer da will, mich lockt der Tausch!
Daß dich, o Freund, ich mitzog und die andern,
Das ist wohl schlimm, allein ihr wolltet's so!
Milo.
Ja freilich wollt' ich so und will noch immer
Denn sieh, ich glaub', du hast mir's angetan,
So lieb' ich dich und all dein Tun und Treiben.
Jason.
Mein guter Milo!
Milo.
Nein! 's ist unrecht sag' ich,
Ich sollt' der Klügre sein, ich bin der Ältre.
Hättst du mich hingeführt, wohin auch immer,
Nur nicht in dieses gottverlaßne Land.
Kommt irgend sonst ein Mann in Fährlichkeit,
Nu Schwert heraus und Mut voran. Doch hier
In dieses Landes feuchter Nebelluft
Legt Rost sich, wie ans Schwert, so an den Mut.
Hört man in einem fort die Wellen brausen,
Die Fichten rauschen und die Winde tosen,
Sieht kaum die Sonne durch der dichten Nebel
Und rauhen Wipfel schaurigen Versteck,
Kein Mensch rings, keine Hütte, keine Spur,
Da wird das Herz so weit, so hohl, so nüchtern
Und man erschrickt wohl endlich vor sich selbst.
Ich, der als Knabe voll Verwundrung horchte,
Wenn man erzählte, 's gäb' ein Ding
Die (Furcht) genannt, hier seh' ich fast Gespenster
Und jeder dürre Stamm scheint mir ein Riese
Und jedes Licht ein Feuermann. 's ist seltsam.
Was unbedenklich sonst, erscheint hier schreckhaft
Und was sonst greulich wieder hier gemein.
Nur kürzlich sah ich einen Bär im Walde,
So groß vielleicht als keinen ich gesehn
Und doch kams fast mir vor, ich sollt' ihn streicheln,
Wie einen Schoßhund streicheln mit der Hand,
So klein, so unbedeutend schien das Tier
Im Abstich seiner schaurigen Umgebung.
Du hörst nicht?
Jason (der indes den Turm betrachtet hat).
Ja ich will hinein!
Milo.
Wohin?
Jason.
Dort in den Turm.
Milo.
Mensch, bist du rasend?
(Ihn anfassend). Höre!
Jason (sich losmachend und das Schwert ziehend).
Ich will, wer hält mich? Hier mein Schwert! Es schützt mich
Vor Feinden wie vor überläst'gen Freunden.
Die erste Spur von Menschen find' ich hier
Ich will hinein. Mit vorgehaltnen Eisen
Zwing' einen ich von des Gebäuds Bewohnern,
Zu folgen mir, zu führen unsre Schar
Auf sichern Pfad aus dieses Waldes Umfang,
Wo Hunger sie und Feindeshinterhalt
Weit sichrer trifft als mich hier die Gefahr.
Sprich nicht! Ich bin entschlossen. Geh zurück
Ermutige die Schar. Bald bring' ich Rettung!
Milo.
Bedenk'!
Jason.
Es ist bedacht! Wer kann hier weilen
Im kleinen Hause, wüst und abgeschieden?
Ein Haushalt von Barbaren und was mehr?
Ich denk' du kennst mich! Hier ist nicht Gefahr
Als im Verweilen.—Keine Worte weiter!
Milo.
Doch wie gelangst du hin?
Jason.
Siehst du dort drüben
Gähnt weit ein Spalt im alternden Gemäuer.
Das Meer leiht seinen Rücken bis da hin
Und leicht erreich' ich's schwimmend.
Milo.
Höre doch!
Jason.
Leb' wohl!