Читать книгу Die Verwandlung - Franz Kafka, Franz Kafka, RMB - Страница 11
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Aus dem Neben-Zimmer rechts
flüstert Gregors Schwester:
„Gregor, der Prokurist ist da.“
„Ich weiß“, sagt Gregor leise vor sich hin.
Aber er sagt es so leise,
dass die Schwester es nicht hören kann.
Gregor wagt es einfach nicht, lauter zu sprechen.
Aus dem Neben-Zimmer links spricht nun der Vater:
„Gregor, der Herr Prokurist ist gekommen.
Er will wissen, warum du nicht gefahren bist.
Mit dem Früh-Zug, so wie immer.
Was sollen wir ihm denn nur sagen?
Er will auch mit dir persönlich sprechen.
Also bitte, mach die Tür auf.
Auch wenn dein Zimmer unordentlich ist.
Das wird er schon verzeihen, der Herr Prokurist.“
„Guten Morgen, Herr Samsa“,
ruft der Prokurist dazwischen.
Seine Stimme klingt freundlich.
„Gregor fühlt sich nicht wohl“, sagt die Mutter.
Der Vater spricht weiter zu Gregor an der Tür.
Die Mutter redet weiter zu dem Prokuristen:
„Gregor geht es nicht gut, glauben Sie mir.
Er hat noch nie einen Zug verpasst.
Der Junge denkt doch immer nur an das Geschäft.
Nie würde er einen Zug verpassen.
Und abends geht er auch nie aus.
Das ärgert mich schon fast.
Jeden Abend sitzt er hier zu Hause,
wenn er bei uns in der Stadt ist.
Dann sitzt er bei uns am Tisch.
Er liest still die Zeitung.
Oder er sieht die Fahr-Pläne durch.
Für seine Geschäfts-Reisen.
Manchmal bastelt er auch.
Sachen aus Holz. Schnitz-Arbeiten.
Kürzlich hat er einen Bilder-Rahmen gemacht.
Aus Holz hat er den geschnitzt.
Sie werden staunen, wie hübsch er ist.
Er hängt in seinem Zimmer.
Sie werden den Bilder-Rahmen sehen,
wenn Gregor gleich aufmacht.
Ich bin froh, dass Sie da sind, Herr Prokurist.
Wir alleine würden es nicht hinbekommen,
dass Gregor die Tür öffnet.
Es geht ihm bestimmt nicht gut.
Auch wenn er es heute Morgen
nicht zugegeben hat.“
„Ich komme gleich“,
sagt Gregor langsam und sorgfältig.
Er bewegt sich nicht.
Er will jedes einzelne Wort mitbekommen,
das da draußen gesprochen wird.
„Gnädige Frau“, sagt der Prokurist zu der Mutter.
„Anders kann ich mir das auch gar nicht vorstellen.
Hoffentlich ist nichts Ernstes mit Ihrem Sohn.
Andererseits muss ich sagen:
Man muss ein Unwohl-Sein
auch überwinden können.
Dem Geschäft zuliebe.“
Der Vater klopft ungeduldig an Gregors Tür.
„Kann der Herr Prokurist jetzt zu dir rein?“
„Nein!“, sagt Gregor.
Alle schweigen peinlich im linken Zimmer.
Im Zimmer nach rechts
beginnt die Schwester zu weinen.
Gregor fragt sich:
Warum geht die Schwester nicht
zu den anderen rüber?
Vielleicht ist sie gerade erst aufgestanden?
Vielleicht ist sie noch gar nicht angezogen?
Und warum weint sie?
Weil er, Gregor, noch nicht aufgestanden ist?
Weil er den Prokuristen nicht reinlässt?
Weil er, Gregor, vielleicht seine Arbeit verliert?
Weil der Chef dann bei den Eltern
wieder die Schulden eintreibt?
Das sind doch alles unnötige Sorgen, denkt Gregor.
Noch bin ich ja hier.
Ich werde doch nicht die Familie verlassen.
Und ich werde weiter für die Familie sorgen.
Im Moment liegt Gregor aber noch auf dem Teppich.
In diesem Zustand kann er keinen hereinlassen.
Schon gar nicht den Prokuristen.
Das kann doch jeder verstehen.
Da kann keiner von ihm verlangen,
die Tür zu öffnen.
Am besten ist,
alle lassen ihn jetzt in Ruhe.
Am besten ist,
sie stören ihn nicht weiter mit Reden und Weinen.
Aber Gregor versteht, warum sie sich so verhalten.
Die Eltern, die Schwester, der Herr Prokurist.
Sie wissen ja nicht,
was vorgefallen ist.