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2.

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Der Spanier Don Juan de Alcazar und Blacky hatten in Surat einen schweren Stand. Beide waren schwarzhaarig und hatten einen kräftigen, braunen Teint und dunkle Augen, aber von den Indern unterschieden sie sich doch ganz beträchtlich, nicht nur, was ihre Kleidung betraf. Sie hatten auch noch Plymmie dabei, die gefährlich aussehende Wolfshündin.

So fielen sie überall auf, und neugierige Augen musterten sie immer wieder.

Als einzige der Arwenacks befanden sie sich noch in Freiheit. Es war ihnen gelungen, die Portugiesen abzuschütteln, von denen sie hinterhältig verraten und verkauft worden waren.

Jetzt waren die Portugiesen und etliche Inder noch immer hinter ihnen her und suchten sie.

Sie hatten Stenmark und Bill nach einer wüsten Keilerei überwältigt. Dann war der Profos untergetaucht und ganz plötzlich verschwunden. Aber auch ihn hatten sie solange gehetzt und gejagt, bis er gegen die Übermacht aufgeben mußte.

Das letzte Bild, das Don Juan und Blacky von ihm noch in der Erinnerung hatten, war sehr betrüblich. Inder und Portugiesen hatten Carberry überwältigt und in Ketten gelegt. Der Profos hatte noch ein halbes Dutzend von ihnen in einem wilden Kampf abgeräumt, ehe er hoffnungslos untergegangen war. Er wurde zum Palast geschleppt, wo sich auch die anderen Arwenacks befanden.

Juan und Blacky hatten sich daraufhin abgesetzt, und jetzt irrten sie in Surat herum, gesucht von ihren Verfolgern.

„Dort hinüber, Blacky“, sagte der Spanier. „Sie suchen uns immer noch am Hafen und der näheren Umgebung. Wir versuchen, weiter oberhalb des Flusses in Dschungelnähe zu bleiben. Dort sind wir vor Überraschungen einigermaßen sicher.“

Surat war nur ein Nest, aber es dehnte sich am Tapti aus und zog sich in die Länge. Der Fluß führte zur Zeit lehmiges Wasser mit sich und war eine dunkle Brühe, die sich schwerfällig in den Golf von Cambay ergoß.

Von hier aus sahen sie noch den Palast mit seinen Kuppeln und einen Teil der Gartenanlage. Alles wirkte sehr prunkvoll, denn so liebte es der Padischah von Surat.

Blacky nickte. Er warf einen Blick zurück, sah aber keine Verfolger. Das hieß jedoch nicht, daß die anderen aufgegeben hatten. Sie würden sich weiter durchfragen und ihre Spur auch bald wieder finden. Die Wolfshündin Plymmie fiel zu sehr auf.

Sie bogen in einen malerisch wirkenden Weg ein. Auf der linken Seite standen kleine Häuser, die mit Reisstroh gedeckt waren. Hühner kratzten im Staub und nahmen Reißaus, als sie den Hund sahen. Die Vorderseiten der Hütten waren offen mit einer Art Veranda, die von zwei Pfosten getragen wurden. Im Schatten unter den Strohdächern hockten Inder – alte Leute, Frauen und kleinere Kinder, die ihnen neugierig entgegensahen.

Hütte reihte sich an Hütte, und alle waren von unglaublich vielen Leuten bewohnt. Auf der rechten Seite gab es ein paar baufällige Ställe aus Bambus.

Das Malerische an diesem Weg aber waren der Tempel, der am Ende stand, und die hohen Kokospalmen, die alles überragten. Der Tempel war in dem Palmenhain eingebettet, seine drei Dächer glänzten golden im Schein der morgendlichen Sonne.

Hinter dem Tempel begann Dschungel, rechts dahinter lag wieder der Fluß Tapti.

Don Juan hoffte nur, daß der Weg an dem Tempel nicht übergangslos zu Ende war. So sah es jedenfalls auf den ersten Blick aus. Es schien eine Sackgasse zu sein.

„Da scheint Schluß zu sein“, murmelte Blacky, der darauf achtete, daß Plymmie immer genau an ihrer Seite blieb. Die Wolfshündin trottete neben ihnen her, schnüffelte aber ständig und sehr wachsam, denn immer neue Gerüche weckten ihr Interesse.

Die Inder, die im Schatten vor ihren Hütten hockten, starrten sie mit offenen Mündern an. Ihre Blicke folgten ihnen neugierig, und ein paar standen auf, um ihnen hinterherzuschauen.

„Wir fallen wirklich auf wie grüne Hunde“, sagte Blacky seufzend. „Jeder, der einmal nachfragt, erhält eine genaue Beschreibung von uns und weiß, in welche Richtung wir gegangen sind.“

Der Spanier zuckte mit den Schultern.

„Ist leider nicht zu ändern. Zum Glück haben wir noch unsere Waffen und auch Plymmie. Damit können wir uns Verfolger schon für eine Weile vom Leib halten.“

Der Weg war vor dem Tempel zu Ende. Vor dem offenen Eingang standen zwei Buddhafiguren mit ihrem unergründlichen Lächeln. Beide waren mächtig beleibt. Der eine hatte die Hände über seinem dicken Bauch verschränkt, der andere eine Hand wie zum Gruß erhoben. Sein Lächeln war besonders milde und sollte wohl eine beschützende Geste darstellen.

Es gab einen weiteren Pfad, der rechts abbog. Er war nur sehr schmal und führte auf einem Umweg wieder zum Tapti. In der Nähe des Flusses ließen sich ihre Spuren am besten verwischen.

Bevor sie auf den Pfad einbogen, sah sich Don Juan noch mal gründlich nach allen Seiten um.

Die Inder standen auf dem Weg und starrten ihnen fast fassungslos nach. Keine der Gestalten rührte sich. Dicht über dem Boden hing eine dunstige Staubschicht, die ihre Stiefel aufgewirbelt hatte. Die Wolke senkte sich nur sehr langsam.

Auf dem Dschungelpfad stand einsam eine Kuh, die sie anglotzte, aber nicht zur Seite wich. Sie sprang erst dann mit einem Satz weg, als die Hündin zu schnüffeln begann.

Der Pfad führte weiter zum Fluß hinunter und auf ein riesiges Reisfeld. Der Untergrund wurde matschig und etwas morastig.

Sie mußten hindurchwaten, bis der Boden fester wurde und sie das Ufer des Tapti erreichten.

Don Juan setzte sich auf einen halbvermoderten Baumstumpf. Blacky blieb stehen und versuchte hinter die Biegung des Flusses zu blicken, doch er sah nur zwei armselige Hütten weiter im Westen. Nach ein paar Augenblicken setzte er sich ebenfalls auf den Baumstumpf.

Lange Zeit schwiegen sie, jeder in seine eigenen Gedanken versunken, bis der Spanier sich räusperte.

„Eine verdammte Situation, aber damit sage ich wohl nichts Neues. Es liegt jetzt an uns, wie wir sie meistern. Wir müssen etwas unternehmen, aber was?“

„Das frage ich mich ununterbrochen“, murmelte Blacky. Er schrak zusammen, als Plymmie eine dicke Kröte aufstöberte. Sie sprang mit einem Satz auf den Baumstamm, beäugte die beiden Männer und sprang sofort weiter.

„Zunächst sollten wir überlegen, was wir zur Befreiung unserer Kameraden unternehmen könnten. Doch da sind die Aussichten ziemlich düster. Sie sind in dem Palast, und wahrscheinlich hat man sie in ein Verlies gesteckt.“

„Der Palast ist scharf bewacht. Das haben wir ja gesehen, als sie Ed schnappten. Wir beide können da wohl kaum etwas ausrichten. Ich fürchte nur, daß man sie umbringen wird. Die Portus haben das ja so hingetrickst, daß wir als Piraten dastehen und angeblich eins ihrer Schiffe versenkt haben. Was mag dahinterstecken?“

„Wenn ich das wüßte! Wir haben sämtliche Inder gegen uns, die Portus suchen uns ebenfalls, und ein Schiff haben wir auch nicht mehr. Leider haben die Zwillinge bei dem Kampf auch noch ein Boot der Inder versenkt. Ich hoffe immer noch, daß alles ein Mißverständnis ist.“

„Ist es auch“, ereiferte sich Blacky. „Hier geht etwas nicht mit rechten Dingen zu, aber ich zerbreche mir vergeblich den Kopf darüber. Was also können wir tun?“

Die Hitze legte sich wie ein Schleier um sie. Don Juan hatte sein Hemd bis zum Bauchnabel geöffnet. Kleine, aufdringliche Fliegen umsummten sie und setzten sich auf die Haut. Sie waren so lästig, daß sie sich mühelos totschlagen ließen. Es wurden immer mehr.

„Wir müssen zuerst herausfinden, was mit unseren Freunden geschehen soll“, sagte Don Juan. „Uns brennt die Zeit, unter den Nägeln. Seit ich weiß, wie kompromißlos der Padischah reagiert, befürchte ich das Schlimmste. Außerdem ist er ein Freund pompöser Auftritte und wird seinen nichtsnutzigen Untertanen ein Schauspiel bieten wollen. Ein Schauspiel der Hinrichtung, meine ich.“

Blacky schluckte einen Kloß herunter, der ihm im Hals steckte. Er hatte ziemlich lange daran zu würgen.

„Du meinst wirklich …?“

Don Juan nickte bedächtig. „Ich fürchte, wir haben nicht mehr viel Zeit.“

„Der kann doch nicht eine ganze Mannschaft hinrichten lassen!“ rief Blacky empört.

„Der kann, und er wird auch, verlaß dich darauf. Wer sollte es ihm denn verbieten? Schon der ganze riesige Aufwand hat mich stutzig werden lassen, als die Schlägerei losging. Irgend jemand muß diesen Mann aufgehetzt haben, weil er so scharf auf uns ist.“

„Die Portugiesen natürlich.“

„Die auch, aber es steckt noch mehr dahinter, und das werden wir herausfinden. Einiges ist mir recht schleierhaft.“

Die kleinen Fliegen wurden immer lästiger. Don Juan wischte sich ein paarmal mit der Hand durch das Gesicht. Schließlich stand er auf.

Diese Flußecke hier war wie der Vorhof zur Hölle und ein Brutplatz für Insekten aller Art. Vom Boden stieg unangenehmer warmer Brodem auf, der ihnen die Luft nahm und Schweiß auf die Gesichter trieb. Auf dem Reisfeld bildete sich in Kniehöhe eine dampfende Nebelschicht. In der wabernden Suppe tanzten Schwärme von Insekten.

„Gehen wir“, sagte der Spanier. „Hier hält man es kaum noch aus. Sehen wir zunächst mal nach unserer Schebecke, dann besorgen wir uns etwas zu essen und schleichen später auf Umwegen zum Palast, um herauszufinden, was da passieren soll. Oder hast du eine bessere Idee?“

„Ich finde deinen Vorschlag in Ordnung. Essen und trinken müssen wir schließlich, um bei Kräften zu bleiben. Und auf unser Schiff sollten wir ebenfalls einen Blick werfen. Wer weiß, was sich da inzwischen getan hat.“

„Wahrscheinlich nicht viel. Es wird von den Kerlen besetzt sein. Und wir allein können nichts dagegen unternehmen. Wir werden aber trotzdem nach einer Möglichkeit suchen.“

Sie brachen auf und hielten sich dicht am Tapti. Kein Windhauch bewegte die Luft. Es wurde immer schwüler und drückender. Die Mücken wurden zu einer einzigen Plage.

Das Flußufer des Tapti war eine dschungelähnliche Wildnis. Ein Mangrovenwald versperrte ihnen den Weg. Zwischen den hohen Stelzwurzeln konnten sie sich nicht bewegen. Zudem war der Untergrund morastig und von blasenwerfendem Schlamm.

Don Juan zerbiß einen Fluch zwischen den Zähnen.

„Wir müssen einen Bogen schlagen, Blacky. Den Weg hier durch die Mangroven schaffen wir nicht.“

Blacky war auch nicht davon begeistert, zwischen den vielen Wurzeln durchstolpern zu müssen. Nur Plymmie schien es nicht zu stören.

Sie fanden etwas weiter links einen Verhau, durch den es sich leichter gehen ließ. Den Weg durch Surat wollten sie nicht nehmen, dort lauerten immer noch Portugiesen und Inder auf sie.

Kurz darauf hatten sie den übelriechenden Mangrovenwald umgangen und konnten sich wieder am Flußufer bewegen. Wenn sie bis zur Krümmung gingen, konnten sie einen Blick auf den Hafen werfen und sogar noch näher herangehen, ohne entdeckt zu werden.

Auf der linken Seite befand sich wieder ein Reisfeld, das abrupt vor der Wildnis endete.

Die Wolfshündin blieb plötzlich stehen und witterte. Aus ihrer Kehle drang ein heiseres Knurren. Ihr Nackenfell sträubte sich.

„Vermutlich ein Tier“, sagte Blacky.

Juan de Alcazar blickte sich mißtrauisch nach allen Seiten um, aber in dem Gewirr von Bäumen, Palmen und Sträuchern konnte er nichts entdecken.

Ein leises Knacken im Gehölz ließ ihn blitzartig herumfahren. Gleich darauf glitt ein Lächeln über sein Gesicht.

In einem Palmenwipfel turnte ein kleines Äffchen, das neugierig zu ihnen hinuntersah. Es hatte das leise Knacken verursacht.

„Also doch ein Tier“, sagte Blacky erleichtert. „Aber warum benimmt sich Plymmie so seltsam?“

Die Hündin knurrte noch ganz leise. Das Knurren drang ganz tief aus ihrer Kehle. Ihre Ohren waren hoch aufgestellt, das Fell immer noch etwas gesträubt. Sie starrte auf einen Punkt in der Wildnis, an dem absolut nichts zu sehen war.

„Noch ein weiteres Tier“, meinte Blacky.

Seltsamerweise schenkte die Wolfshündin dem kleinen Äffchen nicht die geringste Aufmerksamkeit. Sie schien einen anderen Geruch wahrgenommen zu haben.

Juan hielt Blacky am Arm fest, als der weitergehen wollte.

„Langsam“, raunte er. „Da ist noch etwas anderes. Ich kann aber leider nichts erkennen.“

Das Knurren verstärkte sich. Die Hündin schien irritiert zu sein, denn sie wandte sich einmal nach rechts, dann wieder nach links.

Don Juan griff nach seiner Pistole im Hosenbund, doch er konnte sie nicht mehr herausziehen.

Der Lauf einer Muskete schob sich durch das Dickicht. Ein Sonnenstrahl ließ die Waffe grell aufblinken.

Blacky fuhr herum und erstarrte, als er einen Mann sah, der links hinter ihnen so plötzlich auftauchte, als sei er buchstäblich aus dem Boden gewachsen.

„Nehmt die Knochen hoch und bewegt euch nicht“, sagte der Mann auf portugiesisch. Die Stimme klang kalt und entschlossen.

Der zweite Mann mit der Muskete tauchte auf und lachte höhnisch. Jetzt waren zwei Waffen auf sie gerichtet.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 659

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